Lichtpakete im Kreisverkehr Physiker entwickeln mit Kollegen aus

URL: http://www.uni-jena.de/Forschungsmeldungen/FM170228_Berry_Kr%C3%BCmmung.pdf
Lichtpakete im Kreisverkehr
Physiker entwickeln mit Kollegen aus Erlangen und Trento (Italien) ein
Messverfahren für die sogenannte Berry-Krümmung in optischen
Systemen
Foto: Anne Günther
Doktorand Martin Wimmer kontrolliert mit einem Fasermikroskop die Qualität von
Fasersteckverbindungen im dahinter zu sehenden Versuchsaufbau. Dieser besteht aus zwei etwa
einen Kilometer langen Glasfaserringen und der zur Vermessung der Pulsausbreitung nötigen
elektronischen Messtechnik.
Es ist ein Konzept, das sich schon auf vielen Waldspaziergängen bewährt hat: Wenn ich an jeder
Abzweigung immer in die gleiche Richtung abbiege, komme ich - über kurz oder lang - wieder an
meinen Ausgangspunkt zurück. Auch wer sich durch ein Labyrinth tastet, wird mit dieser Methode
irgendwann zum Eingang zurückfinden. "Physikalisch betrachtet, vollzieht der Spaziergänger oder
der Besucher des Labyrinths einen Kreisprozess", erläutert Prof. Dr. Ulf Peschel von der
Lichtpakete im Kreisverkehr
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Friedrich-Schiller-Universität Jena.
Lange Zeit ging die Wissenschaft davon aus, dass ein System, das einen solchen geschlossenen
Zyklus durchläuft, wieder vollständig in seinen Ausgangszustand zurückkehrt. Doch anders als im
Falle des Spaziergängers, so erläutert Physiker Peschel, stimmt das für physikalische Systeme
nicht immer. "Heute wissen wir, dass bei Kreis- oder Pendelbewegungen eine sogenannte
geometrische Phase akkumuliert werden kann, ein Effekt, der vor allem in der Quantenmechanik
wichtig ist", sagt Prof. Peschel. Diese nach ihrem Entdecker Michael Berry auch Berry-Phase
genannte Größe, beschreibt eine Phasenverschiebung der Wellenfunktion des Systems und kann
z. B. die Ursache von Interferenzphänomenen sein. Aber auch der Elektronentransport in
Halbleiterfilmen und Graphen wird durch eine etwas abstraktere Systemgröße - die
Berry-Krümmung - stark beeinflusst.
Lichtpulse durchlaufen gekoppelte Glasfaserschleifen
Obwohl geometrische Phasen in vielen physikalischen Prozessen eine große Rolle spielen, konnte
die Berry-Krümmung bisher nur in wenigen Fällen gezielt charakterisiert werden. Einem
Forscherteam der Universitäten Jena, Erlangen und Trento (Italien) ist es nun jedoch gelungen, ein
Messverfahren zur Bestimmung der Berry-Krümmung in optischen Systemen zu entwickeln. In der
aktuellen Ausgabe der renommierten Zeitschrift "Nature Physics" stellen die Physiker um Prof.
Peschel ihre Ergebnisse vor (DOI:10.1038/NPHYS4050).
Für ihre Untersuchungen haben sie Lichtpakete immer wieder durch zwei gekoppelte
Glasfaserschleifen geschickt: Die eine Schleife war exakt 1.000 Meter lang, die andere 7 Meter
länger. "Nach 200 Umläufen, also rund 200 Kilometern Weg, haben wir die Ankunftszeit der
Lichtpulse gemessen", so Doktorand Martin Wimmer, der Erstautor der Studie. Wurde zusätzlich
der Brechungsindex in den Schleifen zyklisch ein klein wenig moduliert und damit eine
Berry-Krümmung im Gesamtsystem induziert, stellten die Forscher überrascht fest, dass Lichtpulse
mal die kürzere oder mal die längere Schleife bevorzugten und deshalb nicht zur eigentlichen
erwarteten Zeit, sondern etwas früher oder später eintrafen. Die präzise Vermessung der
Ankunftszeiten der Lichtpulse erlaubte so die erstmalige Vermessung der Berry-Krümmung in
einem optischen System.
Da das Experiment einem Telekommunikationsnetzwerk sehr ähnlich ist, fragen sich die Physiker
der Uni Jena nun, ob auch dort solche Effekte eine Rolle spielen. "Immerhin werden Daten heute
fast ausschließlich als optische Pulse durch Glasfasern übertragen, wobei die wesentliche
Information in der Ankunftszeit der Pulse kodiert ist", so Peschel. "Wir fragen uns, was passiert,
wenn statt der, wie von uns bisher verwendeten, schwachen Pulse, Wellenpakete mit sehr hohen
Spitzenleistungen propagieren. Außerdem spielen in der Telekommunikation Verluste und
Verstärkung eine große Rolle, Effekte, die wir nun im Zusammenhang mit der Berry-Krümmung
experimentell untersuchen wollen", kündigt Prof. Peschel an.
Original-Publikation:
Wimmer M et al. Experimental measurement of the Berry curvature from anomalous transport,
NATURE PHYSICS (2017), DOI:10.1038/NPHYS4050
Kontakt:
Prof. Dr. Ulf Peschel
Institut für Festkörpertheorie und -optik der Friedrich-Schiller-Universität Jena
Helmholtzweg 4, 07743 Jena
Physiker entwickeln mit Kollegen aus Erlangen und Trento (Italien) einMessverfahren für die sogenannte Berry-Krümmung in optischenSystemen
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Tel.: 03641 / 947170
E-Mail: [email protected]
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