Novartis– Medizin neu denken.

Novartis – Medizin neu denken.
Eine Beilage der Basler Zeitung.
| Dienstag, 28. Februar 2017
Die Freiheit der
Forscher
Joe Jimenez erklärt, wie Novartis
Kreativität fördert. Seite 2
Die Leber
im Fokus
Auf der Suche nach regenerativen
Heilmethoden. Seite 4
Teamwork.Der Campus von Novartis,
das ehemalige Werksgelände St. Johann in
Basel, ermöglicht mit seinem modernen
Arbeitsumfeld eine neue Art der Zusammenarbeit. Im Bild: Strukturanalyse zur Aufklärung von Medikamenteninteraktionen auf
molekularer Ebene. Foto Novartis
Digitale Medizin
Smartphones erlauben neue
Denkansätze in der Medizin. Seite 6
Novartis – Medizin neu denken.
| Dienstag, 28. Februar 2017 | Seite 2
Editorial
Innovation,
richtig
verstanden
Von Markus Somm
Wer die Debatten
verfolgt hat, die
der neue amerikanische Präsident
Donald Trump in
seinem Land ausgelöst hat, indem
er vielleicht zum
ersten Mal auf so hoher Ebene die
Deindustrialisierung Amerikas
beklagte und versprach, Abhilfe zu
schaffen, der mag erkannt haben,
wie viel besser wir es in der Schweiz
in dieser Hinsicht haben, nicht
zuletzt in Basel. Noch gibt es bei uns
eine sehr starke, wettbewerbsfähige
Industrie, und ja, diese Industrie bietet auch Arbeitsplätze für Leute an,
die keinen Doktortitel tragen, sondern eine solide Lehre gemacht
haben. Gerade in der Region Basel
wird noch produziert, so auch von
Novartis, die hier Fabriken unterhält,
die zu den modernsten und effizientesten der Welt gehören.
«Dinge zu entdecken
ist eine Form
der Kunst »
CEO Joe Jimenez erklärt, wie und wo Novartis Innovationen fördert
Warum ist es der Schweiz gelungen,
mehr Industrie zu halten als die
USA? Ein Grund dafür liegt darin,
dass die Schweiz stets gezwungen
war, sich auf Dinge zu spezialisieren,
die nur wir beherrschten. Denn uns
fehlt der riesige Binnenmarkt, der
gerade in den USA manche Firmen
vor dem internationalen Wettbewerb
schützte und dazu verführte, Masse
statt Qualität herzustellen. Deshalb
mussten wir auch bessere Arbeiter
haben als China oder Indien, bessere
Chemiker und bessere Ingenieure.
Ohne gute Ausbildung, insbesondere
ohne gute Berufsbildung, hätte die
Schweiz den Strukturwandel nie so
gut bewältigt. Hätten wir unsere Textilindustrie, die vor hundert Jahren
zu den tüchtigsten der Welt zählte,
einfach zu bewahren versucht: Wir
wären verarmt. Stattdessen lebt
Basel heute von der Pharmaindustrie
und nicht mehr vom Seidenband.
Zuweilen war dieser Prozess brutal,
viele Leute verloren ihre Stelle – und
doch beschäftigen wir heute, das
geht oft vergessen, viel mehr Leute in
diesem Land als vor hundert Jahren.
So gesehen ist Innovation immer
gut – und der Strukturwandel, den
sie ebenso bewirkt, ist zu begrüssen,
so zerstörerisch er für eine einzelne
Branche, aber auch für viele Betroffene sein mag. Novartis selber liefert
den Beweis dafür, dass man den
Strukturwandel umso besser überlebt, wenn man ihn selber antreibt.
Vor mehr als hundert Jahren ist die
Chemie in Basel entstanden, um Farben für die Textilindustrie herzustellen. Heute rettet Novartis Leben.
[email protected]
Impressum
Novartis – Medizin neu denken.
Eine Verlagsbeilage der Basler Zeitung
in Zusammenarbeit mit Novartis.
Chefredaktor: Markus Somm
Projektleitung: Andreas Schwander
Redaktion: Andreas Schwander,
Patrick Griesser. Wie folgt gezeichnete
Texte stammen von Novartis: Esther
Keller, Kristin E. D. Coan, Goran Mijuk
Gestaltung: Reto Kyburz
Inserate: Basler Zeitung Medien
Druck: DZZ Druckzentrum Zürich AG
BaZ: Onkologie ist wichtig für Novartis –
aber in welchen anderen Gebieten wol­
len Sie sich in Zukunft etablieren?
Joe Jimenez: Neben der Onkologie
sind vor allem auch Herz-Kreislauf-Erkrankungen wichtig – dank
unserem neuen Produkt Entresto. Wir
investieren da im Moment sehr viel,
ebenso in Immunologie, da haben wir
in diesem Jahr mit Cosentyx den
Blockbuster-Status erreicht, also Verkäufe im Umfang von mehr als einer
Milliarde Dollar. Dazu kommt die
Neurowissenschaft. Wir haben Medikamente nicht nur gegen Multiple
Sklerose, sondern nun auch gegen
Migräne und Alzheimer.
Alzheimer hat eine sehr schmale Patien­
tenbasis und Migräne eine sehr grosse –
wie gehen Sie da vor?
Wir haben ein Programm mit Amgen
zu chronischer und episodischer
Migräne. Da haben wir ein neues
Medikament in der Phase 3, das eine
signifikante Reduktion der Anzahl
Migränetage zeigt. Jemand, der sieben oder acht Migränetage pro Monat
hat, kann diese stark reduzieren.
Gibt es weitere Gebiete?
Ein anderes Gebiet ist Augenheilkunde. Da investieren wir ebenfalls,
wir haben gerade eine Firma namens
Encore Vision gekauft. Die Firma entwickelt Augentropfen, die wahrscheinlich gegen Altersweitsichtigkeit
wirksam sind.
Hat sich Ihr Tätigkeitsbereich erweitet
oder verengt gegenüber früher?
Effektiv hat er sich etwas verengt,
obwohl wir noch immer breit aufge-
stellt sind. Früher waren wir in deutlich mehr Feldern aktiv.
Wie viel Geld und Manpower setzen Sie
für die Forschung und Innovation ein?
Letztes Jahr haben wir fast neun Milliarden Dollar investiert, das sind
rund 20 bis 22 Prozent der Verkäufe
von Innovative Medicines. Roche gibt
ähnlich viel aus, andere Firmen in der
Branche dagegen nur 13 bis 14 Prozent. Insgesamt haben wir etwa
23 000 Wissenschaftler und andere
Mitarbeiter in R&D weltweit. Wir sind
branchenübergreifend eine der
Grössten bezüglich Forschungsausgaben.
Wie viele Leute davon arbeiten in Basel?
Rund 4200. Davon sind 2000 in der
Entwicklung und 2200 in der Forschung – hier in Basel.
Wird die Zahl steigen?
Das kann man nicht so klar sagen.
Wir streben einen vielfältigen Fussabdruck an. Der Grund dafür ist, dass
diese Ärzte und Wissenschaftler nicht
gerne umziehen. Deshalb gehen wir
da hin, wo sie sind, und haben die
gros­sen Standorte bei Boston, hier in
Basel für Leute, die in Europa leben
wollen, und den Standort in Shanghai.
Wie effizient ist Ihr Innovationssystem?
Wir messen das auf verschiedene
Arten. Wir messen die Anzahl
Proofs-of-Concept, die jedes Jahr aus
der Forschung kommen. Das ist der
Fall, wenn ein neues Medikament an
eine sehr kleine Zahl Patienten abgegeben wird und einen bestimmten
Grad an Wirkung zeigt.
Novartis – Medizin neu denken.
Wie gut ist da der Output?
Der Output ist ziemlich gut. Wir
haben im Moment 13 potenzielle
«Blockbuster» in der Pipeline.
Erfahrungsgemäss werden wie viele
dieser 13 Medikamente in den Markt
eintreten?
Wenn man mal in Phase 3 ist, dann
erreichen 60 bis 75 Prozent dieser
Medikamente den Markt. In Phase 1,
dem Beginn der Tests mit Menschen,
sind es nur zehn Prozent.
Ist der Anteil der Forschungsausgaben
in absoluten Zahlen gestiegen oder
gesunken?
Weil wir so gross sind, liegen diese
neun Milliarden auch in absoluten
Zahlen bei den höchsten, absolut in
Dollar und in Prozent. Aber das ist
Teil unseres Commitments. Viele
Unternehmen kaufen sich Innovation, indem sie kleine Biotech-Firmen
erwerben. Aber sie machen nicht die
Anstrengungen, intern die Sachen zu
entwickeln. Wir dagegen sind der
Meinung, dass es besser ist, die Medikamente selber zu entwickeln. Die
Strategie ist 80/20. 80 Prozent entwickeln wir selber und 20 Prozent kaufen wir dazu.
vielen Patienten haben. Das heisst
nicht, dass wir uns nicht um seltene
Krankheiten kümmern. Wir haben
ein Leukämieprogramm, für das es
nur wenige Patienten gibt. Das wird
vielleicht kein grosser kommerzieller
Erfolg, aber wir entwickeln es trotzdem, weil es da ein sehr grosses
Bedürfnis gibt.
Investoren sind nicht immer zufrieden
mit Novartis. Wo sehen Sie Möglichkei­
ten, den Output in nächster Zeit zu ver­
bessern?
Wir haben in den letzten zwei Jahren
sehr viel verändert an unserer For-
fender Patente. Aber wir haben
Cosentyx gegen Schuppenflechte lanciert und das hat im ersten vollen Jahr
1,1 Milliarden eingebracht. Wenn
man die Erlöse dieser neuen Produkte
zusammennimmt, kann man die Ausfälle der auslaufenden Patente kompensieren.
Dann investieren Sie nicht unbedingt in
dasselbe Gebiet eines Medikamentes
mit auslaufendem Patentschutz?
Das kommt drauf an. Inzwischen gibt
es Glivec-Generika, aber wir haben
Tasigna im selben Gebiet, dessen Verkäufe steigen, weil es ein besseres
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weise hatte das Medikament einen
relativ langsamen Start. Wenn man
als Arzt ein bestimmtes Medikament
für eine bestimmte Krankheit während 20 Jahren verschrieben hat, hat
man sich so daran gewöhnt, dass man
Neuheiten nur langsam wahrnimmt.
Sind Herzspezialisten konservativ?
Ja, vielleicht, wir müssen sie auf
jeden Fall intensiv auf die Vorteile des
neuen Medikamentes aufmerksam
machen. Im Gegensatz dazu sind
etwa Dermatologen sehr viel offener
und nehmen neue Medikamente sehr
viel schneller an.
len will, betreibt man einen gewaltigen Engineering-Aufwand im Produktionsprozess. Unsere Sandoz-Generikasparte ist da sehr innovativ.
Unser Biosimilars-Geschäft hat nun
die Milliardengrenze überschritten,
wir sind da Leader und es wächst um
30 Prozent pro Jahr.
Gibt es auch Innovation in Dar­
rei­
chungsformen?
Wir studieren Kombinationen von
Medikament und Gerät, welche die
Applikation einfacher machen. Das
ist beispielsweise ein Auto-Injektor,
den man sich nur ans Bein hält und
bei dem man einen Knopf drückt,
statt sich eine Spritze mit der Nadel
zu geben. Es gibt viele neue Geräte,
die dem Patienten auf diese Weise das
Leben erleichtern. Wir haben aber
auch eine Lutschtablette für ein Multiple-Sklerose-Medikament
entwickelt, weil viele MS-Patienten Mühe
mit Schlucken haben, und das für sie
so angenehmer ist.
«Achtzig Prozent der
Produkte entwickeln wir
selber und 20 Prozent
kaufen wir ein.»
Wie sieht Ihre Patentpolitik aus? Man
kann patentieren, oder man patentiert
nichts und muss dann auch nichts
bekannt geben.
Wie beurteilen Sie die Life-Sciences-­
Bedingungen in der Schweiz?
