Verhandlungen geraten ins Stocken

POLITIK
ARZNEIMITTELGESETZ
Verhandlungen geraten ins Stocken
Eigentlich schien schon alles geklärt: Im Oktober 2016 einigte sich das Bundeskabinett
auf die Inhalte des neuen Arzneimittelgesetzes. Mit dem beginnenden Wahlkampf stellt
die SPD nun jedoch neue Forderungen.
SPD folgt der Ärzteschaft
Streit gibt es insbesondere um Regelungen, die die frühe Nutzenbewertung nach Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz (AMNOG) betreffen. Gemäß AMNOG bewertet
der Gemeinsame Bundesausschuss
(G-BA) zunächst den Zusatznutzen
eines neues Medikaments. Zwölf
Monate nach dessen Markteintritt
greift dann der Preis, den der GKVSpitzenverband mit dem Hersteller
ausgehandelt hat. Bis dahin gilt der
vom Hersteller frei gewählte Preis.
Mit dem AMVSG soll nun eine
Umsatzschwelle eingeführt werden.
Demnach soll der vom Hersteller
gewählte Preis nur gelten, solange
die Krankenkassen weniger als 250
Millionen Euro für das Medikament
ausgegeben haben. Wird dieser
Schwellenwert zum Beispiel im
sechsten Monat nach Markteintritt
überschritten, gilt rückwirkend ab
dem siebten Monat der ausgehandelte Preis. Der SPD geht diese Regelung inzwischen allerdings nicht
mehr weit genug. Sie fordert, dass
der ausgehandelte Preis rückwirkend ab dem Tag des Markteintritts
gilt – und schließt sich damit langjährigen Forderungen von Ärzteschaft und Krankenkassen an.
Eine langjährige Forderung der
Pharmaindustrie ist die Geheimhaltung der Erstattungsbeträge. Sie ist
eines der Kernelemente des sogenannten Pharmadialogs, bei dem
sich im Laufe der aktuellen Legislaturperiode unter anderem Vertreter
des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) mit Vertretern der
Pharmaindustrie über die Arzneimittelpolitik und den Pharmastandort Deutschland ausgetauscht haben. Im Anschluss machte sich das
BMG die Argumentation der Industrie zu eigen, die öffentliche Listung der deutschen Medikamentenpreise führe zu niedrigen Preisen in
anderen Ländern. Könnten diese
durch eine Geheimhaltung der deutschen Preise verhindert werden,
könne die Industrie in Deutschland
höhere Rabatte gewähren. Die SPD
hingegen ist der Ansicht, dass eine
Geheimhaltung der Preise nicht zu
höheren Einsparungen, wohl aber
Deutsches Ärzteblatt | Jg. 114 | Heft 8 | 24. Februar 2017
zu einer größeren Intransparenz
führe. Auch in diesem Punkt stimmt
sie mit der Ärzteschaft überein.
Keine Einigung in Sicht
Eine Einigung in diesen drei Punkten sei bislang nicht abzusehen,
sagte der CDU-Arzneimittelexperte
Michael Hennrich dem Deutschen
Ärzteblatt. Er geht jedoch davon
aus, dass das AMVSG trotzdem
noch in dieser Legislaturperiode
verabschiedet wird. Denn Ende
2017 läuft das sogenannte Preismoratorium aus, das ein Ansteigen der
Arzneimittelpreise unterbindet. Es
soll im AMVSG verlängert werden.
Würde es nicht verlängert, rechnet
die Regierung mit Mehrausgaben
von 1,5 bis 2 Milliarden Euro pro
Jahr. Denkbar ist vor diesem Hintergrund, dass eine Einigung nicht
von den Fachpolitikern, sondern
von der Parteispitze der Koalitionsparteien herbeigeführt wird.
Zumindest bei den Regelungen
des AMVSG, die direkt die Ärzteschaft betreffen, gibt es keinen
Dissens. Der G-BA soll seine Beschlüsse über den Zusatznutzen
neuer Arzneimittel künftig so aufbereiten, dass sie in der Praxissoftware abgebildet werden können.
Zwar steht noch nicht fest, welche
Informationen genau aufgenommen
werden. Doch das ist nicht das Problem von Union und SPD. Dieses
Problem muss das BMG zu einem
späteren Zeitpunkt in einer Rechts▄
verordnung lösen.
Falk Osterloh
A 345
Foto: iStockphoto
uf der Basis des Koalitionsvertrags einigten sich CDU/
CSU und SPD in dieser Legislaturperiode weitgehend geräuschlos auf
zahlreiche Gesetze. Je näher allerdings die Bundestagswahl rückt,
desto stärker versuchen die Koalitionspartner, ihr Profil zu schärfen.
Und umso lauter streiten sie sich
derzeit um Inhalte, die eigentlich
schon konsentiert waren. So geschieht es zum Beispiel beim Arzneimittelversorgungsstärkungsgesetz
(AMVSG). Im Oktober des vergangenen Jahres hatte sich das Bundeskabinett auf einen Entwurf geeinigt, der im November in erster Lesung im Bundestag beraten worden
war. Seither ist es still geworden
um das Gesetz. Die ursprünglich
für den 16. Februar angesetzte Verabschiedung im Bundestag wurde
verschoben.
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