bsz- Ausgabe 1116 vom 1. März 2017 - Bochumer Stadt

:bsz
DEINE
BOCHUMER STADT- &
STUDIERENDENZEITUNG
AUSGABE 1116
1. MÄRZ 2017
GELDGRAB
… für Uni? Angekaufte
Wollschläger-Immobilie unter Kritik
2
GUNST
… für Nachhaltigkeit?
Geplante Windparks
auf Prüfstand
3
GERECHTIGKEIT
… für Studentinnnen?
Vorsätzlicher Sexualstraftäter vor Gericht
4/6
GEGNER
… für Konkretes? Zweifelhafte Porno-Politik
unter Beschuss
5
Mit Handykameras auf der Suche nach einem innovativen Erzählen: Kai Bernhardt leitete einen Kurs, der jetzt unter dem Motto
„Big Films with Smartphones“ die filmischen Ergebnisse präsentiert.
Foto-Quelle: Christoph Ranft
:bsz ank – Die Glosse
Der
gute
Bundesnachrichtendienst,
immer mal wieder in der Kritik, neuerdings wegen Bespitzelungen ausländischer JournalistInnen. Nichts Neues
Großes Kino aus dem Mobiltelefon
VIDEOINSTALLATION: Smartphone raus, and Action: Das haben sich Studierende gedacht. Herausgekommen ist die Videoshow „Big Films with Smart Phones“ im Musischen Zentrum.
eigentlich. Bespitzelt werden wir alle.
Hier ’ne Kamera, da noch eine. Ständig
wird man aufgezeichnet. WhatsApp
speichert Nachrichten, Skype schneidet Telefonate mit. Wer glaubt denn
ernsthaft, dass er nicht bespitzelt würde? Ich kann ja nicht mal ungesehen in
der U35 in der Nase bohren oder mich
Noch einmal haben alle die Möglichkeit, am 9. und 10. März die Videoinstallation „Big Films with Smart Phones“
im Musischen Zentrum zu besuchen.
Experimentiert wurde im MZ-Kurs mit
den Schnitt- und Drehmöglichkeiten,
die Smartphones mittlerweile bieten.
Von Reportagen, interaktive Filmessays bis hin zu echten Horrorschockern ist alles dabei.
Zudem gibt es Installationen, die
zum gemütlichen Liegen und Kuscheln
einladen. Wir haben uns die Videoshow
im Musischen Zentrum angeschaut und
mit Kursleiter Kai Bernhardt gesprochen.
Was Euch sonst noch alles erwartet, lest
Ihr auf Kultur:schock.
:Die Redaktion
MEHR AUF SEITE 5
am Hintern kratzen, ohne dass der/die
Bogestra-MitarbeiterIn sich noch zwei
Stunden später daran erfreuen kann.
Jede Belanglosigkeit von „Was essen
wir zu Mittag?“ bis zu „Guck mal, mein
neues Nippelpiercing“ wird über Social
Media oder Messengerdienste kom-
Richtigstellung zur PCB-Belastung an der RUB
Chemikalien: In der :bsz 1113 erschien ein Artikel zum Thema PCB-Belastung an der RUB, der hier
richtiggestellt werden muss. So kann von „Entwarnung“ keine Rede sein.
muniziert – und womöglich von fremden Augen mitgelesen. Völlig abwegig,
In besagter Ausgabe wurde im Artikel
lich einzustufen ist. Nach jahrelanger
Beschaffenheiten der PCB-Quellen inner-
dass Menschen, bei denen was zu ho-
von „Entwarnung“ gesprochen, was nicht
Exposition kann es also zu Krebs führen.
halb der Räumlichkeiten diese vorläufigen
len ist, die selber auf der Suche nach
behauptet werden kann. Die Interventi-
Unbedenklich sind damit nur Neubauten
Maßnahmen unterschiedlich erfolgreich
Informationen, nach Neuigkeiten, nach
onsgrenze für belastete Räumlichkeiten
oder kernsanierte Gebäude.
sind. Dementsprechend ist es beson-
Unbekanntem, nach nicht Öffentlich-
beträgt 3000 ng/m³, weswegen die Ver-
keitstauglichem sind, auch beobachtet
waltung der RUB auch sämtliche Räum-
werden. Traurig, dass es für unsereins
lichkeiten, die diesen Wert überschreiten,
Die Sanierung der Gebäude der N- und
PCB-Aufnahme zu verringern.
so unnormal normal geworden ist, sich
gesperrt hat. Die aktuell gültige maximale
G-Reihe werden, ab einer Konzentration
Das in der :bsz 1113 erwähnte Biomo-
:ken
Arbeitsplatzkonzentration (MAK) für eine
von 300 ng/m³, vom Bau- und Liegen-
nitoring ist ein freiwilliges Angebot für
Aufenthaltsdauer von acht Stunden pro
schaftsbetrieb NRW (BLB) durchgeführt.
MitarbeiterInnen, allerdings lassen die
Tag am Arbeitsplatz beträgt laut Deut-
Die komplette Beseitigung ist jedoch
bisweilen erfassten Werte keine statisti-
scher Forschungsgemeinschaft allerdings
nicht sofort zu erreichen. Dafür wäre eine
sche Auswertung zu. Zwar sind die Werte
3000 ng/m³. Wichtig ist hierbei zu wissen,
Kernsanierung der Gebäude notwendig.
bisher nicht besorgniserregend, aber sie
dass die akute Toxizität von PCB verhält-
Allerdings finden Vorabsanierungen statt,
unterliegen genauer Beobachtung.
nismäßig gering ist, wobei die chronische
bis jene möglich ist. Es gilt aber auch an-
Belastung mit PCB als durchaus gefähr-
zumerken, dass durch die verschiedenen
alles gefallen zu lassen.
BESUCHE UNS IM NETZ
Alle Artikel und mehr im Internet unter:
www.bszonline.de
www.facebook.de/bszbochum
Sanierungsmaßnahmen erfolgen
ders ratsam in belasteten Räumen so oft
wie möglich zu lüften, um das Risiko der
:Dennis Rosinski
2
UNI:VERSUM
1. MÄRZ 2017
:bsz 1116
Wollschläger-Immobilie im Kreuzfeuer
CAMPUSENTWICKLUNG: Im Oktober 2015 wurde bekannt, dass die Ruhr-Universität Bochum den ehemaligen Wollschläger Standort in
Bochum Langendreer gekauft hat. Die neuen Pläne zu Mark 51°7 in Bezug auf die WorldFactory werfen an der RUB neue Diskussionen auf.
Bei der Wollschläger-Immobilie handelt es
der Universitätskommission für Planung,
kann keine Rede
sich um einen Komplex, der 2.000 Quad-
Struktur und Finanzen, welches der :bsz
sein. Vor 2021/22
ratmeter Bürofläche und eine 10.000 Qua-
vorliegt, wird von einem Gesamtvolumen
kann es gar keinen
dratmeter große Werkhalle umfasst. Sie
der Investitionen von rund 10 Millionen
Umzug nach Mark
soll noch in diesem Jahr in das Projekt
Euro gesprochen. „Die Betriebskosten
51°7
WorldFactory der Ruhr-Universität einge-
sind da noch nicht mit drin. Ein derart
ja erst einmal ge-
bunden werden. Dort soll für das Gründer-
energieintensives Projekt wie die World-
plant und gebaut
projekt der Ruhr-Universität ein Fabrikati-
Factory hat da sicher hohe Betriebskos-
werden muss“, so
onslabor entstehen, in dem Studierende
ten. Die Halle fasst 10.000 Quadratmeter
Prof. Uta Hohn,
Zugang zu Produktionsmitteln und moder-
und diese Fläche gilt es zu beheizen, mit
Prorektorin für Pla-
nen industriellen Produktionsverfahren er-
Strom und Wasser zu versorgen und ver-
nung und Struktur.
halten. Mit dem Bekanntwerden des Kon-
waltungstechnisch zu betreuen. Da kann
In einer Stellung-
zepts „Campusentwicklung³“, bei dem die
man schon von einem Betrag von einer
nahme gegenüber
Universität mit der WorldFactory auf Mark
halben Million im Jahr ausgehen“, so Pe-
der :bsz erklärt
51°7 umziehen will, begannen Diskussio-
wny weiter.