Es gibt beispielsweise Produkte wie
Sandostatin. Das ist ein in der Herstellung sehr kompliziertes Medikament und dank unseren Investitionen
in einen wirklich ausgefeilten Produktionsprozess können wir das
Medikament noch immer sehr gut im
Markt halten, obwohl das Patent
schon sehr lange ausgelaufen ist.
Aber eben: Wir haben das innovative
Pharmageschäft und wir haben das
Generika-Geschäft.
Grundsätzlich
sind wir sehr für Patente. Denn
dadurch kommt die medizinische
Wissenschaft voran. Aber wir sind
auch der Meinung, dass wenn ein
Patent ausläuft, wir verpflichtet sind,
günstigere Varianten anzubieten,
damit die Gesundheitssysteme weltweit davon profitieren können und
uns im Gegenzug auch die neueren
teureren Medikamente bezahlen. Das
ist ein Zyklus.
Die sind sehr gut. Das ist auch der
Grund, weshalb wir viel R & D hier
betreiben. Die Universitäten sind sehr
gut, es gibt sehr viele wissenschaftlich arbeitende Ärzte, die uns bei klinischen Versuchen unterstützen, und
auch das ganze Umfeld ist sehr gut.
Dazu gehören die liberalen Arbeitsgesetze, die uns sehr helfen, im Gegensatz zu andern Ländern.
Wo steht Basel als Forschungsstandort
im Vergleich zu Boston und Shanghai?
Basel ist sehr wichtig für uns. Die
Arbeit hier betrifft absolut jede Innovation. Es gibt kein einziges Novartis-Produkt, das nicht in irgendeiner
Phase in Basel bearbeitet wird.
Gibt es einen Zusammenhang zwischen
Grösse und Innovationskraft?
Wie entwickeln sich die Kosten von
Innovationen? Hat sich das geändert?
Die Kosten sind in den letzten Jahren
massiv gestiegen, vor allem, weil
weltweit die Regulatoren die Anforderungen verschärft haben. So müssen wir beispielsweise für bestimmte
Kardiovaskular-Medikamente eine so­­
­­genannte «Outcome-Studie» machen.
Ein gutes Beispiel ist Ilaris gegen Arteriosklerose. Wir mussten 10 000 Patienten während mehrerer Jahre
begleiten, um zu beweisen, dass das
Medikament tatsächlich das Leben
verlängert hat im Verhältnis zu ande- Medizinische Bedürfnisse.Joe Jimenez will dort investieren, wo man möglichst vielen Patienten helfen kann. ren Therapien. Das dauert viele Jahre Fotos Christian Jaeggi
und kostet Hunderte von Millionen
Dollar. Auf der einen Seite haben
schungsorganisation. So haben wir
Produkt ist. Wir investieren durchaus Dies sind die realen Innovationen, aber
die Regulatoren die Anforderungen
die weltweite Entwicklungsorganisain dieselbe Krankheit, wenn dort dann gibt es auch den Vorwurf, dass
erhöht, andererseits arbeiten wir mit
tion zentralisiert und der Leiter ist in
noch immer ein grosses Patientenbe- viele Produkte Innovation nur vortäu­
ihnen zusammen, um die Anfordeder Konzernleitung mit vertreten.
dürfnis besteht.
schen. Was sagen Sie dazu?
rungen zu senken. Wir versuchen, die
Damit hat R&D nun eine starke Können Sie drei Beispiele an herausra­
Einige Firmen in der Branche versuBehörden davon zu überzeugen, dass
Stimme bei allen Entscheidungen in genden Innovationen der letzten Jahre
chen die Patente zu verlängern mit
wir die extensiven Multimillionen-­ der Firma. Wir sind selber nicht wirk- nennen?
minimal besserer Wirkung. Wir
Versuche nicht machen müssen,
machen das nicht. Wenn man sich die
lich glücklich mit dem Aktienkurs.
Die erste ist sicher das CAR-T-19-Probevor wir wirklich am Markt sind. Wir
alternde Bevölkerung weltweit vorAber wenn man die ganze Branche
jekt. Das ist ein Prozess, bei dem wir
möchten ein Medikament lancieren,
anschaut, muss man auch sehen, dass
eine Blutprobe eines Patienten mit
stellt, dann können sich Gesundheitssobald wir sicher sind, dass es wirkt
sie letztes Jahr um zwölf Prozent
einer bestimmten Form von Leukäsysteme nur leicht bessere Medikaund dass es sicher ist. Aber die zusätzschrumpfte, aufgrund der Unsichermente zum alten Preis nicht leisten
mie nehmen. Dann verändern wir die
und werden sie nicht bezahlen, ja
heiten in den USA. Die Präsidentlichen Informationen, welche die
T-Zellen genetisch, damit sie den
schaftskandidaten sprachen viel über
Tumor identifizieren und abtöten
vielleicht sogar die Zulassung verweiRegulatoren wollen, möchten wir erst
die zu hohen Medikamentenpreise
können, und dann spritzen wir dem
später beibringen. Sie sind ziemlich
gern. Deshalb suchen wir einen andePatienten das modifizierte Blut wieoffen für diese Ideen und das würde
und versprachen, sie gleich nach der
ren Weg und sagen, dass wir die offedie Kosten massiv reduzieren.
Wahl zu reduzieren. Das machte viele
der. Die modifizierten T-Zellen im
nen medizinischen Bedürfnisse entInvestoren nervös.
Blut vermehren sich und zerstören
scheiden lassen, wo wir unsere ResWie beurteilen Sie den kommerziellen
sourcen einsetzen. Es passiert aber
den Tumor. 80 Prozent der Kinder mit
Wert einzelner Krankheiten? Gibt es da
auch, dass Generikaproduzenten den
Leukämie, welche die Therapie
Selektionskriterien?
bekommen, werden komplett geheilt.
Preis eines Präparates plötzlich um
Wir schauen da nicht unbedingt auf
Das werden wir dieses Jahr in den
500 Prozent erhöhen. Das führt zu
den kommerziellen Wert. Wir
USA und in Europa lancieren. Die
einem fürchterlichen Imageproblem
schauen mehr auf die unbefriedigten
zweite ist die neue CRISPR-Technolofür die Branche.
medizinischen Bedürfnisse. Denn
wenn es viele Patienten mit einer
gie. Viele Krankheiten entwickeln Wie innovativ sind Sie im Bereich der
bestimmten Krankheit gibt und wir
sich, weil ein bestimmtes Gen Generika?
ein Medikament haben, das hilft, Können alle Produkte mit auslaufenden
mutiert. Mit CRISPR können wir ein
Wir sind sehr innovativ bei den Genedann erhält das die entsprechenden Patenten ersetzt werden?
solches beschädigtes Gen ersetzen
rika, insbesondere bei den Biosimi­­
Ressourcen. Wenn wir aber sehen,
oder reparieren. Die dritte ist die
lars. Das sind Medikamente, die nicht
Wir versuchen nicht, die Produkte
dass es bei einer Krankheit weniger
­Lancierung des neuen Herzmedikadurch einen chemischen Prozess
direkt zu ersetzen. Aber wir versuBetroffene gibt, dann werden wir da
gemacht werden, sondern durch
mentes Entresto. Es gab während
chen, einen Strom von neuen Produkdie Priorität senken.
lebende Zellen, die wir in grossen
20 Jahren nichts Neues für diese Patiten zu generieren, welcher die finanBehältern kultivieren.
ziellen Ausfälle kompensiert. Wir verenten und dieses Medikament reduDas heisst, dass Sie keine «Orphan
lieren das Patent von unserem wichziert die Sterblichkeit bei Herzpatien- Das ist ein komplett anderer Herstel­
Drugs» gegen sehr seltene Krankheiten
tigsten Medikament, Glivec. Da
ten um 20 Prozent. Zudem müssen lungsprozess als Chemie, es ist eher wie
entwickeln?
versuchen wir den Ausfall mit neuen
die Leute 20 Prozent weniger oft ins Impfstoffe züchten?
Wir haben bisher nicht sehr viele
Produkten abzufangen. Wir haben
Spital, was die Lebensqualität erhöht
Orphan Drugs kommerzialisiert. Als
Genau – und das ist sehr schwierig.
letztes Jahr ungefähr 2,4 Milliarden
und die Kosten für die Gesundheitsgrosse Firma brauchen wir SubstanWenn man beispielsweise den Wirkan Verkäufen verloren wegen auslaustoff Rituximab als Biosimilar herstelsysteme massiv reduziert. Seltsamerzen, die eine grosse Wirkung bei sehr
«Wenn die Patienten
nicht so oft ins Spital
müssen, senkt das
die Kosten massiv.»
Das glaube ich nicht. Es gibt kleine
Firmen mit drei Leuten mit guten
Ideen und es gibt grosse Firmen mit
guten Ideen. Wir sind der Überzeugung, dass Ressourcen nötig sind, um
Innovationen zu schaffen. Es braucht
Geld, Leute und Infrastruktur. Ich
denke, solange wir das haben, sind
wir in der Lage, die besten Wissenschaftler zu engagieren. Es gibt Leute,
die sagen, nur kleine Firmen seien
innovativ. Aber wenn ich unsere Wissenschaftler betrachte, dann sind die
sehr produktiv.
Was ist der Beitrag des CEO dazu?
Wir machen Benchmarks mit gewissen Leistungsindikatoren. Bei der
Entwicklung ist es die Geschwindigkeit, mit der wir klinische Versuche
machen können, Kosten und Qualität. In der Forschung ist es schwieriger zu messen. Meine Philosophie
ist da, dass sie das Geld erhalten
und dann sollen sie einfach machen,
ohne zu viele Vorschriften und
Anleitungen. Sie sollen ihren Zauber entfalten. Dinge zu entdecken,
ist mehr eine Form der Kunst als eine
Wissenschaft. Es braucht Leute,
die ihrer Nase folgen, die etwas
Bestimmtes riechen und denken,
dass es da einen Durchbruch geben
könnte. Die brauchen Freiheit, um
kreativ zu sein.
Gibt es Grenzen für Investitionen?
Es gibt keine Grenzen, aber es gibt
Prioritäten. Wir suchen immer nach
neuen guten Ideen. Wenn wir dann
einmal die Budgetlimiten erreicht
haben, eliminieren wir die am
wenigsten guten Ideen. Und manchmal werden diese auslizenziert und
ein Spin-off verfolgt sie weiter.
Wie wichtig ist die Diversität?
Diversität ist entscheidend für Innovationen. Unsere Wissenschaftler
arbeiten in Gruppen. Wenn alle das
Gleiche denken, denselben Hintergrund haben, dieselbe Ausbildung
und die gleiche Herkunft, dann gibts
ein Gruppendenken, das die Gedanken einengt. Deshalb möchten wir,
dass möglichst Leute von allen Kontinenten zusammenarbeiten, um möglichst viele Gesichtspunkte mit drin
zu haben.
Die Fragen stellten Patrick Griesser
und Andreas Schwander.
Novartis – Medizin neu denken.
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«Manchmal muss man Medizin
neu denken»
Im Vordergrund stehen die Bedürfnisse der Patienten
sen, dass bestimmte Proteine sehr
gut als therapeutische Ziele wirken
können. Es gibt aber auch sehr viele
Proteine, von denen wir wissen, dass
sie an bestimmten Krankheitsverläu­
fen direkt beteiligt sind, die aber bis­
her nicht therapeutisch zugänglich
waren. Wir unternehmen nun grosse
Anstrengungen, um für diese Pro­
teine neue Arten von Substanzen
verfügbar zu machen.
Tewis Bouwmeester leitet seit
Ende 2016 den Forschungsstandort Basel bei Novartis. Die BaZ hat
ihn nach seinen Prioritäten gefragt.
BaZ: Herr Bouwmeester, welche
Schwerpunkte setzen Sie in ihrer
Arbeit?
Tewis Bouwmeester: W
ir suchen
neue, bahnbrechende Medikamente
für Patienten in Bereichen, in denen
grosser medizinischer Bedarf besteht.
