SWR2 Tandem

SWR2 MANUSKRIPT
ESSAYS FEATURES KOMMENTARE VORTRÄGE
SWR2 Tandem
Freundinnen
Eine andere Beziehungsgeschichte
Von Ingrid Strobl
Sendung: 02.03.2017, 10.05 Uhr (Wiederholung)
Redaktion: Nadja Odeh
Produktion: SWR 2009
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FREUNDINNEN
Sprecherin 1:
Liebste Mary, langsam gewöhne ich mich daran, dich nicht mehr hier zu haben, und
noch immer vermisse ich dich. Dein Brief kam zur rechten Zeit, gerade als ich anfing,
darüber nachzudenken, ob ich anfangen soll, mir Sorgen zu machen. Du weißt, dass
ich mich ängstige, du könntest verletzt werden. Gibt es nicht irgendeine Chance,
während der Ferien ein paar Wochen zusammen zu verbringen? Wie geht es deiner
Arbeit? Wieder beim Roman?
In Liebe, deine Hannah
Sprecherin 2:
Liebste Hannah, gestern Abend kam ich aus Zürich zurück und fand deinen Brief vor.
Mach dir keine Sorgen um mich. Ich bin diesmal verletzt worden. Aber schreibe. Und
schließe diese Übersetzung ab. Wo wirst du im Sommer sein? Du sprichst davon,
dass wir uns sehen. Aber wo? Alles, Alles Liebe, Mary.
Autorin:
Zwei berühmte Frauen:
Die Philosophin Hannah Arendt und die Schriftstellerin Mary McCarthy. Zwei
Freundinnen, die einen Briefwechsel hinterließen, der von ihrer Freundschaft Zeugnis
ablegt. Die beiden lernten sich 1945 in einer Bar in Manhattan kennen. Nach einem
anfänglichen Missverständnis kamen sie sich näher und wurden schließlich enge
Vertraute. Da Mary McCarthy sich mehr im Ausland aufhielt als in den USA, lebte
ihre Freundschaft in Briefform weiter, 26 Jahre lang, bis zu Hannah Arendts Tod im
Dezember 1975.
Diese Briefe erzählen davon, was eine Freundschaft zwischen Frauen bedeuten und
beinhalten kann: Die beiden tauschen sich über intellektuelle Themen aus, über ihre
Arbeit, ihre Männer, ihre Gefühle, über Freundinnen und Freunde, Kolleginnen und
Kollegen, über das jeweilige politische Geschehen. Sie sind ernsthaft und übermütig,
sie trösten einander, ermutigen sich gegenseitig und lästern wie de Schulmädchen.
Auf der Trauerfeier für Hannah Arendt würdigte Mary McCarthy die große
Philosophin nicht so sehr für ihr Werk - das taten andere, sondern als die Freundin,
die sie kannte, liebte und nun vermisste. Diese Frau, betonte sie, war…
Sprecherin 2:
…"bezaubernd, verführerisch, weiblich, ihre Augen, so glänzend und funkelnd,
sternengleich, wenn sie glücklich oder erregt war, aber auch tief, dunkel, entrückt,
stille Wasser der Innerlichkeit."
Hanna:
Frauenfreundschaften find ich sehr wichtig. Und die hab ich Gott-sei-dank auch.
Antonia:
Ich hatte immer beste Freundinnen, und das war immer wichtig für mich. Es gibt
Freundinnen aus meiner Kindheit, mit denen ich heute noch befreundet bin.
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Ulla:
Frauenfreundschaften habend diese besondere Qualität. Dieses neidlose Mitfreuen,
und auch die Unterstützung, wenn man Kummer hat. Ja, und auch, dass man sich
beraten kann. Ich frage meine Freundinnen um Rat, und die fragen mich auch.
Autorin:
Hanna, Antonia und Ulla wissen, wie Hannah Arendt und Mary McCarthy, um den
Wert der Freundschaft zwischen Frauen. Fast jede Frau hat - und hatte auch in
früheren Epochen - eine gute oder auch beste Freundin, und dennoch finden sich
kaum schriftliche Belege dafür.
Ausnahmen wie der Briefwechsel zwischen Bettina von Arnim und Karoline von
Günderode, Virginia Woolf und Vita Sackville-West, Nelly Sachs und Gudrun Harlan
bestätigen die Regel. Dass wir überhaupt etwas über historische FrauenFreundschaften wissen, verdanken wir der Tatsache, dass diese Frauen sich Briefe
schrieben - und so berühmt waren, dass ihre Briefe auch aufbewahrt und publiziert
wurden. In der Literatur spielen Freundschaften zwischen Frauen kaum eine Rolle.
