freundin (06/2017)

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6/2017
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ie immer bin ich die Erste am
Stammtisch. Also theoretisch.
Denn praktisch finde ich ihn
nicht. Das Eck, in dem wir
sonst sitzen, ist reserviert. Für
jemanden, der „Schwertfisch“ heißt. Oder so.
„Was stehst’n so rum? Hock dich halt hin!“, tönt
es plötzlich von hinten und Kumpel Nummer
eins drängt sich an mir vorbei an den „Schwertfisch“-Tisch. Als er meine Irritation bemerkt,
sagt er: „Da steht’s doch: ,Stammtisch‘!“ und
zeigt auf das Schild. Wie aufs Stichwort erscheint
der Kellner und steckt es ein. War ja klar,
dass heute ein Mann bedient. So eine Sauklaue
kann nicht von Frauenhand stammen.
Ich habe mich ja schon oft gefragt, was da
bei vielen Männern schiefläuft. Zuletzt, als mein
Freund mir ein paar liebe Worte zum Valentinstag schrieb, die aussahen, als hätte sie ein
Viertklässler verfasst. Bye-bye, Romantik. Ich
frage mal bei meinen Kumpels, die inzwischen
vollzählig sind, nach, was da los ist. „Hey, ich
hab ’ne Hammerschrift!“, brüstet sich Nummer
eins. Und ich erinnere ihn, dass es sein handgeschriebener Gutschein zu meinem Geburtstag
war, der für einen äußerst peinlichen Moment
sorgte. Denn während ich mich damals wie eine
Verrückte über ein Wellness-Wochenende freute,
musste er mir beibringen, dass es sich tatsächlich
um einen Gutschein für eine Fahrradreparatur
handelt. Was auch nett ist, aber ich sah mich halt
schon in einem Spa-Pool meine Runden ziehen.
Ob Krakelschrift wohl auf eine miese Feinmotorik zurückzuführen ist? Kann ich mir irgendwie nicht vorstellen. Immerhin killen meine
Kumpels auf der Playstation Zombies mit einer
Präzision, die Neurochirurgen vor Neid erblassen lassen würde. „Ist doch egal, wie’s aussieht.
Der Inhalt zählt“, meint jetzt Nummer zwei.
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=> 6/2017
JOHANNA
ZIMMERMANN
arbeitet als
Textchefin bei
freundin täglich an
der Seite von über
30 Frauen. Nur einmal in der Woche
herrscht bei der
33-Jährigen
Männer-Überschuss: wenn sie
mit ihren Kumpels
Karten spielt und
mit ihnen über
Gott, die Welt und
vor allem Frauen
diskutiert.
Recht hat er. Doch: Es bringt dir auch nichts,
wenn du die netteste, witzigste, klügste Frau
kennenlernst, aber kein Wort verstehst, weil sie
Altgriechisch spricht. Oder?
Vielleicht rührt das schiefe Schriftbild ja daher, dass Männer – wie kann man das nett
formulieren? – grundsätzlich ästhetisch benachteiligt sind. Deswegen dreht mein Freund auch
100-Watt-Birnen in die Schlafzimmerlampe und
stört sich nicht an der OP-Atmosphäre. Aus
dem gleichen Grund trägt Kumpel Nummer eins
viel zu enge Cargo-Shorts im Frühling.
Jetzt mischt sich Nummer drei ein: „Ich habe
das mit dem Schönschreiben versucht. Das Problem ist: Konzentriere ich mich auf die Schwünge, verschreibe ich mich. Konzentriere ich mich
auf den Inhalt, bleibe ich nicht auf der Linie.“
Verstehe, es scheitert also am Multitasking. Er
legt nach: „Es ist sinnlos. Ich kann mir so viel
Mühe geben, wie ich möchte. Das wird nicht
besser.“ Jetzt bekomme ich fast so etwas wie
Mitleid. Denn wenn ich es mir recht überlege,
hatte er nie eine Chance. Schon damals in der
Grundschule rückten wir Mädchen im Schreibunterricht mit 20-teiligen Stabilo-Stifte-Sets und
Linealen an. Unterstrichen bunt und akzentuierten große Schwünge farblich. Dafür gab es dann
einen Fleiß-Stern und viel Lob. Was soll man
da als kleiner Junge mit Mini-Kritzelschrift machen? Ich meine, ich stelle meinen Freund ja auch
nicht mit Dirk Nowitzki auf einen BasketballCourt und sage: „Jetzt spiel mal besser als der!“
Bei so geringen Erfolgschancen ist die Motivation doch gleich null. Ein bisschen, denke ich,
bin ich an der Krakelschrift meiner Freunde
also mitschuldig. Und nehme mir vor, gelassen
zu reagieren, sollte mein Freund mir nächstes
Jahr zum Valentinstag nur eine Whatsapp mit
Emoticons schicken.
PORTÄT-FOTO: BURDA ATELIER
Diesmal: Warum Männer
wie Viertklässler schreiben
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