SONDERAUSGABE 2017 JANUAR/FEBRUAR 2017 Perspektiven US-Aktienboom dank Trump Donald Trumps Pläne für ein grosses Konjunkturpaket sowie Steuer- und Regulierungsreformen stimmen USKonzernlenker optimistisch — Seiten 4–7 Reflation hilft Europas Banken Der Sektor hatte es 2016 schwer und ringt noch immer mit Problemen, doch 2017 könnte manches einfacher werden — Seiten 7–8 Aktien: günstige Bedingungen für Value-Strategien Robuste Gewinndynamik und Inflationserwartungen stützen Value-Aktien — Seiten 9–10 Wie hoch steigen die Anleiherenditen im Euroraum? Nicht nur höhere US-Zinsen, sondern auch Hinweise auf ein Tapering der EZB dürften Anleiheinvestoren beschäftigen — Seiten 10–11 Alternative Anlagen am Wendepunkt Berichte über das Ende der Hedgefondsbranche sind stark übertrieben, und bei Private Equity winken Chancen — Seiten 16-19 Was könnte schief gehen? Wenn die Dinge in Europa und China aus dem Ruder laufen — Seiten 19–22 2017, das Jahr der Reflation Ein leichter Anstieg der Inflationserwartungen und verbesserte Wachstumsaussichten für die Unternehmensgewinne sowie ein Übergang von monetären zu fiskalischen Anreizen dürften 2017 wichtige Anlagethemen werden. Kurz: Die Reflation steht vor der Tür. Doch auch das Brexit-Votum und die TrumpRegierung darf kein Ausblick für Weltwirtschaft und Finanzmärkte ausser Acht lassen. EDITORIAL ANLEGEN IN EINEM REFLATIONÄREN UMFELD B ei weiterhin solidem Wirtschaftswachstum und Erzeugerpreisauftrieb sieht unser Hauptszenario für 2017 eine Rückkehr der Inflation vor. Wir sehen drei weitere wichtige Makro-Themen: einen Übergang von monetären zu fiskalischen Anreizen, vor allem in den USA, die Rückkehr des Wachstums bei Unternehmensgewinnen nach vier enttäuschenden Jahren und die weiterhin hohe politische Unsicherheit, besonders die Politik der neuen Trump-Regierung. Auch bei hohem politischen Risiko gehen wir nicht davon aus, dass Establishment- und EU-feindliche Parteien in irgendeinem europäischen Land in die Regierung gewählt werden. Anleger sollten folgende Einschätzungen bedenken: Reflation kommt Aktien zugute. Ein höheres nominales BIP-Wachstum dürfte ein stärkeres Wachstum der Unternehmensgewinne unterstützen. Damit sollten Aktien gegenüber Anleihen im Vorteil sein. Der Dollar wird wohl wieder steigen. Wir erwarten, dass die Fed die Zinsen 2017 zweimal erhöhen wird, jeweils um 25 Bp. Da Europa und Japan weiter lockern und der Yuan samt Schwellenländerwährungen nachgeben, dürfte der US-Dollar die beste Performance erzielen. CÉSAR PÉREZ RUIZ Chief Investment Officer Pictet Wealth Management Outperformance für Value-Aktien. Der reflationäre Handel nach dem grossen Führungswechsel an den Aktienmärkten seit Juli dürfte zu einer weiteren Outperformance von Value-Titeln und Zyklikern führen. Staatsanleihen dürften leiden. Steigende Langfristzinsen dürften der Staatsanleihen-Hausse nach 35 Jahren ein Ende bereiten. Wir rechnen 2017 sogar mit negativen nominalen Gesamtrenditen auf wichtigen Staatsanleihen. Firmenanleihen werden indes von steigenden Gewinnen profitieren. Wir bevorzugen Unternehmensanleihen mit kurzer Laufzeit und Hochzinsanleihen. Vorsicht bei Schwellenländern. Grundsätzlich setzen wir bevorzugt über Industrieländer auf Schwellenländer, denn die Abkühlung in China, steigende US-Zinsen und Trumps Protektionismus sind für Schwellenländer ein Risiko. Allerdings könnten Aktien und Lokalwährungsanleihen aus Schwellenländern auch taktische Chancen eröffnen. Gute