Das Interview mit der WR

Lokales
Montag, 27. Februar 2017
Polizei stellt
Banner
sicher
Plakat am Bahnhof
sorgt für Wirbel
ESCHWEGE. Ein Banner mit
der Aufschrift „Ficki, ficki?
Nein! Respekt vor Frauen!“ haben Unbekannte am Sonntagmorgen gegenüber dem Stadtbahnhof in Eschwege aufgehängt – direkt neben einer
Flüchtlingsunterkunft,
wie
die Polizei mitteilte. Ein Foto
des Banners wurde im Internet auf der Facebook-Seite von
„Spotted
Werra-MeißnerKreis“ veröffentlicht und zahlreich kommentiert. Die Polizei hat das Banner umgehend
sichergestellt. Näheres zu den
Ermittlungen will sie heute
bekanntgeben.
• Wer Hinweise zu den Unbekannten, die das Banner
aufgehängt haben, geben
kann, meldet sich bei der Polizei in Eschwege unter der Telefonnummer 0 56 51/ 9250.
(gsk/esp)
Witzenhausen ist der Primus
Fünf Kommunen aus dem Kreis, die bei den Gewerbesteuereinnahmen aufgefallen sind
VON TOBIAS STÜCK
WERRA-MEISSNER. Die Gewerbesteuereinnahmen der
16 Kommunen sind relativ
konstant. Trotzdem gibt es im
Vergleich untereinander Besonderheiten. Wir haben fünf
Kommunen genauer unter die
Lupe genommen.
1.
Die größte Einbuße.
Muss Berkatal einstecken. Die Gemeinde am Meißner hat nach 860 000 Euro
2015 jetzt nur noch 294 000
Euro durch die Gewerbesteuer
eingenommen. Für die aus
drei Orten bestehende Kommune ist das eine absolute
Ausnahme. 2014 floss hier
über eine Million Euro Gewerbesteuer, 2013 waren es noch
870 000 Euro. 2016 schon wurde wegen der zu erwartenden
Einbußen Grund- und Gewerbesteuer auf 440 Prozentpunkte erhöht. 2017 rechnet die
Gemeinde mit Einnahmen
von einer knappen halben Million Euro.
2.
Von Unbekannten gegenüber
der Flüchtlingsunterkunft in
Eschwege aufgehängt: das Banner.
Foto: privat
Die prozentual größte
Verbesserung. Sie findet
man in Weißenborn. Um sage
und schreibe 95,9 Prozent hat
sich das Ergebnis in der kleinsten Gemeinde des Kreises verbessert. In Zahlen ist das Ergebnis ernüchternd. Statt gut
17 000 Euro im Vorjahr haben
die Betriebe der Gemeinde
2016 34 000 Euro gezahlt.
Weißenborn bleibt damit weiter mit Abstand Schlusslicht
im Kreis, was die Gewerbesteuer angeht.
3.
Die Konstanteste. Ist die
Stadt Wanfried. Nach
772 000 Euro 2015 wurden ein
Jahr später 775 000 Euro eingenommen. Das ist rechnerisch zwar eine Verbesserung
von 0,4 Prozent, macht sich
im Haushalt aber nicht bemerkbar. Immerhin: Seit 2013
geht es bergauf.
GEWERBESTEUERVORAUSZAHLUNG 2016
NeuEichenberg
NIEDERSACHSEN
188.397 €
+ 12,6 %
Witzenhausen
4.
Die meisten Mehreinnahmen. Hat die Stadt Sontra
verbucht. Eine Verbesserung
von 620 000 Euro schlägt in
diesem Jahr zu Buche, von
808 000 Euro ist die Gewerbesteuer innerhalb eines Jahres
auf über 1,4 Millionen Euro
hochgeschnellt. Das entspricht
einer Verbesserung von 76,9
Prozent. Das hat sich sehr positiv auf den 2016er-Haushalt
ausgewirkt. Statt 435 000 Euro
geht der Kämmerer jetzt von
fast 1,3 Millionen Überschuss
aus. „Den Unternehmen in
Sontra geht es zwar gut, die Gewerbesteuer bleibt aber eine
schwer planbare Einnahmequelle“, sagt Bürgermeister
Thomas Eckhardt.
5.