Hohn: „Die RUB
nen über den Nutzen der Investition.
Außerdem wurde bekannt, dass das einst
hat
als Industrielager genutzte Gebäude auf-
schläger-Immobilie zu einem Zeitpunkt
Kauf der Wollschläger-Immobilie. Der
Betrag von 15 Millionen Euro „entbehrt
„Eigener kleiner BER“
geben,
die
da
Woll-
Von der Lagerhalle zur Campuseinrichtung: Die Pläne zur ehemaligen Wollschläger-Immobile sorgen für Diskussionen.
Foto: Public Domain
wendig in Höhe mehrerer Millionen Euro
erworben, als eine Entscheidung für ein
Sebastian Pewny, studentisches Mitglied
saniert werden muss. Als öffentliches Ge-
Engagement beim Aufbau eines Wissen-
jeder Grundlage“, so Hohn weiter. Die An-
der Universitätskommission für Planung,
bäude müssen höhere Ansprüche erfüllt
schafts-, Innovations- und Technologie-
frage nach Details und Belegen zu den
Struktur und Finanzen, schätzt die Pläne
werden. „Im besten Fall sind wir am Ende
quartiers auf Mark 51°7 noch nicht ab-
tatsächlichen Kosten blieben bis Redak-
für die Wollschläger-Immobilie als „extrem
bei Kosten von 12, im schlechtesten Fall
sehbar war und vor allem als dort keine
tionsschluss allerdings unbeantwortet.
unvorteilhaft“ ein. „Die Gefahr besteht,
bei Kosten von 15 Millionen Euro für einen
Entwicklungsflächen kurzfristig verfügbar
Auch die Zukunft der Immobilie nach dem
dass die RUB mit der Wollschläger-Immo-
Übergangsbau von zwei bis drei Jahren.“
waren.“ Der sogenannte Letter of Intent
Umzug der WorldFactory nach Mark 51°7
zwischen der RUB und der Stadt Bochum
ist unklar. Laut Hohn liegen bisher keine
wurde erst am 22. September 2016 un-
detaillierten Pläne vor.
bilie ihren eigenen kleinen BER geschaffen
hat“, so Pewny.
Im Ergebnisprotokoll der 77. Sitzung
Rückenmark bestimmt Händigkeit
FORSCHUNG: Anders als bisher ge-
Nutzungsdauer bis 2021/2022
„Von einer Nutzungsdauer von 2 Jahren
:Andreas Schneider
terzeichnet. Also fast ein Jahr nach dem
Nachträgliche Glückwünsche
JUBILÄUM: Anlässlich des 50. Geburtstags der :bsz im Februar
gratulierten das Akafö und das Schauspielhaus Bochum.
dacht, wird die Rechts- oder Linkshändig-
StuPa-Sprecher
tritt zurück
HOCHSCHULPOLITIK: Am 21. Februar verkündete Kai Rodehüser (NAWI)
keit womöglich nicht durch das Gehirn
seinen Rücktritt als Sprecher des 50.
bestimmt, sondern durch das Rücken-
Studierendenparlaments (StuPa). Die
Akademi-
mark. Das fand das Forschungsteam
Position des StuPa-Sprechers gab Kai
um Privatdozent Dr. Sebastian Ocklen-
Schauspiel-
sches För-
bereits nach zweimonatiger Amtsinha-
burg, Judith Schmitz und Prof. Onur Gün-
haus
derungswerk
be auf. Zuvor war er stellvertretender
türkün an der RUB heraus. Sie vermuten,
Bochum
(Akafö)
Sprecher des 49. Studierendenparla-
dass Asymmetrien im Rückenmark für
ments.
die Präferenz der rechten oder linken
SeinE NachfolgerIn soll am 3. März auf
Hand verantwortlich sein könnten.
der 5. StuPa-Sitzung gewählt werden.
Seit den 80er Jahren ist bekannt,
Das Schauspielhaus Bochum wünscht
dass sich die Händigkeit bereits im Mut-
der :bsz alles Gute zum 50. Jubiläum.
terleib abzeichnet; neu ist jetzt, dass sie
Seit der Einführung unserer Flatrate, die
unsere herzlichsten Glückwünsche zum 50.
nicht durch die unterschiedliche Genakti-
es RUB-Studierenden ermöglicht, regel-
Geburtstag! Wir freuen uns auf weiterhin
Ebenso tritt Kai Rodehüser von seinen
vität im Gehirn bedingt wird. „Die Ergeb-
mäßiger ins Schauspielhaus zu kom-
gute Zusammenarbeit, kritische Berichte
Sitzen des Haushalts- und Satzungs-
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
Bis dahin übernimmt Felix Pascal Joswig (Jusos), jetztiger stellvertretender
StuPa-Sprecher, seine Aufgaben.
nisse verändern unser Verständnis über
men, sind wir noch enger zusammen-
und eine Menge Lesespaß – weiter so.
ausschusses zurück – seinen Sitz als
den Ursprung hemisphärischer Asym-
gewachsen. Wir freuen uns über den
Die :bsz nimmt unter den deutschen Cam-
Parlamentarier wird er vorerst behalten.
metrien fundamental“, so die Biopsy-
lebendigen Austausch!
pus-Publikationen eine verdiente Sonder-
Als Gründe für den Rücktritt nannte er
chologInnen. Die Ursache für die Asym-
stellung ein, wir sind froh, an einem Hoch-
den intensiven Zeitaufwand und die
metrie vermuten die ForscherInnen in
Olaf Kröck, Schauspielhaus Bochum,
schulstandort mit einem Qualitätsmedium
Aufmerksamkeit, die die Hochschulpo-
Umwelteinflüssen, die sich epigenetisch
Chefdramaturg und designierter Inten-
wie Ihrer Zeitung arbeiten zu dürfen. Danke
litik benötige. Darunter leide mittlerwei-
abzeichnen. Diese können dazu führen,
dant der Spielzeit 2017/2018
dafür und alles Gute für die kommenden
le sein Studium – dies konnte er zum
dass sich Methylgruppen an die DNA
Foto-Quelle: Martin Steffen
Jahre.
Zeitpunkt seiner Wahlaufstellung nicht
heften und die betroffenen Gene weniger
Peter van Dyk, Akafö-Pressesprecher
absehen.
abgelesen werden. Je nach Verteilung
Foto-Quelle: Akafö
Er betont allerdings, dass ihm die Hoch-
sind die Gene im rechten und linken Rü-
schulpolitik Spaß gemacht habe und
ckenmark unterschiedlich aktiv.
bedankt sich für die Zusammenarbeit.
:ken
:sat
UNI:VERSUM
1. MÄRZ 2017
:bsz1116
3
Ein Hauch von Zukunft
ENERGIE: Bochumer Ingenieure um Professor Constantinos Sourkounis wollen die Beziehungen von Windrädern untereinander erforschen,
da diese nicht isoliert arbeiten. Das Programm Forschungsinfrastrukturen NRW fördert diese Untersuchungen mit vier Millionen Euro.
In Bezug auf regenerative Energien spielt
on mit dem Rotor auch selbst in Rotation
hat man bestimmt
die Windkraft eine sehr wichtige Rolle.
versetzt. Hinter dem Rotor bewegt sich
schon einmal eine
Laut Bundesministerium für Wirtschaft
die Luft also langsamer und weist gleich-
gleichzeitige Hel-
und Energie (BMWi) hatte diese bereits im
zeitig Verwirbelungen auf.“ Diese Effekte
ligkeitsschwan-
Jahr 2016 einen Anteil von 12,3 Prozent
würden mit zunehmendem Abstand hinter
kung der Beleuch-
an der Gesamtstromgewinnung. Geplant
den Rotoren zwar abnehmen, da aber die
tung bemerkt. Der
seien der Ausbau an weiteren geeigneten
Konverter in Windparks sehr nah beiein-
Leistungsbezug
Landstandorten, der Ersatz älterer und
ander stünden und auch die Windrichtung
des einen Verbrau-
kleinerer Anlagen sowie ein Ausbau der
Einfluss nehme, könnten nachfolgende
chers beeinflusst
Windenergien auf See (Offshore-Winde-
Konverter durch die Effekte eines ande-
die
nergie).
ren erreicht werden. „Wirbel und Druck-
des Netzes und
Spannung
Um diese Windkraftanlagen effektiver
schwankungen in der anströmenden Luft
somit
zu gestalten, forscht nun ein Team der
übertragen sich auf den mechanischen
Spannung,
auch
die
RUB an den Beziehungen der Windräder
Aufbau des WEKs, können hier Schwin-
der ein anderer
untereinander, die sich laut Pressemittei-
gungen anregen und sich im Folgenden
Verbraucher (im Beispiel die Beleuchtung)
lung der Uni durch Luftströme als auch die
über den Generator auf die Energiebereit-
seine Leistung bezieht.“ Die infolgedessen
beim aktuellen Stand der Technik sicher-
schwankende Einspeisung von Strom ins
stellung auswirken.“
auftretende veränderte Netzspannung
lich noch nicht möglich, aber auch nicht so
bei
Strom aus Windenergie: Ein RUB-Team erforscht die Beziehungen der einzelnen Windräder zueinander.