Aussichten für aktive Manager. Ein allmählicher Anstieg der Anleiherenditen dürfte das Umfeld für aktive Manager nach deren schwierigem Jahr 2016 sowie für alternative Anlagen verbessern. Volatilitätsspitzen bleiben bestehen. Schliesslich führt die politische Unsicherheit wohl weiter regelmässig zu Volatilitätsspitzen. In diesem Umfeld werden wir mit taktischen Trades versuchen, die Renditen zu steigern. Auch alternative makroökonomische Szenarien verfolgen wir, so ein positiveres mit mehr Gewicht auf erwarteten angebotsseitigen Impulsen in den USA, in dem sich die US-Gewinnerwartungen weiter verbessern könnten. Dies würde die Aktienkurse befeuern und die Spreads auf Unternehmensanleihen verringern, während die langsam steigende Inflation durch moderate Zinsanhebungen gedämpft wird. In einem anderen Szenario könnte der Trump-Impuls eine Wirtschaft mit FastVollbeschäftigung überfordern und schnell zu viel höherer Inflation führen. Dies zwingt die Fed zu schnelleren Zinsanhebungen, die dann den Anleihemarkt überschatten. Zugleich wertet der Dollar so stark auf, dass die Hochzinsanleihen einiger Firmen und Schwellenländer-Staatsanleihen echte Sorgen bereiten können. Wir wünschen Ihnen für 2017 viel Erfolg bei Ihren Anlagen. 2 3 MAKRO-EINSCHÄTZUNG Innovationsschock bedeutet nicht unbedingt mehr Wachstum CHRISTOPHE DONAY Chefstratege Leiter Asset-Allokation und Makro-Research Pictet Wealth Management D ieses Jahr könnte es zu grossen Veränderungen in der Anlagelandschaft kommen. Das besagt unser von Cesar Perez entworfenes Hauptszenario, das im „Thema des Monats“ der Dezemberausgabe von Perspektiven dargelegt wurde. Aber wir dürfen auch die längerfristigen Trends nicht aus den Augen verlieren, die durch konstante wirtschaftliche und politische Verschiebungen gekennzeichnet sind – und, wie wir meinen, durch einen Innovationsschock, der sich gerade erst bemerkbar macht. Dieser Schock wird sich auf zahlreiche Bereiche auswirken: Transport, Biowissenschaften, Finanztechnologie, Energie, Logistik und das verarbeitende Gewerbe. Die wirklich umwälzenden Auswirkungen dieses Schocks stehen uns jedoch noch bevor. Bis jetzt, mehr als acht Jahre nach dem Zusammenbruch von Lehman Brothers, schlägt sich das schwache Produktivitätswachstum nach wie vor in schleppendem Wirtschaftswachstum nieder. Und das, obwohl die Unternehmensgewinne in Prozent des BIP gestiegen sind. Es gibt viele Erklärungsversuche für diese Situation, darunter die anhaltenden Folgen der Finanzkrise und der Disinflation, die sich an dem niedrigen bzw. nicht vorhandenen Lohnwachstum ablesen lassen. Die Automatisierung trägt zweifellos zu einem Abwärtsdruck auf Löhne bei. Dieser führt zu der Entwurzelung breiter Bevölkerungsteile und steigender Ungleichheit. Der Einschätzung, dass sich die kapitalistischen Ein potenziell gutes Jahr für riskante Anlagen kann die langfristigen Veränderungen in der Weltwirtschaft nicht verbergen. PRODUKTIVITÄTSZUWACHS IM US-NICHTLANDWIRTSCHAFTSSEKTOR, 1955 – 2016 3.5 % Durchschnitt 1973-1995: 1,4% pro Jahr 3.0 2.5 2.0 Durchschnitt 1995-2005: 3,0% pro Jahr Durchschnitt 1950-1973: 2,6% pro Jahr 1.5 1.0 Durchschnitt 2005-2016: 1,2% pro Jahr 0.5 0.0 1956 1961 1966 1971 1976 1981 1986 1991 1996 *Jährliche Wachstumsrate bei der Produktion pro gearbeiteter Stunde (gleitender 5-Jahres-Durchschnitt) Gesellschaften einer Art dauerhafter Stagnation gegenübersehen, stimmen wir jedoch nicht zu. In der Vergangenheit stellte sich