:bsz DEINE BOCHUMER STADT- & STUDIERENDENZEITUNG AUSGABE 1116 1. MÄRZ 2017 GELDGRAB … für Uni? Angekaufte Wollschläger-Immobilie unter Kritik 2 GUNST … für Nachhaltigkeit? Geplante Windparks auf Prüfstand 3 GERECHTIGKEIT … für Studentinnnen? Vorsätzlicher Sexualstraftäter vor Gericht 4/6 GEGNER … für Konkretes? Zweifelhafte Porno-Politik unter Beschuss 5 Mit Handykameras auf der Suche nach einem innovativen Erzählen: Kai Bernhardt leitete einen Kurs, der jetzt unter dem Motto „Big Films with Smartphones“ die filmischen Ergebnisse präsentiert. Foto-Quelle: Christoph Ranft :bsz ank – Die Glosse Der gute Bundesnachrichtendienst, immer mal wieder in der Kritik, neuerdings wegen Bespitzelungen ausländischer JournalistInnen. Nichts Neues Großes Kino aus dem Mobiltelefon VIDEOINSTALLATION: Smartphone raus, and Action: Das haben sich Studierende gedacht. Herausgekommen ist die Videoshow „Big Films with Smart Phones“ im Musischen Zentrum. eigentlich. Bespitzelt werden wir alle. Hier ’ne Kamera, da noch eine. Ständig wird man aufgezeichnet. WhatsApp speichert Nachrichten, Skype schneidet Telefonate mit. Wer glaubt denn ernsthaft, dass er nicht bespitzelt würde? Ich kann ja nicht mal ungesehen in der U35 in der Nase bohren oder mich Noch einmal haben alle die Möglichkeit, am 9. und 10. März die Videoinstallation „Big Films with Smart Phones“ im Musischen Zentrum zu besuchen. Experimentiert wurde im MZ-Kurs mit den Schnitt- und Drehmöglichkeiten, die Smartphones mittlerweile bieten. Von Reportagen, interaktive Filmessays bis hin zu echten Horrorschockern ist alles dabei. Zudem gibt es Installationen, die zum gemütlichen Liegen und Kuscheln einladen. Wir haben uns die Videoshow im Musischen Zentrum angeschaut und mit Kursleiter Kai Bernhardt gesprochen. Was Euch sonst noch alles erwartet, lest Ihr auf Kultur:schock. :Die Redaktion MEHR AUF SEITE 5 am Hintern kratzen, ohne dass der/die Bogestra-MitarbeiterIn sich noch zwei Stunden später daran erfreuen kann. Jede Belanglosigkeit von „Was essen wir zu Mittag?“ bis zu „Guck mal, mein neues Nippelpiercing“ wird über Social Media oder Messengerdienste kom- Richtigstellung zur PCB-Belastung an der RUB Chemikalien: In der :bsz 1113 erschien ein Artikel zum Thema PCB-Belastung an der RUB, der hier richtiggestellt werden muss. So kann von „Entwarnung“ keine Rede sein. muniziert – und womöglich von fremden Augen mitgelesen. Völlig abwegig, In besagter Ausgabe wurde im Artikel lich einzustufen ist. Nach jahrelanger Beschaffenheiten der PCB-Quellen inner- dass Menschen, bei denen was zu ho- von „Entwarnung“ gesprochen, was nicht Exposition kann es also zu Krebs führen. halb der Räumlichkeiten diese vorläufigen len ist, die selber auf der Suche nach behauptet werden kann. Die Interventi- Unbedenklich sind damit nur Neubauten Maßnahmen unterschiedlich erfolgreich Informationen, nach Neuigkeiten, nach onsgrenze für belastete Räumlichkeiten oder kernsanierte Gebäude. sind. Dementsprechend ist es beson- Unbekanntem, nach nicht Öffentlich- beträgt 3000 ng/m³, weswegen die Ver- keitstauglichem sind, auch beobachtet waltung der RUB auch sämtliche Räum- werden. Traurig, dass es für unsereins lichkeiten, die diesen Wert überschreiten, Die Sanierung der Gebäude der N- und PCB-Aufnahme zu verringern. so unnormal normal geworden ist, sich gesperrt hat. Die aktuell gültige maximale G-Reihe werden, ab einer Konzentration Das in der :bsz 1113 erwähnte Biomo- :ken Arbeitsplatzkonzentration (MAK) für eine von 300 ng/m³, vom Bau- und Liegen- nitoring ist ein freiwilliges Angebot für Aufenthaltsdauer von acht Stunden pro schaftsbetrieb NRW (BLB) durchgeführt. MitarbeiterInnen, allerdings lassen die Tag am Arbeitsplatz beträgt laut Deut- Die komplette Beseitigung ist jedoch bisweilen erfassten Werte keine statisti- scher Forschungsgemeinschaft allerdings nicht sofort zu erreichen. Dafür wäre eine sche Auswertung zu. Zwar sind die Werte 3000 ng/m³. Wichtig ist hierbei zu wissen, Kernsanierung der Gebäude notwendig. bisher nicht besorgniserregend, aber sie dass die akute Toxizität von PCB verhält- Allerdings finden Vorabsanierungen statt, unterliegen genauer Beobachtung. nismäßig gering ist, wobei die chronische bis jene möglich ist. Es gilt aber auch an- Belastung mit PCB als durchaus gefähr- zumerken, dass durch die verschiedenen alles gefallen zu lassen. BESUCHE UNS IM NETZ Alle Artikel und mehr im Internet unter: www.bszonline.de www.facebook.de/bszbochum Sanierungsmaßnahmen erfolgen ders ratsam in belasteten Räumen so oft wie möglich zu lüften, um das Risiko der :Dennis Rosinski 2 UNI:VERSUM 1. MÄRZ 2017 :bsz 1116 Wollschläger-Immobilie im Kreuzfeuer CAMPUSENTWICKLUNG: Im Oktober 2015 wurde bekannt, dass die Ruhr-Universität Bochum den ehemaligen Wollschläger Standort in Bochum Langendreer gekauft hat. Die neuen Pläne zu Mark 51°7 in Bezug auf die WorldFactory werfen an der RUB neue Diskussionen auf. Bei der Wollschläger-Immobilie handelt es der Universitätskommission für Planung, kann keine Rede sich um einen Komplex, der 2.000 Quad- Struktur und Finanzen, welches der :bsz sein. Vor 2021/22 ratmeter Bürofläche und eine 10.000 Qua- vorliegt, wird von einem Gesamtvolumen kann es gar keinen dratmeter große Werkhalle umfasst. Sie der Investitionen von rund 10 Millionen Umzug nach Mark soll noch in diesem Jahr in das Projekt Euro gesprochen. „Die Betriebskosten 51°7 WorldFactory der Ruhr-Universität einge- sind da noch nicht mit drin. Ein derart ja erst einmal ge- bunden werden. Dort soll für das Gründer- energieintensives Projekt wie die World- plant und gebaut projekt der Ruhr-Universität ein Fabrikati- Factory hat da sicher hohe Betriebskos- werden muss“, so onslabor entstehen, in dem Studierende ten. Die Halle fasst 10.000 Quadratmeter Prof. Uta Hohn, Zugang zu Produktionsmitteln und moder- und diese Fläche gilt es zu beheizen, mit Prorektorin für Pla- nen industriellen Produktionsverfahren er- Strom und Wasser zu versorgen und ver- nung und Struktur. halten. Mit dem Bekanntwerden des Kon- waltungstechnisch zu betreuen. Da kann In einer Stellung- zepts „Campusentwicklung³“, bei dem die man schon von einem Betrag von einer nahme gegenüber Universität mit der WorldFactory auf Mark halben Million im Jahr ausgehen“, so Pe- der :bsz erklärt 51°7 umziehen will, begannen Diskussio- wny weiter. Hohn: „Die RUB nen über den Nutzen der Investition. Außerdem wurde bekannt, dass das einst hat als Industrielager genutzte Gebäude auf- schläger-Immobilie zu einem Zeitpunkt Kauf der