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Ägypten verschiebt acht Kraftwerksprojekte 24.02.2017
Ausbautempo kann wegen neuer Kapazitäten gebremst werden / Modernisierung statt
Neubau soll Geld sparen / Von Oliver Idem
Kairo (GTAI) - Aufgrund der besseren Stromversorgung kann sich die ägyptische Regierung leisten, acht mittel­
große Kraftwerksprojekte zu verschieben. Diese sollen statt ab 2017 nun erst ab 2022 umgesetzt werden. Das
Energieministerium setzt auf die Optimierung bestehender Kraftwerke, Ausschreibungen statt individueller Ver­
einbarungen und eine regelmäßige Wartung von Erzeugungsanlagen. Durch die Erschließung von Erdgasfeldern
will das Land ab 2019 seine Gaskraftwerke komplett aus eigenen Vorkommen versorgen.
Laut einem ägyptischen Regierungsbeschluss von Dezember 2016 werden zahlreiche Kraftwerksprojekte in den
nächsten Fünfjahresplan verschoben. Die im Zeitraum 2017 bis 2022 vorgesehenen Vorhaben sollen in der Folge­
periode bis 2027 umgesetzt werden. Auf der Liste stehen die Kraftwerke Dairut, Damanhour, El-Hamrawein, ElMahmoudeya, Ataqa und Qena. Ihre Realisierung hätte insgesamt etwa 15 Mrd. US$ gekostet.
Das Energieministerium stellt auch Absichtserklärungen mit arabischen Partnern zurück, die auf individueller
Basis ausgehandelt wurden. Laut Presseberichten sollen stattdessen künftig Ausschreibungsmodelle favorisiert
werden. Weitere Pläne des Energieministeriums konzentrieren sich auf eine stärkere Modernisierung von Kraft­
werken. Der Brennstoffverbrauch soll gesenkt und die Effizienz gesteigert werden. Diese Investitionen können
angesichts der angespannten Haushaltslage leichter umgesetzt werden als die Errichtung neuer Kraftwerke. Der
Abbau der Stromsubventionen erscheint nur gestreckt über mehrere Jahre politisch durchsetzbar und wird folg­
lich nur langsam seinen Beitrag zur Finanzierung der Energieversorgung entfalten.
Selbstversorgung mit wichtigsten Brennstoff Erdgas in Reichweite
Die Abwertung des ägyptischen Pfundes hat die Kosten der Energieversorgung in die Höhe getrieben, zum Bei­
spiel hinsichtlich notwendiger Technikimporte und der Brennstoffversorgung. Mittelfristig zeichnet sich bei den
zu 90% mit Erdgas betriebenen ägyptischen Kraftwerken in diesem Punkt eine deutliche Entspannung ab. Die
Förderung umfangreicher neuer Erdgasvorkommen im Zohr-Feld sowie im Westnildelta ermöglichen es dem
Land, bis 2019 vom Nettoimporteur zum Nettoexporteur zu werden. Diese Entwicklung wird die Devisenreser­
ven deutlich entlasten und die Versorgung der inländischen Kraftwerke stabilisieren. Im Januar 2017 fragte das
Elektrizitätsministerium beim Kabinett wegen höherer Zuweisungen an. Der steigende Preis des US-Dollars und
von Kraftstoffen, die Mehrwertsteuer und das Niveau der Kreditzinsen setzen dem Ministerium zu. Das Budget
wurde festgelegt, als der Dollar noch bei knapp 9 statt derzeit knapp 16 ägyptischen Pfund (ägypt£) stand.
Stromversorgung kann auch mittelfristig gewährleistet werden
Die Stromversorgung in Ägypten verbessert sich weiter. Durch den laufenden Zubau neuer Kapazitäten ist so­
gar ein deutlicher Überschuss entstanden. Im Februar 2017 erzeugten 155 Anlagen zusammen 32.300 MW Strom.
Übereinstimmenden Angaben aus den vergangenen Monaten zufolge besteht derzeit eine Produktionsreserve
von 3.000 MW.
Die derzeit von Siemens gebauten Großkraftwerke in Beni Suef, Burullus und nahe der geplanten neuen Haupt­
stadt werden künftig noch mehr Strom liefern. Insgesamt stocken diese 14.400 MW die ägyptische Strompro­
duktion nahezu um die Hälfte auf. Allein im März 2017 gehen 4.800 MW an den drei Standorten ans Netz. Der
größte Einzelauftrag der Siemens-Unternehmensgeschichte wurde durch KfW, HSBC und die Deutsche Bank mit
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4,1 Mrd. $ abgesichert. Hinzu kommen 1,9 Mrd. $ in ägyptischen Pfund von mehreren arabischen Banken, die der
Bezahlung lokaler Partner wie El Sewedy und Orascom Construction dienen sollen. Das ägyptische Kabinett trug
zur Absicherung des Projekts durch Mittel für die Egyptian Electricity Holding Company bei, damit diese die
Kreditraten begleichen kann. Hinzu kommt die Bereitstellung von 22 Mio. cbm Erdgas täglich für jedes der drei
Großkraftwerke.