Produktivitätsschwäche oft als vorübergehend heraus und legte sich dann ganz unvorhergesehen wieder. In den USA stieg das Produktivitätswachstum Ende der 1990er Jahre dank der Entstehung des Internets und neuer Kommunikationstechnologien. Und einige Beobachter glauben, dass die derzeitigen Standard-Messverfahren für Produktivität die Realität nicht mehr richtig abbilden. Im Laufe der Geschichte stieg die Produktivität tendenziell dann, wenn die Wirkung der Innovationsschocks sich ausbreitete. Und wenn die Produktivität stieg, dann stiegen auch die Reallöhne. Diesbezüglich ist 2001 2006 2011 2016 Quelle: Bureau for Labor Statistics, Pictet WM – AA&MR 2,9% Anstieg des US-Stundenlohns gegenüber Vorjahr PERSPEKTIVEN SONDERAUSGABE JANUAR/FEBRUAR 2017 beachtenswert, dass die Stundenlöhne in den USA im Dezember ggü. Vorjahr um 2,9% zulegten, und damit so stark wie schon seit 2009 nicht mehr. „Acht Jahre nach dem Zusammenbruch von Lehman Brothers schlägt sich das schwache Produktivitätswachstum nach wie vor in schleppendem Wirtschaftswachstum nieder.“ Solange diese Lohnzugewinne mit steigender Produktivität einhergehen, könnte ein stärkeres Lohnwachstum zu einem Boom bei Investitionen in Innovation führen. In einer sich positiv verstärkenden Entwicklung könnte dieser Boom dann wiederum als Motor für die weltweite Produktivität fungieren. Natürlich kann es auch sein, dass das tatsächliche Ergebnis weniger extrem ist. Die Innovationswelle könnte in der Tat die Rolle des Menschen im Produktionsprozess verändern – und damit die Ungleichheit sogar noch verstärken. Die ungleichmässigen, umwälzenden Auswirkungen des Innovationsschocks wurden bei unseren Wachstums- und Inflationserwartungen für die nächsten 10 Jahre bereits vollständig berücksichtigt. Das Gleiche gilt für andere Faktoren wie die Geldpolitik und die sich verändernde Rolle der Schwellenmärkte. VORAUSSICHTLICH NIEDRIGERE ERTRÄGE Unseres Erachtens dürfte mit dem Abklingen der Folgen der Finanzkrise in den kommenden Jahren in den meisten Ländern eine schrittweise „Normalisierung“ von Inflation und Wachstum einhergehen, die ein neues Gleichgewicht finden dürften. Die noch bestehende Angst vor Deflation oder sogar Disinflation könnte überwunden werden, auch wenn die Inflation im historischen Vergleich niedrig bleiben wird. Unter der Annahme, dass die Auswirkungen des Innovationsschocks auf das Gesamtwirtschaftswachstum relativ bescheiden ausfallen werden, gehen wir in unserem Hauptszenario für die nächsten 10 Jahre davon aus, dass das reale BIP-Wachstum in den USA jähr- lich durchschnittlich 2,25% betragen dürfte, in der Euro-Zone 1,25% und in China 4,5% (deutlich niedriger als die Jahresrate von 8,6% zwischen 2008 und 2015).* Unsere Beobachtungen zu der sich ändernden makroökonomischen Dynamik wirken sich auch auf unsere Berechnungen für die erwarteten Erträge in verschiedenen Anlageklassen aus. Bei den Aktien von Industrieländern rechnen wir in den nächsten 10 Jahren mit Erträgen, die mehr als ein Drittel unter dem Durchschnitt der letzten 46 Jahre liegen. Was die jährlichen Gesamterträge von Staatsanleihen betrifft, so gehen wir für den gleichen Zeitraum von einem Viertel des durchschnittlichen Werts seit Beginn des Bullenmarkts 1981 aus. Glücklicherweise gibt es andere Wege, um diesen Rückgang bei den erwarteten Erträgen der klassischen Anlageklassen auszugleichen. Dazu gehören alternative Anlagen – aber zum Preis relativ niedriger Liquidität. *Unsere umfangreichen