60 bis 70 Prozent Strom aus Windkraft ist
Hinzu kommt, dass, sollten die Win-
führt zu einer Veränderung in puncto
weit entfernt, dass ich es ein utopisches
denergiekonverter alle am selben Teilnetz
Leistungsaufnahme und folglich Lichtab-
Ziel nennen würde.“ Um diese zu errei-
angeschlossen sein, auch eine Interaktion
gabe. Grundsätzlich gilt: „Schwankende
chen, sei aber eine spartenübergreifende
Frederik Einwächter, Koordinator des Pro-
über das Stromnetz möglich sei. Einwäch-
Einspeisung führt zu Schwankungen der
Weiterentwicklung des gesamten Ener-
jekts „Smart Wind Park Laboratory (SWi-
ter erklärt dies vereinfacht an einem Haus-
Netzspannung.“ In der Folge kann es zu
giesystems notwendig, beispielsweise im
PLab)“,
„Windenergiekonverter
halts-Beispiel: „Wenn man schon einmal
mechanischen Schwankungen kommen.
Bereich der Netze und Speicher. „Mit dem
(WEK) entziehen dem Wind Energie und
im Haushalt bei elektrischem Licht ein
bremsen dabei die bewegte Luftmasse
Gerät mit großer Leistung eingeschaltet
ab. Gleichzeitig wird der Luftstrom, der
hat (zum Beispiel einen Wasserkocher,
Im Rahmen der Klimaschutzziele hält Fre-
den Rotor durchsetzt, durch die Interakti-
ein Waffeleisen oder einen Staubsauger),
derik Einwächter fest: „Ein Szenario mit
Netz gegenseitig beeinflussen.
Wie genau ist das zu verstehen?
erklärt:
Mehr Strom aus Wind
Texte, Theater und jede Menge Loooooove
BÜHNE: Kultur statt Kommerz am Valentinstag. Mit der 14. Ausgabe der Studierenden-Werkschau Podest
fanden zahlreiche Kunstformen und Valentinstags-Specials ihren Weg in das Herz des Tor5.
neuen
Windenergiekompetenzzentrum
SWiPLab werden wir dazu einen Beitrag
leisten.“
:Tobias Möller
Studiengebühren
in BaWü
Internationale Studierende: Der Ministerrat in Baden-Württemberg beschloss
„Anything can happen“, versprach Or-
den Party, und
am 14. Februar den Regierungsentwurf
ganisatorin Sina Langner im Interview
vieles mehr. Die
zu den Gebühren für internationale Stu-
der :bsz-Ausgabe 1113. Vor dem Hinter-
ausgelassene
dierende und das Zweitstudium. In der
grund ihrer „Love Edition“ machten die
Atmosphäre im
Pressemitteilung des Ministeriums für
Beteiligten jedoch klar, dass der kreative
vertrauten Krei-
Wissenschaft, Forschung und Kunst
Input nicht den Valentinstag ausschöpft
se löst außer-
Baden-Württemberg
und die Kunst im Mittelpunkt steht. „Die
dem den Druck,
nisterpräsident Winfried Kretschmann
Liebes-Vibes sollten nur den Rahmen
unter
dem
(Grüne) Gebühren für internationale
stellen. So fühlen sich alle wohl und kön-
Kunstschaffen-
Studierende als europäischen Standard
nen sich umso mehr auf die Beiträge ein-
de im Rahmen
und einen solidarischen „Beitrag zur
lassen“, erklärt Viviane Lennert aus dem
solcher
Finanzierung unseres Hochschulsys-
Orga-Team. Bei Podest legte sie am 14.
valähnlichen
Februar Tarot-Karten und deutete daraus,
Plattformen
wie es um das Liebesleben der Besuche-
häufig
rInnen steht – teilweise mit erschreckender Genauigkeit.
festi-
bezeichnet
Mi-
tems“.
stehen. Mit zugehaltenen Ohren und Grinsen im Gesicht: Die Zuschauenden
warten auf den großen Knall, während Performer Hans Peters die
Zu hoher Druck rote Gefahr immer weiter aufbläst Foto: Alexander Schneider
führt zu großer
Die Sozialverträglichkeit, die Erhaltung des internationalen wissenschaftlichen Austauschs sowie eine Minimierung des Verwaltungsaufwands hätten
Spannung. Zu große Spannung muss
ihren Rückmeldungen Bezug auf meinen
bei der Entwicklung des Entwurfs im
sich irgendwann entladen. Wie das endet,
ersten Auftritt nehmen konnten“, verdeut-
Fokus gestanden. Kretschmann betont,
Obwohl das diesjährige Podest größten-
führte Hans Peters in seiner Performance
licht Mattias Engling, der zum zweiten
„dass Studierende, die von außerhalb der
teils installativ ausfiel, glänzte das Pro-
„Luft“ eindrucksvoll vor.
Mal mit einem Kabarett-Programm hell-
EU zu uns kommen, um ein Studium von
auf begeisterte. Wer noch in Erinnerun-
hoher Qualität zu absolvieren“, einen
What happened?
gramm wieder durch Vielfalt. Das Tor5
bot als Arbeitsstätte des Masterstudien-
Mit Liebe und Feedback nach Hause
gen der vergangenen Podest-Editionen
moderaten Beitrag zu leisten hätten.
Internationale Studierende von außer-
gangs Szenische Forschung den perfek-
Dass der Austausch über die künstleri-
schwelgt oder bereits der 15. Ausgabe
ten Ort, um auf individuelle Erkundungs-
schen Zwischenstände fester Bestandteil
entgegeneifert, sollte einen Blick auf den
halb der EU werden ab dem kommen-
reise zu gehen und den Love-Spuren zu
des Konzepts ist, wird an der Wiederkehr
Podest-Blog riskieren, um Im- und Ex-
den Wintersemester 1.500 Euro pro Se-
folgen: eine Wand für Liebes-Annoncen,
vieler KünstlerInnen deutlich: „Die Konti-
pressionen künstlerischen Schaffens zu
mester an Studiengebühren entrichten
BotInnen, die Liebesbriefe überbrachten,
nuität war auch für die Feedback-Gesprä-
sammeln.
müssen.
eine Kissenschlacht bei der anschließen-
che hilfreich, da die KommilitonInnen in
:Marcus Boxler
:tom
4
WELT:STADT
1. MÄRZ 2017
:bsz 1116
Mutmaßlicher Vergewaltiger angeklagt
KRIMINALITÄT: Anfang Dezember nahm die Bochumer Polizei einen 31-jährigen Mann fest, der sich seitdem in Untersuchungshaft befindet. Die
Staatsanwaltschaft will nun Anklage erheben.