«Ist es sinnvoll, wenn
man Leute behandelt,
die noch keine
Symptome zeigen?»
Bedeutet für Sie «bahnbrechend»,
sogenannte Blockbuster mit hohem
Marktpotenzial oder wirksam gegen
schlimme Krankheiten?
Wir meinen hiermit die Wirksamkeit
gegen schlimme Krankheiten. Wir
möchten durch unsere Therapien die
medizinische Praxis entscheidend
verändern. Wir können jedoch nicht
alle Krankheiten gleichzeitig erfor­
schen. Deshalb fragen wir uns bei
der Auswahl von Projekten: Wie gut
ist unser molekulares Verständnis
einer Krankheit und wie können wir
daraus neue therapeutische Ansätze
ableiten? Manchmal muss man hier
auch Medizin neu denken.
Welche weiteren konkreten Beispiele
gibt es?
Was bedeutet es, Medizin neu zu
­denken?
Dies bedeutet zum Beispiel, dass
man das Behandlungsverfahren auf
den molekularen Mechanismus der
Krankheit abstimmt, dass eine Tech­
nologie selbst als Medizin genutzt
wird oder auch, dass eine Therapie
bereits stattfindet, bevor eine Krank­
heit ausbricht.
Gibt es hierzu Beispiele?
Die Grundlagenforschung hat ge­
zeigt, dass sich fast jedes Organ
selbst­ständig regenerieren kann. Das
geschieht durch Stammzellen, die
das Gewebe neu bilden. Beim Altern
verlieren diese Stammzellen mit der
Zeit diese Fähigkeit. Wir versuchen
bei Krankheiten, die in Zusammen­
hang mit dem Alter auftauchen, sol­
che Fähigkeiten der Zellen wieder
herzustellen, um eine Regeneration
zu ermöglichen. Deshalb ist die Leber
auch ein so interessantes Organ.
Denn die Leber hat verschiedene
Mechanismen entwickelt, um sich
selbst zu regenerieren. Daraus versu­
chen wir therapeutische Ansätze
abzuleiten und diese Erkenntnisse in
andere Organe, wie zum Beispiel die
Niere, zu übersetzen.
Ist das auch Teil der Zusammenarbeit
mit der Uni Basel und Professor Luigi
Terracciano?
Genau. Zugang zu menschlichen
Gewebeproben ist heutzutage essen­
ziell, um beispielsweise Krankheits­
mechanismen besser zu erforschen.
Ausserdem bekommen wir so Infor­
mationen bezüglich Patient-zu-Pati­
Überblick über die Forschung.Tewis Bouwmeester will als Leiter des Novartis
Forschungsstandorts in Basel regenerative Therapien vorantreiben. Foto Christian Jaeggi
ent-Variationen für zielgerichtete
Therapieansätze. Gerade im Bereich
Lebererkrankungen haben wir viele
Kooperationen und Partnerschaften
und eine davon ist diejenige mit der
Universität Basel.
Kann verbesserte Leberregeneration
dem Mangel an Spenderorganen ent­
gegenwirken?
Sicherlich zu einem Teil. Wenn wir
beschädigte Lebern regenerieren,
können wir eine Transplantation
vermeiden. Bisher waren der Haupt­
grund für Lebertransplantationen
Hepatitis-C-Infektionen, welche in­
­
zwischen ausreichend therapiert
werden können. Die gegenwärtige
Entwicklung geht dahin, dass ab
etwa dem Jahr 2020 Lebertransplan­
tationen vor allem wegen Spätfolgen
der nichtalkoholischen Fettleber vor­
genommen werden. Wenn man die
pandemischen Ausmasse dieses Pro­
blems anschaut, erkennt man, dass
die zur Verfügung stehenden Lebern
nie ausreichen werden, um alle Pati­
enten mit neuen Organen zu versor­
gen. Deshalb fokussieren wir uns auf
neue therapeutische Ansätze zur
Behandlung dieser Krankheit.
Was sind die Gründe für eine nicht­
alkoholische Fettleber?
Dies kann die Folge von Adipositas
und Typus-2-Diabetes sein – also
eine Folge aus immer häufiger wer­
dender Fettleibigkeit aufgrund eines
ungesunden Lebensstils.
Das ist also eine Zivilisationskrank­
heit, die mit wenig Bewegung und fal­
scher Ernährung einhergeht?
Ja, das kann man so sehen. Die bes­
ten klinischen Daten gibt es von
operativen Magenverkleinerungen.
Die Symp­tome würden sich verbes­
sern, wenn die Patienten mehr als
zehn Prozent ihres Gewichts verlie­
ren würden. Das tun sie aber prak­
tisch nie.
Wo sehen Sie neue Möglichkeiten?
Wir wollen die chemische Biologie
global stärken. Das ist die Schnitt­
stelle zwischen Chemie und Biolo­
gie. Die pharmazeutische Industrie
hat in den letzten zehn Jahren bewie­
In der Wissenschaft liegt viel unaus­
geschöpftes Potenzial in den frühen
technologiegetriebenen Phasen der
Forschung.
Technologie
selbst
könnte zum Beispiel als Therapeuti­
kum eingesetzt werden. Eine dieser
Technologien, die aus dem akademi­
schen Bereich kommt, ist CRISPRCas9, die einem erlaubt, das Genom
sehr spezifisch zu editieren. Das ist
im Prinzip ein Verfahren, basierend
auf molekularen Scheren, das es
ermöglicht, genetische Mutationen
zu korrigieren. Damit kann man
nicht nur neue Gebiete erforschen,
sondern das Verfahren auch als the­
rapeutischen Ansatz ausnutzen.
Denn es gibt monogenetische Krank­
heiten, bei denen wir genau wissen,
welche einzelnen Gene und welche
Mutationen für den Krankheitsver­
lauf verantwortlich sind.
Gibt es nicht auch im Bereich Alzhei­
mer neue Forschungsansätze?
Bei Alzheimer hat die Therapie bis­
her viel zu spät im Krankheitsverlauf
eingesetzt. Novartis hat deshalb nun
einen präventiven klinischen Ver­
such zu diesem Thema gestartet. Wir
sind der Meinung, dass man mit
neuen Medikamenten bei gefährde­
ten Personen den Ausbruch von Alz­
heimer verzögern kann. Das macht
man gezielt mit Personen mit einer
genetischen Prädisposition zu einer
verfrühten Alzheimer-Erkrankung.
Wie finden Sie diese Personen?
Die findet man über genetische Tests.
Aber das ist ein ganz neuer therapeu­
tischer Ansatz. Insgesamt sind heute
rund 35 Millionen Menschen von
Demenz betroffen und der grösste
Teil davon durch Alzheimer. Aber
dies kann natürlich ein ethisches
Dilemma aufwerfen: Wie erkennt
man diese Personen, die noch keine
Patienten sind? Ist es sinnvoll, Leute
ohne Symp­tome zu behandeln, und
wie misst man, dass man den Aus­
bruch der Krankheit tatsächlich ver­
zögert hat?
Welche grossen Hoffnungen haben
sich zerschlagen in den letzten Jahren?
Alzheimer ist auch hier ein gutes Bei­
spiel. Der Therapieansatz muss über­
dacht – sozusagen «neu gedacht»
werden. Wir sind der Meinung, dass
man vor der Entstehung der Ablage­
rungen im Hirn ansetzen muss. Aber
es gibt auch sehr viele Projekte bei
anderen Krankheiten, bei denen wir
in
Tierversuchen
sensationelle
Effekte der Therapie sehen, aber
keine bei menschlichen Patienten. Es
ist sehr wichtig für uns, daraus zu
lernen. Das nennt sich «Truth See­
king» und ermöglicht uns, neue
Wege zu gehen.
Wie viele Fehlschläge machen Sie?
In der Anfangsphase ist die Ausfall­
quote von Projekten ziemlich gross.
Aber durch unsere Bemühungen in
der «personalized medicine», welche
darauf zielen, die geeigneten Thera­
pieansätze für den richtigen Patien­
ten zu entwickeln, wird die Ausfall­
quote immer geringer. Darum ist für
uns die translationale Forschung von
grosser Bedeutung, bei der es darum
geht, den Krankheitsverlauf im Men­
schen besser zu verstehen.
Werden dadurch die klinischen Versu­
che auch genauer?
Ja, das ist unsere Hoffnung. Deshalb
ist auch die Zusammenarbeit mit
klinischen Partnern, wie zum Bei­
spiel Professor Luigi Terracciano, so
wichtig.
Haben Sie in Basel auch andere sol­
che Kooperationen?
Ja, das haben wir, nicht nur mit der
Universität, sondern auch mit ande­
ren Kliniken und Forschungsein­
richtungen. Ein mit Novartis affili­
iertes Institut ist das Friedrich Mies­
cher Institute for Biomedical Rese­
arch, das eine Brücke darstellt
zwischen rein akademischer Grund­
lagenforschung und angewandter
Forschung.
Wie rekrutieren Sie die Forscher?
Die Wissenschaftskooperationen sind
ein wichtiger Weg und wir sind mit
den Topinstituten in der Schweiz in
engem Kontakt. Wir haben auch ver­
schiedene Trainingsprogramme, zum
Beispiel ein Projekt für Post-Doc-Stu­
denten, die dann drei bis vier Jahre
bei uns arbeiten und dann zurückge­
hen in die akademische Forschung.
Diese Leute publizieren auch wissen­
schaftlich und das machen sie meis­
tens in Partnerschaften. Je besser wir
publizieren, desto einfacher wird es,
neue Talente zu rekrutieren.
Die Fragen stellte Andreas Schwander.
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Novartis – Medizin neu denken.
| Dienstag, 28. Februar 2017 | Seite 5
Der «Schatz» der Pathologie
Die Pathologie des Unispitals Basel erforscht die Entwicklung von Tumoren
Von Andreas Schwander
Das Institut für Pathologie des Universi­
tätsspitals Basel beherbergt eine Samm­
lung, die in der wissenschaftlichen Welt
als gigantischer Schatz gilt. Die Patho­
logie, das ist der Ort, an dem Patholo­
gen Verstorbene untersuchen, um die –
manchmal verborgenen – Gründe für
ihren Tod zu entschlüsseln. «Das
machen wir natürlich noch immer»,
sagt Professor Luigi Terracciano, Fach­
bereichsleiter für Molekularpathologie
am Institut für Medizinische Genetik
und Pathologie, «allerdings inzwischen
viel seltener.» Anfang der 1990er-Jahre
wurden noch rund 1000 Autopsien
jährlich durchgeführt, heute noch etwa
200. Traditionell beschäftigte sich die
Pathologie mit der vergangenen Kran­
kengeschichte eines Menschen. Doch
das hat sich in den letzten Jahrzehnten
deutlich geändert. Inzwischen blickt sie
immer stärker in die Zukunft.
«Novartis und das Uni­
spital haben 3200
Lebertumore analysiert.»
Die für die translationale klinische
Forschung wertvolle Sammlung besteht
aus Millionen von Gewebeproben, die
in Paraffinblöcke eingegossen sind. Sie
bilden den Grundstock einer «Biobank»,
deren wissenschaftliche Projekte von
der Ethikkommission Nordwest- und
Zentralschweiz begutachtet werden.
Alle in Paraffin eingegossenen Gewebe­
proben der Pathologie werden im
Archiv unter kontrollierten optimalen
Bedingungen aufbewahrt. Aus einem
Paraffinblock lassen sich, hauchdünn
geschnitten, über 500 Präparate her­
stellen, an denen untersucht werden
kann, ob es neue Wege gibt, Patienten
besser zu behandeln. Komplettiert wird
die Biobank durch frisches, nicht fixier­
tes Gewebe, welches bei –80° C tiefge­
froren asserviert wird. Um neue
Behandlungspfade zu erforschen, hat
deshalb das Institut in einem gemeinsa­
men Projekt mit Novartis rund 3200
bösartige Tumoren aus seiner Biobank
analysiert. Schon seit Jahren werden
aus diagnostischen Gründen von den
Pathologen Eiweiss/Protein sowie Erb­
substanz/DNA aus Tumoren analysiert,
um einzelne tumorspezifische Verände­
rungen nachzuweisen. Zunehmend las­
sen sich diese Veränderungen nun auch
als Angriffspunkte für neue Medika­
mente nutzen.