Wollschläger-Immobilie. Der Betrag von 15 Millionen Euro „entbehrt „Eigener kleiner BER“ geben, die da Woll- Von der Lagerhalle zur Campuseinrichtung: Die Pläne zur ehemaligen Wollschläger-Immobile sorgen für Diskussionen. Foto: Public Domain wendig in Höhe mehrerer Millionen Euro erworben, als eine Entscheidung für ein Sebastian Pewny, studentisches Mitglied saniert werden muss. Als öffentliches Ge- Engagement beim Aufbau eines Wissen- jeder Grundlage“, so Hohn weiter. Die An- der Universitätskommission für Planung, bäude müssen höhere Ansprüche erfüllt schafts-, Innovations- und Technologie- frage nach Details und Belegen zu den Struktur und Finanzen, schätzt die Pläne werden. „Im besten Fall sind wir am Ende quartiers auf Mark 51°7 noch nicht ab- tatsächlichen Kosten blieben bis Redak- für die Wollschläger-Immobilie als „extrem bei Kosten von 12, im schlechtesten Fall sehbar war und vor allem als dort keine tionsschluss allerdings unbeantwortet. unvorteilhaft“ ein. „Die Gefahr besteht, bei Kosten von 15 Millionen Euro für einen Entwicklungsflächen kurzfristig verfügbar Auch die Zukunft der Immobilie nach dem dass die RUB mit der Wollschläger-Immo- Übergangsbau von zwei bis drei Jahren.“ waren.“ Der sogenannte Letter of Intent Umzug der WorldFactory nach Mark 51°7 zwischen der RUB und der Stadt Bochum ist unklar. Laut Hohn liegen bisher keine wurde erst am 22. September 2016 un- detaillierten Pläne vor. bilie ihren eigenen kleinen BER geschaffen hat“, so Pewny. Im Ergebnisprotokoll der 77. Sitzung Rückenmark bestimmt Händigkeit FORSCHUNG: Anders als bisher ge- Nutzungsdauer bis 2021/2022 „Von einer Nutzungsdauer von 2 Jahren :Andreas Schneider terzeichnet. Also fast ein Jahr nach dem Nachträgliche Glückwünsche JUBILÄUM: Anlässlich des 50. Geburtstags der :bsz im Februar gratulierten das Akafö und das Schauspielhaus Bochum. dacht, wird die Rechts- oder Linkshändig- StuPa-Sprecher tritt zurück HOCHSCHULPOLITIK: Am 21. Februar verkündete Kai Rodehüser (NAWI) keit womöglich nicht durch das Gehirn seinen Rücktritt als Sprecher des 50. bestimmt, sondern durch das Rücken- Studierendenparlaments (StuPa). Die Akademi- mark. Das fand das Forschungsteam Position des StuPa-Sprechers gab Kai um Privatdozent Dr. Sebastian Ocklen- Schauspiel- sches För- bereits nach zweimonatiger Amtsinha- burg, Judith Schmitz und Prof. Onur Gün- haus derungswerk be auf. Zuvor war er stellvertretender türkün an der RUB heraus. Sie vermuten, Bochum (Akafö) Sprecher des 49. Studierendenparla- dass Asymmetrien im Rückenmark für ments. die Präferenz der rechten oder linken SeinE NachfolgerIn soll am 3. März auf Hand verantwortlich sein könnten. der 5. StuPa-Sitzung gewählt werden. Seit den 80er Jahren ist bekannt, Das Schauspielhaus Bochum wünscht dass sich die Händigkeit bereits im Mut- der :bsz alles Gute zum 50. Jubiläum. terleib abzeichnet; neu ist jetzt, dass sie Seit der Einführung unserer Flatrate, die unsere herzlichsten Glückwünsche zum 50. nicht durch die unterschiedliche Genakti- es RUB-Studierenden ermöglicht, regel- Geburtstag! Wir freuen uns auf weiterhin Ebenso tritt Kai Rodehüser von seinen vität im Gehirn bedingt wird. „Die Ergeb- mäßiger ins Schauspielhaus zu kom- gute Zusammenarbeit, kritische Berichte Sitzen des Haushalts- und Satzungs- Liebe Kolleginnen und Kollegen, Bis dahin übernimmt Felix Pascal Joswig (Jusos), jetztiger stellvertretender StuPa-Sprecher, seine Aufgaben. nisse verändern unser Verständnis über men, sind wir noch enger zusammen- und eine Menge Lesespaß – weiter so. ausschusses zurück – seinen Sitz als den Ursprung hemisphärischer Asym- gewachsen. Wir freuen uns über den Die :bsz nimmt unter den deutschen Cam- Parlamentarier wird er vorerst behalten. metrien fundamental“, so die Biopsy- lebendigen Austausch! pus-Publikationen eine verdiente Sonder- Als Gründe für den Rücktritt nannte er chologInnen. Die Ursache für die Asym- stellung ein, wir sind froh, an einem Hoch- den intensiven Zeitaufwand und die metrie vermuten die ForscherInnen in Olaf Kröck, Schauspielhaus Bochum, schulstandort mit einem Qualitätsmedium Aufmerksamkeit, die die Hochschulpo- Umwelteinflüssen, die sich epigenetisch Chefdramaturg und designierter Inten- wie Ihrer Zeitung arbeiten zu dürfen. Danke litik benötige. Darunter leide mittlerwei- abzeichnen. Diese können dazu führen, dant der Spielzeit 2017/2018 dafür und alles Gute für die kommenden le sein Studium – dies konnte er zum dass sich Methylgruppen an die DNA Foto-Quelle: Martin Steffen Jahre. Zeitpunkt seiner Wahlaufstellung nicht heften und die betroffenen Gene weniger Peter van Dyk, Akafö-Pressesprecher absehen. abgelesen werden. Je nach Verteilung Foto-Quelle: Akafö Er betont allerdings, dass ihm die Hoch- sind die Gene im rechten und linken Rü- schulpolitik Spaß gemacht habe und ckenmark unterschiedlich aktiv. bedankt sich für die Zusammenarbeit. :ken :sat UNI:VERSUM 1. MÄRZ 2017 :bsz1116 3 Ein Hauch von Zukunft ENERGIE: Bochumer Ingenieure um Professor Constantinos Sourkounis wollen die Beziehungen von Windrädern untereinander erforschen, da diese nicht isoliert arbeiten. Das Programm Forschungsinfrastrukturen NRW fördert diese Untersuchungen mit vier Millionen Euro. In Bezug auf regenerative Energien spielt on mit dem Rotor auch selbst in Rotation hat man bestimmt die Windkraft eine sehr wichtige Rolle. versetzt. Hinter dem Rotor bewegt sich schon einmal eine Laut Bundesministerium für Wirtschaft die Luft also langsamer und weist gleich- gleichzeitige Hel- und Energie (BMWi) hatte diese bereits im zeitig Verwirbelungen auf.“ Diese Effekte ligkeitsschwan- Jahr 2016 einen Anteil von 12,3 Prozent würden mit zunehmendem Abstand hinter kung der Beleuch- an der Gesamtstromgewinnung. Geplant den Rotoren zwar abnehmen, da aber die tung bemerkt. Der seien der Ausbau an weiteren geeigneten Konverter in Windparks sehr nah beiein- Leistungsbezug Landstandorten, der Ersatz älterer und ander stünden und auch die Windrichtung des einen Verbrau- kleinerer Anlagen sowie ein Ausbau der Einfluss nehme, könnten nachfolgende chers beeinflusst Windenergien auf See (Offshore-Winde- Konverter durch die Effekte eines ande- die nergie). ren erreicht werden. „Wirbel und Druck- des Netzes und Spannung Um diese Windkraftanlagen effektiver schwankungen in der anströmenden Luft somit zu gestalten, forscht nun ein Team der übertragen sich auf den mechanischen Spannung, auch die RUB an den Beziehungen der Windräder Aufbau des WEKs, können hier Schwin- der ein anderer untereinander, die sich laut Pressemittei- gungen anregen und sich im Folgenden Verbraucher (im Beispiel die Beleuchtung) lung der Uni durch Luftströme als auch die über den Generator auf die Energiebereit- seine Leistung bezieht.