Umwelt 51 ■ BAUERNBLATT | 18. Februar 2017 Artenvielfalt in der Agrarlandschaft fördern, Teil 15 Wildblumensaatgut aus Schleswig-Holstein Seit über zehn Jahre baut Gisela Twenhöven in Bohmstedt in Nordfriesland Wildpflanzen auf einer Fläche von fast 2 ha an. Wildpflanzen auf einem Acker zu kultivieren ist nicht nur ungewöhnlich, sondern auch anspruchsvoll. Das beginnt beim Ausgangssaatgut, das es nicht im Landhandel zu kaufen gibt. Es muss zum richtigen Zeitpunkt an Wildstandorten in der Region gesammelt werden. Dazu ist eine Genehmigung der Naturschutzbehörde not- Wildblumenanbau in Nordfriesland, im Vordergrund Labkraut, Heidenelke und Malven wendig. Aus wenigen Gramm der meist winzigen Samenkörner zieht Gisela Twenhöven unzählige Jungpflanzen an, die bis zur Ernte gehegt und gepflegt werden. Das gewonnene Saatgut wird in Mischungen eingesetzt, mit denen dann in Norddeutschland erneut Blühflächen angelegt werden. Der Verband deutscher Wildsamen- und Wildblumenproduzenten zertifiziert sogenanntes „Regiosaatgut“. Das besondere Merkmal ist die regionale Herkunft und die Vermehrung. Außerdem wird streng darauf geachtet, dass die genetische Vielfalt der Arten erhalten bleibt. Spätestens nach fünf Nachbaugenerationen muss Gisela Twenhöven neues Ausgangssaatgut aus der Natur sammeln. Im Bundesnaturschutzgesetz ist die Verwendung regionalen Wildpflanzensaatguts im Außenbereich bereits bei zum Beispiel Ausgleichsmaßnahmen und Knickanlage empfohlen. Ab dem Jahr 2020 wird diese Vorschrift rechtsverbindlich. Die Land- und Forstwirtschaft ist grundsätzlich davon ausgenommen, heimisches Saatgut zu verwenden. Es bleibt also wenig Zeit, um bis dahin weitere Anbau flächen anzulegen. Deshalb arbeitet Gisela Twenhöven mit zwei weiteren Landwirten zusammen, die sie mit Ausgangssaatgut versorgt: In Jerrishoe bei Tarp und in Wenzendorf bei Hamburg werden auf diesen Betrieben Wildblumen und Wildgräser inzwischen auf einer Fläche von über 50 ha angebaut. Die Sonderkulturen lassen sich gut Die Autorin mit Wegwartenblüten Fotos: Twenhöven Pflanzen sind dabei die Grundlage eines verzweigten Nahrungsnetzes. Unsere heimischen Tierarten haben sich über lange Zeiträume an die heimische Flora angepasst. Blütenreiche Flächen verschwinden jedoch immer mehr aus der Landschaft, aus den Dörfern und den Gärten. Es ist höchste Zeit für eine Wende. Nicht nur Naturschützer, sondern auch WisGroße Vielfalt an Die seltene „Gemeine K üchenschelle“ senschaftler und Imker schlagen Wildblumen wird für ein Artenschutzprojekt an- Alarm angesichts des dramatischen Ansaatmischungen aus Wildar- gebaut. Rückgangs der Insekten. ten enthalten je nach Standort 30 bis 40 verschiedene Wildblumen fristig stabile und artenreiche Beund bis zu zehn verschiedene Wild- stände. Zurzeit werden im Betrieb gräser. Wenn ausschließlich Wild- Twenhöven über fünfzig Arten kulMit Wildblumensaatgut köngräser verwendet werden, entste- tiviert. Jedes Jahr kommen einige nen zum Beispiel Straßenböhen bei richtiger Nutzung lang- hinzu, und andere gehen in die schungen oder Ausgleichsflägroßflächige Weitervermehrung. chen wieder zu Blumenwiesen Ziel ist es nicht, besonders selwerden. tene Arten anzubauen, sondern Das Land Schleswig-Holstein Pflanzen, die bis vor wenigen Jahbietet in seinem Vertragsnaren noch an jedem Feldweg zu finturschutzprogramm „Ackerden waren: Margeriten, verschielebensräume“ nach Abspradene Kleearten oder Lichtnelken. che mit dem Landesamt für Seltene Arten werden nur im AufLandwirtschaft, Umwelt und trag für spezielle Artenschutzproländliche Räume die Verwenjekte angebaut, so zum Beispiel die dung von „Regiosaatgut“ zur Gemeine Küchenschelle, die von Anlage von Blühstreifen mit der Stiftung Naturschutz SchlesWildarten an. Attraktive Wildwig-Holstein auf geeigneten Fläblumen bereichern zudem jechen wieder angesiedelt werden den Privatgarten und locken soll. Bienen und Schmetterlinge an gemäß dem Motto: „Jeder Quadratmeter Blühfläche Artenreicher Flora folgt zählt für die Natur.“ mit dem Anbau von Kartoffeln auf dem einen Betrieb und im anderen Fall mit der Produktion von Rollrasen kombinieren. Die Vermarktung der Saatgut ernte läuft über den auf Wildpflanzen spezialisierten Großhändler Rieger-Hofmann. Er sucht in ganz Deutschland weitere Anbauer. FAZIT artenreiche Fauna Artenreiche Wildblumenflächen Margeritenernte mit einem umgebauten Mählader für die Wildpflan- bieten einer großen Vielfalt von Tieren Nahrung und Schutz. Die zensaatguterzeugung Gisela Twenhöven Bohmstedt
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