Erkenntnisse hierzu können Sie in der letzten Ausgabe der englischsprachigen Publikation „Horizon“ nachlesen, die im Januar 2017 veröffentlicht wurde. AKTIEN US-Aktien: die Wiederkehr des Irrationalen FRANK BIGLER Leiter Equity Investment Research Pictet Wealth Management Frank Bigler, Leiter Equity Investment Research bei Pictet Wealth Management, erläutert im Interview die Aussichten für US-Aktien unter der neuen Trump-Regierung. DONALD TRUMP IST US-PRÄSIDENT, UND IN BEIDEN HÄUSERN DES KONGRESSES HABEN DIE REPUBLIKANER DIE MEHRHEIT. WELCHE FAKTOREN WERDEN DIE US-AKTIENMÄRKTE IM VOR UNS LIEGENDEN JAHR BEHERRSCHEN? Drei zentrale Themen bestimmen zurzeit die US-Börsen: erstens der Glaube an eine starke Ausweitung der Infrastrukturinvestitionen, zweitens die Erwartung von Steuersenkungen und drittens die Bedeutung von Steuerre- 4 5 formen für die Aktivitäten der Unternehmen. Zum ersten Punkt: Mit einer Erhöhung der staatlichen Infrastrukturausgaben ist aus unserer Sicht wohl zu rechnen (Trumps Übergangsteam hat versprochen, USD 550 Milliarden für die Infrastruktur auszugeben), doch die Zahl der börsennotierten US-Unternehmen, die davon profitieren werden, ist relativ klein. Unter den Infrastrukturanbietern werden die Hauptnutzniesser Unternehmen mit rein inländischen Einnahmequellen sein, etwa Zement- und Kiesproduzenten, bei denen Angebot und Nachfrage nur von nationalen Faktoren beeinflusst werden. Daher ist selbst für Stahl- und Maschinenbauunternehmen, die globalen Trends unterliegen, der Nutzen womöglich nicht so klar. So könnte jede Steigerung der Einnahmen in den USA durch Einbussen im Auslandsgeschäft zunichte gemacht werden, die durch den Anstieg des US-Dollars entstehen. Auch Trumps Pläne zur Erhöhung der Verteidigungsausgaben sind bemerkenswert. „Ein Risiko ist, dass die Inflation wesentlich schneller steigt, als die Marktteilnehmer erwarten.“ Bei Trumps Steuersenkungen und reformen ist alles noch sehr unklar. Zwischen den ehrgeizigen Plänen Trumps und dem Wunsch des Kongresses, die Verschlechterung der öffentlichen Finanzen zu begrenzen, wird sich, wie wir glauben, eine Art Mittelweg finden. Zumindest anfangs dürfte sich eine Senkung der persönlichen Steuern stärker auf kleine und mittlere Unternehmen auswirken, die ausschliesslich im Inlandsmarkt tätig sind, als auf S&P-500-Unternehmen mit ihrem grösseren Auslandsengagement. Den vielleicht unmittelbarsten Nutzen hätte der Einzelhandel, und das höhere verfügbare Einkommen dürfte dem ohnehin soliden Wohnungsbausektor zugutekommen. Es könnte jedoch einige Quartale dauern, bis die Auswirkungen von Steuersenkungen für die Privathaushalte auf die Unternehmensbilanzen durchschlagen. Das dritte grosse Thema für US-Unternehmen sind die vorgeschlagenen Änderungen bei der Unternehmensbesteuerung, insbesondere die Absicht Trumps, US-Konzernen Anreize zur Rückführung der enormen Gewinne zu bieten, die sie im Ausland in Ländern wie Irland horten, um dem gesetzlichen Körperschaftsteuersatz von 35% zu entgehen. Erklärtes Ziel der Trump-Regierung ist, dass die Unternehmen Steuerbefreiungen für zurückgeführte Gewinne reinvestieren und damit dem Wachstum neuen Schwung verleihen. Wir halten das Potenzial für höhere Investitionen in vielen Sektoren jedoch für ziemlich gering. Für Unternehmen in reifen Branchen, darunter Industriekonglomerate wie General Electric, sind die Chancen auf organisches Wachstum in den USA begrenzt. Ausserdem bemühen sich multinationale