Der Angelina-Jolie-Fall
Die Zusammenarbeit zwischen der
Pathologie des Unispitals und Novartis
umfasst mehrere Ziele. So produzieren
Tumoren Proteine, die man im Gewebe
nachweisen kann. Damit erhält man
genaue Hinweise auf die Art des
Tumors, den man dann präziser
bekämpfen kann. Zudem lassen sich
Genmutationen in Tumorzellen erken­
nen und prüfen, ob diese Mutationen
nur zufällig da sind oder immer in
einer speziellen Tumorart vorkommen
und deshalb als Ziele für Medikamente
dienen können. Ausserdem kann man
oft auch Hinweise auf den Schwere­
grad einer Tumor­
erkrankung gewin­
nen, wenn man Genveränderungen
mit bekannten Krankheitsverläufen
korreliert.
Finden sich solche Mutationen
nicht nur im Tumor, sondern auch im
Normalgewebe, spricht man von einer
genetischen Prädisposition, die anzei­
gen kann, ob jemand allenfalls einen
bestimmten Tumor entwickeln könnte.
Diese meist an Blutproben durchge­
führten Untersuchungen werden von
der Medizinischen Genetik auf Veran­
lassung der Betroffenen oder des Haus­
arztes vorgenommen, wenn es Hin­
weise auf ein mögliches familiäres
Krebsrisiko gibt. Hier gibt es den in der
Medizin inzwischen allseits bekannten
Musterfall der Schauspielerin Angelina
Jolie. Sie hatte sich wegen ihrer geneti­
schen Prädisposition, bösartige Tumo­
ren in Brust und Gebärmutter zu ent­
wickeln, diese Organe prophylaktisch
entfernen lassen, da diese genetische
Der Forscher.Professor Luigi Terracciano kann dank dem Archiv des pathologischen Instituts mit Tausenden von Gewebeproben forschen. Foto Christian Jaeggi
Veranlagung bei über 80 Prozent der
Frauen, bei denen sie nachgewiesen
wird, zu einer praktisch immer töd­
lichen Krebserkrankung führt. «Das
wirft natürlich auch ethische Fragen
auf», betont Luigi Terracciano. «Das ist
ein erheblicher Eingriff, bei dem
gesunde Organe entfernt werden.
Umso mehr müssen die Abklärungen
sehr präzise erfolgen und die Betroffe­
nen sollten vor einem solchen Eingriff
unbedingt eine genetische Beratung in
Anspruch nehmen.» Im Falle von Ange­
lina Jolie kannte man zudem die Fami­
liengeschichte. Bereits die Mutter, die
Grossmutter und eine Tante waren an
diesem Krebs gestorben.
Hauptziel ist, Genmutationen zu
finden, die Auskunft darüber geben, ob
ein Patient von einer Behandlung pro­
fitiert oder nur die – oft schweren –
Nebenwirkungen erleidet. Die Patholo­
gie in enger Zusammenarbeit mit den
behandelnden Fachärzten wird immer
mehr zur prädiktiven Pathologie, zur
voraussagenden Wissenschaft, bei der
man an Gewebeproben erkennen
kann, ob die Krankheit auf eine
bestimmte Behandlung anspricht.
Die Voraussagen des Pathologen
Ein weiteres Projekt mit Novartis
besteht darin, Regenerationsprozesse
in chronisch geschädigten Organen,
wie beispielsweise die Leber, zu unter­
suchen: Wie und weshalb starten diese
Prozesse in der Leber, welche Zellen
sind daran beteiligt und wie kann man
diese Prozesse beeinflussen? Hier
könnten dann neue regenerations­
unterstützende Therapien ansetzen,
die Novartis jetzt entwickelt. Denn
während die meisten Proben von
Lebergewebe in der Sammlung der
Pathologie des Unispitals von Alkohol­
kranken oder Hepatitis B/C-Patienten
stammen, die sich in den 90er-Jahren
unter anderem über Injektionen oder
Bluttransfusionen angesteckt haben,
dürften in den nächsten Jahren laut
Novartis chronische Erkrankungen der
Leber aufgrund von Übergewicht und
falscher Ernährung so stark zuneh­
men, dass es niemals genügend Organe
für Transplantationen geben wird, die
notwendig werden, weil die Leber aus­
fällt. Deshalb muss man schon jetzt
nach sogenannten regenerativen Heil­
methoden suchen.
Die Zusammenarbeit zwischen
dem Unispital und Novartis bringt des­
halb für beide Partner grosse Vorteile.
Novartis hat beispielsweise keinen
direkten Zugang zu Gewebeproben
und weder die Kapazität noch das
Know-how, diese so lange aufzube­
wahren. Das Unispital hingegen kann
die oft sehr teuren Analysesysteme
nicht alle vorhalten. Beide aber haben
ein gemeinsames Interesse daran,
Krankheitsbilder besser zu verstehen,
um die Behandlung zu verbessern.
Diese Zusammenarbeit hat eine lange
Tradition. Das berühmteste Beispiel ist
der Wirkstoff Cyclosporin, der die
Abstossung von transplantierten Orga­
nen verhindert und inzwischen auch in
der Dermatologie und der Onkologie
eingesetzt wird. Das Medikament hat
bereits Hunderttausenden von Men­
schen das Leben gerettet und mehr
Lebensqualität ermöglicht.
Der grosse Schatz an Gewebepro­
ben der Pathologie des Universitätsspi­
tals Basel hat deshalb für die Forschung
einen unschätzbaren Wert.
Überschüssiges Fett in der
Leber bekämpfen
Neue Therapien gegen eine Zivilisationskrankheit
Von Kristin E.D. Coan
Wenn man an die Gefahren der Fettlei­
bigkeit denkt, dann kommen einem
normalerweise Herz-Kreislauf-Erkran­
kungen in den Sinn. Die meisten Men­
schen haben keine Vorstellung davon,
dass eine weitere häufige Todesursache
unter adipösen Patienten eine Krank­
heit ist, von der sie noch nie gehört
haben: die nicht-alkoholbedingte ent­
zündliche Fettleber (NASH für Non-Al­
coholic Steatohepatitis). Die NASH
betrifft schätzungsweise bis zu 6,5 Pro­
zent der Weltbevölkerung. Sie kann zu
einem erhöhten Risiko für Leberkrebs
und Leberversagen und ohne Leber­
transplantation zum Tod führen. Bisher
gibt es noch keine Heilung. Doch Novar­
tis bemüht sich in führender Rolle
darum, dies zu ändern.
Eine schleichende Epidemie
«Die NASH ist eine massive Epide­
mie, die im Verborgenen vor sich hin
schwelt», meint Eric Hughes, Global
Development Head, Immunology and
Dermatology Franchise bei Novartis.
«Sie stellt einen enormen, noch völlig
ungedeckten medizinischen Bedarf dar.»
Fett in der Leber ist ein Bestandteil
der normalen Verdauung. Doch wenn
sich zu viel Fett ansammelt, kann dies
Entzündungen auslösen. In der Folge
sterben Zellen ab. Durch den Zelltod
entstehen wiederum Entzündungen
und schlussendlich ein Teufelskreis
aus weiteren Entzündungen und Zell­
sterben. Dieser Prozess führt zu einer
starken Vernarbung der Leber. 20 bis
30 Prozent der westlichen Bevölke­
rung befinden sich bereits in den frü­
hen Phasen einer nicht-alkoholbeding­
ten Fettlebererkrankung. Von diesen
Patienten erkranken geschätzte zwei
bis drei Prozent potenziell an der
schwereren, lebensbedrohlichen Form
der NASH, in deren späten Stadien es
zum Leberversagen kommt. Patienten
trifft eine NASH-Diagnose häufig völ­
lig überraschend, da in der Regel bis in
die späten Stadien der Krankheit hin­
ein keine Symptome auftreten. Sie
fühlen sich möglicherweise etwas
Zivilisationskrankheit.Die Leber ist ein zentrales Organ des Stoffwechsels.
Eine Fettleber entsteht, wenn der Fettstoffwechsel der Leberzellen gestört wird. müde, doch es gibt keine Schmerzen.
So bemerken Ärzte oft erst im Rahmen von Routineuntersuchungen die
erhöhten Leberwerte.
«Die Leber stirbt ganz langsam,
Zelle für Zelle, bis nur noch eine einzige
grosse Narbe zurückbleibt», sagt Hug­
hes. «Es ist dringend geboten, Patienten
zu behandeln, bevor dies eintritt.»
Neuer Schwung für die Leber
Momentan gibt es bei der Behand­
lung der Nash nur eine einzige Option:
Gewicht verlieren, Bewegung und eine
gesunde Ernährungsweise. Diese Emp­
fehlungen sind grundsätzlich gut, da
Übergewicht und hohe Fett- und Cho­
lesterinwerte zu den wichtigsten
NASH-Risikofaktoren zählen. Aber die­
ses Rezept lässt sich nicht immer ganz
einfach befolgen. Zudem sind mehr als
Empfehlungen zur Änderung des
Lebensstils nötig, um das Ausmass und
die Ernsthaftigkeit dieser drohenden
Epidemie in den Griff zu bekommen.
Novartis entwickelt Therapien, die
es ermöglichen, überschüssiges Fett in
der Leber durch Stärkung des leber­
eigenen Stoffwechsels loszuwerden.
«Unser Ziel ist es, der Leber neuen
Schwung zu geben, um das Fett zu ver­
brennen», erläutert Hughes. Novartis
widmet sich der Entwicklung einer
Reihe von Molekülen, welche die natür­
lich vorkommenden Gallensäuren der
Leber regulieren, die Fettablagerungen
reduzieren und dadurch Entzündun­
gen hemmen. Darüber hinaus ist
Novartis unlängst eine Partnerschaft
mit dem US-Unternehmen Conatus
Pharmaceuticals Inc. eingegangen, um
eine zusätzliche Therapie zur Blockade
von Entzündungsprozessen und Zell­
absterben zu entwickeln.
Führend auf dem Gebiet
Zwei Moleküle haben sich bereits in
frühen klinischen Studien als so vielver­
sprechend erwiesen, dass ihnen von der
FDA der Fast-Track-Status erteilt wurde.
Im Rahmen von mehreren Studien wird
der gesonderte Einsatz dieser Moleküle
untersucht und Novartis ist der Über­
zeugung, dass diese Therapien, wenn
alles gut verläuft, in Kombination mit­
einander einen noch grösseren Nutzen
bieten können.
«Wir haben erkannt, dass der Ein­
satz multipler Arzneimittel einen stär­
keren Transformationseffekt haben
kann», so Hughes. «Wir denken, dass
die Kombination tatsächlich Wirkung
auf diese Krankheit zeigen wird.»
Ergänzend zu diesen Aktivitäten
baut Novartis ein spezielles Leber-Team
zur schwerpunktmässigen Erforschung
der NASH und anderer Lebererkran­
kungen auf. Die der NASH zugrunde
liegenden Zellprozesse gleichen jenen
bei vielen anderen Lebererkrankungen
wie der alkoholbedingten Lebererkran­
kung sowie Hepatitis B und C. Wenn
diese neue Therapien erfolgreich sind,
ist es möglich, dass sie schon bald auf
ein ganzes Spektrum von Lebererkran­
kungen ausgedehnt werden könnten.
Novartis – Medizin neu denken.
| Dienstag, 28. Februar 2017 | Seite 6
Die digitale Zukunft der Medizin
Technologien aus Mobiltelefonen und Computerspielen eröffnen neue Möglichkeiten
ist ein Bioelektronik-Unternehmen,
das zusammen mit Neurowissenschaftlern der Stanford University an
tragbaren medizinischen Technologieprodukten zur Behandlung neurologischer Störungen arbeitet.