Frühe Wartung sichert Abfedern von Nachfragespitzen im Sommer
Allein für den Betrieb und die Wartung bestehender Kraftwerke sind 2017 rund 580 Mio. Euro veranschlagt. Bis
Mitte Februar 2017 wurden bereits 27.000 MW der Erzeugungsbasis technisch überprüft. Das sichert die Ener­
gieversorgung für die Nachfragespitzen im Sommer ab, wenn Millionen Klimaanlagen gleichzeitig betrieben
werden. Unter anderem führten Siemens und General Electric die Arbeiten an den Kraftwerken durch. Inklusive
des Netzausbaus kalkuliert das Energieministerium in den kommenden drei Jahren mit Investitionen von insge­
samt 1,8 Mrd. Euro.
Die Energiesituation in Ägypten glich in den vergangenen Jahren einer Achterbahnfahrt mit dem Tiefpunkt im
Sommer 2014. Der Sommer brachte häufige Abschaltungen und Ausfälle in der Stromversorgung mit sich und
sorgte für großen Unmut. Die Milliardeninvestitionen in neue Kraftwerke und die Stromnetze beginnen sich
auszuzahlen, und auch die Einspeisetarife für Wind- und Solarenergie füllen die Projektpipeline. Mittlerweile
besteht der genannte Überschuss von 3.000 MW pro Tag, während der Bedarf von Bevölkerung und Wirtschaft
weiterhin um 6 bis 7% jährlich zunimmt. Das verdeutlicht die Notwendigkeit einer langfristigen und integrierten
Planung.
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Ausgewählte Energieprojekte in Ägypten im Frühstadium (Investitionssummen in Mio. US$; Kapazitäten in MW)
Projekt, Standort
Kohlekraftwerk, Kairo
Investitionss­
Kapazit­
umme
ät
10.000
6.000
Projektstand
Projektträger
Studienphase
Egyptian Electricity Hol­
ding Company
Kohlekraftwerk, Standort
8.000
6.510
Angebotsauswertung
noch offen
Ausbauprogramm erneuer­
ding Company
7.500
-
bare Energien, Phase 2
Kohlekraftwerk, Kairo
Egyptian Electricity Hol­
6.000
4.000
Studienphase Einspeisetarif,
New & Renewable Ener­
Modell Build Operate Transfer
gy Authority
Angebotsauswertung
Egyptian Electricity Hol­
ding Company
Fotovoltaikanlage, Assiut
Windkraftanlage, Standort
3.500
3.000
3.000
2.000
noch offen
Studienphase, Modell Build
Egyptian Electricity
Own Operate
Transmission Company
Angebotsauswertung, Modell
New & Renewable Ener­
Engineering Procurement
gy Authority
Construction
Stromautobahn Euro Afri­
2.500
-
Studienphase
ca Power Connection
Anlagen zur Umwandlung
ding Company
2.000
-
von Feststoffabfällen in
Studienphase, Modell Build
Ministry of Housing, Uti­
Operate Transfer
lities and Urban Deve­
Energie
Fotovoltaikanlage, Stand­
Egyptian Electricity Hol­
lopment
1.000
1.000
Studienphase
TBEA Sunoasis
630
150
Studienphase, Projekt im Rah­
Scatec
(3x50)
men des Einspeisetarifs
ort noch offen
Fotovoltaikanlage, Benban
Quellen: MEED Projects (Stand: Februar 2016), Pressemeldungen
Offen ist noch, ob das mit dem russischen Partner Rosatom an der ägyptischen Nordküste geplante Kernkraft­
werk wie vorgesehen gebaut wird. Der Strombedarf scheint sich anderweitig decken zu lassen und die Kosten
wären im Vergleich zu anderen Energiegewinnungsformen ausgesprochen hoch. Andererseits steht ein starker
politischer Wille hinter dem Vorhaben. Das Langzeitprojekt einer Stromverbindung mit Saudi-Arabien kommt
nach Verzögerungen voran. Es soll den Austausch von Strom zwischen beiden Ländern erleichtern, da sich die
Lastspitzen zeitlich unterscheiden. Eine neue Idee ist der Stromaustausch zwischen Europa und Afrika, deren
Planung derzeit anläuft.
(O.I.)
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