Der Klassenprimus. Witzenhausen hat die meisten Einnahmen aus der Gewerbesteuer. Dabei hat sich
dieser Wert in den vergangenen vier Jahren kontinuierlich
verbessert. 2013 waren es
noch knapp vier Millionen
Euro, 2014 schon 6,6 Millionen Euro und 2015 dann acht
Millionen Euro. Dieses Ergebnis hat die Stadt im vergangenen Jahr dann noch mal um
eine halbe Million Euro gestei-
Kaufunger
Wald
LANDKREIS
KASSEL
8.554.387 €
+ 6,7 %
Großalmerode
1.329.303 €
- 6,8 %
Hessisch
Lichtenau
3.064.710 €
+ 7,4 %
SCHWALMEDERKREIS
WR-Infografik
Bad
Sooden-Allendorf
1.171.359 €
+ 23,7 %
Berkatal
294.184 €
- 65,8 %
Meinhard
469.250 €
+ 9,1 %
Eschwege
Wanfried
5.523.762 €
775.480 €
7,3
%
Wehretal
+ 0,4 %
Waldkappel
710.126 €
+ 17,0 %
870.580 €
Weißen- 6,8 %
born
34.984 €
+ 95,9 %
Ringgau
Sontra
280.909 €
1.429.974 €
+ 11,6 %
+ 76,9 %
Meißner
398.722 €
- 2,9 %
LANDKREIS
HERSFELDROTENBURG
gert. Norbert Heinemann, bei
der Stadt Witzenhausen für
die Finanzen verantwortlich,
THÜRINGEN
Herleshausen
405.285 €
+ 20,2 %
Quelle: Hessisches Statistisches Landesamt
macht die gute konjunkturelle Entwicklung für den neuen
Höchstwert verantwortlich.
Für 2017 rechnete Heinemann
mit 7,6 Millionen Euro aus der
Gewerbesteuer.
Werra-Rundschau v. 27.02.2017
Tödlicher
Unfall auf der
Autobahn 7
KNÜLLWALD. Ein LastwagenFahrer ist am Samstagabend
auf der Autobahn 7 von einem
Auto erfasst worden. Der
Mann starb noch an der Unfallstelle. Nach ersten Ermittlungen der Autobahnstation
in Baunatal war der Lkw-Fahrer auf Höhe der Raststätte
Hasselberg-Ost über die A 7 gelaufen. Auf der mittleren der
drei Spuren Richtung Norden
wurde er von einem Auto erfasst und tödlich verletzt.
Bei dem getöteten Mann
handelt es sich um einen 46jährigen Lkw-Fahrer aus der
Ukraine. Die Ermittler vermuten, dass er die A 7 zu Fuß
überquerte, um von der Raststätte Hasselberg-Ost zurück
zur Raststätte HasselbergWest zu kommen. Dort entdeckten Polizisten seinen geparkten Lkw. Warum der
Mann zuvor überhaupt zur
östlichen Raststätte gelaufen
war, ist noch unbekannt.
In dem Auto, das den Mann
erfasst hatte, saß eine fünfköpfige Familie aus den Niederlanden. Die beiden Erwachsenen und drei Kinder wurden
bei dem Unfall nicht verletzt.
Ein Notfallseelsorger betreute
die Familie. Die Staatsanwaltschaft in Kassel beauftragte einen Gutachter mit der Rekonstruktion des Unfallsgeschehens.
Die A 7 Richtung Norden
war bis gegen 22 Uhr gesperrt.
Da drei Fahrzeuge, die im Stau
gestanden hatten, wegen Batterieproblemen nicht mehr
ansprangen, mussten Pannendienste zu Hilfe gerufen werden. Wieder einmal hatten
Rettungskräfte Schwierigkeiten, zur Unfallstelle zu gelangen, da einige Fahrer keinen
Platz für eine Rettungsgasse
bildeten. (abg)
„Wollen die Öffis besser vernetzen“
Interview: Die Bundestagsabgeordnete Sabine Leidig (Die Linke) über den Nahverkehr
VON TOBIAS STÜCK
GREBENDORF. Die Bundestagsabgeordnete Sabine Leidig
(Die Linke) sitzt seit 2009 im
Bundestag in Berlin. Bisher
wohnte sie in Hanau, jetzt lebt
sie in Kassel und tritt als Direktkandidatin für Nordhessen an. Am 4. März kandidiert
sie für Listenplatz 1 der Linken in Hessen. Wir sprachen
mit ihr am Rande einer Klausurtagung in Meinhard-Grebendorf über Arbeitsbedingungen, die Vereinbarkeit von
Sozialem und Ökologie und
die Mobilität auf dem Land.
Frau Leidig, Sie wollen als
Bundestagsabgeordnete der
Linken ganz Nordhessen vertreten. Wo sehen Sie dabei die
Herausforderung?