Omada Health versucht, mit mobilen
Geräten menschliche Gewohnheiten
zu ändern, die Risikofaktoren für
schwere, aber grösstenteils vermeidbare Krankheiten darstellen, insbesondere Typ-2-Diabetes. Das dritte
Unternehmen, Science 37, macht
sich Neuerungen in der Telemedizin
zunutze, um klinische Studien zum
Patienten zu bringen, indem herkömmliche Klinikumgebungen virtualisiert und umfassende klinische
Studienleistungen ohne geografische
Einschränkung angeboten werden.
Die Digitalisierung
wird in den USA
auch regulatorisch
vorangetrieben.
Gemessene Bewegungen.Microsoft und Novartis an Computerprogrammen zur Behandlung von multipler Sklerose. Von Goran Mijuk
Die globale Gesundheitsindustrie
dürfte sich durch die «digitale Revolution» nachhaltig verändern. Angesichts dieses Potenzials hat Novartis
früh in diesen Bereich investiert und
sich auch mit führenden globalen
IT-Akteuren wie Qualcomm, Microsoft
und Google zusammengetan, um neue
Ansätze zu prüfen.
Digitale Gesundheitslösungen ge­­
winnen immer mehr an Gewicht und
haben das Potenzial, die Industrie
nachhaltig zu verändern. Dies ist in
erster Linie auf drei Hauptentwicklungen zurückzuführen: Erstens haben
ständig steigende Rechenleistungen
und Bandbreiten dazu beigetragen,
dass Smartphones rund um den Globus aus dem Alltag nicht mehr wegzudenken sind. Zweitens haben wichtige
regulatorische Änderungen die Voraussetzungen für die Nutzung von riesigen Datenmengen geschaffen – kurz
als Big Data bezeichnet – und gesundheitsbezogenen IT-Tools entstehen
lassen. Zudem sind heute Rechner in
der Lage, dank neuen Programmen
selbstständig zu lernen – Stichwort
künstliche Intelligenz.
Heute trifft dies vor allem auf die
USA zu. Anders als noch in vielen
anderen Staaten wird in den USA seit
2009 die Digitalisierung von Gesundheitsdaten auch regulatorisch vorangetrieben, wobei eine Reihe von
neuen Gesetzen eingeführt wurde,
die den digitalen Gesundheitssektor
beflügeln.
2009 ermöglichte die Open
Govern­ment Directive und die Health
Data Initiative das Zusammenführen
von Gesundheitsdaten, und im gleichen Jahr befeuerte der Health Information Technology for Economic and
Clinical Health Act die Digitalisierung
des Gesundheitswesens zusätzlich
durch ein Förderprogramm von bis zu
40 Milliarden US-Dollar für die Nutzung elektronischer Patientenakten.
Zudem ist das Land technologisch
führend. Jüngst erhielt mit dem
Unternehmen Arterys das erste Unternehmen in den USA die Zulassung der
Gesundheitsbehörde FDA für ein
IT-Programm, das künstliche Intelligenz nutzt, um Kardiologen bei Herzuntersuchungen zu unterstützen.
Grundlegender Umbruch
Viele Gesundheitsexperten sind
überzeugt, dass die medizinische Praxis als Folge dieser technologischen
Entwicklung einen radikalen Um­­
bruch erleben wird. Alice Rivlin, Ökonomin der angesehenen Brookings
Institution, bezeichnete diese Veränderungen gar als disruptiv. Auch
McKinsey rechnet mit erheblichen
Veränderungen und schätzt, dass
Big-Data-Strategien im gesamten
US-Gesundheitssystem jährlich bis zu
100 Milliarden US-Dollar an Wert
generieren könnten.
«Die bei den Patienten
allgegenwärtigen
mobilen Geräte haben
enorme Möglichkeiten
geschaffen.» Aaron Nelson
Neben IT-Firmen und Krankenversicherern strömen dabei auch immer
mehr Pharmaunternehmen in diesen
stark wachsenden Markt. Die digitale
Entwicklung dürfte grosse Auswirkungen auf Bereiche wie Arzneimittelforschung, Datensammlung und
-analyse sowie Patientenversorgung
haben und bei der Messung von
Behandlungsergebnissen eine wichtige Rolle spielen.
Aufgrund dieser Entwicklung
befindet sich der Markt für digitale
Gesundheit seit einigen Jahren auf
Wachstumskurs. 2014 konnten aufstrebende digitale Gesundheitsunternehmen in den USA 4,1 Milliarden
US-Dollar an Kapital aufnehmen.
2015 wurden laut der Venture-Fonds-Gesellschaft Rock Health
weitere 4,5 Milliarden US-Dollar in
den Sektor investiert und 2016 waren
es erneut über 4 Milliarden US-Dollar.
Für CEO Joseph Jimenez ist klar,
dass Novartis diese Chance nutzen
muss. «Jetzt ist die Zeit, das aktuelle
Potenzial
für
Innovation
zu
erschliessen», erklärte er. «Wir müssen die Gelegenheit nutzen, Lösungen
für einige der grössten Herausforderungen zu finden, denen wir gegenüberstehen. Indem wir die Kraft neuer
Technologien erschliessen und unsere
Forschung auf zukunftsträchtigen Feldern weiter vorantreiben, können wir
für unsere Branche neue Dimensionen
eröffnen.»
Um an den sich rasant entwickelnden Sektor anzuknüpfen und von den
Veränderungen zu profitieren, hat
Novartis in den vergangenen Jahren
mehrere Projekte initiiert. So wurden
Partnerschaften mit Unternehmen
wie Google und Microsoft geschlos-
sen, um digitale und medizinische
Technologien miteinander zu verbinden und damit die Entwicklung von
Therapien zu ermöglichen, die den
Patientennutzen in den Mittelpunkt
stellen und eine ergebnisorientierte
Medizin verfolgen.
Zudem kooperiert Novartis mit
Qualcomm, einem globalen Anbieter
für
Wireless-Technologien,
um
Start-up-Unternehmen zu identifizieren, deren Produkte und Dienstleistungen über klassische pharmazeutische Therapien hinausgehen. Die beiden Unternehmen gründeten die
Investmentgesellschaft dRx Capital
mit einem Vermögen von 100 Millionen US-Dollar, das in vielversprechende Start-ups investiert, die im
Grenzbereich von IT und Gesundheitssindustrie operieren.
Immer mehr digitale Medizin
Amy Landucci, die den Bereich
Digitale Medizin bei Novartis leitet, ist
sich der Auswirkungen der digitalen
Revolution auf den Gesundheitssektor
bewusst und weiss, dass man zu den
Besten gehören muss, um mit der Entwicklung Schritt zu halten. «Novartis
gehörte zu den ersten Pharmaunternehmen, die in den Bereich digitale
Medizin investierten; schon 2009
haben wir uns an Proteus Digital
Health beteiligt, einem Start-up, das
Mikrochips auf Tabletten und Kapseln
druckt. Später kamen andere Beteiligungen hinzu, und wir waren schon
bald darauf in der Lage, einen eigenen
Digitalmedizinbereich aufzubauen.»
Um in diesem Bereich voranzukommen, sind Partnerschaften wichtig, betont sie. Im Rahmen der Kooperation mit Google erwarb die Novartis-Augenheilsparte Alcon Lizenzrechte an der Smart-Lens-Technologie
von Google X. Diese bietet beispielsweise Menschen mit Diabetes die
Möglichkeit, über eine Kontaktlinse
kontinuierlich den Zuckerspiegel
ihrer Tränenflüssigkeit zu messen. Ein
weiteres Ziel ist die Entwicklung einer
Linse, die bei Menschen mit Alters­
weitsichtigkeit den Sehfehler korrigiert.
Gegenstand der einige Jahre zuvor
mit Microsoft eingegangenen Kooperation ist die Entwicklung eines Systems zur besseren Beurteilung von
Multiple-Sklerose-Patienten. Dabei
setzten die Unternehmen auf die
kamerabasierte
Bewegungssensor-Technologie von Microsoft, die das
US-Unternehmen ursprünglich für
ihre Spielkonsolen entwickelt hatte.
Mit den von Microsoft entwickelten
Technologien sollen nun bei der
Bewertung des Krankheitsverlaufs
konsistentere Ergebnisse erzielt werden. Zudem arbeiten die Unternehmen an Algorithmen, die Patientenbewegungen wie etwa das Schwanken
des Oberkörpers registrieren, und
passen das System von Microsoft an
die klinischen Gegebenheiten an.
«Auch wenn wir noch am Anfang
stehen, ist unsere Partnerschaft mit
Microsoft doch ein gutes Beispiel
dafür, wie wir digitale Technologien
und Medizin zusammenbringen können», sagt Jeremy Sohn, der mit Amy
Landucci im Bereich Digitale Medizin
tätig ist. «Wir verbinden das medizinische Know-how von Experten der teilnehmenden Zentren für klinische
Multiple-Sklerose-Forschung
mit
unserer Erfahrung in der Medikamentenentwicklung, während Microsoft
die technologische Kompetenz und
nutzerorientierte Plattformen beisteuert. Diese Art von Zusammenarbeit wird uns helfen, die Beurteilung
des Verlaufs der multiplen Sklerose zu
verbessern. Gemeinsam entwickeln
wir ein Produkt, das letztlich zu besseren
Therapieergebnissen
führen
dürfte, da wir die Erkrankung und
ihre Entwicklung präziser bestimmen
und somit die Behandlungsoptionen
entsprechend
den
individuellen
Bedürfnissen verfeinern können»,
erklärt Sohn. Auch wenn in Europa
und Asien digitale Technologien zum
Alltag gehören, gehen die Impulse in
der digitalen Medizin heute vor allem
von den USA aus. «Vor Einführung der
neuen Gesetze in den USA wurden
Gesundheitsinformationen vorwiegend auf Papier und fragmentarisch
dokumentiert. Die Einführung elek­
tronischer
Datensysteme
durch
Gesundheitsversorger und die allgegenwärtige Präsenz mobiler Geräte
auf Patientenseite haben enorme
Möglichkeiten geschaffen», so Aaron
Nelson, General Partner bei dRx Capital in Boston, dem Joint Venture von
Qualcomm und Novartis. «Zudem
zeichnen sich die USA durch einen
dynamischen Start-up-Markt aus»,
sagt Aaron Nelson.
Führungsrolle der USA
Auf der Suche nach nachhaltigen
Investments hat dRx Capital bislang
in drei amerikanische Unternehmen
investiert: Cala Health, Omada
Health und Science 37. Cala Health
Entscheidend für dRx Capital und
Novartis sind allerdings nicht technische Spielereien, von denen es sehr
viele gibt, sondern die Fähigkeit
von IT-Lösungen, wertorientierte
­Ge­schäftsmodelle hervorzubringen.
«Unser Ziel ist es, die Konzeptionierung und Verfügbarkeit digitaler Medizinplattformen zu beschleunigen, die
den Menschen einen Mehrwert bieten», erläutert Nelson. «Schliesslich
geht es weniger um Gadgets und den
letzten Schrei in der Technik. Wesentlich sind der Wert, den sie generieren,
und das Geschäftsmodell dahinter. Nur
durch Skalierbarkeit und Nachhaltigkeit wird sich die medizinische Praxis
ändern lassen, sei es durch eine Tablette, eine App oder die Kombination
aus beiden», so Nelson.
Unterdessen fasst die digitale
Medizin aber auch in Europa und in
der Schweiz Fuss. So kooperieren der
Versicherer Sanitas und die bei München ansässige HCSG im Bereich der
Telemedizin mit Novartis. Dabei werden Herzinsuffizienzpatienten zu
Hause begleitet: Im Bedarfsfall können die Patienten auch mit den
HCSG-Pflegefachpersonen telefonieren. Über ein Monitoring werden
Auffälligkeiten oder plötzliche Veränderungen der Krankheit angezeigt.
Durch das Monitoring und die Schulung der Patienten im Umgang mit
ihrer Herzinsuffizienz kann so einem
Gang zum Arzt oder einem Spitalaufenthalt vorgebeugt werden.