Ganz im Gegensatz zu Männerfreundschaften, und das nicht erst seit Schillers
Bürgschaft. Auch Filme und Fernsehserien verkünden die Mähr von Männertreue
und Zicken-Krieg. Und handelt ein Film tatsächlich einmal von der Freundschaft
zwischen weiblichen Wesen, dann endet er womöglich tödlich, wie "Thelma und
Louise". Im wahren Leben ist das etwas anders.
Ulla:
Freundinnen haben ne sehr große Bedeutung und ja, dieser Ausdruck,
"Freundschaften pflegen", ich finde, es ist wirklich wahr. Also, ich maile viel mit
Freundinnen, ich telefoniere, ich gucke, dass ich möglichst die mir wichtigsten
Freundinnen auch in regelmäßigen Abständen sehe. Und da wende ich auch Zeit
auf.
Autorin:
Ulla ist 52 und hatte in ihrem Leben schon viele Freundschaften mit anderen Frauen.
Einige haben sich, wie sie sagt, "verläppert", meist auf Grund von Ortswechseln,
andere halten bis heute. Und wieder andere beleben sich nach Jahren wieder neu.
Ulla:
Wo ich zum Beispiel vor zwei Jahren ein ganz wunderbares Erlebnis hatte mit einer
Freundin, die ich aus dem Studium noch kenne, mit der ich sehr innig war, die ist
dann Professorin geworden und zog nach Berlin. Ich hatte Jahre nichts gehört, und
wir treffen uns zufällig auf einer Tagung. Wir fallen uns um den Hals und reden die
ganze Nacht. Das heißt, diese Vertrautheit war sofort wieder da.
Autorin:
Auch Antonia hat seit eh und je enge Freundinnen, und einigen ist sie über Jahre
und Jahrzehnte hinweg treu gebelieben. Jede dieser Freundschaften, sagt die
Journalistin, hatte und hat ihren ganz eigenen Wert. Manche waren in einer
bestimmten Lebensphase von Bedeutung und schliefen danach ein. Andere ergaben
sich aus dem beruflichen Zusammenhang - aus Kolleginnen wurden Freundinnen.
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Und zwei Freundschaften aus der Kindheit haben sich bis heute gehalten - fast
vierzig Jahre lang.
Antonia:
Das Besondere ist, dass man sich die Lebensgeschichte nicht unbedingt erzählen
muss, sondern man hat sie miterlebt. Ich habe bei diesen Freundinnen zu Mittag
gegessen, ich habe dort übernachtet, die haben bei mir zu Mittag gegessen, und die
haben bei uns übernachtet.
Ich weiß sozusagen, wie's bei denen zu Hause gerochen hat. Das ist eine
Vertrautheit, die man mit niemandem sonst erreichen kann. Das hat fast etwas von
der Vertrautheit, die man Geschwistern gegenüber empfindet. Diese Freundinnen
sind auch so ne Art Spiegel, weil, man hat sich verändert, alle haben sich verändert.
Und ich sehe deren Veränderungen. Und sehe natürlich auch, an ihren Reaktionen
auf mich, meine Veränderungen.
Autorin:
Dass ihre Freundschaft nicht einschlief, obwohl die drei Frauen sehr unterschiedliche
Berufe haben und weit auseinander wohnen, liegt daran, dass alle drei sie bewusst
pflegen. Auch wenn das manchmal aufwendig ist.
Antonia:
Kontakt halten wir per Telefon und über Besuche. Wobei das auch durchaus
vorkommen kann, dass wir mal drei Monate nicht telefonieren. Und dann jede Woche
oder so. Das ist wirklich wechselnd. Was auch wichtig ist, dass man auch noch Dinge
miteinander erlebt, Dinge miteinander macht. Also zum Beispiel mal zusammen
wegfährt. Oder ein ganzes Wochenende miteinander verbringt.
Autorin:
Freundinnen:
Sandkastenfreundinnen, Kindergartenfreundinnen, Schulfreundinnen. Die beste
Freundin der Kindheit: Vertraute, Geheimnisträgerin, Spielkameradin. Fast jede Frau
hatte eine. Und viele erinnern sich an sie. Gabys erinnert sich an ihre erste Freundin:
Gaby:
Wir haben viel miteinander so die Nächte verbracht. Und dann haben wir immer
Brötchen gegessen mit Ketchup. Mit der hab ich auch das erste Mal geraucht. Aber
das war auch mehr oder weniger 'n Fiasko (lachend), weil wir 'n super schlechtes
Gewissen hatten. Ich glaub, wir waren im Grunde sehr brav.
