Medizintechnologie.de Elektronische Patientenakte Krankenkassen geben Gas Handgeschriebene Patientenakten sollen bald der Vergangenheit angehören, zumindest bei der Techniker Krankenkasse und der AOK Nordost. Quelle: Fotolia/Bernhard Schmerl 20.02.2017 Die Techniker Krankenkasse kooperiert bei der Entwicklung ihrer elektronischen Patientenakte mit dem Unternehmen IBM. Das wurde jetzt in Berlin bekannt. Auch die AOK Nordost will eine Akte, geht die Sache aber etwas anders an. von Philipp Grätzel Bei einer mit Spannung erwarteten Ausschreibung der Techniker Krankenkasse (TK) ist jetzt die Entscheidung gefallen. Das Unternehmen IBM entwickelt zusammen mit der Hamburger Krankenkasse eine zentrale, serverbasierte Patientenakte, deren erste Version den Versicherten im Laufe des Jahres zur Verfügung gestellt werden soll. Alle TK-Versicherten werden auf diese Akte einen satzungsmäßigen Anspruch haben. Sie sollen dafür nicht extra bezahlen müssen. Der Zugang für Versicherte soll einerseits über ein Onlineportal, andererseits über eine App möglich sein. Eine erste Version dieser neuen, zentralen TK-App soll in den nächsten Tagen in den Stores von Google und Apple zum Download bereitstehen. Einen Aktenzugriff gibt es zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht. Vorläufig werden Funktionen im Zusammenhang mit Bonusprogrammen angeboten, und es sollen Rezeptdaten eingespielt werden. Lange Abstimmungsprozesse mit dem Bundesversicherungsamt Die neue TK-Akte unterscheidet sich in einigen Punkten von den so genannten Gesundheitsakten, mit denen kleinere Krankenkassen schon vor einigen Jahren experimentiert hatten. Zum einen wurde die Vergabe der TK-Akte explizit an die Umsetzung so genannter IHE-Profile gekoppelt. Das zielt darauf ab, auf Dauer Schnittstellen zu IT-Systemen kooperierender Leistungserbringer zu ermöglichen. Zum anderen will die Techniker Krankenkasse, anders als Betriebskrankenkassen in der Vergangenheit, konsequent sämtliche ihr zur Verfügung stehenden Daten in die Akte stellen, den Patienten also mit einer Art Basisausstattung von Gesundheitsdaten versorgen. Damit das möglich wurde, gab es lange Abstimmungsprozesse mit der zuständigen Aufsichtsbehörde, dem Bundesversicherungsamt (BVA). Zu den Funktionen, die den Versicherten im ersten Schritt zur Verfügung gestellt werden, äußert sich die Krankenkasse derzeit noch nicht im Detail. Auf Basis von Rezeptdaten soll es wohl eine Art Medikationsmodul geben. Auch einen elektronischen Impfpass könnte die Krankenkasse mit den ihr zur Verfügung stehenden Daten relativ zeitnah umsetzen. Andere Projekte benötigen dagegen die Zusammenarbeit mit Ärzten oder Krankenhäusern. Wie TK-Vorstandsvorsitzender Jens Baas in Berlin mitteilte, wird die Akte nicht bei der Krankenkasse, sondern bei IBM gehostet. Dabei sollen die Daten ausschließlich in Deutschland gespeichert werden. Die Akte soll auch zumindest auf Dauer nicht TK-exklusiv sein. Andere Krankenkassen könnten also in Zukunft ebenfalls die IBM-Akte nutzen. Die Techniker Krankenkasse ist die erste große Krankenkasse, die eine Patientenakte europaweit ausgeschrieben hat. Sie ist aber nicht die erste Krankenkasse, die für eine Patientenakte mit einem großen Konzern kooperiert. Vorn dabei ist auch die AOK Nordost, die sich schon vor einiger Zeit mit Cisco einen Entwicklungspartner geholt hat, der eine regionale IT-Plattform aufbauen soll. Teil dieser Plattform soll auch eine elektronische Patientenakte sein. Welche Aktenphilosophie setzt sich durch? Die folgt allerdings einer etwas anderen Philosophie. Während die Techniker-Akte eine zentrale, rechenzentrumsbasierte Online-Akte ist, setzt die AOK Nordost auf dezentrale Datenhaltung und eine enge Kooperation mit Leistungserbringern, konkret im ersten Schritt mit einem Ärztenetz in Mecklenburg-Vorpommern und mit den beiden Krankenhausketten Sana und Vivantes. Die AOK Nordost kommt also eher von der Ärzteseite her, die Techniker eher von der Versichertenseite. Beide Architekturansätze schließen sich allerdings nicht zwangsläufig aus, sie könnten sich auch ergänzen. Eine interessante Frage in diesem Zusammenhang ist, wie sich die jetzt im Aufbau befindlichen Patientenakten der Krankenkassen zu der ebenfalls im Aufbau befindlichen Telematikinfrastruktur der Selbstverwaltung verhalten. Diese Frage ist letztlich offen. Allerdings gehen die meisten Beobachter davon aus, dass die jetzt anlaufenden Aktenprojekte Standards schaffen, an denen niemand mehr vorbei kommt. Es könnte also im Verlauf der nächsten Jahre deutlicher werden, wie eine Aktenlandschaft in Deutschland aussehen könnte, bei der sowohl die Ärzte als auch die Krankenkassen als auch und vor allem die Patienten zu ihrem Recht kommen. © Medizintechnologie.de
© Copyright 2024 ExpyDoc