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H-Germanistik
CFP: Dorfgeschichten der Sozialistischen Moderne, Konstanz
(31.05.2017)
Discussion published by Marcus Twellmann on Thursday, February 23, 2017
Dorfgeschichten der Sozialistischen Moderne
Arbeitstreffen an der Universität Konstanz, 23. – 25. November 2017
Seit dem frühen 19. Jahrhundert haben die europäischen Literaturen mit großer Neugierde und
Erzähllust das Dorf und die bäuerlichen Lebensordnungen zu ihrem Thema gemacht. Wie der
Sozialliberalismus zeigte auch der Frühsozialismus, obwohl stärker an der entstehenden Schicht des
Industrieproletariats interessiert, großes Interesse an der dörflichen Lebenswelt. In den Kreisen der
russischen Intellgencija wurde das Dorf als ein Modell protosozialistischer Vergemeinschaftung
diskutiert.
Im Rahmen eines Workshops an der Universität Konstanz wollen wir am 23.-25. November 2017 den
Versuch unternehmen, diese bis in die Gegenwart reichende(n) Dorfgeschichte(n)
disziplinenübergreifend zu beleuchten. Dabei werden literarische Erzählungen, ethnographische
Beschreibungen und theoretische Konzeptualisierungen gleichermaßen Berücksichtigung finden.
Aus einer Kooperation zwischen Slawistik und Germanistik entstanden, zielt dieses Vorhaben
insbesondere darauf, die Prozesse der Verflechtung und Translation europäischer kultureller
Erzählungen vom Dorf in den Blick zu nehmen und die Perspektive mit Hilfe anderer literatur- und
sozialwissenschaftlicher Disziplinen zu erweitern. Sinologen, Agrarhistoriker und Sozialismusforscher
wie andere mit diesem Thema Befasste sind herzlich zur Teilnahme eingeladen.
Mögliche Schwerpunkte sind:
1. „Dorfgeschichte“ und „Bauernroman“ in den europäischen Literaturen
Hier sind aktuelle Forschungsansätze der Nationalphilologien angesprochen, die ein Schlaglicht auf
die internationale Verflechtung von Dorferzählungen im 19. Jahrhundert werfen können (z.B. bei
Berthold Auerbach, Jeremias Gotthelf, George Sand, Thomas Hardy, Ivan Turgenev, Alexander
Grigorowitsch).
Ferner sind in diesem Zusammenhang ethnographische und literarische Imaginationen der
russischen Dorfgemeinde (obščina, mir) vor dem Hintergrund der Bauernfrage und der
germanistischen Debatte über die Markgenossenschaft von Interesse. Sowohl die Konzeptualisierung
der obščina (August von Haxthausen, Konstantin Aksakov), ihre Verhandlung in den intellektuellen
Zirkeln im Rahmen volkspädagogischer Projekte (Slawophile, Westler, Volkstümler), die
Kommentierung der russischen Debatten durch Engels und Marx, evolutionistische Spekulationen
über einen russischen „Sonderweg“ (Michail Bakunin, Aleksandr Gercen) sowie komparative
Perspektiven der anglo-amerikanischen Rechtsgeschichte und Anthropologie (Lewis Morgan, Henry
Citation: Marcus Twellmann. CFP: Dorfgeschichten der Sozialistischen Moderne, Konstanz (31.05.2017). H-Germanistik. 02-23-2017.
https://networks.h-net.org/node/79435/discussions/168408/cfp-dorfgeschichten-der-sozialistischen-moderne-konstanz-31052017
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Maine, John Phear) im Zusammenhang der britischen Kolonialgeschichte könnten hierbei
Schwerpunkte bilden.
2. Kollektive Landwirtschaft in der sozialistischen Internationale
Das integrative Versprechen der frühen Sowjetregierung „Fabriken den Arbeitern, Land den
Bauern!“ war zum Teil noch durch die protosozialistischen Modelle der Selbstverwaltung und
Kooperation inspiriert. Bekanntlich schlug die Sowjetunion unter Stalin jedoch den Weg der
Zwangskollektivierung ein. Die Kolchose als Dorfverbund und landwirtschaftlicher Großbetrieb
wurde zum Modell einer verwaltungstechnisch und ökonomisch effizienten Wirtschaftsweise erhoben.
Die Kollektivierungs-Propaganda brachte eine umfangreiche Literatur hervor, die im Zuge des
Exports der sowjetischen Revolution samt Planökonomie und kollektiver Landwirtschaft in
sozialistische Entwicklungsländer transferiert und dort auf unterschiedliche Weise angeeignet wurde.
Im zweiten Panel wird eine komparative Perspektive auf die sozialistische Dorfliteratur angestrebt.
Dabei sollen sowohl der sowjetische Genrekanon als auch seine Translationen und Transformationen
reflektiert werden, die in der sozialistischen Internationale des 20. Jahrhunderts mit Bodenreform
und Kollektivierung einhergingen, so etwa in der DDR (Otto Gotsche, Werner Reinowski), in der
Volksrepublik China (Zhou Libo, Ding Ling) wie auch in der sozialistischen „Dritten Welt“.
3. Postsozialistische Dörfer in der globalisierten Welt
Der Zusammenbruch des Realsozialismus nach 1990 hinterließ im postsowjetischen Raum
„verbrannte Erde“: erschöpfte Versorgungsketten und Gesellschaften, die bis heute kaum in der Lage
sind, sich an die veränderten Bedingungen der Landwirtschaft und Nahrungsmittelproduktion
anzupassen. Die seit dem 19. Jahrhundert andauernde Migrationsbewegung der Landflucht begleitet
den Globalisierungsprozess und hinterlässt verwahrloste Kulturlandschaften. Gleichzeitig greift die
ökologische Bewegung auf ihrer Suche nach alternativen Modellen nachhaltiger Ökonomie
traditionelle Formen selbstverwalteter kommunaler Landwirtschaft auf.
Wie reagiert die kontemporäre Weltliteratur auf die Geschichte der verlassenen Dörfer? Wie wird die
sozialistische Kollektivierung erinnert? Und welche Zukunftsentwürfe lassen sich im Hinblick auf die
Kulturgeschichte des Dorfes erkennen?
Vorschläge (1-2 Seiten) bitte bis 31. Mai 2017 an:
Dr. Konstantin Kaminskij: [email protected]
oder
PD Dr. Marcus Twellmann: [email protected]
Diese Ankündigung wurde von H-GERMANISTIK [Constanze Baum] betreut – [email protected]
Citation: Marcus Twellmann. CFP: Dorfgeschichten der Sozialistischen Moderne, Konstanz (31.05.2017). H-Germanistik. 02-23-2017.
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Citation: Marcus Twellmann. CFP: Dorfgeschichten der Sozialistischen Moderne, Konstanz (31.05.2017). H-Germanistik. 02-23-2017.
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