Evidenz basierte Studien in der Chirurgie (PDF Available)

Evidenz basierte Studien in der Chirurgie
Arndt-H.Kiessling
Freiburg, 08.03.2016
Inhalt
1. Curriculum Vitae
2. Evidenz in Studien allgemein/Chirurgie
3. Aktueller Stand der Evidenz in der Herzchirurgie
4. Diskussion der Ergebnisse
5. Zusammenfassung
Arndt-H. Kiessling
1989-1995 Studium Humanmedizin Mainz
1995 Approbation Bezirksärztekammer Neustadt/W
1996 Promotion Universität Heidelberg
2005 Facharzt Herzchirurgie Ludwigshafen
2010 Forschungsleiter Goethe Universität Frankfurt
2000-2015 Prüfarzt (LKP, PI, Sub-Inv AMG,MPG,IIT)
2015 M.Sc. Clinical Research Universität Leipzig
2016 Professur Clinical Research MSB Berlin
Keine Interessenskonflikte
Evidenz basierte Studien in der HERZ- Chirurgie
Arndt-H. Kiessling
Freiburg, 08.03.2016
Einleitung
Evidenzstufen von Studien
http://www.cam-tm.com/Jacomo/upload/bildschirmfoto-2012-04-03-um-02.53.06.png
Randomisierte, placebo kontrollierte, doppelblind Studie
Bild: https://singaporesilverag.files.wordpress.com/2015/12/gold-standard.png
Gilt der Goldstandard auch in der Chirurgie?
http://www.bbaw.de/die-akademie/akademiegeschichte/historischer-kalender/bilderordner/juli/biog-pic-027-sauerbruch-op.jpg
Gilt der Goldstandard auch in der Chirurgie?
Chirurgische Forschung
„Komische Oper mit vielen Fragen, aber nur wenigen Antworten“
Horten R.: Surgical reserach or comic opera: questions, but few answers Lancet 347,984-985 (1996)
Verblindung von chirurgischen Studien
Beispiel 1: Knieoperation
Beispiel 2: Akupunktur
http://polpix.sueddeutsche.com/bild/1.285329.1357883837/640x360/chirurgen-kritik.jpg
http://www.acupunctureworld.de/Akupunktur/Akupunkturnadeln/Streitberger-Placebonadel-Set.html
Ethische Aspekte
„Bei jedem medizinischen Versuch sollten alle Patienten – einschließlich
diejenigen einer eventuell vorhandenen Kontrollgruppe – die beste erprobte
diagnostische und therapeutische Behandlung erhalten. Dies schließt nicht die
Verwendung von reinen Placebos bei Versuchen aus, für die es kein erprobtes
diagnostisches oder therapeutisches Verfahren gibt.“
Die revidierte Fassung der Deklaration, die im Oktober 2008 in Seoul beschlossen
wurde [WMA, 2008], hält den Einsatz von Placebos (Artikel 32) nur dann für
vertretbar, wenn es keine andere wirksame Behandlung gibt. Ausnahmen sind
möglich, wenn zwingende und wissenschaftlich fundierte methodische Gründe
vorliegen, um die Wirksamkeit und/oder Sicherheit einer Intervention zu
bestimmen. Auch dürfen Patienten in der Placebo- oder Kontrollgruppe nicht
dem Risiko einer ernsten oder irreversiblen Schädigung.
Wiesing U, Parsa-Parsi RW: Die erneut revidierte Deklaration von Helsinki, verabschiedet in Seoul 2008. Ethik Med 2009, 21: 45–67.
Chirurgische Forschung
Ursache für die Kritik:
1.
Mangelnde Breite an klinischen Studientypen
2.
Methodische Schwächen
3.
Mangel an randomisierten, kontrollierten Studien
Medline Analyse (1966-1999) der 11 führenden Allgemeinchirugischen Zeitschriften (USA, GB,
Deutschland)
1.
2,8 % Anteil an randomisierten, kontrollierten Studien
Uhl W,Wente MN,Büchler MW (2000) Chirurgisch-klinische Studien in der praktischen Durchführung.