SABINE LEIDIG: Sicherlich in
der Größe der Flächenlandkreise. Als Vertreter der Linken bin ich aber auch keine
klassische Wahlkreisabgeordnete. Wir sind zurzeit in unserer Bundestagsfraktion zu
dritt aus Hessen und werden
im ganzen Land angefragt. Gerechtigkeit, Frieden oder sozialökologischer Umbau - diese
Themen haben überall Bedeutung.
dung, aber es fehlen Querverbindungen. Und wer in Kassel
Theater oder Party besucht,
kommt nach 23 Uhr nicht
mehr zurück. Es muss aber
möglich sein, in der Region gut
vernetzt mit „Öffis“ unterwegs
zu sein. Gerade beim Busverkehr auf dem Land liegt einiges
im Argen. Ich bin seit 15 Jahren
autofrei unterwegs. Und ich
bin der Meinung: Niemand
darf auf das eigene Auto angewiesen sein.
Sie sind verkehrspolitische
Sprecherin Ihrer Fraktion und
wollen „Bahn für alle“. Welchen Eindruck vermittelt hier
Nordhessen?
LEIDIG: Es gibt Licht und
Schatten; es gibt mit dem Cantus eine ganz gute Bahnanbin-
Sie verfolgen ja das Ziel, die
Fahrpreise zu senken?
LEIDIG: Richtig. Wir brauchen zumindest ein Sozialticket. Das darf nicht mehr kosten, als im Hartz-IV-Satz dafür
vorgesehen ist. Das sind etwa
20 Euro im Monat. Außerdem
wollen wir kostenlose Schülertickets. Und perspektivisch
einen solidarisch finanzierten
Nulltarif im ÖPNV für alle.
Lässt sich das sozial und ökologisch vereinbaren?
LEIDIG: Genau das ist mein
Ziel. Verkehr, so wie er im Moment läuft, zerstört das Klima,
ist eine Belastung für die Anwohner und vom Geldbeutel
abhängig. Ein gut ausgebauter
öffentlicher Nahverkehr für
alle ist erschwinglich und
schont die Umwelt.
Gehört da nicht auch der Güterverkehr auf der Schiene
dazu?
LEIDIG: Klar. Es müssen noch
mehr Güter auf der Schiene
und weniger auf der Straße
transportiert werden. Gerade
weil die Arbeitsbedingungen
für Lkw-Fahrer unsozial und
die Umweltbelastungen durch
die Lastwagen hoch sind. Die
Bahn vernachlässigt gerade
den Güterverkehr unter 300
Kilometern. Es bricht mir das
Herz, wenn ich sehe, dass der
Güterbahnhof in Bebra so
brach liegt.
Im ländlichen Raum verlassen gerade junge Menschen die
Region. Wie kann man sie vom
Hierbleiben überzeugen?
LEIDIG: Indem sie ihre Lebensgrundlage vor Ort erwirtschaften können. Mit Leiharbeit und befristeten Arbeitsverträgen wird das aber
nichts. Eine Familienplanung
ist so nur schwer machbar.
Und das Lohnniveau ist einfach zu niedrig.
Für mehr Mobilität auf dem Land: Sabine Leidig, die seit dem Sommer in Kassel wohnt, hat festgestellt, dass sich im öffentlichen Nahverkehr in Nordhessen einiges verbessern muss.
Foto: Stück
Teil der Dumpinglohn-Diskussion ist immer wieder die
Logistikbranche.
LEIDIG: Es gibt hier in Nordhessen einen signifikanten Zu-
Zur Person
SABINE LEIDIG (55) ist seit 2009
Abgeordnete der Partei Die
Linke. Zurzeit vertritt sie den
Wahlkreis Hanau. Sie ist verkehrspolitische Sprecherin der
Fraktion. Die Biologielaborantin ist 1982 in die DKP eingetreten und gehört seit 2009
der Linken an. Sie war ab 1996
als gewählte DGB-Vorsitzende
für die Region Mittelbaden und
ab 2002 Bundesgeschäftsführerin von Attac Deutschland.
Sabine Leidig ist verheiratet
und hat einen Sohn. (ts)
sammenhang zwischen Beschäftigten der Logistikbranche, niedrigen Löhnen und Altersarmut. Und Amazon in
Bad Hersfeld ist ein Teil des
Problems. Wir brauchen zügig
einen deutlich höheren Mindestlohn. 8,50 Euro reichen
nicht. Zwölf Euro müssten es
wenigstens sein.
Wir haben bisher nur über
Probleme geredet. Wo liegen
die Stärken der Region?
LEIDIG: In der Landschaft
und in der Uni Witzenhausen,
finde ich. Hier könnte eine
Modellregion für sozial-ökologisches Wirtschaften entstehen: Agrarforschung und ökologische Landwirtschaft werden vereint. Dazu kommunale
Stadtwerke als Schaltstellen
der Energiewende (wie in
Wolfhagen) und Projekte mit
Flüchtlingen, die leer stehende Häuser herrichten, sowie
Konzepte zur Vermeidung von
Verkehr. Solch eine Perspektive kann auch junge Menschen
in die Region ziehen. Denn Alternativen zur Konsumorientierung werden immer häufiger gefragt.