Autorin:
Ansonsten, erzählt die 53-Jährige, trieb sie sich lieber mit Jungs herum. Sie mochte
keine Puppen. Räuber und Gendarm spielen lag ihr mehr. Heute würde Gaby, die als
mathematisch-technische Assistentin arbeitet, vielleicht "Die Wilden Hühner" lesen.
Aber in den Sechzigerjahren, als sie ein Kind war, gab es keine Bücher, in denen
Mädchen sich zusammentun und so etwas wie eine Bande bilden. Unkonventionelle
Mädchenfiguren traten nur solo auf beziehungsweise in der Gesellschaft von Jungen.
Die Rote Zora führt zwar eine Bande an, der aber kein einziges anderes Mädchen
angehört. Pipi Langstrumpf ist eine Einzelgängerin, Annika und Peter können ihr
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nicht das Wasser reichen. Und auch George, der Heldin der "Fünf Freunde"-Bände,
liegt mehr an den Jungen in der Gruppe als an ihrer braven und ängstlichen
Geschlechtsgenossin Anne.
Zitatorin 1:
Frieda schlug das kirschrote Papier auseinander. Ein großes Heft kam zum
Vorschein, ein Heft mit einem festen Einband, von dem fünf mal fünf wilde Hühner
blickten. Frieda strich andächtig mit dem Finger darüber. "Das ist wunderschön,
Trude!" Trude schlang sich verlegen eine Haarsträhne um den Finger. "Nun schlag
es schon auf!", sagte sie.
Autorin:
Seit Cornelia Funkes Erfolgsserie verfilmt wurde, sind die Auflagenzahlen der Bücher
noch weiter angestiegen. Die Wilden Hühner sind realistische Mädchen von heute und Freundinnen, die wie Pech und Schwefel zusammenhalten.
Zitatorin 1:
Frieda und Sprotte kamen aus dem Staunen nicht mehr heraus. Es gab so viel zu
entdecken in Trudes Wilde-Hühner-Buch: Fotos vom Wohnwagen zu jeder
Jahreszeit, Eintrittskarten von Kinovorstellungen, die sie gemeinsam besucht hatten,
die Rechnung für den Eimer Farbe, mit der sie die Tür gestrichen hatten, ein paar
Tropfen Kerzenwachs als Erinnerung an ihre erste gemeinsame Übernachtung im
Wohnwagen, ein Plan des Waldes in dem das Baumhaus der Jungen lag, samt
eingezeichneter Schleichwege dorthin.
Dorothee:
Mit meiner ersten Freundin bin ich durch die Gärten und um die Häuser
rumgestreunt. Da war ich vier. Und dann haben wir Sonnenblumenkerne genascht
aus den Sonnenblumen vom Nachbarn. Wir haben einen Geheimclub gegründet, in
dem nur wir beide waren. Und haben auch kleine Zettel gemacht mit Geheimzeichen.
Autorin:
Als ihre erste beste Freundin auf eine andere Schule kam, ging für Dorothee die Welt
unter. Sie brauchte eine ganze Weile, bis sie neue Freundschaften schloss. TeenieFreundschaften, die daran zerbrachen, dass die anderen Mädchen sich früher für
Jungs interessierten als Dorothee, der das andere Geschlecht mit 13, 14 noch völlig
egal war.
Ulla:
Wir hatten Verstecke. Wir hatten gegenüber vom Haus einen kleinen Spielplatz, und
dann gab's noch sogenannte Trümmergrundstücke, ich bin ja Jahrgang '52, und
Bremerhaven, wo ich geboren bin, war völlig kaputt. Und da durfte man natürlich
nicht drauf, und deswegen sind wir da besonders gerne drauf gegangen, und da
hatten wir so Verstecke.
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Autorin:
Ulla denkt voller Zuneigung an die Freundin der Kindheit zurück, die sie verlor, als
ihre Familie von Bremerhaven nach Köln umzog. Was folgte, war eine Zeit, in der sie
sich sehr einsam fühlte. Ihre norddeutsche Art zu sprechen war den Mitschülerinnen
fremd, sie wiesen die "Neue" zurück. Erst als Teenager hatte Ulla wieder
Freundinnen, und gleich einen ganzen Haufen: Die, mit denen sie Klavier spielte und
im Schulchor sang, die, mit denen sie in die Tanzstunde ging, die mit denen sie sich
über Bücher austauschte. Und mit allen zusammen, sagt sie, war eines damals ganz
besonders wichtig:
Ulla:
Dass man viel kichern konnte. Über Jungs, über Lehrer und Lehrerinnen. Ich weiß,
dass wir hauptsächlich viel gekichert haben.