Chirurg 71:615–625
Public Health und Chirurgie
Schätzungen:
234 Millionen große Operationen/Jahr/weltweit
Zirka 7 Millionen Komplikationen/Jahr
Zirka 1 Millionen Todesfälle nach Operation
Aber 70% haben keine Daten zur Häufigkeit von Eingriffen, Ergebnissen
und Komplikation
Weiser TG, Makary MA, Haynes AB, Dziekan G, Berry WR, Gawande AA; Safe Surgery Saves Lives Measurement
and Study Groups. Standardised metrics for global surgical surveillance. Lancet. 2009 Sep 26;374(9695):1113-7.
Klinische Studien in der Chirurgie
oder
oder
Woher kommen die Daten von chirurgischen Studien?
Woher kommen die Daten von chirurgischen Studien?
Qualitätssicherung (z.B. SQG Aqua)
Real-World Data (Register)
Abrechnung (z.B.: Verweildauer)
Krankenkassen
RCT versus Real World Studies (Register)
RCT
Register
Vergleichbarkeit (Kontrollgruppe)
+++
(+)
Randomisierung/Verblindung
+++
-
Monitoring (ICH-GCP)
+++
-
Patienten Population
Selektiert
Keine Einschränkungen
Primärer Fokus
Effizienz, Sicherheit, Qualität
Wirksamkeit
Datenumfang/Patient
+++
+
Datenqualität (Audit)
+++
(+)
Aufwand/Kosten
+++
+
Repräsentativität
+
+++
Nutzennachweis
+++
+
„Tricks“ der Real-Data Studien
Wie kann ich Vergleichbarkeit in Registerdaten herstellen?
Intervention B
Intervention A
Auswertungsstrategien
Intervention B
Intervention A
Auswertungsstrategien Matched Pairs / Propensity matched
Intervention B
Intervention A
Auswertungsstrategien Matched Pairs / Propensity matched
Real-World Daten
Aktuelle Evidenz in der Herzchirurgie
Wie ist denn der aktuelle Stand in Herz- Chirurgie?
Die ACVB (Bypass) Operation ist die
weltweit am häufigsten untersuchte
Operation.
Eagle KA et al ACC/AHA 2004 guideline update for
coronary artery bypass graft surgery: a report of the
American College of Cardiology/American Heart).
Circulation. 2004 Oct 5;110(14):e340-437
Methoden-DGTHG 2015
Diese peer reviewed Abstracts wurden entweder von der Gutachterkommission oder nach
Vorauswahl des Autors eingeteilt:
1. Vorträge (n=244; Vortragszeit 11 Minuten)
2. ePoster (n=96; 8 Minuten) eingeteilt
Supplement S1 des Journals “Thoracic and Cardiovascular Surgeon” 44th Annual Meeting of the
German Society of Thoracic and Cardiovascular Surgery im Thieme Verlag veröffentlicht.
Methoden-DGTHG 2015
Wurden Studien an einem Krankenhaus oder Klinikum durchgeführt, wurde diese als
„monozentrisch“ deklariert.
Dies gilt auch, wenn Autoren aus unterschiedlichen Fachabteilungen, aber innerhalb eines
Hauses (z.B. Kardiologie und Herzchirurgie) beteiligt waren.
Multizentrisch wurde hingegen definiert, als tatsächliche Kooperation verschiedener
Kliniken an unterschiedlichen Standorten.
Identifiziert wurde dies anhand der Angaben bei Autorenschaften.
Methoden-DGTHG 2015
Die Abstracts wurden nach Medizinprodukten-, Arzneimittel-, chirurgische Verfahren und
Diagnostikstudien eingeteilt.
Fallzahlstudien wurden definiert, wenn die Anzahl an Probanden/Patienten kleiner < n= 20
war.
„matched“ und „propensity matched“ Kontrollgruppen wurden nicht als kontrollierte
Studie bewertet, sondern als ein retrospektives Kollektiv ohne Kontrollgruppe eingestuft.