Auch in Basel ist die digitale
Medizin angekommen. An der Neurologischen Klinik des Universitätsspitals Basel testet das Team von Dr.
Marcus D’Souza zusammen mit Kollegen an den Kliniken in Luzern,
Bern und Amsterdam das aus der
Kooperation von Microsoft und
Novartis
entstandene
Gemeinschaftsprodukt Assess MS, das
erlaubt, krankhafte Bewegungen von
an multipler Sklerose Erkrankten
präziser zu quantifizieren. Für
D’Souza ist diese Entwicklung ein
notwendiger Schritt, um die Medizin
noch besser auf die Bedürfnisse der
Patienten auszurichten. «Dieses System wird uns helfen, den Verlauf der
Erkrankung besser zu charakterisieren und unsere therapeutischen
Möglichkeiten
zu
optimieren»,
erklärt Marcus D’Souza.
Novartis gehörte zu den ersten
Pharmaunternehmen, die in die
digitale Medizin investierten. So hat
sich das Unternehmen bereits 2009
am Smart-Pill-Produzenten Proteus
Digital Health beteiligt. Früh
spannte man auch mit Branchenführern wie Google und Microsoft
zusammen, um digitale Lösungen
für den Gesundheitsmarkt zu entwickeln. 2015 erfolgte dann die Gründung des Bereichs Digital Medicines,
dem rund 50 Mitarbeitende angehören. Hauptschwerpunkte sind hier
die Optimierung klinischer Programme durch den Einsatz digitaler
Technologien.
Novartis – Medizin neu denken.
| Dienstag, 28. Februar 2017 | Seite 7
Wie der Novartis Campus
Innovation fördert
Die positive Wirkung von guter Architektur am Arbeitsplatz ist wissenschaftlich bewiesen
den Teams aus verschiedenen Disziplinen für eine Projektphase physisch an
einem Ort vereint, erhöht sich die
Bereitschaft zur Zusammenarbeit.
Zum Erfolg des Campus tragen aber
nicht nur die Multispace-Arbeitsplätze
bei, sondern auch die Grünflächen
sowie Cafés und Restaurants, die mit
WLAN ausgestattet sind. Dieses Ensemble bietet den Mitarbeitenden die Möglichkeit, sich frei zu bewegen. Ein entscheidender Faktor, betont Hirnforscherin Baroness Susan Greenfield:
«Gehen und sich bewegen ist sehr wichtig. Die Menschen haben oft das Gefühl,
hinter dem Schreibtisch festzustecken.
Von Esther Keller
Über zwei Milliarden Franken investierte Novartis in die Umgestaltung des
ehemaligen Fabrik- und Hafenareals im
Basler Quartier St. Johann, um ein
attraktives Hauptquartier zu schaffen
und damit hochqualifizierte Fachkräfte
aus der ganzen Welt zu gewinnen. Es
gibt einen weiteren Grund, weshalb
Novartis diese Investitionen in den
Campus tätigte. Für ein forschendes
Gesundheitsunternehmen lautet der
Schlüssel zum Erfolg Innovation, denn
nur mit innovativen Ideen ist es möglich, neue Wege in der Bekämpfung von
Krankheiten zu finden.
Wie kann man Innovation fördern?
Das physische Umfeld, in dem wir arbeiten, hat eine grosse Wirkung auf unser
Denken und Handeln. Deshalb liess sich
Novartis seit Beginn des Campus-Projekts von Spezialisten aus den Bereichen Innovationsforschung, Architektur, Design und Psychologie beraten,
um mit diesem Know-how eine kommunikationsfördernde und anregende
Arbeitsumgebung schaffen zu können.
Massive Verbesserung
Heute, mehr als fünfzehn Jahre nach
Beginn des Projekts, mit der Erfahrung
von siebzehn neuen Gebäuden, sind die
Auswirkungen der Campusgestaltung
auf die Arbeitskultur wissenschaftlich
bewiesen. «Es zeigte sich ganz klar: Die
physische Nähe von Arbeitsgruppen, die
zusammen an einem Projekt arbeiten,
Offene Räume.In den neuen Gebäuden im NovartisCampus im St. Johann sind die Mitarbeiter kreativer und können ihre
Ideen besser verwirklichen.
erleichtert die Kommunikation und
damit auch die gemeinsame Ausrichtung», sagt Professor Roman Boutellier
von der ETH Zürich.
Produktives Wohlbefinden
Professor Theo Wehner spricht vom
«produktiven Wohlbefinden», das
gesteigert wurde. Die Wissenschaftler
sind auf Innovationsforschung und
Arbeitswissenschaften spezialisiert und
führten mit ihren Mitarbeitenden
Evaluationen des Campusprojekts
durch, mit eindrücklichen Resultaten:
Durch die konsequente Ausgestaltung
des Campus mit sogenannten Multispaces – also offenen und vielseitigen Büround Laborräumen – konnte die Zahl der
Kommunikationsereignisse
beinahe
ver­dreifacht werden. Dabei nahm die
Gesamtdauer der Gespräche ab, was als
Zeichen der steigenden Effizienz gewertet werden kann: Mitarbeitende sprechen häufiger, aber kürzer miteinander.
Ein wichtiges Element der Innovation sind gemäss Studien auch spontane
Begegnungen zwischen Fachkräften
unterschiedlicher Ausrichtung.
Grünflächen, Cafés, Restaurants
Zuweilen kommen die besten Ideen
aus anderen Disziplinen als der eigenen. Als weiteres Studienergebnis seien
die Auswirkungen auf das Vertrauen
genannt. Die Sichtbarkeit im Multispace
führt zum Abbau von Barrieren. Wer-
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Innovative Energielösungen
als Wettbewerbsvorteil
Als führendes Schweizer Energieunternehmen mit lokaler Präsenz in Europa entwickeln
wir kundenspezifische Produkte und Dienstleistungen in den Bereichen Strom,
Erdgas, Emissions- und Grünstromzertifikate. Ob optimierte Beschaffung, Absicherung
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Stimulierende Effekte
Die Möglichkeit, sich frei zu bewegen, erleichtert den Dialog.» Die Folge
sei ein stimulierender Effekt auf die
Kreativität, sagt die Neurowissenschaftlerin, die bei der Entwicklung
des neuen Gebäudes Asklepios 8 der
Basler Architekten Herzog & de Meuron mitwirkte.
Die Entwicklung des Basler Campus
wie auch dessen Evaluation sind fortlaufende Prozesse. Die Erfahrungen mit
diesem Pionierprojekt finden Eingang
in die weltweite Standortstrategie von
Novartis. Überall mit demselben Ziel:
Die Schaffung von Orten des Wissens,
an denen Menschen aus verschiedenen
Nationen und unterschiedlichen Disziplinen an einem gemeinsamen Ziel arbeiten – der Entwicklung neuer, wirksamer
Therapien.
Novartis – Medizin neu denken.
| Dienstag, 28. Februar 2017 | Seite 8
Die Immunantwort gegen Krebs
Wie man innere Kräfte zur Krebsbekämpfung mobilisieren kann
Von Kristin E.D. Coan
Unser Immunsystem ist ausserordentlich gut dazu in der Lage, Eindringlinge in den Körper aufzuspüren und
zu vernichten. Es erkennt sogar Gefahren, die von körpereigenen Zellen ausgehen, die ausser Kontrolle geraten
sind, wie es bei Krebserkrankungen
der Fall ist. Jedoch hat auch der Krebs
Abwehrmechanismen und entgeht
den Angriffen des Immunsystems oft,
indem er dessen Ein- und Ausschalter
manipuliert. Wissenschaftler bei
Novartis forschen an Therapien, die
Betroffenen die Kontrolle über ihr
Immunsystem zurückgeben sollen,
sodass es wieder wie ursprünglich
vorgesehen arbeitet.
Junges Fach.Glenn Dranoff,
Forschungsleiter des Bereichs
Immunonkologie bei Novartis. Innere Abwehrmechanismen
Der Gedanke, das körpereigene
Immunsystem zur Krebsbekämpfung
einzusetzen, ist über hundert Jahre alt
und prägte die sogenannte Immun­
onkologie. Bereits zu Beginn des
20. Jahrhunderts postulierte der
Nobelpreisträger Paul Ehrlich eine
entsprechende Theorie im Rahmen
seiner Arbeiten zur Immunität. In der
Praxis bewährte sich diese Strategie
jedoch zunächst nicht: Jahrzehntelang folgte Experiment auf Experiment – und Fehlschlag auf Fehlschlag.
Schliesslich setzte sich die Ansicht
durch, dass das Immunsystem an der
Krebsentstehung und -bekämpfung
nicht beteiligt sei.
Damit verlor die Immunonkologie
über Jahrzehnte an Bedeutung und
andere Forschungsfelder traten in den
Vordergrund. Im Verlauf der Zeit
wuchs mit dem besseren Verständnis
unseres komplexen Immunsystems
auch die Einsicht, dass dieses in vielen
Bereichen der Medizin eine – oft unerwartete – Rolle spielt.
«Die Immunologie ist eigentlich
noch ein sehr junges Fach», sagt Glenn
Dranoff, weltweiter Forschungsleiter
des Bereichs Immunonkologie bei
Novartis. «Allein die Erkenntnisfortschritte der vergangenen 20 bis
30 Jahre sind geradezu atemberaubend.»
Es werden nach wie vor bislang
unbekannte Immunzellen und neue
Kommunikationspfade des Systems
entdeckt. Inzwischen ist klar, dass die
Immunantwort nicht nur bei Infektionskrankheiten, Transplantationen
und Autoimmunerkrankungen eine
Rolle spielt, sondern auch bei einer
Reihe von chronischen Krankheiten,
bei denen noch vor Kurzem eine
immunologische Komponente nicht
vermutet wurde.
Ein «gehacktes» System
Seit Beginn der 90er-Jahre entdeckte die Forschung immer mehr
Beziehungen zwischen Immunantwort und Krebserkrankungen. Insbesondere zeigte sich, dass bestimmte
Zellen des Immunsystems, die so
genannten T-Zellen, zwischen gesunden Zellen und Krebszellen unterscheiden können. Das führte logischerweise zu der Frage: Wenn das
Immunsystem Krebszellen als Eindringlinge erkennt – warum greift es
sie dann nicht an? Eine Antwort kristallisierte sich nach weiteren Jahren
intensiver Forschung heraus: Die
Krebszellen «hacken» das Immunsystem und programmieren es so um,
dass es nicht den Menschen, sondern
die Tumorzellen schützt.
Das Immunsystem verfügt über
fest eingebaute Ein- und Ausschalter,
sogenannte Kontrollposten oder
Check­­points, die verhindern, dass es
ausser Kontrolle gerät. «Wenn Sie eine
Erkältung haben, erwarten Sie, dass
Ihr Immunsystem die Krankheit
bekämpft. Aber es soll dabei nicht
gleich die ganze Lunge zerstört werden», sagt Dranoff. Mittlerweile ist
bekannt, dass Krebszellen überaus
geschickt darin sind, diese Schalter zu
nutzen, um die Immunantwort abzuschalten und Tumorzellen zu schützen. Die eingebauten Steuerelemente,
die uns vor einem übereifrigen
Immunsystem bewahren sollen, verschaffen so dem Krebs die Möglichkeit, sich an den Immunzellen vorbeizumogeln.
Nachdem dieser Mechanismus erst
einmal verstanden war, konnten sich
die Wissenschaftler der Frage widmen, wie man die Kontrolle über das
Immunsystem zurückgewinnen kann.
Ein unerwarteter Sieg
Erste Belege für das therapeutische Potenzial des Immunsystems im
Kampf gegen den Krebs lieferte ein
wir den Krankheitsmechanismus verstehen», sagt Dranoff. «Wir entdecken
immer noch Neues und haben vieles
noch nicht verstanden.»
