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Scale ante portas
Die Deutsche Börse möchte den Zugang zu Investoren und Wachstumskapital verbessern, das bestehende
Ökosystem für Unternehmensfinanzierungen ausbauen und eine nachhaltige Unternehmensentwicklung
unterstützen. Das neue KMU-Segment „Scale“ ist im Freiverkehr verankert, börsenreguliert, aber kein
organisierter Markt im Sinne des Wertpapierhandelsgesetzes. Das neue Segment startet am 1. März 2017 und
ersetzt den Entry Standard für Aktien und Unternehmensanleihen. Von Dr. Herbert Harrer
Dr. Herbert Harrer, Linklaters LLP
Die Deutsche Börse hat ausgewählte zielgruppenspezifische qualitative Transparenz- und Leistungskennzahlen
(KPIs) (Key Performance Indicators) festgelegt, von denen die Unternehmen einen Teil erfüllen müssen, um eine
gewisse Unternehmensqualität zu gewährleisten und sich für das Segment zu qualifizieren.
Kernelemente des neuen Segments
Aktien oder Aktien vertretende Zertifikate von Unternehmen müssen als Einbeziehungsvoraussetzungen
mindestens 3 der folgenden 5 KPIs erfüllen: (i) Umsatz (mindestens 10 Mio. EUR), (ii) Jahresüberschuss (positiv),
(iii) bilanzielles Eigenkapital (positiv), (iv) Mitarbeiterzahl des Emittenten (mindestens 20 Personen) und (v)
kumuliertes, eingesammeltes Eigenkapital pre-IPO (mindestens 5 Mio. EUR). Der voraussichtliche Kurswert muss
zum Zeitpunkt der Einbeziehung in den Handel mindestens 30 Mio. EUR, die Unternehmenshistorie zwei Jahre
und der Streubesitz 20% oder 1 Mio. Aktien betragen.
Sofern kein Wertpapierprospekt von Gesetzes wegen zu erstellen ist, ist für die Einbeziehung von Aktien oder
Aktien vertretenden Zertifikaten (nicht jedoch von Anleihen) in das KMU-Segment die Erstellung eines
„Einbeziehungsdokuments“ ausreichend, dessen Mindestinhalte von der Deutschen Börse vorgegeben sind. Das
Einbeziehungsdokument ist vom antragstellenden Capital Market Partner auf Vollständigkeit, Kohärenz und
Verständlichkeit zu prüfen.
Die Einbeziehungsvoraussetzungen für Anleihen von Unternehmen stellen die Erfüllung von mindestens drei der
folgenden sechs KPIs dar: (i) EBIT Interest Coverage (mindestens 1,5), (ii) EBITDA Interest Coverage (mindestens
2,5), (iii) Total Debt/EBITDA (maximal 7,5), (iv) Total Net/DEBT EBITDA (maximal 5), (v) Risk Bearing Capital
(mindestens 0,2) und (vi) Total Debt/Capital (maximal 0,85). Das platzierte Emissionsvolumen muss mindestens 20
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aktuelles und gültiges Rating des Unternehmens oder der Anleihe verlangt.
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Die Einbeziehungsfolgepflichten für Aktien und Anleihen umfassen insbesondere die Übermittlung eines
Jahresabschlusses/Lageberichts innerhalb von sechs Monaten und eines
Halbjahresabschlusses/Zwischenlageberichts innerhalb von vier Monaten sowie die laufende Übermittlung eines
Unternehmenskalenders und eines Unternehmenskurzportraits.
Die gelisteten Unternehmen unterliegen außerdem der EU-MAR und sind somit zur Ad-hoc-Publizität verpflichtet.
Sie müssen Insiderlisten führen und Geschäfte von Führungskräften mitteilen.
Bedeutsam ist, dass bei Emittenten mit Sitz in einem EU-Mitgliedstaat oder EWR-Vertragsstaat die Abschlüsse und
Lageberichte entweder gemäß den nach der Verordnung (EG) Nr. 1606/2002 übernommenen internationalen
Rechnungslegungsstandards (IFRS) oder gemäß dem nationalen Recht des Sitzstaates des Emittenten aufgestellt
werden können.
Capital Market Partner
Das neue Marktsegment unterscheidet sich deutlich vom bisherigen Entry Standard durch eine stärkere
Regulierung in Teilbereichen und die hervorgehobene Rolle des sog. Deutsche Börse Capital Market Partners, die
verpflichtende Erstellung von Research Reports und bei prospektpflichtigen öffentlichen Angeboten die
unterstützende Rolle der Zeichnungsfunktionalität DirectPlace.
Wesentliches Element ist die verpflichtende Zusammenarbeit der Emittenten mit einem sog. Deutsche Börse
Capital Market Partner, der bestimmte Qualitätsanforderungen erfüllen muss und der die Eignung des
Unternehmens für das Segment im Rahmen einer Due-Diligence-Prüfung durchführt und das Unternehmen auch
nach dem Börsengang betreut.
Research Reports
Zu den Zugangs- und Folgepflichten zählen – und auch das ist neu – obligatorische Research-Berichte, die von der
Deutschen Börse als „Grundversorgung“ in Auftrag gegeben werden und die Liquidität sowie die Visibilität
gegenüber Investoren verbessern sollen. Die Reports müssen auf der Internetseite der Deutschen Börse
veröffentlicht werden. Die Research Reports sind verpflichtend vorgesehen, um Investoren eine bessere
Bewertung der Wertpapiere zu ermöglichen. Es wird sowohl ein quantitatives als auch ein qualitatives Research für
alle Unternehmen im KMU-Segment bereitgestellt.
Das qualitative Research ist initial ca. acht bis zehn Seiten lang und enthält insbesondere eine Einschätzung des
Analysten zum Geschäftsmodell und der Wettbewerbspositionierung und wird zwei Mal jährlich aktualisiert. Das
quantitative Research hat einen Umfang von zwei Seiten und wird täglich vollelektronisch erstellt. Die Research
Reports werden keine Anlageempfehlung enthalten und ersetzen kein weiterführendes Research, das von
Emittenten beauftragt werden kann.
Übergangsvorschriften
Der Entry Standard wird mit Ablauf des 28. Februar 2017 eingestellt und alle Unternehmen des Entry Standards
zum 1. März 2017 in das Basic Board einbezogen. Unternehmen im derzeitigen Entry Standard haben im Rahmen
einer sog. „Grandfathering“-Regelung bis zum 24. März 2017 die Möglichkeit, unter vereinfachten
Einbeziehungsvoraussetzungen in das neue Segment einbezogen zu werden.
Fazit
Die Einführung des neuen KMU-Segments ist sehr zu begrüßen. Es orientiert sich bereits jetzt an den MiFID-IIVorgaben für zertifizierte „SME-Growth Markets“, um auch den zukünftigen Anforderungen zur Förderung von
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kleinen und mittleren Unternehmen in der Europäischen Union zu entsprechen. Der Deutschen Börse ist es
gelungen, mit dem neuen Segment den Wünschen von Marktteilnehmern und Politik nachzukommen und dem
KMU-Segment neue Impulse zu geben. Es bleibt mit Spannung abzuwarten, wie dieses Segment von den
Marktteilnehmern angenommen wird und sich in der Praxis bewährt. Die ersten Reaktionen des Marktes und der
Medien sind positiv und es bleibt nur, dem neuen Segment „Scale“ viel Erfolg zu wünschen.
Der Artikel erschien zuerst in der Februar/März-Ausgabe des GoingPublic Magazins.
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