Autorin:
In der Pubertät erfüllen Freundinnen andere Aufgaben als in der Kindheit. Jetzt ist es
wichtig, eine Verbündete zu haben: gegen Erwachsene, gegen Jungs, gegen andere
Mädchen und notfalls gegen die ganze Welt. Eine, mit der man Träume und
Phantasien teilen, Weltschmerz und Liebeskummer bewältigen und hemmungslos
über andere herziehen kann. Dorothee lernte auf der Oberstufe endlich ein Mädchen
kennen, das für sie die Qualitäten einer besten Freundin erfüllte:
Dorothee:
Sie hat mich so 'n bisschen raus gerettet aus diesem sehr Eigensein in der Pubertät,
weil sie auch so 'n Sinn für Nonsens und so was Unerwartetes hatte. Ich war schon
sehr angespannt in der Zeit auch, weil ich nicht wusste, wie ich mir die Welt erklären
sollte und wo das alles hinführt. Und die Kathrin, die hatte dann wieder so ne
Leichtigkeit in mir wachgerufen. Und das war für mich wie ein Geschenk, so wieder
sein zu dürfen auch.
Zitatorin 1:
Man schrieb 1936, und die Hälfte der Clique war verheiratet. Vom alten Kreis hatte
Libby nur Priss, Polly und Kay eingeladen; die anderen hatte sie mehr oder weniger
aus den Augen verloren. Polly hatte Chemie studiert, weil sie Ärztin werden wollte,
aber als Mr. Andrews sein Geld verlor, musste sie das natürlich aufgeben. Zum
Glück hatte ihr die Stellenvermittlung des College dann den Posten im Hospital
besorgt. Die ganze Clique hoffte, sie würde dort einen hinreißenden jungen Arzt oder
Pathologen kennen lernen, der ihr einen Heiratsantrag machte, aber bis jetzt war das
noch nicht der Fall gewesen, oder wenn, wusste niemand etwas davon.
Autorin:
1962 erschien Mary McCarthys Roman "Die Clique". Das Buch, das als erstes - nicht
nur in der amerikanischen Literatur - die Freundschaft zwischen Frauen thematisiert,
wurde sofort ein Bestseller, während es die Männer in Mary McCarthys linksintellektuellem Freundeskreis in der Luft zerrissen. Hannah Arendt versuchte die
Freundin zu trösten:
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Zitatorin 1:
Liebste Mary, mir hat "Die Clique" sehr, sehr gut gefallen, es ist ganz anders als
deine anderen Bücher, gleichzeitig milder und trauriger; es liest sich wie eine
endgültige Darstellung dieser Zeit, aber aus sehr großer Distanz.
Autorin:
Dabei bedurfte Hannah Arendt selbst des Trostes und der Unterstützung durch die
Freundin. Ihr Prozessbericht "Eichmann in Jerusalem" war im selben Jahr wie "Die
Clique" erschienen und hatte einen heftigen und anhaltenden Skandal ausgelöst.
Und so antwortete ihr Mary McCarthy denn auch umgehend:
Zitatorin 2:
Liebste Hannah, ich möchte dir irgendwie helfen, und nicht nur durch Zuhören. Was
kann man in dieser Eichmann-Sache tun, die allmählich die Ausmaße eines Pogroms
annimmt?
Autorin:
Frauen erhalten sich auch dann noch ihre Freundschaft zu anderen Frauen, wenn
sie mit einem Partner leben und Kinder haben. Der Mann kann die beste Freundin
nicht ersetzen. Sie bleibt eine wichtige Bezugsperson.
Dabei ist die Freundschaft erwachsener Frauen noch einmal etwas ganz anderes als
die kleiner Mädchen und pubertierender Teenager. Als Erwachsene, sagt die
Journalistin und Buchautorin Ulla, ist es für sie wichtig, dass es zwischen ihr und
ihren Freundinnen zumindest eine gewisse politische Übereinstimmung gibt und...
Ulla:
... dass man gemeinsame Interessen hat, einige Ansichten gemeinsam hat, es gibt
auch viele Ansichten bei verschiedenen Freundinnen von mir, die ich nicht habe,
oder die meine nicht haben, aber es muss so ne Grundeinstellung zum Leben sein.
