52 Verbraucher BAUERNBLATT | 18. Februar 2017 ■ Food Assembly in Kiel eröffnet Zwischen Onlineshop und Wochenmarkt Mit der Food Assembly (Lebensmittelvereinigung) hat eine besondere Form des Onlineshoppings in Kiel begonnen. Ausschließlich Lebensmittel von regionalen Betrieben können über diese neue Internetplattform bestellt werden. Anders als bei klassischen Internetbestellungen erfolgt die Lieferung aber nicht per Paketdienst nach Hause. Einmal in der Woche können die Kunden ihre Bestellung in einem zentral gelegenen Café abholen. Dort wird sie von den Erzeugern direkt angeliefert und verteilt. Bisher sind zwölf Erzeuger bei der Food Assembly gelistet, darunter auch Gütezeichenbetriebe der Nordbauern und der KäseStraße. Die Landwirtschaftskammer hatte in ihrer Fachveranstaltung „Direktvermarktung 2.0“ bereits im Juni des vergangenen Jahres das Modell der Food Assembly vorgestellt. Alexander Meyer berichtete auf der Kammerveranstaltung, dass er am 1. Oktober die Assembly in Hamburg eröffnet hat. Auch hier sind verschiedene Erzeuger aus Schleswig-Holstein gelistet, unter anderem die „Ökomelkburen“ mit Produkten von der Meierei Horst. Die Kieler Food Assembly findet jeden Donnerstag von 17 bis 18.30 Uhr im hinteren Raum des Cafés „mmhio“ im Knooper Weg in Kiel statt. In unmittelbarer Nähe der Jeden Donnerstag folgen die Kunden dem Motto der Food Assembly „Gib deinem Bauern die Hand“ und holen ihre Produkte persönlich ab. Fotos: Sandra van Hoorn Muthesius-Kunsthochschule und der Fachhochschule Kiel trafen sich vor allem Besucher zwischen Anfang 20 und Mitte 40, aber auch Ältere fühlten sich von dem innovativen Konzept angesprochen. Allen Besuchern gemeinsam ist, dass sie ihre Einkäufe bereits vorher im Internet erledigt hatten. Doris Schuster mit Sohn (Obstquelle, li.) war eine der ersten Erzeugerinnen, die Veranstalterin Nele Markwardt (r.) für die Kieler Food Assembly gewinnen konnte. Die kurze Anfahrtszeit von Für Teresa Inclan (r.) ist der direkte Kontakt zu Erzeugerin Andrea Prahl (li.) Schwentinental in die Stadtmitte macht den wöein großer Vorteil der Food Assembly. Prahl zählte bereits zur Auftaktver- chentlichen Markt interessant für die Direktveranstaltung mehr als 20 Bestellungen. markterin. Auf der Internetseite w ww.foodassembly. de können sich die Kunden in einem Markt in ihrer Nähe einloggen. Anschließend wird bei den dort gelisteten Erzeugern online bestellt und bezahlt. Lediglich die Abholung erfolgt dann bei der wöchentlichen Veranstaltung. Spontankäufe oder Mengenerhöhungen lässt das System nicht zu. Auf dem wöchentlichen Treffen von Erzeugern und Kunden wird nur das herausgegeben, was vorher schon online gehandelt wurde. Die Mischung aus der 24-Stunden-Verfügbarkeit des Internets und dem direkten Kontakt zum Erzeuger scheint die Anforderungen vieler jüngerer Verbraucher zu erfüllen. Durch die zentrale Lage ist für viele außerdem die Anfahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln oder Verbraucher 53 ■ BAUERNBLATT | 18. Februar 2017 dem Fahrrad gewährleistet. Nicht jeder hat ein Auto. Transparenz: Wissen, wo die Produkte herkommen Veranstalterin Nele Markwardt kennt die Bedürfnisse ihrer Ziel gruppe. „Wir wissen oft nicht mehr, wo unser Essen herkommt. Vielen Kunden geht es beim Es sen aber nicht um die reine Nah rungsaufnahme zum günstigs ten Preis. Sie möchten ihre Erzeu ger kennen und mit ihrer Kaufent scheidung auch nachhaltig wirken – ökologisch, sozial und wirtschaft lich“, so die Studentin der Ökotro phologie. Markwardt spricht da mit vor allem die Verbrauchergrup pe der „Lohas“ an. Der „Lifestyle of H ealth and Sustainability” (Lo has) beschreibt ein Einkaufsverhal ten, welches weniger am Preis, son dern mehr an Aspekten der Nach haltigkeit