Konzerne weiter, ihre Lieferketten zu verkürzen, damit sich die Produktion näher an den regionalen Endmärkten befindet. Andere Branchen wie IT und Biopharma verfügen ohnehin über eine so hohe Liquidität, dass eine Steuerbefreiung wohl nicht viel an ihren US-Investitionsplänen ändert. Stattdessen könnte eine Rückführung der Auslandsgewinne auch einen M&A-Boom auslösen, denn allein die fünf grössten US-Pharmaunternehmen halten im Ausland nach unseren Berechnungen etwa USD 250 Milliarden in bar. Einige Unternehmen könnten das repatriierte Geld zudem für Aktienrückkäufe oder Dividendenerhöhungen nutzen. USD 550 Milliarden Höhe der von Trump versprochenen Infrastrukturausgaben NEBEN DEN ERWARTUNGEN AN TRUMPS PRÄSIDENTSCHAFT GIBT ES AUCH RISIKEN, BESONDERS WENN ES UM DIE HANDELSPOLITIK GEHT … Trumps Rhetorik zum Thema Handel und Zölle ist zweifellos alarmierend und ärgert Länder wie China und Mexiko. Trump hat bereits die Transpazifische Partnerschaft beerdigt, und ihrem europäischen Pendant, dem Transatlantischen Handelsabkommen TTIP, wird es wohl ebenso ergehen. Doch im Grunde gibt es in den USA nur wenige Branchen, die von mehr Protektionismus profitieren würden. Diese wenigen S&P Page500: 4 12-MONATS-FORWARD-KGV, 1995–2016 28 23 18 13 8 95 96 97 97 98 98 99 00 00 01 01 02 02 03 04 04 05 05 06 07 07 08 08 09 09 10 11 11 12 12 13 14 14 15 15 16 16 Quelle: PWM Equity Research, Bloomberg PERSPEKTIVEN SONDERAUSGABE JANUAR/FEBRUAR 2017 DIE WIEDERKEHR DES IRRATIONALEN: INVESTITIONSPLÄNE IN DEN USA 15 % 10 5 0 -5 Investitionen: Veränderung in % ggü. Vj., 2 Quartale Verzögerung -10 Duke/CFO Outlook: erwartetes Investitionswachstum in den nächsten 12 Monaten (%) -15 -20 99 00 01 02 03 04 05 06 07 08 09 10 11 12 13 14 15 16 17 Quelle: Pictet Equity Investment Research, Bloomberg 17x KGV des S&P 500 – Stahl und Kohle – sind ohnehin todgeweiht und werden wenig zum künftigen Wirtschaftswachstum beitragen. Andere Branchen wie der Automobilbau haben oft Montagewerke in Ländern wie Mexiko und werden die Leidtragenden sein, wenn Zollschranken errichtet werden. Diese Branchen sind zudem stark auf die Zuwanderung von Arbeitskräften angewiesen, die unter Trump ebenfalls eingeschränkt werden könnte. Doch anstatt in den USA viele neue Arbeitsplätze zu schaffen, könnte ein hartes Durchgreifen gegen die Zuwanderung lediglich den Trend zur Automatisierung beschleunigen. Auch im Silicon Valley wäre man besorgt über einen umfassenden Versuch, die Zuwanderung einzudämmen. Neben dem Gegensatz zwischen der Rhetorik und dem, was mit Protektionismus zu erreichen ist, zeigen sich auch auf einer anderen Ebene Widersprüche, nämlich zwischen Trumps eigenem Instinkt für Deals und einer Regierung, die er neben einigen ausgewiesenen Protektionisten mit eingefleischten kapitalistischen Unternehmern und Bankern besetzt hat. GLAUBEN SIE VOR DIESEM HINTERGRUND, DASS DIE MÄRKTE GEFAHR LAUFEN, ÜBER DAS ZIEL HINAUSZUSCHIESSEN? Die Sorgen über mögliche handelspolitische Massnahmen Trumps werden bei den Unternehmensführern momentan zweifellos von einem Phänomen überlagert, das sich nur als 6 7 Wiederkehr des Irrationalen bezeichnen lässt. Abgesehen von Steuersenkungen und höheren Staatsausgaben herrscht nämlich der Eindruck, dass die allgemeine Verschärfung der Regulierung während der letzten acht Jahre nun endlich nachlassen wird. Dies ist vor allem in Bereichen wie dem Finanz- und dem Energiesektor spürbar. Einen erheblichen Beitrag zu der genannten