Autorin:
Die Freundschaft zwischen erwachsenen Frauen ist auch größeren Belastungen
ausgesetzt, als die zwischen Mädchen. Der Beruf, die Familie und diverse Interessen
nehmen den größten Teil der Zeit in Anspruch. Eine Meinungsverschiedenheit mit
der Freundin kann nicht immer sofort geklärt werden und schwelt vielleicht lange vor
sich hin. Die Zeit der nächtelangen Gespräche ist vorbei, und ein falsches Wort kann
zu schweren Verletzungen führen. Im schlimmsten Fall kommt es sogar zu Lügen
und Verrat. Gaby machte diese bittere Erfahrung. Eine Freundin, die sie liebte und
bewunderte, verstand sich plötzlich allzu gut mit ihrem Freund. Sie wurde
misstrauisch:
Gaby:
Und ich hab das dann auch mehrfach angesprochen. Und es wurde immer gesagt,
"Nein, das ist nicht so".
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Autorin:
Das Misstrauen blieb und führte dazu, dass sich Gabys Beziehung zu ihrem Freund
verschlechterte. Sie schlug eine Trennung auf Probe vor, der er sofort zustimmte.
Gaby:
Und dann war das aber so, dass es eigentlich wirklich nach ganz kurzer Zeit nach ein
paar Tagen, nachdem diese Entscheidung getroffen wurde, die im Grunde schon
zusammen waren.
Autorin:
Das Schlimmste für sie war,…
Gaby:
... dass ich plötzlich wirklich zwei verloren hatte. Weil diese Frau auch mir richtig viel
bedeutet hat. Und dann diese Lüge, dass die so schnell zusammengekommen sind.
Das heißt ja noch mal für mich im Rückblick, sie hatten ganz, ganz lange das schon
in Erwägung gezogen vorher.
Autorin:
Auch für Hannah ging eine wichtige Freundschaft schmerzhaft zu Ende. Ihre beste
Freundin verliebte sich in einen Mann, den Hanna nicht mochte.
Hanna:
Und dann waren die beiden auf einem Konzert, wo ich normalerweise mitgegangen
wäre. Und dann hab ich so was Ähnliches gesagt wie "Perlen vor die Säue" (lacht).
Und dann hat sie mir die Freundschaft gekündigt.
Autorin:
Der Vorwurf der Freundin lautete: Hanna habe ihr im Laufe der Jahr eine Menge
Verletzungen zugefügt:
Hanna:
Wenn wir zusammen irgendwo hingehen, dass ich dann den ganzen Raum
einnehme, dass ich erfolgreicher bin, dass ich leichteren Zugang zu anderen
Menschen hab.
Autorin:
Sie war wie vor den Kopf gestoßen, erzählt Hanna, denn all das hatte sie nie
bemerkt.
Hanna:
Aber das hat, ja, das hat mich sehr verletzt. Weil das meine beste Freundin war!
Autorin:
Hanna ist eine temperamentvolle Südeuropäerin, sie ist erfolgreich in ihrem Beruf als
Massage-Therapeutin und Ausbilderin, und sie sieht gut aus. Auf die Idee, dass
andere Frauen sich dadurch in die zweite Reihe gedrängt fühlen könnten, war sie nie
gekommen. Nach dem Bruch mit ihrer Freundin versuchte sie erst einmal, ihr Licht
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unter den Scheffel zu stellen. Um nie wieder jemanden unwillentlich und
unwissentlich zu verletzen. Doch letztendlich zog sie eine andere Konsequenz:
Hanna:
Ich merke, dass inzwischen mein Freundeskreis nur aus so richtigen Prachtweibern
besteht, die sehr selbständig sind, die sehr selbstbewusst sind, die wissen, was sie
möchten. Die auch schon mal Courage an den Tag legen. Und das bekommt mir gut.
Autorin:
Freundinnen. Sie können zu Nervensägen oder Konkurrentinnen werden, sie können
verletzen und enttäuschen. Doch fast alle Frauen haben auch Freudinnen, die sich
als treu, tröstlich und hilfreich erweisen. Die beste Freundin ist häufig die erste, und
nicht selten auch die einzige, die eine Frau um eine kritische Einschätzung bittet, sei
es ihres Verhaltens, ihres Aussehens, einer beruflichen Entscheidung oder eines
neuen Liebhabers. Ihre beste Freundin, sagt Dorothee...
