Komplementär-Profil Nachhaltigkeit in der Reflexion (Nflex) Koordination: Prof. Dr. Anna Henkel, Fakultät für Kulturwissenschaften Einerseits ist „Nachhaltigkeit“ ein alltagssprachlich und im politischen Diskurs höchst vielfältig verwendeter Begriff – andererseits beginnen sich seit kurzem „Nachhaltigkeitswissenschaft(en)“ als spezifisches wissenschaftliches Feld mit inter- und transdisziplinärem Anspruch zu formieren. Im Komplementär-Profil Nachhaltigkeit in der Reflexion (Nflex) geht es darum, Nachhaltigkeit aus der Perspektive der Wissensforschung zu reflektieren sowie kulturwissenschaftlich, ökonomisch und bildungswissenschaftlich in den Blick zu nehmen. Im Mittelpunkt der einführenden Grundlagenveranstaltung (Modul 1) steht die Paradoxie, dass Nachhaltigkeitsforschung ihrem Selbstverständnis nach notwendig interund transdisziplinär ist, gleichzeitig aber aktiv die eigene Disziplinbildung betreibt. Modul 2 widmet sich der methodisch-methodologischen Perspektive und dabei insbesondere der Frage, ob Nachhaltigkeitswissenschaft auf die Entwicklung spezifischer Methoden angewiesen ist, die eine inter- und transdisziplinäre Zusammenarbeit überhaupt erst ermöglichen. In Modul 3 wird Nachhaltigkeit aus der Perspektive der Ökonomie reflektiert und u.a. danach gefragt, wie eine ökonomische Nachhaltigkeitsforschung aussehen kann und wie sie sich im Verhältnis zu normativen und naturwissenschaftlichen Fragestellungen verortet. In einem vierten Modul wird Nachhaltigkeit aus der Perspektive der Bildung reflektiert: Welchen Stellenwert hat die Vermittlung von nachhaltigem Handeln bislang in Bildungsmodellen? Welche Möglichkeiten gibt es dazu auf den verschiedenen Ebenen einer politischen und schulischen Bildung? Inwieweit sind persönliche Erfahrungen als Bildungselement zentral, um einen nachhaltigkeitsorientierten Habitus zu ermöglichen? Übersicht zum Aufbau des Profils: Modulzuordnung im Komplementärstudium Titel und Beschreibung der Veranstaltungen Modul 1: Medialitätsorientierte Zugänge zu den Geisteswissenschaften Einführung in „Nachhaltigkeit in der Reflexion“ (Prof. Dr. Anna Henkel – SoSe 2017) Nachhaltigkeit ist ein Begriff, ein Thema, eine Zielvorstellung und ein Wissenskomplex, der Anfang des 21. Jahrhunderts eine hohe und vielleicht zunehmende Aufmerksamkeit erfährt. Gegenstand der Einführungsveranstaltung in eine reflexive Perspektive auf Nachhaltigkeit ist, „Nachhaltigkeit“ in dieser Vielschichtigkeit gesellschaftlich zu verorten. Dazu gehören drei zentrale Dimensionen – eine praxeologische, eine genealogische und eine wissensbezogene: Erstens geht es darum, „Nachhaltigkeit“ als Praxis nachzuspüren. Was heißt es, „nachhaltig“ zu leben, zu produzieren oder zu arbeiten? Wann gilt etwas als „nachhaltig“ – und wie gestaltet sich das konkret? Es wird deutlich, dass Nachhaltigkeit keineswegs allein auf ökologische oder Umweltaspekte bezogen ist, sondern auch für vielfältige soziale Themen angewendet wird. Zweitens wird gefragt, wie und in welchem gesellschaftlichen Kontext sich Nachhaltigkeit als Diskurs entwickelt und verändert hat. Gibt es bestimmte Ereignisse, die „Nachhaltigkeit“ zum Thema machen? Welche Akteure beteiligen sich an diesem Diskurs? Welche Machtkonstellationen werden damit angesprochen oder gar verändert? Drittens schließlich gilt es zu diskutieren, inwieweit „Nachhaltigkeit“ sich auf eine spezifische Form des Wissens bezieht. Wissenschaftliches Wissen zeichnet sich – idealtypisch – dadurch aus, in besonderer Weise auf „objektive Wahrheit“ abzuzielen. Es sollen in dessen Herstellung keine persönlichen, wirtschaftlichen oder politischen Interessen einfließen, Erkenntnisse sollen reproduzierbar und um ihrer selbst willen wertvoll sein. Doch gibt es Probleme, für die unter Umständen gerade implizites Wissen, Erfahrungswissen, unsystematisches Wissen entscheidend sein kann. Vor dem Hintergrund derart möglicherweise verschiedener Wissensformen gilt es, „Nachhaltigkeit“ als Wissenskomplex zu verorten. Modul 2: Methodenorientierte Zugänge zu Inter- und Transdisziplinären Wissenschaften Methoden in der Nachhaltigkeitsforschung (Prof. Dr. Ulli Vilsmaier – WS 2017/2018) Das Feld der Nachhaltigkeitsforschung formiert sich aus zahlreichen disziplinären Forschungstraditionen und interdisziplinären Forschungsfeldern. Entsprechend vielfältig sind die Methoden, die in der Nachhaltigkeitswissenschaft zur Anwendung kommen. Das Spektrum reicht von statistischen Verfahren und numerischer Modellierung bis hin zu diskurstheoretischen Ansätzen und verstehenden Forschungsstilen. Im Rahmen der Lehrveranstaltung wird dieser Methodenpluralismus erkundet und etwaigen Spezifika