Vor seinem Eintritt in die Novartis
war Dranoff Medizinprofessor am
Dana-Farber Cancer Institute und an
der Harvard Medical School. Der
damalige Forschungschef Mark Fishman bot Dranoff die Leitung der neu
gegründeten Immunonkologie-­Gruppe
bei Novartis an. Seither haben beide
gemeinsam führende Fachleute für
Krebsimmunologie und Biologie aus
Forschung und Praxis für dieses Projekt gewinnen können.
Viele dieser Wissenschaftler sind
auch ärztlich tätig und bilden eine
Schnittstelle zwischen Grundlagenforschung und klinischen Studien.
Darüber hinaus ist Novartis strategische Allianzen mit einigen der vielversprechendsten externen immunonkologisch tätigen Biotechnologieunternehmen eingegangen, die eng mit der
Bis diese Erkenntnis Eingang in die Onkologiegruppe von Novartis zu­
Kliniken fand, vergingen noch einmal sammenarbeiten. Dort sind enorme
zehn Jahre, aber dann führte sie zu Kenntnisse zu genetischen Anomalien
beeindruckenden Ergebnissen. Bei vorhanden, die der Krebsentstehung
manchen Patienten mit fortgeschritte- zugrunde liegen.
Weiter unterstützt werden diese
nem Melanom konnte eine Behandlung, die CTLA4 blockiert, das Überle- Bemühungen durch eine von Novartis
ben um mehr als 10 Jahre verlängern. eigens geschaffene Infrastruktur für
Leider gelang dies nur bei etwa ausführliche Untersuchungen bei
allen Patienten aus den klinischen
20 Prozent der Behandelten.
Dennoch verschafften diese uner- Studien. Dazu gehört die Entnahme
warteten Erfolge bei der Suche nach von Blutproben und Tumorbiopsien
anderen sogenannten «Checkpoint-­ im Verlauf der Behandlung, anhand
Inhibitoren» wieder Auftrieb. Schon derer sich auf molekularer Ebene
bald konnte ein Cousin des CTLA4, untersuchen lässt, was in den Behangenannt PD1, genutzt werden, der delten vorgeht und wie die Krebszeletwas anders wirkt, aber zum selben len auf die Therapie ansprechen.
Ergebnis führt, nämlich einem Angriff
von T-Zellen auf Tumoren.
Strategischer Gegenangriff
Inzwischen sind mehrere MedikaHeute wissen wir, dass Krebsermente zugelassen worden, die auf krankungen drei wesentliche VerteidiPD1 abzielen und die Behandlung ver- gungsstrategien gegen das Immunsysschiedener Krebsarten ermöglichen, tem einsetzen. Die Forschung von
darunter Lungen- und Nierenkrebs Novartis konzentriert sich darauf,
und andere Formen des Hautkrebses. Therapien zu finden, die auf diese drei
«Für viele in der Krebsforschung und Schritte abzielen. Der erste Schritt
-behandlung kamen PD1 und CTLA4
aus heiterem Himmel», erklärt
Dranoff. «Mit einem so fulminanten
Einstieg der Immunonkologie in die
Welt der Krebsbehandlung hatte niemand gerechnet.»
Aber auch wenn die neuen
Behandlungen für manche geradezu
eine Wunderheilung darstellten, pro- besteht darin, dass das Immunsystem
fitierten die meisten Erkrankten nicht lernt, Krebszellen als fremde Eindringlinge zu erkennen, die bekämpft
davon.
werden müssen. Für diesen Lernprozess sind insbesondere die dendritiVerstärkter Einsatz
Vor zwei Jahren gründete Novartis schen Zellen zuständig. Im nächsten
eine eigene Immunonkologie-Gruppe, Schritt geht es darum, das Immunsysderen Aufgabe darin besteht, Behand- tem anhand dieser Informationen zu
lungsmöglichkeiten für die 80 Prozent aktivieren. Dazu senden die dendritider Patienten zu finden, die auf die schen Zellen den Kämpferzellen, also
bisher bekannten Immuntherapien den B- und T-Zellen, die Botschaft,
nicht ansprechen. «Ob wir wirksame dass es jetzt Zeit ist, sich zu vermehren
Behandlungen entwickeln können, und auf die Suche nach den Eindringhängt davon ab, wie gut und genau lingen zu machen. Im dritten Schritt
Protein namens CTLA4. Normalerweise besteht die Aufgabe von CTLA4
darin, das Immunsystem von überschiessenden Reaktionen abzuhalten,
indem es dessen Kämpferzellen, den
T-Zellen, signalisiert, dass es an der
Zeit ist, den Angriff zurückzufahren.
Krebszellen können CTLA4 aber so
manipulieren, dass es den T-Zellen
diese Anweisung auch erteilt, wenn
sie Tumorzellen erkannt haben und
eigentlich aktiv bleiben sollten. Weitere Forschungsarbeiten zeigten, dass
es Moleküle gibt, die wieder eine
andere Botschaft an CTLA4 und die
T-Zellen übermitteln können: weiterkämpfen, bitte!
«Krebszellen können
das Immunsystem sehr
geschickt austricksen.»
«Das Immunsystem
muss Krebszellen als
fremde Eindringlinge
erkennen.»
schwärmen die B- und T-Zellen aus,
um Tumoren zu finden und anzugreifen.
Novartis erforscht mehrere Arzneimittelkandidaten, die auf die einzelnen Schritte in dieser Kette abzielen,
und hat auch die Erfahrung gemacht,
dass eine Kombination verschiedener
Immuntherapien besonders wirksam
sein kann. Ein solcher kombinierter
Einsatz zielt auf mehrere der Schritte
gleichzeitig ab und erschwert so die
Resistenzbildung aufseiten der Krebszellen. Welche Kombination am besten wirkt, ist jedoch nicht offensichtlich, weshalb Novartis grosse Summen
in die Grundlagenforschung investiert, um die Kombinationseffekte besser zu verstehen.
«Dabei geht es nicht darum,
unzählige Kombinationen nacheinander auszuprobieren, sondern zu verstehen, wie sich jede einzelne Störung
im Immunsystem genau auswirkt»,
beschreibt Dranoff den Ansatz. «Dann
kann man sich auf die wichtigsten
Schritte konzentrieren, mit denen
man sich befassen muss.»
Endgültige Therapien
In nur wenigen Jahren hat Novartis bereits sechzehn neue Substanzkandidaten in klinische Studien
gebracht, wobei jeweils mehrere Kandidaten auf die drei Schritte der
Immunantwort abzielen. Darüber hinaus hat das Unternehmen weitere
sechzehn Studien eingeleitet, in denen
Immuntherapien kombiniert werden.
Mit fast 1000 laufenden klinischen
Studien boomt die Immunonkologie
derzeit ganz offensichtlich.
Ein besonders vielversprechender
Aspekt der Immunonkologie ist die
Aussicht auf langfristig wirksame Therapien. Wie man aus der Impfstoff­
forschung weiss, können Immunzellen sich über viele Jahre, vielleicht
lebenslang, an Eindringlinge erinnern. «Mit der Immuntherapie ist es
theoretisch möglich, eine lang anhaltende Wirkung zu erzielen,» erklärt
Dranoff. «Der Grundgedanke besteht
darin, alle Schritte des Immunsystems
nacheinander zu nutzen, sodass das
Immunsystem den Krebs genau so
erkennt wie beispielsweise das Grippevirus.»
Zwar ist es noch zu früh, um
abschätzen zu können, wie lange der
Nutzen einer immunonkologischen
Behandlung anhält, aber bisher
scheint es, als ob die Immunantwort
bis zu einem Jahrzehnt Bestand hat.
Der nächste Schritt besteht dann
darin, genauer zu verstehen, was für
eine lang anhaltende Reaktion benötigt wird.
«Und das möchten die Patienten –
eine endgültige Therapie», weiss
Dranoff. «Einige Behandlungen mit
dem Medikament und fertig – der
Tumor ist endgültig erledigt.
DIE ANTWORT DES IMMUNSYSTEMS GEGEN KREBS:
Drei Schritte
Erster Schritt – Lernen
Zweiter Schritt – Aktivieren
Dritter Schritt – Ausschwärmen
T-Zelle
Dendritische Zelle
Tumorzellen
Dendritische Zelle
Quelle: Novartis
Lernen, aktivieren, bekämpfen.Krebserkrankungen setzen drei Verteidigungsstrategien gegen das Immunsystem ein. Die Novartis-Forschung konzentriert sich auf die Entwicklung von Therapien, die auf
diese drei Schritte abzielen. Im ersten Schritt lernt das Immunsystem, Krebszellen als fremde Eindringlinge zu erkennen. Im zweiten Schritt wird das Immunsystem aktiviert. Im dritten Schritt schwärmen
die B- und T-Zellen aus, um Tumoren anzugreifen.
Novartis – Medizin neu denken.
| Dienstag, 28. Februar 2017 | Seite 9
Die Entschlüsselung der Alzheimer-Krankheit
Der Erfolg der Alzheimer-Behandlung könnte von einem frühen Therapiebeginn abhängen
Von Kristin E. D. Coan
Auch nach Jahrzehnten der Forschung
gibt die Alzheimer-Krankheit der pharmazeutischen Indus­trie viele Rätsel auf.
Trotz Hunderten von Studien ist noch
immer keine Verlangsamung des Krankheitsverlaufs in Sicht. Doch die Forscher
haben einiges dazugelernt. So wissen sie
nun beispielsweise, dass sich die ersten
biochemischen Anzeichen von Alzheimer bereits bis zu 20 Jahre vor dem Auftreten jeglicher kognitiver Symptome zu
zeigen beginnen. Sie kommen zudem
allmählich zu der Erkenntnis, dass der
erfolgversprechendste Ansatz bei der
Neurowissenschaftlerin.Ana Graf
leitet bei Novartis Projekte für Alzheimer-Therapien. Foto Christian Jaeggi
Behandlung von Alzheimer möglicherweise darin besteht, sofort bei diesen
ersten Anzeichen einzugreifen. Doch
wie konzipiert man eine Studie bei Patienten, die noch keine Symptome zeigen?
Behandlung beginnt, wenn bereits die ren von Amyloid, obwohl sie keine kogersten Symptome aufgetreten sind, dann nitiven Symptome zeigen. Dieser Genokönnte es bereits zu spät sein», so Ana typ ist selten – lediglich zwei Prozent der
Graf, Projektleiterin im Bereich Neuro- Bevölkerung tragen zwei Kopien des
wissenschaften bei Novartis. Als ausge- APOE4 in sich. Indem der Schwerpunkt
bildete Ärztin leistet sie bereits seit auf diese Patientenpopulation gelegt
nahezu 25 Jahren einen entscheidenden wird, untersucht die Studie von Novartis
Kenne deinen Feind
Es gibt noch immer einige Diskussio- Beitrag auf dem Gebiet der Neurowis- als eine der ersten, ob es möglich ist, den
nen über das Thema, doch es ist mittler- senschaften. «Unser Ziel besteht darin, Ausbruch der Alzheimer-Krankheit zu
weile allgemein anerkannt, dass am bereits in jener Phase zu intervenieren, verzögern oder sogar zu verhindern.
Anfang der Alzheimer-Krankheit ein Pro- bevor Symptome auftreten.»
Zweitens verfügen Forscher nun
Zuvor wäre ein derartiger Ansatz über eine bildgebende Technik, die
tein namens Amyloid steht. Aus unbekannten Gründen wandelt sich dieses nicht in greifbarer Nähe gewesen. Doch ­Po­­sitronen-Emissions-Tomografie (PET).
normalerweise harmlose Protein in eine durch zwei entscheidende Fortschritte Diese macht es möglich, Amyloid-Ablatoxische Variante um. Diese verklumpt rückt er nun in den Bereich des Mög­ gerungen im Gehirn zu sehen. In der
und bildet die für die Alzheimer-Krank- lichen. Zuallererst haben Forscher Vergangenheit waren Amyloid-Ablageheit typischen Plaques. Die Ablagerung dadurch, dass das genetische Screening rungen nur im Rahmen einer Autopsie
von Plaques führt zu einer Schädigung schneller und kostengünstiger geworden erkennbar.
des Gehirns, bis die Patienten schliess- ist, eine genetische Signatur bei Menlich unter den ersten kognitiven Symp­ schen entdeckt, bei denen ein höheres Multiple Strategien
tomen von Alzheimer leiden.