Dorothee:
… war ne Lebensberaterin immer, und das ist auch heute noch so. Also, sie hat mich
wirklich schon zu Dingen fast genötigt. Das passte mir gar nicht. Aber irgendwo
wusste ich, spätestens 'n bisschen später dann, dass es richtig war. Und ich habe
auch danach gehandelt. Und das ist mit mir bei ihr auch. Manchmal wasch ich ihr
richtig den Kopf, und sie akzeptiert das.
Autorin:
Gegenseitige Hilfe ist mindestens genauso wichtig. Gerade in schwierigen oder
schmerzhaften Lebensphasen hofft man, sich auf gute Freundinnen verlassen zu
können. Dorothees beste Freundin war, zusammen mit dem Vater des Kindes, bei
der Geburt ihres Sohnes dabei. Und sie sprang auch danach immer wieder ein.
Ohne ihre Freundinnen, betont Dorothee, hätte sie den Spagat zwischen Kind und
Beruf nicht bewältigen können. Eine Freundin zum Beispiel, die zu der Zeit arbeitslos
war, kümmerte sich tagsüber um das Baby, während Dorothee an der
Medienakademie unterrichtete. Und in der Mittagspause fuhr sie quer durch die
Stadt, um es ihr zum Stillen zu bringen.
Dorothee:
Ich hab's gestillt, wir haben ein bisschen geplaudert, das Kind ist auf dem Boden rum
gekrabbelt. Dann hat sie's wieder eingepackt, und ich hab weiter gemacht. Und das
jeden Tag. So war dieser Job nur möglich..
Autorin:
An sie würde Dorothee sich auch wenden, wenn ihr etwas Schreckliches widerfahren
würde. Eine tödliche Krankheit zum Beispiel.
Dorothee:
Ja, das wär das erste, dass ich meine Freundin anrufen würde. Wenn was mit dem
Jungen wär, dann würd ich auch den Vater des Kindes anrufen. Aber diese ganz,
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ganz tiefe Klarheit, man kriegt das alles hin, und man muss auch alles genau
besprechen, die hab ich mit meiner Freundin.
Autorin:
Als Hannah Arendt im Mai 1975 in Schottland einen Herzinfarkt erleidet, kommt Mary
McCarthy sofort aus Paris angereist, um auf der Intensivstation bei ihr zu sein.
Zurück in Paris, ruft sie nicht nur regelmäßig an, sondern schreibt auch besorgte
Briefe.
Zitatorin 1:
Bitte, mein Liebes, gehorchte dem Arzt und richte deinen Willen auf Genesung statt
auf Widerstand. Und genieße wenigstens die Ruhepause, auch wenn sie erzwungen
ist.
Antonia:
Ich setze das Wort Freundschaft sowieso sehr sparsam ein. Weil für mich ist
Freundschaft mehr, als ab und zu mal miteinander essen zu gehen und 'n netten
Abend zu verbringen. Freundschaft bedeutet für mich schon ein Maß an Vertrautheit
und ein Gefühl, man kann sich auf den anderen verlassen. Das bedeutet aber, dass
man bestimmte Dinge miteinander erlebt oder durchgestanden haben muss.
Autorin:
Antonia weiß, wovon sie spricht. Als ihr Lebenspartner starb, halfen ihr Freundinnern
durch den Albtraum.
Antonia:
Eine wichtige Hilfestellung hat mir eine Freundin, auch 'ne sehr alte Freundin,
gegeben: Ich konnte nicht alleine sein nachts. Und die hat über Wochen bei mir
übernachtet.
Autorin:
Sie war dieser Freundin zutiefst dankbar, erzählt Antonia, aber sie schämte sich auch
dafür, dass sie, als erwachsene und gestandene Frau, nicht allein sein konnte. Doch
auch über diese Hürde habe ihr die Freundin geholfen.
Antonia:
Ich hab eine Stärke von mir selber erwartet, die ich aber nicht besaß. Und diese
Freundin hat mir die Chance gegeben, meine Stärke wiederzufinden. Das war schon
eine ganz große Lebenshilfe, die, finde ich, über das normale Maß hinausgeht, was
Freundschaft leisten kann und soll und muss. Mir ist es damals so gegangen, dass
ich durch diesen Verlust meines Lebenspartners mich auch selber 'n Stück weit
verloren habe. Und mich auch wieder neu finden musste. Und da hilft es schon,
wenn Freundinnen da sind, die an dir festhalten und dich in dieser Welt festhalten.
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