“ Die infolgedessen beim aktuellen Stand der Technik sicher- schwankende Einspeisung von Strom ins stellung auswirken.“ auftretende veränderte Netzspannung lich noch nicht möglich, aber auch nicht so bei Strom aus Windenergie: Ein RUB-Team erforscht die Beziehungen der einzelnen Windräder zueinander. 60 bis 70 Prozent Strom aus Windkraft ist Hinzu kommt, dass, sollten die Win- führt zu einer Veränderung in puncto weit entfernt, dass ich es ein utopisches denergiekonverter alle am selben Teilnetz Leistungsaufnahme und folglich Lichtab- Ziel nennen würde.“ Um diese zu errei- angeschlossen sein, auch eine Interaktion gabe. Grundsätzlich gilt: „Schwankende chen, sei aber eine spartenübergreifende Frederik Einwächter, Koordinator des Pro- über das Stromnetz möglich sei. Einwäch- Einspeisung führt zu Schwankungen der Weiterentwicklung des gesamten Ener- jekts „Smart Wind Park Laboratory (SWi- ter erklärt dies vereinfacht an einem Haus- Netzspannung.“ In der Folge kann es zu giesystems notwendig, beispielsweise im PLab)“, „Windenergiekonverter halts-Beispiel: „Wenn man schon einmal mechanischen Schwankungen kommen. Bereich der Netze und Speicher. „Mit dem (WEK) entziehen dem Wind Energie und im Haushalt bei elektrischem Licht ein bremsen dabei die bewegte Luftmasse Gerät mit großer Leistung eingeschaltet ab. Gleichzeitig wird der Luftstrom, der hat (zum Beispiel einen Wasserkocher, Im Rahmen der Klimaschutzziele hält Fre- den Rotor durchsetzt, durch die Interakti- ein Waffeleisen oder einen Staubsauger), derik Einwächter fest: „Ein Szenario mit Netz gegenseitig beeinflussen. Wie genau ist das zu verstehen? erklärt: Mehr Strom aus Wind Texte, Theater und jede Menge Loooooove BÜHNE: Kultur statt Kommerz am Valentinstag. Mit der 14. Ausgabe der Studierenden-Werkschau Podest fanden zahlreiche Kunstformen und Valentinstags-Specials ihren Weg in das Herz des Tor5. neuen Windenergiekompetenzzentrum SWiPLab werden wir dazu einen Beitrag leisten.“ :Tobias Möller Studiengebühren in BaWü Internationale Studierende: Der Ministerrat in Baden-Württemberg beschloss „Anything can happen“, versprach Or- den Party, und am 14. Februar den Regierungsentwurf ganisatorin Sina Langner im Interview vieles mehr. Die zu den Gebühren für internationale Stu- der :bsz-Ausgabe 1113. Vor dem Hinter- ausgelassene dierende und das Zweitstudium. In der grund ihrer „Love Edition“ machten die Atmosphäre im Pressemitteilung des Ministeriums für Beteiligten jedoch klar, dass der kreative vertrauten Krei- Wissenschaft, Forschung und Kunst Input nicht den Valentinstag ausschöpft se löst außer- Baden-Württemberg und die Kunst im Mittelpunkt steht. „Die dem den Druck, nisterpräsident Winfried Kretschmann Liebes-Vibes sollten nur den Rahmen unter dem (Grüne) Gebühren für internationale stellen. So fühlen sich alle wohl und kön- Kunstschaffen- Studierende als europäischen Standard nen sich umso mehr auf die Beiträge ein- de im Rahmen und einen solidarischen „Beitrag zur lassen“, erklärt Viviane Lennert aus dem solcher Finanzierung unseres Hochschulsys- Orga-Team. Bei Podest legte sie am 14. valähnlichen Februar Tarot-Karten und deutete daraus, Plattformen wie es um das Liebesleben der Besuche- häufig rInnen steht – teilweise mit erschreckender Genauigkeit. festi- bezeichnet Mi- tems“. stehen. Mit zugehaltenen Ohren und Grinsen im Gesicht: Die Zuschauenden warten auf den großen Knall, während Performer Hans Peters die Zu hoher Druck rote Gefahr immer weiter aufbläst Foto: Alexander Schneider führt zu großer Die Sozialverträglichkeit, die Erhaltung des internationalen wissenschaftlichen Austauschs sowie eine Minimierung des Verwaltungsaufwands hätten Spannung. Zu große Spannung muss ihren Rückmeldungen Bezug auf meinen bei der Entwicklung des Entwurfs im sich irgendwann entladen. Wie das endet, ersten Auftritt nehmen konnten“, verdeut- Fokus gestanden. Kretschmann betont, Obwohl das diesjährige Podest größten- führte Hans Peters in seiner Performance licht Mattias Engling, der zum zweiten „dass Studierende, die von außerhalb der teils installativ ausfiel, glänzte das Pro- „Luft“ eindrucksvoll vor. Mal mit einem Kabarett-Programm hell- EU zu uns kommen, um ein Studium von auf begeisterte. Wer noch in Erinnerun- hoher Qualität zu absolvieren“, einen What happened? gramm wieder durch Vielfalt. Das Tor5 bot als Arbeitsstätte des Masterstudien- Mit Liebe und Feedback nach Hause gen der vergangenen Podest-Editionen moderaten Beitrag zu leisten hätten. Internationale Studierende von außer- gangs Szenische Forschung den perfek- Dass der Austausch über die künstleri- schwelgt oder bereits der 15. Ausgabe ten Ort, um auf individuelle Erkundungs- schen Zwischenstände fester Bestandteil entgegeneifert, sollte einen Blick auf den halb der EU werden ab dem kommen- reise zu gehen und den Love-Spuren zu des Konzepts ist, wird an der Wiederkehr Podest-Blog riskieren, um Im- und Ex- den Wintersemester 1.500 Euro pro Se- folgen: eine Wand für Liebes-Annoncen, vieler KünstlerInnen deutlich: „Die Konti- pressionen künstlerischen Schaffens zu mester an Studiengebühren entrichten BotInnen, die Liebesbriefe überbrachten, nuität war auch für die Feedback-Gesprä- sammeln. müssen. eine Kissenschlacht bei der anschließen- che hilfreich, da die KommilitonInnen in :Marcus Boxler :tom 4 WELT:STADT 1. MÄRZ 2017 :bsz 1116 Mutmaßlicher Vergewaltiger angeklagt KRIMINALITÄT: Anfang Dezember nahm die Bochumer Polizei einen 31-jährigen Mann fest, der sich seitdem in Untersuchungshaft befindet. Die Staatsanwaltschaft will nun Anklage erheben. Er hatte ihnen aufgelauert, sie ins Gebüsch Anklage gezerrt, dort massiv körperlich misshandelt und vergewaltigt. Schnell war klar, Von diesem Vorwurf nimmt die Staatsan- dass die zwei Taten im vergangen Herbst waltschaft nun wohl Abstand. Der Ange- in einem Zusammenhang stehen. Wird der klagte, der weiterhin schweigt, wird sich Antrag angenommen, beschäftigt sich der im Strafverfahren wegen Freiheitsberau- neunte Strafsenat des Bochumer Land- bung, gefährlicher Körperverletzung, Ver- gerichts bald mit dem Fall. Die Angriffe gewaltigung und Diebstahls verantwor- ereigneten sich im August und November ten müssen. Über die Wahrscheinlichkeit vergangenen Jahres. In einem Wald am einer Verurteilung lässt sich zu