Er hatte ihnen aufgelauert, sie ins Gebüsch
Anklage
gezerrt, dort massiv körperlich misshandelt und vergewaltigt. Schnell war klar,
Von diesem Vorwurf nimmt die Staatsan-
dass die zwei Taten im vergangen Herbst
waltschaft nun wohl Abstand. Der Ange-
in einem Zusammenhang stehen. Wird der
klagte, der weiterhin schweigt, wird sich
Antrag angenommen, beschäftigt sich der
im Strafverfahren wegen Freiheitsberau-
neunte Strafsenat des Bochumer Land-
bung, gefährlicher Körperverletzung, Ver-
gerichts bald mit dem Fall. Die Angriffe
gewaltigung und Diebstahls verantwor-
ereigneten sich im August und November
ten müssen. Über die Wahrscheinlichkeit
vergangenen Jahres. In einem Wald am
einer Verurteilung lässt sich zu diesem
Kalwes wurde das erste Opfer, eine 21-jäh-
Zeitpunkt lediglich spekulieren. Die Be-
rige Studentin, überwältigt und mit einem
weislast jedoch scheint erdrückend: Im
Ast traktiert. Mit einem wohl mitgebrach-
Rahmen einer Pressekonferenz der Bo-
ten Strick drückte der Täter ihr die Luft ab.
chumer Polizei am Tag nach der Festnah-
Die Schläge waren so heftig, dass das Op-
me erklärte Staatsanwalt AndreasBach-
fer kurzzeitig das Bewusstsein verlor.
mann, die sichergestellten DNA-Spuren
In unmittelbarer Nähe zu Gehwegen und Straßen und dennoch unbemerkt: In diesem
Waldstück an der Max-Imdahl-Straße ereignete sich eine der beiden Taten.
Foto: kac
Das zweite Opfer, eine 27-jährige, wur-
an den Opfern stimmten zu einhundert
ner Verurteilung eine Gesamtstrafe gebil-
fers in der Nähe des Tatorts gemacht. Dort
de in einem Wald an der Max-Imdahl-Stra-
Prozent mit denen des Festgenommenen
det, die im konkreten Fall sogar bis zu 15
war ihm ein Verdächtiger aufgefallen, auf
ße überfallen. Der Täter schlug, würgte
überein. Dass er nicht der Täter ist, sei
Jahren Freiheitsstrafe betragen könnte.
den das Phantombild zutraf. Dass er sich
und vergewaltigte die junge Frau, anschlie-
daher unwahrscheinlich. „Ich halte diesen
ßend stahl er ihr Bargeld. Im Interview mit
Tatnachweis für sehr überzeugend, einen
einer Tageszeitung sagte der leitende
besseren Nachweis sehe ich im Moment
Dass es überhaupt zu der Verhaftung
sam. Laut Polizei sei nicht auszuschließen,
Oberstaatsanwalt damals, man könne
nicht,“ erklärte Bachmann. „Deshalb spre-
kam, ist einem Zufall zu verdanken. Trotz
dass er dort auf der Suche nach einem wei-
nicht ausschließen, dass der Täter eine Tö-
chen wir auch schon vom Täter.“ Das
über 100 eingegangener Hinweise aus
teren Opfer war.
tungsabsicht hatte. Die „potenziell lebens-
Strafmaß für die einzelnen angeklagten
der Bevölkerung ermöglichte erst ein Foto
gefährdende Situation“ führte dazu, dass
Taten liegen zwischen sechs Monaten
die Identifizierung des Gesuchten. Dieses
auch versuchter Mord im Raum stand.
und fünf Jahren. Daraus wird im Falle ei-
hatte der Lebensgefährte des zweiten Op-
Überraschender Ermittlungserfolg
Bochum boomt
STADTENTWICKLUNG: In Bochum ist das Mitpreisniveau so hoch wie noch nie. Der Grundstücksmarktbericht 2017 verkündet einen besonders hohen Anstieg im Neubaubereich.
„Preise haben
deutliche angezogen“
Gegenüber
„WAZ“
76 Prozent – unter BochumerInnen abgewickelt wurde.
Auswärtige KäuferInnen kommen
vor allem aus dem Ennepe-Ruhr-Kreis,
der
berich-
tet Tim Maus-
aus Essen und Dortmund.
Vergleich zum Mietspiegel
bach-Judith,
Der Bochumer Mietspiegel zeigt eine
Vorsitzender
ebenso steigende Entwicklung wie der
des
Grundstücksmarktbericht. Im Jahr 2016
Gutachteres
erreichte der Quadratmeterpreis den
„massive
höchsten Wert – Tendenz steigend. Für
Steigerungen“
den Februar lag der Durchschnittspreis
Der Gutachterausschuss für Grund-
im Preis für Eigentumswohnungen, Ein-
für den Quadratmeter allerdings verhält-
stückswerte in der Stadt Bochum stellte
und Zweifamilienhäusern sowie Doppel-
nismäßig niedrig. Mit 7,77 Euro/m² bei
für das Jahr 2016 einen Aufwärtstrend
haushälften. Bei neu errichteten Eigen-
einer 30 Quadratmeter-Wohnung kann
im Immobilienmarkt fest. Die Geld- und
tumswohnungen ist der Preisanstieg
man schon fast von einem erschwingli-
Flächenumsätze (vermietete und ver-
besonders auffällig. Seit 2014 stieg der
chen Preis sprechen.
kaufte Flächen an BüronutzerInnen) sind
Quadratmeterpreis von 2.400 auf 2.940
Im Vergleich dazu: 2016 lag der Qua-
zwar gegenüber dem Vorjahr gesunken
Euro – das ist ein Plus von etwa 20,5
dratmeterpreis für die gleiche Wohngröße
– 2016: 1,1 Millionen Quadratmeter /
Prozent.
bei 9,64 Euro/m².
Lange wird der Trend nicht halten: Mietsenkung im Februar 2017
bei 30qm Wohnungen
Diagramm: sat
ausschuss,
gebe
531 Millionen Euro; 2015: 1,4 Millionen
Kennzeichnend für den Bochumer
Quadratmeter / 579 Millionen Euro –
Immobilienmarkt ist der Austausch von
aber deutlich mehr Kaufverträge wurden
privaten KäuferInnen und VerkäuferIn-
abgeschlossen. 2016 meldeten Notare
nen untereinander. Etwa 90 Prozent aller
dem Gutachterausschuss 2.745 Kauf-
Kaufabwicklungen wurden von Privat-
verträge von Grundstücken und Immobi-
leuten getätigt. Ein weiteres Merkmal ist,
lien; etwa 3 Prozent mehr als im Vorjahr.
dass der Großteil der Geschäfte – etwa
:Sarah Tsah
MEHR AUF SEITE 6
ungewöhnlicherweise in einem Gebüsch
aufhielt, machte den jungen Mann aufmerk-
Gastautorin :Katrin Skaznik
MEHR AUF SEITE 6
Einigung
in der Tarifrunde
TV-L 2017
Gewerkschaften: In der dritten
Runde der Tarifverhandlungen für
die Angestellten des öffentlichen
Dienstes der Länder konnten die
Gewerkschaften ihre Forderungen
teilweise durchsetzen.
Am 17. Februar einigten sich
die Verhandlungsführenden der Gewerkschaften ver.di, GEW, GdP, dbb
Beamtenbund und Tarifunion mit
den VertreterInnen der TdL (Tarifgemeinschaft der Länder). Die Umsetzung ist auf eine Laufzeit von 24
Monaten festgesetzt. Während sich
auf eine zweistufige, lineare Entgelterhöhung in einem Umfang von
+2,0 Prozent (zum 1. Januar 2017)
und +2,35 Prozent (zum 1. Januar
2018) geeinigt wurde, profitieren
Auszubildende und PraktikantInnen
von einer Lohnerhöhung von insgesamt 70 Euro und der Angleichung
ihres
Jahresurlaubsanspruchs
auf 29 Tage (bisher 28 Tage). Die
wichtigste Errungenschaft ist die
erstrebte Einführung einer Erfahrungsstufe 6 in den höheren Entgeltgruppen. Berthold Paschert,
Pressesprecher der GEW NRW, betitelt den Ausgang als „vertretbares
Ergebnis nach hartem Ringen“. Die
diesjährige Tarifrunde verlief im
Vergleich zu früheren Auseinandersetzungen nahezu reibungslos.
:box
1. MÄRZ 2017
:bsz1116
KULTUR:SCHOCK
5
Brecht bei Blauschimmelkäse
VIDEOINSTALLATION: Von essayistischen Dokumentationen bis zu echten Horror-Schockern: Unter dem Motto „Big Films with Smart Phones“
verwandeln Studierende am 9. und 10. März das Musische Zentrum zu einer Videoshow.