ausgerichtet ist. Ökologi sche und ethische Korrektheit sind dabei der Zusatznutzen beim Ein kauf. Seit Ende der 1990er Jahre wird diese Zielgruppe beschrieben. Früher noch als „Ökos“ belächelt, ist diese Verbrauchergruppe längst in der Mitte der Gesellschaft ange kommen und wird auch von vielen größeren Unternehmen konkret mit Angeboten bedient. Auf etwa 20 % beläuft sich der Verbraucher anteil der Lohas, die im Allgemei nen über ein höheres Haushalts nettoeinkommen verfügen. Teresa Inclan ist Neukundin des Betriebes „Gutes vom Angler Sat Die Kunden der Food Assembly nutzen die Gelegenheit, sich bei Familie Rehder über die Herstellung des Ziegenkäsesortiments zu informieren und ausgiebig zu probieren. Für Betriebsleiter Janne Olaf Rehder sind außerdem die kurze Verweildauer auf dem Markt und die Verbindlichkeit der Bestellung Vorteile des Modells. telschwein“. Obwohl sie eigentlich wenig Fleisch isst, hat das Angebot von Erzeugerin Andrea Prahl sie an gesprochen: „Für mich ist vor allem die Herkunft wichtig. Dabei setze ich auf regionale Erzeuger und viel Transparenz rund um Haltung und Herstellung“, so Inclan. Und so geht es vielen der Besucher. Das persön liche Gespräch mit den Direktver marktern steht im Vordergrund. Der Bestell- und Kaufvorgang wur de bereits vorher im Internet abge schlossen, so bleibt viel Zeit für Ge spräche und zum Probieren neuer Produkte für die nächste Bestellung. Auf Wachstumskurs Wie für die meisten Besucher steht auch für Nele Markwardt der finanzielle Aspekt nicht im Vor dergrund. Denn die Entlohnung für die Veranstalter der regiona len Märkte ist knapp kalkuliert. Ins gesamt 16,7 % vom Umsatz geben die Beschicker an die Food Assem Wer bei der Food Assembly mitmachen möchte, kann sich unter www.food-assembly.de registrieren. bly ab. Davon geht die eine Hälfte an die übergreifende Organisation, die andere Hälfte bleibt für die re gionalen Marktveranstalter. Das aus Frankreich stammende Vermarktungsprinzip ist auch in Deutschland auf dem Vormarsch. Bereits 30 Assemblys gibt es in der Republik, Tendenz steigend. Eine gute Portion Idealismus gehört dazu, sowohl bei den Erzeugern und Ver anstaltern als auch bei den Kunden. Veranstalterin Markwardt ist sich si cher: „Durch das direkte Gespräch mit dem Erzeuger wird die Wert schätzung für Lebensmittel wieder gesteigert. Und damit wird es auch möglich, einen fairen Preis für die hohe Qualität zu erzielen.“ Das komplette Warenangebot eines Marktes wird nach der kos tenlosen Anmeldung bei dem On lineportal sichtbar. Dort kann man auch direkt mit den Gastgebern der verschiedenen Regionen über das Kontaktformular kommuni zieren. Sowohl die Food Assem bly in Hamburg (Kontakt: Alexan der Meyer, [email protected]) als auch die Neueröffnung in Kiel (Kontakt: Nele Markwardt, hilfe@ foodassembly.de) haben Interes se, weitere Direktvermarkter auf zunehmen. FAZIT Die Food Assembly kombiniert die Einkaufsmöglichkeit rund um die Uhr im Internet mit dem persönlichen Kontakt zu den Erzeugern. Besonders ein jüngeres Publikum mit großem Interesse an Qualität und Her stellung ihrer Lebensmittel ist Zielgruppe dieses Konzepts. Vor allem Direktvermarkter in der Nähe von Food-Assem bly-Märkten können von dieser neuen Vertriebsform profitie ren. Die Vorteile sind die kurze Verweildauer auf dem Markt und die Verbindlichkeit der bereits bezahlten Bestellung. Die Gesamtumsätze sind in der Anfangsphase noch übersicht lich, insgesamt birgt das Kon zept aber Wachstumspoten zial rund um größere Städte mit einem höheren Anteil an sogenannten Lohas, also Ver brauchern, die beim Einkauf großen Wert auf ethische und nachhaltige Aspekte legen. Sandra van Hoorn Landwirtschaftskammer Tel.: 0 43 31-94 53-400 [email protected]
© Copyright 2024 ExpyDoc