diesem Kalwes wurde das erste Opfer, eine 21-jäh- Zeitpunkt lediglich spekulieren. Die Be- rige Studentin, überwältigt und mit einem weislast jedoch scheint erdrückend: Im Ast traktiert. Mit einem wohl mitgebrach- Rahmen einer Pressekonferenz der Bo- ten Strick drückte der Täter ihr die Luft ab. chumer Polizei am Tag nach der Festnah- Die Schläge waren so heftig, dass das Op- me erklärte Staatsanwalt AndreasBach- fer kurzzeitig das Bewusstsein verlor. mann, die sichergestellten DNA-Spuren In unmittelbarer Nähe zu Gehwegen und Straßen und dennoch unbemerkt: In diesem Waldstück an der Max-Imdahl-Straße ereignete sich eine der beiden Taten. Foto: kac Das zweite Opfer, eine 27-jährige, wur- an den Opfern stimmten zu einhundert ner Verurteilung eine Gesamtstrafe gebil- fers in der Nähe des Tatorts gemacht. Dort de in einem Wald an der Max-Imdahl-Stra- Prozent mit denen des Festgenommenen det, die im konkreten Fall sogar bis zu 15 war ihm ein Verdächtiger aufgefallen, auf ße überfallen. Der Täter schlug, würgte überein. Dass er nicht der Täter ist, sei Jahren Freiheitsstrafe betragen könnte. den das Phantombild zutraf. Dass er sich und vergewaltigte die junge Frau, anschlie- daher unwahrscheinlich. „Ich halte diesen ßend stahl er ihr Bargeld. Im Interview mit Tatnachweis für sehr überzeugend, einen einer Tageszeitung sagte der leitende besseren Nachweis sehe ich im Moment Dass es überhaupt zu der Verhaftung sam. Laut Polizei sei nicht auszuschließen, Oberstaatsanwalt damals, man könne nicht,“ erklärte Bachmann. „Deshalb spre- kam, ist einem Zufall zu verdanken. Trotz dass er dort auf der Suche nach einem wei- nicht ausschließen, dass der Täter eine Tö- chen wir auch schon vom Täter.“ Das über 100 eingegangener Hinweise aus teren Opfer war. tungsabsicht hatte. Die „potenziell lebens- Strafmaß für die einzelnen angeklagten der Bevölkerung ermöglichte erst ein Foto gefährdende Situation“ führte dazu, dass Taten liegen zwischen sechs Monaten die Identifizierung des Gesuchten. Dieses auch versuchter Mord im Raum stand. und fünf Jahren. Daraus wird im Falle ei- hatte der Lebensgefährte des zweiten Op- Überraschender Ermittlungserfolg Bochum boomt STADTENTWICKLUNG: In Bochum ist das Mitpreisniveau so hoch wie noch nie. Der Grundstücksmarktbericht 2017 verkündet einen besonders hohen Anstieg im Neubaubereich. „Preise haben deutliche angezogen“ Gegenüber „WAZ“ 76 Prozent – unter BochumerInnen abgewickelt wurde. Auswärtige KäuferInnen kommen vor allem aus dem Ennepe-Ruhr-Kreis, der berich- tet Tim Maus- aus Essen und Dortmund. Vergleich zum Mietspiegel bach-Judith, Der Bochumer Mietspiegel zeigt eine Vorsitzender ebenso steigende Entwicklung wie der des Grundstücksmarktbericht. Im Jahr 2016 Gutachteres erreichte der Quadratmeterpreis den „massive höchsten Wert – Tendenz steigend. Für Steigerungen“ den Februar lag der Durchschnittspreis Der Gutachterausschuss für Grund- im Preis für Eigentumswohnungen, Ein- für den Quadratmeter allerdings verhält- stückswerte in der Stadt Bochum stellte und Zweifamilienhäusern sowie Doppel- nismäßig niedrig. Mit 7,77 Euro/m² bei für das Jahr 2016 einen Aufwärtstrend haushälften. Bei neu errichteten Eigen- einer 30 Quadratmeter-Wohnung kann im Immobilienmarkt fest. Die Geld- und tumswohnungen ist der Preisanstieg man schon fast von einem erschwingli- Flächenumsätze (vermietete und ver- besonders auffällig. Seit 2014 stieg der chen Preis sprechen. kaufte Flächen an BüronutzerInnen) sind Quadratmeterpreis von 2.400 auf 2.940 Im Vergleich dazu: 2016 lag der Qua- zwar gegenüber dem Vorjahr gesunken Euro – das ist ein Plus von etwa 20,5 dratmeterpreis für die gleiche Wohngröße – 2016: 1,1 Millionen Quadratmeter / Prozent. bei 9,64 Euro/m². Lange wird der Trend nicht halten: Mietsenkung im Februar 2017 bei 30qm Wohnungen Diagramm: sat ausschuss, gebe 531 Millionen Euro; 2015: 1,4 Millionen Kennzeichnend für den Bochumer Quadratmeter / 579 Millionen Euro – Immobilienmarkt ist der Austausch von aber deutlich mehr Kaufverträge wurden privaten KäuferInnen und VerkäuferIn- abgeschlossen. 2016 meldeten Notare nen untereinander. Etwa 90 Prozent aller dem Gutachterausschuss 2.745 Kauf- Kaufabwicklungen wurden von Privat- verträge von Grundstücken und Immobi- leuten getätigt. Ein weiteres Merkmal ist, lien; etwa 3 Prozent mehr als im Vorjahr. dass der Großteil der Geschäfte – etwa :Sarah Tsah MEHR AUF SEITE 6 ungewöhnlicherweise in einem Gebüsch aufhielt, machte den jungen Mann aufmerk- Gastautorin :Katrin Skaznik MEHR AUF SEITE 6 Einigung in der Tarifrunde TV-L 2017 Gewerkschaften: In der dritten Runde der Tarifverhandlungen für die Angestellten des öffentlichen Dienstes der Länder konnten die Gewerkschaften ihre Forderungen teilweise durchsetzen. Am 17. Februar einigten sich die Verhandlungsführenden der Gewerkschaften ver.di, GEW, GdP, dbb Beamtenbund und Tarifunion mit den VertreterInnen der TdL (Tarifgemeinschaft der Länder). Die Umsetzung ist auf eine Laufzeit von 24 Monaten festgesetzt. Während sich auf eine zweistufige, lineare Entgelterhöhung in einem Umfang von +2,0 Prozent (zum 1. Januar 2017) und +2,35 Prozent (zum 1. Januar 2018) geeinigt wurde, profitieren Auszubildende und PraktikantInnen von einer Lohnerhöhung von insgesamt 70 Euro und der Angleichung ihres Jahresurlaubsanspruchs auf 29 Tage (bisher 28 Tage). Die wichtigste Errungenschaft ist die erstrebte Einführung einer Erfahrungsstufe 6 in den höheren Entgeltgruppen. Berthold Paschert, Pressesprecher der GEW NRW, betitelt den Ausgang als „vertretbares Ergebnis nach hartem Ringen“. Die diesjährige Tarifrunde verlief im Vergleich zu früheren Auseinandersetzungen nahezu reibungslos. :box 1. MÄRZ 2017 :bsz1116 KULTUR:SCHOCK 5 Brecht bei Blauschimmelkäse VIDEOINSTALLATION: Von essayistischen Dokumentationen bis zu echten Horror-Schockern: Unter dem Motto „Big Films with Smart Phones“ verwandeln Studierende am 9. und 10. März das Musische Zentrum zu einer Videoshow. Nervige WhatsApp-Gruppen, überflüssige perimentieren: „Der Grundgedanke war, sich Kai Bernhardt von dem Ergebnis an- gemeinsam vor dem Fernseher sitzen“, so Apps oder stressige Dauererreichbarkeit sowohl beim Drehen als auch in der getan. Ermöglicht wurde der Dreh durch Bernhardt. Die präsentierten Filme spielen – das sind die üblichen Erfahrungen, die Präsentation verschiedene Sachen aus- eine Drohne, die mit einem Tablet ge- dabei auch mit den Rezipienten. So etwa man mit Smartphones verbindet. Doch zuprobieren“, erzählt Kursleiter Kai Bern- steuert wurde. „Das ist dann gar nicht so Christoph Ranfts „Das Dritte Sonett“, in eine Videoinstallation von Studierenden hardt. „Wir haben uns erst angeguckt, weit weg von der Smartphone-Technik“, dem der Student Liebesgedichte von Bertolt der RUB zeigt, wie kreativ und produktiv was es so an Film- und Schnittmöglich- erklärt der RUB-Student der Medienwis- Brecht rezitiert und dabei Blauschimmelkä- mit diesen Geräten umgegangen werden keiten gibt.