Nervige WhatsApp-Gruppen, überflüssige
perimentieren: „Der Grundgedanke war,
sich Kai Bernhardt von dem Ergebnis an-
gemeinsam vor dem Fernseher sitzen“, so
Apps oder stressige Dauererreichbarkeit
sowohl beim Drehen als auch in der
getan. Ermöglicht wurde der Dreh durch
Bernhardt. Die präsentierten Filme spielen
– das sind die üblichen Erfahrungen, die
Präsentation verschiedene Sachen aus-
eine Drohne, die mit einem Tablet ge-
dabei auch mit den Rezipienten. So etwa
man mit Smartphones verbindet. Doch
zuprobieren“, erzählt Kursleiter Kai Bern-
steuert wurde. „Das ist dann gar nicht so
Christoph Ranfts „Das Dritte Sonett“, in
eine Videoinstallation von Studierenden
hardt. „Wir haben uns erst angeguckt,
weit weg von der Smartphone-Technik“,
dem der Student Liebesgedichte von Bertolt
der RUB zeigt, wie kreativ und produktiv
was es so an Film- und Schnittmöglich-
erklärt der RUB-Student der Medienwis-
Brecht rezitiert und dabei Blauschimmelkä-
mit diesen Geräten umgegangen werden
keiten gibt.“
senschaft und Germanistik.
se isst. Oder Caroline Königs visueller Essay
kann. Das war zumindest die Idee des
Projekts „Big Films with Smart Phones.“
Entstanden
sind
Found-Foota-
ge-Clips, essayistische Reflexionen oder
Installation statt Leinwand
über „alternativen Mandarinen-Essen“. Beide Filme spielen dabei mit der Interaktion
Angefangen hat im Wintersemes-
kurze Schocker-Streifen, die mit Jump
Rund 12 Filme mit einer Laufzeit zwischen
zwischen Video und Raum. „Die Zuschauer
ter alles mit einem Kurs im Musischen
Cuts experimentieren. Eines der Highlights
zwei und zehn Minuten sind es am Ende
sollen da auch als Teil der Videos einbe-
Zentrum. Im Vordergrund stand das Ex-
der Videoinstallation: Der Dokumentarfilm
geworden. Dass sie in Form verschiedener
zogen werden“, erzählt Kai. Aber auch mit
„Mountain Mad-
Installationen gezeigt werden, stand zu Be-
Tast-, Geruchs- und sogar Geschmackssinn
ness“, der ein
ginn des Kurses noch nicht fest. Jedoch
der ZuschauerInnen wird gespielt.
beeindrucken-
wollte man die Smartphone-Streifen nicht
Wer selbst mal mit seinem Mobiltelefon
des Alpenpano-
einfach auf der Leinwand abspielen: „Es
eigene Filme drehen und präsentieren will:
rama zeigt und
sollte mehr werden, daher die Installatio-
Auch im Sommersemester wird ein Kurs im
komplett an die
nen“, so Berndhardt.
Musischen Zentrum angeboten.
Künstlerisches Spiel zwischen Video und Raum: Die Installationen von „Big Films with Smartphones“ laden zum gemütlichen
Sitzen ein Foto: Maximilian Wenzel
Decke projiziert
Das erwies sich als Clou, denn die liebe-
ist. „Wenn man
voll eingerichteten Installationen wie etwa
dann hier liegt
gemütliche Wohnstuben mit alten Glotzen
und von unten
sorgen für eine spannende Verbindung von
auf
Ber-
Film und Raum: So werden die Zuschaue-
ge schaut, ist
rInnen etwa eingeladen, sich auf die Couch
• Donnerstag, 9. März und Freitag, 10.
das schon ein
zu schmeißen und sich in Bettdecken einzu-
März, 19 Uhr, Musisches Zentrum.
ziemlich cooles
igeln. „Das ist auch im Kurs entstanden und
Eintritt frei.
Erlebnis“, zeigt
mit in die Installation eingeflossen, dass wir
die
:Benjamin Trilling
ZEIT:PUNKT
Menschenverachtung
Voll Porno, voll Schweden
LESUNG: Abschiebebescheide kontrastieren im Bahnhof Langendreer
die Ignoranz der Behörden mit der Situation von Geflüchteten.
THEATER: Witek Danielczok legt bei der Uraufführung seines Stücks
„Pornolitik“ im Zeitmaul-Theater die hysterische Seite der Politik frei.
Bertolt Brecht hat es mal frech in seinen
Aus den bürokratischen Bescheiden,
Wenn die Politik zum albernen Theater
sy“-Credo bis hin zur mysteriösen Schwe-
„Flüchtlingsgesprächen“ auf den Punkt
Abschiedsbriefen und zornigen Gedich-
verkommt, braucht auch das Theater
den-Rede. Schwachsinn und Machtpolitik
gebracht: „Der Paß ist der edelste Teil
ten stellten sie eine Lesung zusammen.
nicht viel mehr: Auf der Bühne tritt eine
sind nicht mehr von einander zu trennen.
von einem Menschen. Er kommt auch
Eine aufrüttelnde, literarische Anklage an
junge Frau ans Rednerpult. Es folgte eine
Das zeigt auch die Inszenierung im Bo-
nicht auf so einfache Weise zustande
die Dublin-Doktrin. Menschen statt An-
Ansprache über die Lage ihrer Brüste,
chumer Zeitmaul-Theater auf: Regis-
wie ein Mensch. Ein Mensch kann über-
tragstellerInnen.
die nahtlos in sattelfeste Spekulationen
seur und Autor Witek Danielczok
über Gemeinschaft, Wahrheit und andere
mit „Pornolitik“ die Mechanismen der
Schlupflöcher übergeht.
Macht, die hysterische Seite der Politik
all zustandekommen, auf die leichtsinnigste Art und ohne gescheiten Grund,
„Existenzminimum zumutbar“
legt
aber ein Paß niemals.“ Wie aktuell der
Geschildert wird etwa der Fall eines jun-
Soweit die Ausgangskonstellation
unter dem Eindruck seiner Exil-Zeit in
gen Afghanen, der Zuhause zu Arbeit
von „Pornolitik“: Eine Rednerin, ein Span-
„Fast alles in diesem Stück ist Porno“,
den 1940er-Jahren geschriebene Satz
gezwungen und von seinem Vater ge-
ner, der sie beobachtet bis sich alles als
so Danielczok über seine Inszenierung.
ist, zeigte die Lesung am 15. Februar im
schlagen wird. Mit gebrochenem Kiefer
alberne Liebesgeschichte auflöst. Das ist
Eine überhitzte Reflexion über Macht,
Bahnhof Langendreer.
flieht er über verschiedene Stationen
so unrealistisch, dass es als politische
Sex, Liebe und Demagogie, die einen am
ersten
nach Deutschland. Nach der OP bean-
Realität verkauft werden kann: Erregung,
Ende fast ratlos zurücklässt. Doch das
be-
tragt er in Deutschland Asyl. Irgendwann
Hysterie, Verblendung.
ist politisches Programm. Wie eine rich-
bay-
– nach einer langwierigen bürokratischen
Getragen wird die Inszenierung von
Städtchen
Befragung – kommt der Bescheid. Darin
den beiden HauptdarstellerInnen: Giam-
heißt es schließlich: „Die Zuerkennung
pero Piria als schräger Spanner und Steffi
der Flüchtlingseigenschaft war somit
Staltmeier als Verkörperung eines sexu-
abzuerkennen.“ Die Begründung besteht
alisierten Sophismus, der weiß, wie eine
immer aus den gleichen Satzbausteinen:
WählerInnenschaft zu verführen ist.
Als
die
Flüchtlinge
schaulichen,
rischen
im
Ochsenfurt ankamen,
packten die beiden AktivistInnen Simone Barrientos
und
Leander Sukov (Bild) mit an.
im Trump-Zeitalter frei.
tige Trump-Rede. Voll Porno, voll Schweden.
:Benjamin Trilling
Beide organisierten Versammlun-
„Ein Leben am Rand des Existenzmini-
gen, Hilfe bei alltäglichen Dingen oder
mums ist zumutbar.“ Eine Lesung, die wü-
gemeinsame Karaoke-Abende. Trotz der
tend macht, die aufrüttelt. Und doch nur
Spätestens seit den Eskapaden des
Willkommenskultur in ihrer Stadt kippte
präsentiert, was für Millionen Geflüchtete
US-amerikanischen Präsidenten Donald
die Stimmung: „Jetzt taucht das Problem
alltäglich ist: dokumentierte Menschen-
Trump haben sich die Spielregeln von Po-
März, 20 Uhr, Zeitmaul-Theater,
auf, dass die Jungs ihre Bescheide krie-
verachtung.
litik und Realität verschoben: Von seinem
Eintritt: 14 Euro, ermäßigt 10 Euro
gen“, erzählt Barrientos.
