Mare Rezepte - Radio Bremen

Mare Rezepte: Aus Captain Cooks Kombüse
von Hans-Helge Ott
Five o’Clock Tea
Die Briten sind ja, wie wir wissen, die Ostfriesen Europas. Nein nicht, was Sie
denken, hat nichts damit zu tun, dass der Brexit meiner Meinung nach eher Stoff für
einen dieser Ostfriesenwitze wäre. Ich rede nur vom Tee.
Der Engländer an sich trinkt ja gern mal ein Tässchen Tee. Und darum fängt er
klassischer Weise schon vorm Frühstück damit an: mit dem Early Morning Tea. Es
gibt da sogar so sinnreiche Geräte, die den Butler ersetzen, der heute auch in
England nicht mehr in jedem Haushalt zu finden ist. Das ist eine Teemaschine
kombiniert mit einem Wecker. Morgens früh fängt das Ding an zu schlürfen und zu
schlotzen, und wenn man davon längst wach geworden ist, geht ein Lichtlein an, es
ertönt der jetzt überflüssige Weckton (manche haben auch ein Radio, das ist
vielleicht noch schlimmer) und der Tee ist fertig! Sensationell! Dann kann der
traditionelle Brite sein Bettzeug mit einer frischen Tasse Tee versauen! – Aber wir
schweifen ab.
Abgesehen davon, dass Mr. and Mrs. Musterman über den ganzen Tag verteilt Tee
trinken, und zwar gern aus Teebeuteln zweifelhafter Qualität aus dicken Bechern und
mit viel Milch, abgesehen davon hat sich bis heute noch eine echte Festung guter,
alter britischer Lebensart erhalten, wie wir sie lieben: der „five o´clock-tea“. Wie der
Name schon sagt, nimmt man den ab drei Uhr. - In der einfachen Fassung ist es
eine Tasse Tee mit etwas Gebäck.
Etwas aufwendiger ist der Cream-Tea aus Südengland und von den Kanalinseln. Da
werden zum Tee Scones gereicht, diese kleinen, mürben Brötchen, mit Clotted
Cream und Erdbeerkonfitüre. Und wenn Sie die volle Ladung wollen, nehmen Sie
den kompletten Afternoon Tea! Da haben Sie dann alles zusammen: Scones,
Gebäck und Sandwiches - mit Ei, mit Gurke, mit Lachs oder mit Kresse. Die
Brotkanten werden am Ende abgeschnitten und die Sandwiches in drei schmale
„Fingers“ unterteilt. So kann man sie sich sehr vornehm mit fast geschlossenem
Mund einverleiben. Definitely Upper Class.
Zu einem frühen leichten Abendessen kann es auch mal einen High Tea geben. Da
geht es nicht etwa hoch her, sondern der wird am Esstisch, also einem hohen Tisch,
eingenommen, statt auf der Couch oder im Sessel. Da wird dann etwas
Substanzielleres gereicht. Kalter Braten oder so. Auf jeden Fall wird das einzige
warme Lebensmittel der Tee sein. So begleitet dieses alte urbritische Getränk (das
natürlich aus China kommt und erst von den Briten in ihren Kolonien angesiedelt
wurde, weil sie kein Geld dafür außer Landes geben wollten) – so begleitet dieses
Getränk also den Briten durch alle möglichen Publikationen, wie zum Beispiel durch
diese Kolumne. Das wird er auch nicht mehr los, der Brite.
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Im wirklichen Leben wird mittlerweile aber auch in England immer mehr Kaffee
getrunken. Wie damals, als der Tee nach England kam und eine Sache des Adels
und der Reichen war. Der war damals nämlich viel teurer als Kaffee, und der normale
Bürger konnte sich den gar nicht leisten. A propos Brexit: Glauben Sie eigentlich,
dass der vermehrte Kaffeegenuss heute schon ein Zeichen für ein langsam
verarmendes England ist?