“ senschaft und Germanistik. se isst. Oder Caroline Königs visueller Essay kann. Das war zumindest die Idee des Projekts „Big Films with Smart Phones.“ Entstanden sind Found-Foota- ge-Clips, essayistische Reflexionen oder Installation statt Leinwand über „alternativen Mandarinen-Essen“. Beide Filme spielen dabei mit der Interaktion Angefangen hat im Wintersemes- kurze Schocker-Streifen, die mit Jump Rund 12 Filme mit einer Laufzeit zwischen zwischen Video und Raum. „Die Zuschauer ter alles mit einem Kurs im Musischen Cuts experimentieren. Eines der Highlights zwei und zehn Minuten sind es am Ende sollen da auch als Teil der Videos einbe- Zentrum. Im Vordergrund stand das Ex- der Videoinstallation: Der Dokumentarfilm geworden. Dass sie in Form verschiedener zogen werden“, erzählt Kai. Aber auch mit „Mountain Mad- Installationen gezeigt werden, stand zu Be- Tast-, Geruchs- und sogar Geschmackssinn ness“, der ein ginn des Kurses noch nicht fest. Jedoch der ZuschauerInnen wird gespielt. beeindrucken- wollte man die Smartphone-Streifen nicht Wer selbst mal mit seinem Mobiltelefon des Alpenpano- einfach auf der Leinwand abspielen: „Es eigene Filme drehen und präsentieren will: rama zeigt und sollte mehr werden, daher die Installatio- Auch im Sommersemester wird ein Kurs im komplett an die nen“, so Berndhardt. Musischen Zentrum angeboten. Künstlerisches Spiel zwischen Video und Raum: Die Installationen von „Big Films with Smartphones“ laden zum gemütlichen Sitzen ein Foto: Maximilian Wenzel Decke projiziert Das erwies sich als Clou, denn die liebe- ist. „Wenn man voll eingerichteten Installationen wie etwa dann hier liegt gemütliche Wohnstuben mit alten Glotzen und von unten sorgen für eine spannende Verbindung von auf Ber- Film und Raum: So werden die Zuschaue- ge schaut, ist rInnen etwa eingeladen, sich auf die Couch • Donnerstag, 9. März und Freitag, 10. das schon ein zu schmeißen und sich in Bettdecken einzu- März, 19 Uhr, Musisches Zentrum. ziemlich cooles igeln. „Das ist auch im Kurs entstanden und Eintritt frei. Erlebnis“, zeigt mit in die Installation eingeflossen, dass wir die :Benjamin Trilling ZEIT:PUNKT Menschenverachtung Voll Porno, voll Schweden LESUNG: Abschiebebescheide kontrastieren im Bahnhof Langendreer die Ignoranz der Behörden mit der Situation von Geflüchteten. THEATER: Witek Danielczok legt bei der Uraufführung seines Stücks „Pornolitik“ im Zeitmaul-Theater die hysterische Seite der Politik frei. Bertolt Brecht hat es mal frech in seinen Aus den bürokratischen Bescheiden, Wenn die Politik zum albernen Theater sy“-Credo bis hin zur mysteriösen Schwe- „Flüchtlingsgesprächen“ auf den Punkt Abschiedsbriefen und zornigen Gedich- verkommt, braucht auch das Theater den-Rede. Schwachsinn und Machtpolitik gebracht: „Der Paß ist der edelste Teil ten stellten sie eine Lesung zusammen. nicht viel mehr: Auf der Bühne tritt eine sind nicht mehr von einander zu trennen. von einem Menschen. Er kommt auch Eine aufrüttelnde, literarische Anklage an junge Frau ans Rednerpult. Es folgte eine Das zeigt auch die Inszenierung im Bo- nicht auf so einfache Weise zustande die Dublin-Doktrin. Menschen statt An- Ansprache über die Lage ihrer Brüste, chumer Zeitmaul-Theater auf: Regis- wie ein Mensch. Ein Mensch kann über- tragstellerInnen. die nahtlos in sattelfeste Spekulationen seur und Autor Witek Danielczok über Gemeinschaft, Wahrheit und andere mit „Pornolitik“ die Mechanismen der Schlupflöcher übergeht. Macht, die hysterische Seite der Politik all zustandekommen, auf die leichtsinnigste Art und ohne gescheiten Grund, „Existenzminimum zumutbar“ legt aber ein Paß niemals.“ Wie aktuell der Geschildert wird etwa der Fall eines jun- Soweit die Ausgangskonstellation unter dem Eindruck seiner Exil-Zeit in gen Afghanen, der Zuhause zu Arbeit von „Pornolitik“: Eine Rednerin, ein Span- „Fast alles in diesem Stück ist Porno“, den 1940er-Jahren geschriebene Satz gezwungen und von seinem Vater ge- ner, der sie beobachtet bis sich alles als so Danielczok über seine Inszenierung. ist, zeigte die Lesung am 15. Februar im schlagen wird. Mit gebrochenem Kiefer alberne Liebesgeschichte auflöst. Das ist Eine überhitzte Reflexion über Macht, Bahnhof Langendreer. flieht er über verschiedene Stationen so unrealistisch, dass es als politische Sex, Liebe und Demagogie, die einen am ersten nach Deutschland. Nach der OP bean- Realität verkauft werden kann: Erregung, Ende fast ratlos zurücklässt. Doch das be- tragt er in Deutschland Asyl. Irgendwann Hysterie, Verblendung. ist politisches Programm. Wie eine rich- bay- – nach einer langwierigen bürokratischen Getragen wird die Inszenierung von Städtchen Befragung – kommt der Bescheid. Darin den beiden HauptdarstellerInnen: Giam- heißt es schließlich: „Die Zuerkennung pero Piria als schräger Spanner und Steffi der Flüchtlingseigenschaft war somit Staltmeier als Verkörperung eines sexu- abzuerkennen.“ Die Begründung besteht alisierten Sophismus, der weiß, wie eine immer aus den gleichen Satzbausteinen: WählerInnenschaft zu verführen ist. Als die Flüchtlinge schaulichen, rischen im Ochsenfurt ankamen, packten die beiden AktivistInnen Simone Barrientos und Leander Sukov (Bild) mit an. im Trump-Zeitalter frei. tige Trump-Rede. Voll Porno, voll Schweden. :Benjamin Trilling Beide organisierten Versammlun- „Ein Leben am Rand des Existenzmini- gen, Hilfe bei alltäglichen Dingen oder mums ist zumutbar.“ Eine Lesung, die wü- gemeinsame Karaoke-Abende. Trotz der tend macht, die aufrüttelt. Und doch nur Spätestens seit den Eskapaden des Willkommenskultur in ihrer Stadt kippte präsentiert, was für Millionen Geflüchtete US-amerikanischen Präsidenten Donald die Stimmung: „Jetzt taucht das Problem alltäglich ist: dokumentierte Menschen- Trump haben sich die Spielregeln von Po- März, 20 Uhr, Zeitmaul-Theater, auf, dass die Jungs ihre Bescheide krie- verachtung. litik und Realität verschoben: Von seinem Eintritt: 14 Euro, ermäßigt 10 Euro gen“, erzählt Barrientos. :Benjamin Trilling Wie eine richtige Trump-Rede unrühmlichen „Just grab them by the pus- ZEIT:PUNKT • Freitag, 3. März und Samstag, 11. 