:Benjamin Trilling
Wie eine richtige Trump-Rede
unrühmlichen „Just grab them by the pus-
ZEIT:PUNKT
• Freitag, 3. März und Samstag, 11.
6
B L I C K:WINKEL
1. MÄRZ 2017
:bsz1116
Bochum – Rise and Shine
:bsz INTERNATIONAL: A sudden increase in rent, cost of living and people immigrating. A sole question arises: Bochum has suddenly
become popular – is it hip to live here now?
some perfectly reasonable explanations
university-sup-
newspa-
for all those things but let us – for one
ported
pers never grow tired of
moment – assume that it could be so-
story …
Sure enough, as „WAZ“
and
similar
start-up
telling us, Bochum has
mething else: What if there was actually
Yes, yes … I can
a lot to offer: Lake Kem-
some kind of inexplicable, unfathomed
see it … this year,
nade, the Bermuda3Eck, Bochum Total,
optimism in the in the city with the „pulse
Bochum will dis-
the Bergbaumuseum and of course – at
of steel“? The shadow resulting from the
guise itself as
least some – beautiful parts of the Ruhr
loss of Nokia and Opel as major financi-
Stanford during
University. No doubt – life quality in Bo-
al partners has somehow vanished. The
carnival.
chum certainly has improved since the
city embraces its identity as a university
1950s. However, with the loss of Nokia
location fueled by multiculturalism and
(2008) and Opel (2014) Bochum‘s popu-
creative minds …
lation has been dwindling in the last 20
Now, let’s bring
this
Big plans
years – from around 400.000 residents
Maybe not
back
reality:
to
maybe
Partially beautiful: The ever returning message of the Campus
“Beton brennt doch!” („concrete does burn“).
Foto: kac
in 1994 to around 365.000 residents in
Imagine: You are listening to the sound of
Bochum is not
2014. So why even bother advertising
the monorail cruising overhead connec-
exactly the wor-
Bochum as a hip city?
ting the enlarged university grounds
ld
with the former Opel compound and the
con Valley. However, there is certainly
place) and IDEALearning (now: Win-
social and cultural heart of the city, the
some potential. You would have to be
ter-Science) (10th place), both of which
Hence, how come that the last two ye-
Bahnhof Langendreer. The inner city be-
rather pessimistic to not be a little ex-
are start-ups supported by the RUB, lan-
ars saw a net migration (emigration
aming with life from cultural exchange
cited about the WorldFactory and Mark
ded high ranking spots on a TOP 50 Ger-
minus immigration) of 6,000 (Decem-
and events. The smell of food and drinks
51°7. The planned Bochumer Biennale
man start-ups list. All in all, there might
ber/2015) and 3,000 (December/2016)?
from all around the globe. A faint noise
really sounds like an exciting cultural
actually be something to look forward to.
Why did the rents increase so suddenly
of music in the air with people all over
event to look out for this year as well.
Maybe it is true – maybe concrete does
in late 2016? What about the prices for
town discussing their newest ideas in the
Even the Campus isn’t half as dull as its
burn after all.
properties that have been raised by al-
richness of hip bars and modern cafés.
exterior wants you to believe. There are
most 20 percent? Admittedly, there are
Not a single week without a new exciting
some amazing projects hiding below the
A wind of change
leading
concrete. In 2015 MEMBRASENZ (2nd
Sili-
:Frederik Herdering
Kein Uni-Vergewaltiger
Packt Tassen in die Taschen!
KOMMENTAR: Reißerische Titel vermitteln falsches Bild von tatsächlichem Stadtgeschehen, wie der Fall in Querenburg zeigt.
KOMMENTAR: 329.000 Pappbecher landen stündlich im Mülleimer.
Radio Cosmos teilte ein lehrreiches Video der Aktion „#umfüllen“.
Ereignen sich in einer
Und nun wieder
Im Jahr ergibt das 40.000
An der TU Dortmund können Pfandtassen
Gegend mit moderaten
„Gibt es ein neues Uni-Phantom?“, fragen
Tonnen
produ-
benutzt werden. Diese haben zudem noch
Kriminalitätsstatistiken
daraufhin überregionale Zeitungen. Taten,
ziert durch Pappbecher
einen Deckel, damit der Kaffee nicht über-
schwere Straftaten, ist die
die sich Auf dem Kalwes und an der Max-
in
schwappt.
mediale
Müll,
Deutschland.
Diese
Aufmerksamkeit
Imdahl-Straße ereigneten, also jeweils
Zahlen werden in dem Fa-
Was ich gar nicht verstehe, ist die Fahr-
groß. Reißerische Überschriften und un-
knapp vier Kilometer entfernt, werden
cebook-Video gezeigt, während ein Ka-
lässigkeit mancher Menschen. Ein Szena-
saubere Implikationen füllen die Titelsei-
rhetorisch auf den Campus verschoben.
merateam unauffällig große, gedruckte
rio aus dem Edwards: Zwei Studentinnen
ten.
Dass beide Opfer Studentinnen waren,
Gedankenblasen über die Köpfe der Kaffee-
bestellen sich artsy-fartsy-Milchgetränke,
All das ist – im Rahmen beweisbarer
scheint ein schwacher Zusammenhang,
trinkerInnen schweben lässt. In den Blasen
natürlich zum Mitnehmen. ABER sie gehen
Tatsachen – auch zulässig. Hysterische
der es nicht rechtfertigt, von „Uni-Nähe“ und
steht unter anderem „Der eine Becher … ist
gar nicht raus!!!11 Sie setzen sich im La-
Halbwahrheiten jedoch nicht. Als sich
„Campus-Täter“ zu sprechen. Natürlich ist
ja wohl nicht so schlimm“ oder „Ups, nicht
den hin. „Warum habt ihr zum Mitnehmen
in Bochum im vergangenen Herbst zwei
der Begriff der Nähe subjektiv auszulegen.
an die Umwelt gedacht“. Mit der Aktion
bestellt?“, fragte ich sie. Sie erwiderten, das
schwere Straftaten ereigneten, reagierten
Das HZO und Sprockhövel dabei gleichzu-
„#umfüllen“ möchten die VideomacherIn-
könne mir doch egal sein und mit den Be-
Medien auf das Interesse der Bevölkerung
setzen ist allerdings verwunderlich. Da von
nen die Gesellschaft dazu animieren, zwei-
chern sei man cooler.
mit entsprechender Informationsbereit-
Übergriffen in unmittelbarem Zusammen-
mal nachzudenken, ob sie wirklich wieder
schaft. Wie damals kommt auch jetzt, da
hang mit der RUB nichts bekannt ist, sind
einen Kaffeebecher aus „Pappe“ brauchen.
die Staatsanwaltschaft Anklage erheben
Artikelbilder, die das Studierendenhaus
Denn tatsächlich bestehen diese nicht zu
Bitte Leute, seid so umweltbewusst und
wird, kaum ein Informationskanal in sei-
zeigen, daher unpassend. Es mag kleinlich
100 Prozent aus reinem Papier.
packt Euch Tassen in die Taschen. Falls
ner Berichterstattung ohne geografische
erscheinen im Rahmen fundierter Bericht-
Regelmäßig treffe ich mich mit Freun-
der Fall eintritt, dass Ihr doch mal auf einen
Einordnung aus. „Uni-Vergewaltiger“ klingt
erstattung, solche Details anzuprangern.
dInnen auf dem Campus auf einen Kaffee.