in der Anwendung im Feld der Nachhaltigkeitsforschung nachgespürt. Dies erfolgt mittels Untersuchungen von Forschungsberichten und Publikationen. In einem zweiten Teil wird in spezifische Methoden der inter- und transdisziplinären Nachhaltigkeitsforschung eingeführt. Dazu zählen Methoden der Grenzarbeit ebenso wie Methoden zur Herstellung von Bedingungen für gemeinsames Denken und Handeln. Anhand eines Fallbeispiels werden ausgewählte Methoden zur Herausbildung interdisziplinärer Teams in der Studierendengruppe erprobt, wobei die Perspektivenvielfalt der Studierendengruppen im Komplementärstudium fruchtbar gemacht wird. In einem dritten Teil der Veranstaltung wird in einer reflexiven Perspektive nach dem Zusammenhang von Methode/Forschungsstil und Nachhaltigkeitsverständnis gefragt. Ziel ist es, über die Frage nach der Methode die multiparadigmatische Struktur des jungen Feldes der Nachhaltigkeitsforschung zu erschließen. Modul 3: Medialitätsorientierte Zugänge zu Inter- und Transdisziplinären Wissenschaften Nachhaltigkeit im Unternehmertum (Prof. Dr. Alexander Schall – SoSe 2018) Die Nachhaltigkeit hat in der Wirtschaft eine wichtige Rolle in der Begrenzung des Gewinnstrebens übernommen. So standen sich bei der Frage, welchen Interessen die Leitung eines Unternehmens genügen muss („Unternehmensinteresse“), traditionell der shareholder value, der allein das Gewinninteresse der Aktionäre betonte, und der stakeholer value, der einen Ausgleich zwischen allen im Unternehmen beteiligten bzw. von seinen Aktivitäten berührten Interessengruppen (Arbeitnehmer, Gläubiger, Lieferanten, Kunden, aber auch Kommune und Staat) suchte. Hier hat sich als Kompromisslinie im letzte Jahrzehnt der gemäßigte shareholder value formiert, der nicht kurzfristigen Gewinninteressen frönt, sondern vom Leitbild des verständigen, am längerfristigen Wohl und der nachhaltigen Existenz des Unternehmens orientierten Anlegers ausgeht (in England „enlightened shareholder“ genannt). Dieser Ansatz hat sich weiter ausgebreitet und dominiert mittlerweile auch die Diskussion um die Managervergütung, wo das Gesetz nachhaltige Elemente ausdrücklich vorschreibt. Freilich wird dieser Nachhaltigkeitsbegriff (zu) häufig noch auf die wirtschaftliche Perspektive verengt. Indes geht die Entwicklung bereits weiter. Das europäische Recht ordnet für große Unternehmen seit jeher umfassende Berichtpflichten an. Diese sehen in neuerer Zeit eine umfassende Nachhaltigkeitsberichterstattung vor. Diese ist nicht mehr auf den wirtschaftliche Nachhaltigkeit begrenzt, sondern umfasst alle Aspekte einer nachhaltigen Unternehmensführung etwa auch in Hinblick auf Umwelt und Gesellschaft. Sollte dieser umfassende Ansatz kraft des europäischen Rechts das Verständnis des Unternehmensinteresses umprägen, wäre die Bedeutung der Nachhaltigkeit im Unternehmertum immens gesteigert. Den verschiedenen Facetten dieser für die Zivilgesellschaft relevanten Themen ist im Rahmen des Seminars nachzuspüren. Modul 4: Medialitätsorientierte Zugänge zu den Sozialwissenschaften Nachhaltigkeit bilden (Prof. Dr. Matthias Barth, WS 2018) Mit dem Leitbild einer nachhaltigen Entwicklung wird eine Zielorientierung eingeführt, die weitreichende Konsequenzen für Bildungsprozesse mit sich bringt und in der Konzeption von Bildung für nachhaltige Entwicklung ihren Niederschlag findet. Nachhaltigkeit wird hier als mehr als ein weiteres Thema behandelt, das es zu berücksichtigen gilt. Vielmehr wird durch Bildung für nachhaltige Entwicklung die Frage in den Mittelpunkt gestellt, wie Kompetenzen zur aktiven Mitgestaltung einer nachhaltige(re)n Entwicklung erworben werden können und damit eine neue Perspektive auf Bildungsprozesse eröffnet. Im Rahmen der Lehrveranstaltung soll dem Verhältnis von Bildung und Nachhaltigkeit in drei Schritten nachgespürt werden: Im ersten Schritt beschäftigen wir uns mit dem Spannungsfeld von Bildung und nachhaltiger Entwicklung insbesondere vor dem Hintergrund eines emanzipatorischen Bildungsbegriffs. Darüber hinaus gehen wir den Spezifika von Bildung für nachhaltige Entwicklung nach und betrachten hierzu insbesondere die Ziele, Themen und Methoden von Bildung für nachhaltige Entwicklung. Schließlich wird mit der Analyse konkreter Beispiele das Potential solcher Bildungsprozesse sowohl für die individuelle Entwicklung als auch für einen Beitrag zu einer nachhaltigen Entwicklung in den Blick genommen. Ziel ist es, durch die Beschäftigung mit Bildung und Nachhaltigkeit ein reflektiertes Verständnis über die möglichen Beiträge von Bildung zu nachhaltiger Entwicklung zu erreichen.
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