6 B L I C K:WINKEL 1. MÄRZ 2017 :bsz1116 Bochum – Rise and Shine :bsz INTERNATIONAL: A sudden increase in rent, cost of living and people immigrating. A sole question arises: Bochum has suddenly become popular – is it hip to live here now? some perfectly reasonable explanations university-sup- newspa- for all those things but let us – for one ported pers never grow tired of moment – assume that it could be so- story … Sure enough, as „WAZ“ and similar start-up telling us, Bochum has mething else: What if there was actually Yes, yes … I can a lot to offer: Lake Kem- some kind of inexplicable, unfathomed see it … this year, nade, the Bermuda3Eck, Bochum Total, optimism in the in the city with the „pulse Bochum will dis- the Bergbaumuseum and of course – at of steel“? The shadow resulting from the guise itself as least some – beautiful parts of the Ruhr loss of Nokia and Opel as major financi- Stanford during University. No doubt – life quality in Bo- al partners has somehow vanished. The carnival. chum certainly has improved since the city embraces its identity as a university 1950s. However, with the loss of Nokia location fueled by multiculturalism and (2008) and Opel (2014) Bochum‘s popu- creative minds … lation has been dwindling in the last 20 Now, let’s bring this Big plans years – from around 400.000 residents Maybe not back reality: to maybe Partially beautiful: The ever returning message of the Campus “Beton brennt doch!” („concrete does burn“). Foto: kac in 1994 to around 365.000 residents in Imagine: You are listening to the sound of Bochum is not 2014. So why even bother advertising the monorail cruising overhead connec- exactly the wor- Bochum as a hip city? ting the enlarged university grounds ld with the former Opel compound and the con Valley. However, there is certainly place) and IDEALearning (now: Win- social and cultural heart of the city, the some potential. You would have to be ter-Science) (10th place), both of which Hence, how come that the last two ye- Bahnhof Langendreer. The inner city be- rather pessimistic to not be a little ex- are start-ups supported by the RUB, lan- ars saw a net migration (emigration aming with life from cultural exchange cited about the WorldFactory and Mark ded high ranking spots on a TOP 50 Ger- minus immigration) of 6,000 (Decem- and events. The smell of food and drinks 51°7. The planned Bochumer Biennale man start-ups list. All in all, there might ber/2015) and 3,000 (December/2016)? from all around the globe. A faint noise really sounds like an exciting cultural actually be something to look forward to. Why did the rents increase so suddenly of music in the air with people all over event to look out for this year as well. Maybe it is true – maybe concrete does in late 2016? What about the prices for town discussing their newest ideas in the Even the Campus isn’t half as dull as its burn after all. properties that have been raised by al- richness of hip bars and modern cafés. exterior wants you to believe. There are most 20 percent? Admittedly, there are Not a single week without a new exciting some amazing projects hiding below the A wind of change leading concrete. In 2015 MEMBRASENZ (2nd Sili- :Frederik Herdering Kein Uni-Vergewaltiger Packt Tassen in die Taschen! KOMMENTAR: Reißerische Titel vermitteln falsches Bild von tatsächlichem Stadtgeschehen, wie der Fall in Querenburg zeigt. KOMMENTAR: 329.000 Pappbecher landen stündlich im Mülleimer. Radio Cosmos teilte ein lehrreiches Video der Aktion „#umfüllen“. Ereignen sich in einer Und nun wieder Im Jahr ergibt das 40.000 An der TU Dortmund können Pfandtassen Gegend mit moderaten „Gibt es ein neues Uni-Phantom?“, fragen Tonnen produ- benutzt werden. Diese haben zudem noch Kriminalitätsstatistiken daraufhin überregionale Zeitungen. Taten, ziert durch Pappbecher einen Deckel, damit der Kaffee nicht über- schwere Straftaten, ist die die sich Auf dem Kalwes und an der Max- in schwappt. mediale Müll, Deutschland. Diese Aufmerksamkeit Imdahl-Straße ereigneten, also jeweils Zahlen werden in dem Fa- Was ich gar nicht verstehe, ist die Fahr- groß. Reißerische Überschriften und un- knapp vier Kilometer entfernt, werden cebook-Video gezeigt, während ein Ka- lässigkeit mancher Menschen. Ein Szena- saubere Implikationen füllen die Titelsei- rhetorisch auf den Campus verschoben. merateam unauffällig große, gedruckte rio aus dem Edwards: Zwei Studentinnen ten. Dass beide Opfer Studentinnen waren, Gedankenblasen über die Köpfe der Kaffee- bestellen sich artsy-fartsy-Milchgetränke, All das ist – im Rahmen beweisbarer scheint ein schwacher Zusammenhang, trinkerInnen schweben lässt. In den Blasen natürlich zum Mitnehmen. ABER sie gehen Tatsachen – auch zulässig. Hysterische der es nicht rechtfertigt, von „Uni-Nähe“ und steht unter anderem „Der eine Becher … ist gar nicht raus!!!11 Sie setzen sich im La- Halbwahrheiten jedoch nicht. Als sich „Campus-Täter“ zu sprechen. Natürlich ist ja wohl nicht so schlimm“ oder „Ups, nicht den hin. „Warum habt ihr zum Mitnehmen in Bochum im vergangenen Herbst zwei der Begriff der Nähe subjektiv auszulegen. an die Umwelt gedacht“. Mit der Aktion bestellt?“, fragte ich sie. Sie erwiderten, das schwere Straftaten ereigneten, reagierten Das HZO und Sprockhövel dabei gleichzu- „#umfüllen“ möchten die VideomacherIn- könne mir doch egal sein und mit den Be- Medien auf das Interesse der Bevölkerung setzen ist allerdings verwunderlich. Da von nen die Gesellschaft dazu animieren, zwei- chern sei man cooler. mit entsprechender Informationsbereit- Übergriffen in unmittelbarem Zusammen- mal nachzudenken, ob sie wirklich wieder schaft. Wie damals kommt auch jetzt, da hang mit der RUB nichts bekannt ist, sind einen Kaffeebecher aus „Pappe“ brauchen. die Staatsanwaltschaft Anklage erheben Artikelbilder, die das Studierendenhaus Denn tatsächlich bestehen diese nicht zu Bitte Leute, seid so umweltbewusst und wird, kaum ein Informationskanal in sei- zeigen, daher unpassend. Es mag kleinlich 100 Prozent aus reinem Papier. packt Euch Tassen in die Taschen. Falls ner Berichterstattung ohne geografische erscheinen im Rahmen fundierter Bericht- Regelmäßig treffe ich mich mit Freun- der Fall eintritt, dass Ihr doch mal auf einen Einordnung aus. „Uni-Vergewaltiger“ klingt erstattung, solche Details anzuprangern. dInnen auf dem Campus auf einen Kaffee. Einwegbecher zurückgreift, dann schmeißt eben noch etwas dramatischer. Vergleiche