Einwegbecher zurückgreift, dann schmeißt
eben noch etwas dramatischer. Vergleiche
Doch machen wir bitte unsere wunderbare
Oft erwischen wir uns mit Einwegbechern
den nicht sofort weg, auch den könnt Ihr
werden zu einem ähnlich gelagerten Fall in
Bildungsstätte nicht zu einem Tatort, so-
in der Hand. „Ach verdammt, ich wollte mir
mehr als einmal benutzen. Was der Umwelt
den 1990er Jahren gezogen, als 21 ange-
fern es nicht zutrifft. Alltägliche Skandale
doch eine Tasse von Zuhause mitbringen,
auch hilft: Zumindest auf eine Tasse Kaffee
zeigte Taten in Sprockhövel und der Region
haben wir schon genug. Stoppen wir die
damit ich nicht ständig Müll produziere“,
am Tag verzichten, im Erzeugerland werden
Bochum demselben Täter zugeschrieben
implikative Diskussion – bevor aus der
ärgert sich mein guter Freund Kai. Julian
um die 140 Liter Wasser benötigt, um einen
wurden. Gefasst wurde er nie, was zum
vermeintlichen Suizid-Uni eine Vergewalti-
hingegen hat stets eine Tasse dabei. In den
Kaffee herzustellen.
Mythos beiträgt.
gungsuni wird.
RUB-Cafeten findet Ihr nur Einwegzeug.
:Katrin Skaznik
Tipps für die Umwelt
:Katharina Cygan
1. MÄRZ 2017
:bsz1116
ZEIT:PUNKT
U N D:SONST SO
NACH:GEHÖRT
Kein Staub von gestern
Simple Instrumentierung, interessante Stimme und Texte, die zum
Bildungsbilanz?
7
Nachdenken anregen: Andrea freut sich schon auf die Berliner Künst-
Seit 2005 wird im Rahmen des Bochumer
lerin Le-Than Ho, die im Rahmen von „I AM LIVE“ Bochum die Ehre gibt.
Memorandums die Bildungs- und Sozial-
Die Songpoetin stellt ihren zweiten Longplayer „.staub“ vor, der anders als
politik in NRW auf den Prüfstand gestellt.
ihr
Nach mehr als einer Dekade kommt es
verschmelzen. Thema des Albums ist das Aufeinandertreffen von Elementen, der Reibung,
Erstling als Experiment angelegt ist und Songwriting und Soundart miteinander
zur Bilanz bei der Bildungskonferenz. Un-
umgesetzt auf klanglicher und textlicher Ebene.
ter anderem diskutieren Hannelore Kraft,
• Sonntag 5. März, 18:30 Uhr. I AM LOVE, Bochum. Eintritt frei.
Ministerpräsidentin NRWs, Dr. Kornelia
„Erzähl deinen Mädels ich bin wieder
in der Stadt“, denn die Band Bilderbuch veröffentlichte am 17. Februar
mit Magic Life ihr viertes Album. Die
Österreicher lenkten mit ihrem letzten
Album SCHICK SCHOCK sämtliche
Aufmerksamkeit auf sich. Die vierköpfige Band ist bekannt für ihre Experimentierfreude und Genreaufwei-
Freitag, Prorektorin für Lehre an der RUB,
chung. Auch auf Magic Life beweist
sowie Dorothea Schäfer, Vorsitzende der
schaftsbetriebs: Heute ein Bestseller,
ches Instrument Ihr mitbringen möchtet.
Gewerkschaft für Erziehung und Wissen
morgen Professor für die Ewigkeit. Es
• Samstag, 4. März, 19:30 Uhr. Knuts, Wit-
(GEW) NRW.
läuft sehr gut, doch dann kommt eine Stu-
ten. Eintritt 5 Euro.
• Freitag, 3. März, 10 Uhr. Audimax, RUB.
dentin vorbei und hat eine Frage. Anhand
Eintritt 15 Euro für Studierende.
von David Mamets Stück „Oleanna“ zei-
Rechte Gewalt im Comic
Punk.
gen Studierende der Folkwang Universi-
1980er: Nils Oskamp wird in Dort-
macht deutlich, dass mit dem Album
tät der Künste die Beziehung von Macht,
mund-Dorstfeld Opfer rechter Gewalt:
Auf der FLTI*-Bühne laden Glitzer & Kra-
Anerkennung und Diskriminierung – und
Die „Alten Kameraden“ sorgen bis heute
wall und Lila Lautstark zum queerfemi-
was passiert, wenn es mal reicht und wir
noch für Schlagzeilen. 2017: In seinem
nistischen Poetry Slam ein: Alle Gender
am Ende unserer Geduld sind.
autobiographischen Graphic Novel „Drei
sind willkommen und zeigen auf dem
• Samstag, 4. März, 19:30 Uhr. Rottstr5,
Steine“ erzählt Oskamp von seiner Ju-
Podest, was sie literarisch zu bieten ha-
Bochum. Eintritt 13 Euro, erm. 7 Euro.
gend, in der er zum Opfer wurde. Neben
SlammerInnen in der Taube
ben. Oder sich im Publikum über die ent-
den ausgestellten Originalseiten und Stu-
sprechenden Textergüsse freuen dürfen.
Let’s Jam!
Anmeldungen sind nicht mehr möglich.
Du spielst ein Instrument, singst oder
Die Ausstellung läuft bis zum 22. März
ZuschauerInnen sollten zeitig kommen,
hast Lust, mit Anderen Musik zu ma-
und kann zu den Öffnungszeiten des Ca-
da es nur begrenzt Plätze gibt.
chen? Die erste Jam Night im Roxi lädt
fés besichtigt werden.
• Freitag, 3. März, 19 Uhr. Black Pigeon,
zu überraschenden Kompositionen und
• Dienstag, 7. März, 18:30 Uhr. Endstati-
Dortmund. Eintritt frei
interessanten Begegnungen. Achtung,
on.kino Café, Bochum. Eintritt frei.
Premiere, Premiere!
Er ist der aufstrebende Star des Wissen-
dien stellt der Comic-Artist sein Werk vor.
Noel Gallaghers und Adeles: Meldet Euch
vorher
unter
[email protected]
Bilderbuch ihr Gespür für eine stimmige Mischung aus Progressive-Rock,
Indie, Hip-Hop-Elementen und ArtLeadsänger Maurice Ernst
„der Fehler zelebriert“ werden soll,
um dem Einheitsbrei musikalischen
Outputs und Genreklassifizierungen
entgegenzuwirken. Gemessen an ihrer progressiven Einstellung avancieren die Fashion-Kings Wiens zu den
Beatles
fen
auf
Autotune
gleichzeitig
mung
den
für
und
jede
richtigen
trefStim-
Ton.
Ob
„SUPERFUNKYPARTYTIME“ oder subtile Gesellschaftskritik: Magic Life
bringt Gegensätze zusammen und
hält für jeden Geschmack etwas bereit – Mama kocht für alle.
:box
oder roxi-witten.de an und erwähnt, wel-
IMPRESSUM
:bsz – Bochumer Stadt- und Studieren-
denzeitung
Herausgeber: AStA der Ruhr-Universität
Bochum – der Vorstand: Nur Demir, David
Semenowicz u. a.
Redaktion dieser Ausgabe:
Andreas Schneider (asch), Benjamin
Trilling (bent), Marcus Boxler (box), Dennis
Rosinski (dero), Frederik Herdering (fah),
Jan Freytag (fry), Katharina Cygan (kac),
Kendra Smielowski (ken), Andrea Lorenz
(lor), Tobias Möller (tom), Sarah Tsah (sat)
V. i. S. d. P.: Benjamin Trilling (Anschrift
s. u.)
Anschrift:
:bsz
c/o AStA der Ruhr-Universität Bochum
SH Raum 081
Universitätsstr. 150
44780 Bochum
Fon: 0234 32-26900
E-Mail: [email protected]
Im Netz: www.bszonline.de,
facebook.com/bszbochum
Auflage: 3.000
Druck: Druckwerk, Dortmund
Bildnachweise: S. 5 bent, S. 6 Becher: kac S.
8 Karikatur: kac, Hintergrund:
es-de-we, flickr, Filmplakat: Neue Visionen
Filmverleih
Die Artikel spiegeln nicht unbedingt die Meinung der gesamten Redaktion wider, sondern
sind in erster Linie Werke ihrer VerfasserInnen.
8
SCHWER:PUNKT
:bsz 1116
1. MÄRZ 2017
150 Jahre „Das Kapital“
Historische Randnotiz oder aktuelle Kapitalismuskritik?
Von VWL ignoriert, von Gewerkschaften wiederentdeckt
WISSENSCHAFT: In der Volkswirtschaftslehre spielt „Das Kapital“ nur noch eine geringe Rolle.