Der Follow up Zeitraum wurde in Monaten berechnet. Intrahospitale Nachuntersuchungen
wurden mit „null“ Monaten in die Berechnung mit einbezogen.
Eingereichte, aber durch die Gutachter der DGHTG abgelehnte Abstracts sind nicht
Gegenstand dieser Auswertung.
Diskussion
Diskussion
Warum keine Progredienz der Evidenz?
Komplexität einer Operation
Multicenter
Finanzielle Interessen
MPG-Lernkurve
…
….
…..
…….
Diskussion
Komplexität
Diskussion Beispiel Herz-Lungen Maschine
Kardiotechnik
Multifaktoriell
https://www.klinikum.uni-heidelberg.de/fileadmin/Chirurgie/kinderherzchirurgie/bilder/bildergalerieHLM//lo_HLM_OP-mit-HLM_DSC_7923a.jpg
Diskussion Komplexität
Diskussion Multicenter Design
79 Herzchirurgien
~2/5 privatisiert
~ 2/5 Universität
~ 1/5 gGmbH
Diskussion TAVI
Diskussion TAVI
„Die Kliniksterblichkeit nach TAVR ist deutlich von 13,2 auf 5,4 Prozent
gesunken, was Reinöhl zum einen auf die größeren Erfahrungen der
Kardiologen („Lernkurve“) zurückführt. Eine bessere Auswahl der
Patienten und ein technischer Fortschritt bei den Klappenprothesen
könnten jedoch ebenfalls eine Rolle gespielt haben. Die
Kliniksterblichkeit nach TAVR war mit 6,5 Prozent (über den gesamten
Zeitraum) höher als nach einer Operation, wo nur 2,8 Prozent in der
Klinik starben. Auch in der Herzchirurgie kam es zu einem Rückgang der
Kliniksterblichkeit von 3,8 auf 2,2 Prozent.“
http://www.aerzteblatt.de/fachgebiete/kardiologie/studien?nid=65179&aid=
Assist device
„Ein neues Rekordtief hat zum Bedauern der herzchirurgischen Fachgesellschaft die Zahl der
Herztransplantationen erreicht. So konnten 2015 nur noch 283 Herztransplantationen
durchgeführt werden, nachdem im vorvergangenen Jahr nur 294 Herz-Transplantationen
zu verzeichnen waren. Gegenüber dem Jahr 1998, in dem der vorläufige Höchststand mit
526 Herztransplantationen erreicht worden war, ist dies ein Rückgang um mehr 40 Prozent.
Ein wesentlicher Grund für diese Entwicklung ist die zurückgehende Bereitschaft der
Bevölkerung zur Organspende.
Um die Patienten am Leben zu halten bis ein geeignetes Spenderorgan zur Verfügung steht,
aber aufgrund der fehlenden Spenderherzen immer häufiger auch als permanente
Therapie, wird von den Herzchirurgen zunehmend auf Herzunterstützungssysteme
zurückgegriffen: Die Zahl der implantierten Herzunterstützungssysteme ist deutlich von
350 im Jahr 2005 auf 989 im vergangenen Jahr angestiegen, wobei die Systeme, die
entweder die linke oder die rechte Herzkammer unterstützen, bei mehr als 90% der
Patienten zum Einsatz kommen.“
https://www.medizintechnologie.de/aktuelles/nachrichten/2015-4/neue-regeln-fuer-kongressfinanzierung/
Zusammenfassung
Zusammenfassung
Der Anteil am Goldstandard RCT ist in der Herzchirurgie weiterhin nur bei 2-3%
Evidenz basierte Forschung wird gefördert
Es scheint aufgrund der Komplexität unmöglich, herzchirurgische Operationen für Studien
zu standardisieren. (Beispiel Perfusionstechniken)
Real Data sollte für Studien besser verfügbar sein (z.B. Krankenkassen)
Netzwerke fördern und unterstützen (z.B: Chir-Net, KKS)
Ihre Ansprechpartner
Prof.Dr.Arndt-H. Kiessling, MSc
030.76683753-33
arndt-h.kiessling @medicalschool-berlin.de