Doch machen wir bitte unsere wunderbare Oft erwischen wir uns mit Einwegbechern den nicht sofort weg, auch den könnt Ihr werden zu einem ähnlich gelagerten Fall in Bildungsstätte nicht zu einem Tatort, so- in der Hand. „Ach verdammt, ich wollte mir mehr als einmal benutzen. Was der Umwelt den 1990er Jahren gezogen, als 21 ange- fern es nicht zutrifft. Alltägliche Skandale doch eine Tasse von Zuhause mitbringen, auch hilft: Zumindest auf eine Tasse Kaffee zeigte Taten in Sprockhövel und der Region haben wir schon genug. Stoppen wir die damit ich nicht ständig Müll produziere“, am Tag verzichten, im Erzeugerland werden Bochum demselben Täter zugeschrieben implikative Diskussion – bevor aus der ärgert sich mein guter Freund Kai. Julian um die 140 Liter Wasser benötigt, um einen wurden. Gefasst wurde er nie, was zum vermeintlichen Suizid-Uni eine Vergewalti- hingegen hat stets eine Tasse dabei. In den Kaffee herzustellen. Mythos beiträgt. gungsuni wird. RUB-Cafeten findet Ihr nur Einwegzeug. :Katrin Skaznik Tipps für die Umwelt :Katharina Cygan 1. MÄRZ 2017 :bsz1116 ZEIT:PUNKT U N D:SONST SO NACH:GEHÖRT Kein Staub von gestern Simple Instrumentierung, interessante Stimme und Texte, die zum Bildungsbilanz? 7 Nachdenken anregen: Andrea freut sich schon auf die Berliner Künst- Seit 2005 wird im Rahmen des Bochumer lerin Le-Than Ho, die im Rahmen von „I AM LIVE“ Bochum die Ehre gibt. Memorandums die Bildungs- und Sozial- Die Songpoetin stellt ihren zweiten Longplayer „.staub“ vor, der anders als politik in NRW auf den Prüfstand gestellt. ihr Nach mehr als einer Dekade kommt es verschmelzen. Thema des Albums ist das Aufeinandertreffen von Elementen, der Reibung, Erstling als Experiment angelegt ist und Songwriting und Soundart miteinander zur Bilanz bei der Bildungskonferenz. Un- umgesetzt auf klanglicher und textlicher Ebene. ter anderem diskutieren Hannelore Kraft, • Sonntag 5. März, 18:30 Uhr. I AM LOVE, Bochum. Eintritt frei. Ministerpräsidentin NRWs, Dr. Kornelia „Erzähl deinen Mädels ich bin wieder in der Stadt“, denn die Band Bilderbuch veröffentlichte am 17. Februar mit Magic Life ihr viertes Album. Die Österreicher lenkten mit ihrem letzten Album SCHICK SCHOCK sämtliche Aufmerksamkeit auf sich. Die vierköpfige Band ist bekannt für ihre Experimentierfreude und Genreaufwei- Freitag, Prorektorin für Lehre an der RUB, chung. Auch auf Magic Life beweist sowie Dorothea Schäfer, Vorsitzende der schaftsbetriebs: Heute ein Bestseller, ches Instrument Ihr mitbringen möchtet. Gewerkschaft für Erziehung und Wissen morgen Professor für die Ewigkeit. Es • Samstag, 4. März, 19:30 Uhr. Knuts, Wit- (GEW) NRW. läuft sehr gut, doch dann kommt eine Stu- ten. Eintritt 5 Euro. • Freitag, 3. März, 10 Uhr. Audimax, RUB. dentin vorbei und hat eine Frage. Anhand Eintritt 15 Euro für Studierende. von David Mamets Stück „Oleanna“ zei- Rechte Gewalt im Comic Punk. gen Studierende der Folkwang Universi- 1980er: Nils Oskamp wird in Dort- macht deutlich, dass mit dem Album tät der Künste die Beziehung von Macht, mund-Dorstfeld Opfer rechter Gewalt: Auf der FLTI*-Bühne laden Glitzer & Kra- Anerkennung und Diskriminierung – und Die „Alten Kameraden“ sorgen bis heute wall und Lila Lautstark zum queerfemi- was passiert, wenn es mal reicht und wir noch für Schlagzeilen. 2017: In seinem nistischen Poetry Slam ein: Alle Gender am Ende unserer Geduld sind. autobiographischen Graphic Novel „Drei sind willkommen und zeigen auf dem • Samstag, 4. März, 19:30 Uhr. Rottstr5, Steine“ erzählt Oskamp von seiner Ju- Podest, was sie literarisch zu bieten ha- Bochum. Eintritt 13 Euro, erm. 7 Euro. gend, in der er zum Opfer wurde. Neben SlammerInnen in der Taube ben. Oder sich im Publikum über die ent- den ausgestellten Originalseiten und Stu- sprechenden Textergüsse freuen dürfen. Let’s Jam! Anmeldungen sind nicht mehr möglich. Du spielst ein Instrument, singst oder Die Ausstellung läuft bis zum 22. März ZuschauerInnen sollten zeitig kommen, hast Lust, mit Anderen Musik zu ma- und kann zu den Öffnungszeiten des Ca- da es nur begrenzt Plätze gibt. chen? Die erste Jam Night im Roxi lädt fés besichtigt werden. • Freitag, 3. März, 19 Uhr. Black Pigeon, zu überraschenden Kompositionen und • Dienstag, 7. März, 18:30 Uhr. Endstati- Dortmund. Eintritt frei interessanten Begegnungen. Achtung, on.kino Café, Bochum. Eintritt frei. Premiere, Premiere! Er ist der aufstrebende Star des Wissen- dien stellt der Comic-Artist sein Werk vor. Noel Gallaghers und Adeles: Meldet Euch vorher unter [email protected] Bilderbuch ihr Gespür für eine stimmige Mischung aus Progressive-Rock, Indie, Hip-Hop-Elementen und ArtLeadsänger Maurice Ernst „der Fehler zelebriert“ werden soll, um dem Einheitsbrei musikalischen Outputs und Genreklassifizierungen entgegenzuwirken. Gemessen an ihrer progressiven Einstellung avancieren die Fashion-Kings Wiens zu den Beatles fen auf Autotune gleichzeitig mung den für und jede richtigen trefStim- Ton. Ob „SUPERFUNKYPARTYTIME“ oder subtile Gesellschaftskritik: Magic Life bringt Gegensätze zusammen und hält für jeden Geschmack etwas bereit – Mama kocht für alle. :box oder roxi-witten.de an und erwähnt, wel- IMPRESSUM :bsz – Bochumer Stadt- und Studieren- denzeitung Herausgeber: AStA der Ruhr-Universität Bochum – der Vorstand: Nur Demir, David Semenowicz u. a. Redaktion dieser Ausgabe: Andreas Schneider (asch), Benjamin Trilling (bent), Marcus Boxler (box), Dennis Rosinski (dero), Frederik Herdering (fah), Jan Freytag (fry), Katharina Cygan (kac), Kendra Smielowski (ken), Andrea Lorenz (lor), Tobias Möller (tom), Sarah Tsah (sat) V. i. S. d. P.: Benjamin Trilling (Anschrift s. u.) Anschrift: :bsz c/o AStA der Ruhr-Universität Bochum SH Raum 081 Universitätsstr. 150 44780 Bochum Fon: 0234 32-26900 E-Mail: [email protected] Im Netz: www.bszonline.de, facebook.com/bszbochum Auflage: 3.000 Druck: Druckwerk, Dortmund Bildnachweise: S. 5 bent, S. 6 Becher: kac S. 8 Karikatur: kac, Hintergrund: es-de-we, flickr, Filmplakat: Neue Visionen Filmverleih Die Artikel spiegeln nicht unbedingt die Meinung der gesamten Redaktion wider, sondern sind in erster Linie Werke ihrer VerfasserInnen. 8 SCHWER:PUNKT :bsz 1116 1. MÄRZ 2017 150 Jahre „Das Kapital“ Historische Randnotiz oder aktuelle Kapitalismuskritik? Von VWL ignoriert, von Gewerkschaften wiederentdeckt WISSENSCHAFT: In der Volkswirtschaftslehre spielt „Das Kapital“ nur noch eine geringe Rolle. Marx’ Hauptwerk feiert jedoch in gewerkschaftlichen Lesekreisen eine kleine Renaissance. Eine Entstehungsgeschichte Wie kam Marx vor 150 Jahren dazu, „Das Ursprüngliche Akkumulation, Fetischform nom.