Marx’ Hauptwerk feiert jedoch in gewerkschaftlichen Lesekreisen eine kleine Renaissance.
Eine Entstehungsgeschichte
Wie kam Marx vor 150 Jahren dazu, „Das
Ursprüngliche Akkumulation, Fetischform
nom.“ Volkswirtschaftliche Auseinander-
des Arbeitskampfes der ArbeiterInnenbe-
Kapital“ zu schreiben?
der Ware, tendenzieller Fall der Profitrate
setzungen fänden eher aus historischer
wegung sind“, erklärt Marijke Garretsen
Eine kurze Entstehungsgeschichte zeigt,
– wer einen Blick in „Das Kapital“ von Karl
Perspektive statt: „Sein Werk gilt allge-
vom DGB. „Insofern ist Marx und seine
dass die drei Bände nicht nur eine Arbeit
Marx wirft, stößt schnell auf sperrige For-
mein als überholt. Allerdings beruht diese
Analyse des Kapitalismus auch heute noch
von Marx sind, sondern ebenso das Werk
mulierungen. Doch der Mix aus Klassischer
Einstellung vielfach auf Unwissen und
wichtig für die gewerkschaftliche Arbeit –
von Friedrich Engels darstellen, der die
Ökonomie und hegelscher Dialektik hat in
Vorurteilen, da sich kaum jemand damit
vor allem was den politischen Bildungsauf-
Bände maßgeblich überarbeitete.
den vergangenen Jahrzehnten etliche In-
beschäftigt hat.“
trag angeht.“
tellektuelle und AktivistInnen maßgeblich
beeinflusst.
Begonnen hatte Marx seine Studien der
:Benjamin Trilling
Großer Andrang bei DGB-Reihe
Ökonomie, die später in das Kapital einmünden sollten, bereits 1849. Frisch aus
Im heutigen VWL-Studium spielt Marx’
Daran habe auch die Finanzkrise 2008 nur
politische Ökonomie aber praktisch keine
teilweise etwas geändert, so Roose: „Die kri-
in der British Library unter anderem mit
Rolle mehr, wie Michael Roos, Lehrstuhl-
tischen Stimmen, auch innerhalb der VWL,
der Theorie der „unsichtbaren Hand“ von
inhaber der Makroökonomik an der RUB,
werden zwar lauter, aber der Mainstream ist
Adam Smith und der Wertschöpfungs-
erklärt: „Es gibt nur sehr wenige Experten,
immer noch sehr stark.“
die sich mit Marx beschäftigen und diese
gelten im Fach als hete-
Deutschland emigriert, begann er, sich
theorie von David Ricardo auseinander-
Anders sieht es bei den Gewerkschaf-
zusetzen. Hieraus entstand das Buch
ten aus. So organisiert die DGB-Jugend
„Grundrisse der Kritik der politischen Öko-
exotisch. Der über-
Dortmund momentan eine sehr gut be-
nomie“; es bildete die gedankliche Grund-
wiegenden Mehr-
suchte Reihe zur Aktualität von Marx’ „Ka-
lage für das Kapital, das den Untertitel
heit der Volkswir-
pital“. Im Gegensatz zur VWL gibt es eine
„Kritik der politischen Ökonomie“ trägt.
te gilt Marx eher
aktuelle wie praktische Perspektive: „Uns
Ausgehend von den Grundrissen und
als politischer
hat bewogen, dass wir häufiger die Erfah-
weiteren Studien sah Marx zunächst vor,
Philosoph
rungen machen, dass jungen Arbeitneh-
das Kapital in sechs Bänden zu veröffent-
denn als Öko-
merInnen nicht bewusst ist, dass gewisse
lichen. Diesen Plan verwarf er 1863 je-
Dinge wie Lohnfortzahlung im Krankheits-
doch zugunsten einer Dreiteilung mit den
fall, Urlaub, Arbeitsschutz etc. nicht vom
Themen „Produktionsprozess des Kapi-
Himmel gefallen sind, sondern Produkte
tals“, „Zirkulationsprozess des Kapitals“
rodox oder
und „Der Gesamtprozess der kapitalisti-
Ein Flaschengeist im Biopic-Format
schen Produktion“. 1867 erschien dann
schließlich der erste Band des Kapitals,
FILM: Konventioneller Kostümschinken: „Der junge Karl Marx“ mit August Diehl in der Hauptrolle
zeigt die frühen Jahre des Revolutionärs als konservatives Biopic
über den Marx an Engels schrieb: „Diese
Woche wird also die Scheiße fertig“.
Die Marx-Engels Koproduktion
Die Synthese ist das, worauf es in der
Zeitung, ins Exil getrieben. Regisseur
auf einen spannenden Historienfilm oder
Doch die „Scheiße“ war noch lange nicht
marxistischen Theorie hinausläuft. Das
Raoul Peck spannt den Bogen bis zur
gar auf einen brisanten Aktualitätsbezug
fertig. Marx selbst überarbeitete den ers-
Repertoire aus der Philosophie Hegels:
Verfassung des „Kommunistischen Ma-
gehofft hat, wird enttäuscht sein. „Der
ten Band des Kapitals noch weitreichend
These, Antithese und dann dieser Sprung,
nifestes“ im Revolutionsjahr 1848. Dazwi-
junge Karl Marx“ versucht stattdessen,
für die französische Übersetzung und
der alles in ein neues Licht rückt, eine
schen erzählt er vom Beginn der tiefen
auf der Erfolgswelle der jüngsten Flut
fertigte Entwürfe für die zwei folgenden
neue, spannende Perspektive gibt. Wenn
Freundschaft zwischen Marx und dem
an Biopics zu reiten. Das wirkt, als hätte
Bände an, die er jedoch nicht mehr zur
man so will, spielt diese Synthese auch
jungen Fabrikantensohn Friedrich Engels
man den Rebell Marx wie ein Flaschen-
Druckreife bringen konnte. Dies über-
die heimliche Hauptrolle im Film „Der
(Stefan Konarske), der in seinem Buch
geist ins Biopic-Format gepresst. Ein bri-
nahm Friedrich Engels; er veröffentlichte
junge Karl Marx“. Aber keine glückliche.
bereits die soziale Lage der englischen
santer oder spannender Gehalt tritt nicht
1885 den zweiten Band und 1894 folgte
Denn immer wieder flammt im Historien-
Arbeiterklasse schilderte. Beide versu-
wirklich aus dem konventionellen Korsett
der dritte Band. Engels nahm Marx-For-
film von Raoul Peck Hoffnung auf, dass
chen nicht nur mit ihren Werken ein ge-
heraus.
scher Rolf Hecker zufolge jedoch gerade
es gelingt, die Ansichten, das Leben die-
sellschaftskritisches Projekt anzustoßen,
ses rebellischen Geistes als spannendes
sondern beteiligen sich auch am Aufbau
Kino zu verpacken. Doch es geht nicht
des damaligen Bundes der Gerechten,
auf – zumindest bis Schluss.
dem späteren Bund der Kommunisten.
:Benjamin Trilling
im dritten Band starke Änderungen vor.
Sie umfassten „Eingriffe in die Textanordnung“, also „Modifikationen der Titel- und
INFO:BOX
Überschriftengestaltung und Textum-
Der Film, der seine Weltpremiere auf
Daneben geht es auch um Marx’ Erfah-
der vergangenen Berlinale feierte, setzt
rungen im Exil oder den Existenzkampf,
Der Film läuft ab dem 2. März im Kino.
Daher ist das Kapital in seiner heutigen
im Jahr 1843 an: Es herrscht Zensur und
von dem Frau (Vicky Crieps) und Kinder
Eine ausführliche Filmbesprechung lest
Form vor allem eine Koproduktion von
Repression. Als einer der radikalen Intel-
betroffen sind.
Ihr auf bszonline.de
Marx und Engels und nicht das Monu-
lektuellen wird auch Karl Marx, damals
Das Ergebnis ist ein spröder Kostüm-
noch junger Journalist der Rheinischen
schinken, der nicht recht zünden will. Wer
stellungen; Aufwertung von Textteilen“.
mentalwerk eines einzelnen Denkers.
Gastautor :Jan Freytag