Novartis arbeitet mit dem Banner
Risiko besteht, an Alzheimer zu erkranWissenschaftler haben erst vor Kur- ken. Bei Personen, die zwei Kopien einer Alzheimer’s Institute (BAI) in den USA
zem erkannt, dass sich dieser Prozess Genvariante namens APOE4 in sich tra- zusammen, um kognitiv gesunde, geneüber Jahrzehnte erstreckt. Die Amyloid-­ gen, ist die Wahrscheinlichkeit einer Alz- tisch jedoch hoch belastete Freiwillige zu
Ablagerungen beginnen bereits we­sent- heimer-Erkrankung bis zu elfmal höher finden. Diese Zusammenarbeit bildet
lich früher als bisher angenommen, und als bei jenen, die diese genetische Veran- jedoch nur einen Teil der weiter gefassdies hat die Wissenschaftler dazu bewo- lagung nicht aufweisen. Auf Basis der ten Alzheimer Prevention Initiative des
gen, ihren Behandlungs­ansatz für Alz- verfügbaren Daten finden sich bei BAI, eines internationalen Koopera­
heimer zu überdenken. Klinische Stu- 80 Prozent dieser Personen bereits Spu- tionsprojekts, das ins Leben gerufen
dien haben sich in der Vergangenheit
vornehmlich auf symptomatische Patienten konzentriert, doch die Ergebnisse
deuten darauf hin, dass dieser Zeitpunkt
bereits viel zu spät für therapeutische
Interventionen sein könnte. Die Alzheimer-Krankheit spricht möglicherweise
nur während der ersten Phasen der
Amyloid-Akkumulation auf derartige
Eingriffe an, bevor diese Zeit hatte, Amyloid-Ablagerungen.Die Aufnahme mithilfe der Positronen-Emissions-Tomoerhebliche Schäden zu verursachen.
grafie (PET) zeigt eine Amyloid-Plaque-Ablagerung bei Personen mit Alzheimer-­
«Wir glauben, dass eine frühzeitige Demenz, eine Person, die kognitiv unbeeinträchtigt ist, aber ein hohes Risiko hat,
Intervention die grössten Erfolgsaus- Alzheimer-Symptome zu entwickeln, und eine unbeeinträchtigte Person mit
sichten bietet. Wenn man mit einer ­keinem oder geringem Risiko, an Alzheimer zu erkranken. Grafik Banner Alzheimer’s Institute ANZEIGE
Carbagas ist seit 20 Jahren Partner von Novartis für industrielle und pharmazeutische Gase. Auch in der Zukunft
ist es das gemeinsame Ziel, Menschen zu einem besseren und längeren Leben zu verhelfen.
www.carbagas.ch
Carbagas ist ein Unternehmen
der Air Liquide-Gruppe
wurde, um eine neue Ära der Alzheimer-Präventionsforschung einzuläuten.
Die klinische Studie wird in den Kliniken
weltweit durchgeführt, unter anderem
auch in der Schweiz.
Novartis entwickelt zwei therapeutische Ansätze zur Behandlung von Alzheimer. Beide Ansätze zielen auf Amyloid ab, jedoch über unterschiedliche
Strategien. Bei dem ersten Ansatz handelt es sich um eine orale Therapie, die
dazu dienen soll, die Produktion to­­
xischen Amyloids durch die Blockierung
der dieses Protein erzeugenden Proteinmaschinerie zu unterbrechen. Diese
Therapie wird in Zusammenarbeit mit
Amgen entwickelt. Der zweite Ansatz
besteht in einer mit einem Impfstoff vergleichbaren Immuntherapie. Dabei werden Amyloid-Fragmente dazu eingesetzt, das Immunsystem so zu trainieren,
dass es Amyloid erkennen und zerstören
kann. Allerdings müssten Patienten
diese Therapie im Gegensatz zu einem
Impfstoff in regelmässigen Abständen
erhalten. Beide Therapie­
ansätze sind
das Ergebnis von 15 Jahren Forschung.
Da Alzheimer eine Krankheit ist, die
sich nur langsam entwickelt, wird es
viele Jahre dauern, bis feststeht, ob
diese Ansätze wirksam sind. «Eine der
grösseren Herausforderungen im Rahmen der Entwicklung von Arzneimitteln gegen die Alzheimer-Krankheit
liegt darin, dass wir umfangreiche und
langwierige Studien durchführen müssen, um zu erkennen, ob ein medizinischer Nutzen gegeben ist», meint Graf
hierzu. «Es liegen noch ein langer Weg
und viel Arbeit vor uns. Doch es
erscheint uns nun zumindest vor­
stellbar, die erste erfolgversprechende
Behandlung zu entwickeln.»
Novartis – Medizin neu denken.
| Dienstag, 28. Februar 2017 | Seite 10
Faces of Innovation
Die Menschen, die hinter neuen Möglichkeiten der Medizin stehen
Swati Dumitras,
Translationale Medizin.
«Ich arbeite daran, dass Medikamente
im Körper aufgenommen und verstoffwechselt werden. Ursprünglich komme
ich aus Indien und arbeite bei Novartis
seit 2007. Zuvor war ich in Deutschland
für ein anderes Pharmaunternehmen
tätig. Insgesamt lebe ich seit 20 Jahren
in Europa. Als ich in Deutschland arbeitete, hat mich eine Freundin auf eine
offene Stelle bei Novartis aufmerksam
gemacht. Ich arbeite gerne in einer
Dominic Hoepfner,
Forschungsgruppenleiter.
«Wir pflanzen Marker in biologische
Systeme ein um herauszufinden, was
Moleküle in Zellen wirklich machen etwa Substanzen, die Krebszellen
töten, aber gesunde Zellen schonen.
Ich mag grosse Probleme. Da kommt
der faustische Trieb, herauzufinden,
was die Welt im Innersten zusammenhält. Das holt einem jeden Morgen
motiviert aus dem Bett. Ich bin in Basel
aufgewachsen und wollte entweder
Koch werden, falls ich die Matura nicht
schaffe, oder dann Chemiker. Bei beidem geht es ums Mischen und
Kochen. Ich spiele Waldhorn und habe
mir nun alle Cellosuiten von Bach vor-
«Ohne Spass bei der
Arbeit gibt es keine
Innovation.»
«Da kommt der
faustsche Trieb,
herauszufinden, was die
Welt im Innersten
zusammenhält.»
offenen, leistungsorientierten Umgebung. Da kommen mir auch die besten
Ideen. Oft habe ich sie im Hinterkopf,
und dann reifen sie im Gespräch mit
den Kollegen. Mir ist aber auch wichtig,
dass meine Teams entspannt und
zufrieden bei der Arbeit sind. Denn
wenn man keinen Spass hat bei der
Arbeit, kommt man nirgends hin und es
gibt keine Innovation.»
genommen. Wenn ich da so im Flow
und eins bin mit meinem Instrument
und der Musik, dann kommen mir
plötzlich die guten Ideen.»
Foto Christian Jaeggi
Foto Christian Jaeggi
Estelle Pfister
Wissenschaftlerin.«Ich habe in
Strass­burg studiert und mit einem
­trinationalen Diplom in Biotechnologie
und Engineering abgeschlossen. Nach
Praktika in Frankreich und meiner Masterarbeit hier bei Novartis wollte ich
dann in Deutschland oder der Schweiz
arbeiten. Ich mag vor allem die Projekte,
bei denen ich die Wirkstoffforschung
Caroline Boulton, Globale Leiterin
­Arzneimittelzulassung Herz-Kreislauf.
«In meiner Familie gab es viele Erfinder.
Ich bin dafür verantwortlich, dass Wirkstoffe Zulassungen erhalten, die es
Novartis ermöglichen, neue Therapien
zu vermarkten. Allerdings werden die
Behandlungsansätze immer komplexer
und vielfach ist es nicht mehr nur eine
Tablette. Wir müssen unser Wissen
ständig weiterentwickelnd und neue
Wege finden, um die neuen Therapien
so schnell wie möglich zum Patienten
zu bringen. Häufig sind die Regulierungsbehörden nicht so vertraut wie
wir mit den neuen Ansätzen. Wir arbeiten eng zusammen, um ein gemeinsames Verständnis zu entwickeln und um
uns auf einen Weg zur Registrierung zu
einigen. Ich lese viel und mache mir
dauernd Notizen und wenn ich etwas
nicht verstehe, dann fordert mich das
heraus. In den nächsten Jahren kommt
mit der digitalisierten Medizin auf uns
und die Regulatoren ein komplett
neues Thema zu, von dem wir noch
sehr wenig wissen. Das wird eine riesige Herausforderung.» Foto Christan Jaeggi
«Bei einem Medikament
gegen Brustkrebs war
ich von der ersten
Idee bis zur Patientin
mit dabei.»
über eine lange Zeit begleiten kann. Bei
einem Brustkrebspräparat war ich während acht Jahren dabei, von den ersten
Ideen bis zu dem Punkt, wo es Patientinnen wirklich geholfen hat. Ich spiele
Flöte in drei Orchestern. Da entspanne
ich mich, habe aber auch immer wieder
gute Ideen. Meine Arbeit ist ähnlich wie
das Musizieren im Orchester. Der Klang
des Ensembles ist mehr als die Summe
jedes einzelnen Instruments, aber jeder
versucht, für sich selber und im Zusammenspiel mit allen andern perfekt zu
sein. Genauso entwickeln wir auch neue
Therapien.»Foto Christan Jaeggi
René Hersperger,
Chemieforschungsleiter Autoimmun- und Entzündungskrankheiten.
«Ich bin ein ‹Drug Hunter›, ein Wirkstoffjäger. Wir suchen und optimieren
Moleküle, die Krankheiten heilen oder
lindern können. Ich mag Projekte, die
etwas Einzigartiges haben, bei denen
das Zielprotein eben erst entdeckt
wurde und die so einen neuen Ansatzpunkt ermöglichen, mit dem man einer
Krankheit den Kampf ansagen kann.
Da gibt es zu Beginn sehr wenig
Anhaltspunkte. Man ist überall der
Erste – aber auch der Erste, der auf die
Nase fällt. Auch das bringt einem einen
wichtigen Schritt weiter. Ich bin von
Natur aus neugierig und versuche die
Welt rational zu verstehen. Aber als
Medizinalchemiker muss man auch
seinem Gefühl und Instinkt folgen.
Wenn ich mit Wissenschaftlern diskutiere, überlege ich mir wie ich ihre
Erkenntnisse in unsere Projekte einbringen könnte – auch Ideen aus ganz
andern Gebieten, etwa der Computerbranche oder der Autoindustrie können
durch etwas Abstrahieren zu neuen
Ansatzpunkten führen.» Foto Christian Jaeggi
Pascale Burtin
Head Global Program Management.
«Ursprünglich bin ich Kinderärtzin und
bin über ein Post-Doc-Projekt zu
Novartis gekommen. Danach hat man
mir angeboten zu bleiben und ich bin
nicht mehr zurückgegangen in die Klinik. Im Program Management sind wir
dafür verantwortlich, dass alle Spezialisten und alle Teams innerhalb eines
Entwicklungsprojekts zusammenarbeiten. Wir leben eigentlich immer in der
Zukunft. Wir müssen uns vorstellen,
wie die Regulierungen in zehn Jahren
aussehen und wie die Gesundheitssysteme funktionieren werden. Ich
sehe die Entwicklung eines Medikaments wie das Heranwachsen eines
Kindes. Es dauert ebenfalls mehr als
zehn Jahre und man hat am Anfang ein
Molkül, man versucht seinen Charakter
herauszufinden, versucht es zu fördern
und am Schluss so ins Gesundheitswesen zu entlassen, dass es möglichst
vielen Menschen helfen kann.»
Foto Christian Jaeggi