“ Volkswirtschaftliche Auseinander- des Arbeitskampfes der ArbeiterInnenbe- Kapital“ zu schreiben? der Ware, tendenzieller Fall der Profitrate setzungen fänden eher aus historischer wegung sind“, erklärt Marijke Garretsen Eine kurze Entstehungsgeschichte zeigt, – wer einen Blick in „Das Kapital“ von Karl Perspektive statt: „Sein Werk gilt allge- vom DGB. „Insofern ist Marx und seine dass die drei Bände nicht nur eine Arbeit Marx wirft, stößt schnell auf sperrige For- mein als überholt. Allerdings beruht diese Analyse des Kapitalismus auch heute noch von Marx sind, sondern ebenso das Werk mulierungen. Doch der Mix aus Klassischer Einstellung vielfach auf Unwissen und wichtig für die gewerkschaftliche Arbeit – von Friedrich Engels darstellen, der die Ökonomie und hegelscher Dialektik hat in Vorurteilen, da sich kaum jemand damit vor allem was den politischen Bildungsauf- Bände maßgeblich überarbeitete. den vergangenen Jahrzehnten etliche In- beschäftigt hat.“ trag angeht.“ tellektuelle und AktivistInnen maßgeblich beeinflusst. Begonnen hatte Marx seine Studien der :Benjamin Trilling Großer Andrang bei DGB-Reihe Ökonomie, die später in das Kapital einmünden sollten, bereits 1849. Frisch aus Im heutigen VWL-Studium spielt Marx’ Daran habe auch die Finanzkrise 2008 nur politische Ökonomie aber praktisch keine teilweise etwas geändert, so Roose: „Die kri- in der British Library unter anderem mit Rolle mehr, wie Michael Roos, Lehrstuhl- tischen Stimmen, auch innerhalb der VWL, der Theorie der „unsichtbaren Hand“ von inhaber der Makroökonomik an der RUB, werden zwar lauter, aber der Mainstream ist Adam Smith und der Wertschöpfungs- erklärt: „Es gibt nur sehr wenige Experten, immer noch sehr stark.“ die sich mit Marx beschäftigen und diese gelten im Fach als hete- Deutschland emigriert, begann er, sich theorie von David Ricardo auseinander- Anders sieht es bei den Gewerkschaf- zusetzen. Hieraus entstand das Buch ten aus. So organisiert die DGB-Jugend „Grundrisse der Kritik der politischen Öko- exotisch. Der über- Dortmund momentan eine sehr gut be- nomie“; es bildete die gedankliche Grund- wiegenden Mehr- suchte Reihe zur Aktualität von Marx’ „Ka- lage für das Kapital, das den Untertitel heit der Volkswir- pital“. Im Gegensatz zur VWL gibt es eine „Kritik der politischen Ökonomie“ trägt. te gilt Marx eher aktuelle wie praktische Perspektive: „Uns Ausgehend von den Grundrissen und als politischer hat bewogen, dass wir häufiger die Erfah- weiteren Studien sah Marx zunächst vor, Philosoph rungen machen, dass jungen Arbeitneh- das Kapital in sechs Bänden zu veröffent- denn als Öko- merInnen nicht bewusst ist, dass gewisse lichen. Diesen Plan verwarf er 1863 je- Dinge wie Lohnfortzahlung im Krankheits- doch zugunsten einer Dreiteilung mit den fall, Urlaub, Arbeitsschutz etc. nicht vom Themen „Produktionsprozess des Kapi- Himmel gefallen sind, sondern Produkte tals“, „Zirkulationsprozess des Kapitals“ rodox oder und „Der Gesamtprozess der kapitalisti- Ein Flaschengeist im Biopic-Format schen Produktion“. 1867 erschien dann schließlich der erste Band des Kapitals, FILM: Konventioneller Kostümschinken: „Der junge Karl Marx“ mit August Diehl in der Hauptrolle zeigt die frühen Jahre des Revolutionärs als konservatives Biopic über den Marx an Engels schrieb: „Diese Woche wird also die Scheiße fertig“. Die Marx-Engels Koproduktion Die Synthese ist das, worauf es in der Zeitung, ins Exil getrieben. Regisseur auf einen spannenden Historienfilm oder Doch die „Scheiße“ war noch lange nicht marxistischen Theorie hinausläuft. Das Raoul Peck spannt den Bogen bis zur gar auf einen brisanten Aktualitätsbezug fertig. Marx selbst überarbeitete den ers- Repertoire aus der Philosophie Hegels: Verfassung des „Kommunistischen Ma- gehofft hat, wird enttäuscht sein. „Der ten Band des Kapitals noch weitreichend These, Antithese und dann dieser Sprung, nifestes“ im Revolutionsjahr 1848. Dazwi- junge Karl Marx“ versucht stattdessen, für die französische Übersetzung und der alles in ein neues Licht rückt, eine schen erzählt er vom Beginn der tiefen auf der Erfolgswelle der jüngsten Flut fertigte Entwürfe für die zwei folgenden neue, spannende Perspektive gibt. Wenn Freundschaft zwischen Marx und dem an Biopics zu reiten. Das wirkt, als hätte Bände an, die er jedoch nicht mehr zur man so will, spielt diese Synthese auch jungen Fabrikantensohn Friedrich Engels man den Rebell Marx wie ein Flaschen- Druckreife bringen konnte. Dies über- die heimliche Hauptrolle im Film „Der (Stefan Konarske), der in seinem Buch geist ins Biopic-Format gepresst. Ein bri- nahm Friedrich Engels; er veröffentlichte junge Karl Marx“. Aber keine glückliche. bereits die soziale Lage der englischen santer oder spannender Gehalt tritt nicht 1885 den zweiten Band und 1894 folgte Denn immer wieder flammt im Historien- Arbeiterklasse schilderte. Beide versu- wirklich aus dem konventionellen Korsett der dritte Band. Engels nahm Marx-For- film von Raoul Peck Hoffnung auf, dass chen nicht nur mit ihren Werken ein ge- heraus. scher Rolf Hecker zufolge jedoch gerade es gelingt, die Ansichten, das Leben die- sellschaftskritisches Projekt anzustoßen, ses rebellischen Geistes als spannendes sondern beteiligen sich auch am Aufbau Kino zu verpacken. Doch es geht nicht des damaligen Bundes der Gerechten, auf – zumindest bis Schluss. dem späteren Bund der Kommunisten. :Benjamin Trilling im dritten Band starke Änderungen vor. Sie umfassten „Eingriffe in die Textanordnung“, also „Modifikationen der Titel- und INFO:BOX Überschriftengestaltung und Textum- Der Film, der seine Weltpremiere auf Daneben geht es auch um Marx’ Erfah- der vergangenen Berlinale feierte, setzt rungen im Exil oder den Existenzkampf, Der Film läuft ab dem 2. März im Kino. Daher ist das Kapital in seiner heutigen im Jahr 1843 an: Es herrscht Zensur und von dem Frau (Vicky Crieps) und Kinder Eine ausführliche Filmbesprechung lest Form vor allem eine Koproduktion von Repression. Als einer der radikalen Intel- betroffen sind. Ihr auf bszonline.de Marx und Engels und nicht das Monu- lektuellen wird auch Karl Marx, damals Das Ergebnis ist ein spröder Kostüm- noch junger Journalist der Rheinischen schinken, der nicht recht zünden will. Wer stellungen; Aufwertung von Textteilen“. mentalwerk eines einzelnen Denkers. Gastautor :Jan Freytag
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