Irrationalität leisten die Signale, die von der Ernennung des Klimaskeptikers Myron Ebell zum Leiter der Umweltbehörde und des Goldman-Sachs-Bankers Steven Mnuchin zum Finanzminister ausgehen. Die Nominierung von Rex Tillerson, CEO von Exxon Mobil, als Aussenminister zeigt zudem eine Schwerpunktverlagerung in Amerikas internationalen Beziehungen von rein politischen Erwägungen hin zu einer besseren Berücksichtigung von Unternehmensinteressen. Dies wird Musik in den Ohren der Ölindustrie sein, aber auch auf die amerikanischen Unternehmen insgesamt könnte es sich sehr positiv auswirken, sodass sie wieder vermehrt Kapital in die Hand nehmen und in Wachstum investieren. „Die Bewertungen sind hoch, werden aber durch den erwarteten Gewinnanstieg gerechtfertigt.“ Andererseits bestehen eindeutig auch Risiken. So könnte die Inflation wesentlich schneller steigen, als die Marktteilnehmer sich vorstellen, sodass die Fed die Zinsen schneller anheben muss als erwartet. In den USA besteht bereits Vollbeschäftigung, und es gibt Anzeichen für zunehmendes Lohnwachstum. Etwas beunruhigend finde ich, dass seit der Finanzkrise eine ganz neue Generation auf den Plan getreten ist, die keinerlei Erfahrung mit Inflation oder deren Auswirkungen hat. Das letzte Mal, dass die Verbraucherpreisinflation in den USA kurzzeitig über 5% lag, war 2008. Als Parallele fällt mir dazu ein, wie die Warnungen von Analysten, die den Ölpreisverfall von Mitte der 1980er- bis Mitte der 1990er-Jahre erlebt hatten, vergessen waren, als der Ölpreis in den späten 2000er-Jahren und erneut zwischen 2009 und 2014 stetig anstieg. Es besteht also die Gefahr, dass die Vergangenheit in Vergessenheit gerät. Viele Unternehmen haben sich auch zu niedrigen Zinsen verschuldet, um Aktien zurückzukaufen. Langfristig könnten sie Schwierigkeiten bekommen, insbesondere wenn die Zinsen stärker und schneller steigen, als sie einkalkuliert haben. Zudem muss man sich fragen, ob die aktuellen Marktbewertungen nachhaltig sind. Das 12-Monats-Forward-Kurs-Gewinn-Verhältnis des S&P 500 lag Anfang 2017 bei etwa 17x – nach historischen Massstäben ziemlich hoch. Für den Moment werden diese Bewertungen mit dem erwarteten Gewinnanstieg gerechtfertigt. Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass die KGVs so hoch steigen wie während der Dotcom-Blase. Das wäre dann wirklich eine Blase. Doch auch wenn ich keine unmittelbare Gefahr eines Börsenkrachs sehe, halte ich kurzfristige Kurseinbussen von 5–10% für durchaus realistisch, wenn sich die Annahmen etwa zur Aufhebung von Obamacare oder zur Steuerreform als falsch erweisen. In jedem Fall braucht der Markt eine Verschnaufpause, und er wird sie sich auch gönnen, sobald er realistischer einschätzen kann, was von der Trump-Regierung zu erwarten ist. DER ANSTIEG DER MÄRKTE HAT AUCH ETWAS VON EINEM „PAIN TRADE“ … Die meisten Marktteilnehmer wurden von Trumps Wahlsieg sicherlich auf dem falschen Fuss erwischt und versuchen seitdem aufzuholen. Damit kann der Markt grosse Sprünge nach vorn machen, denen dann aber Rückschläge folgen. Doch die allgemeine Richtung zeigt aus unserer Sicht noch immer nach oben, und jeder Rückschlag wäre eine Chance, die es zu nutzen gilt. Das macht den Optionshandel interessant, einerseits um ein Portfolio gegen volatile Phasen abzusichern, und andererseits um diese Volatilität schnell für taktische Trades auszunutzen. AKTIEN Reflation dürfte Banken helfen Höhere Zinsen sind gut für den europäischen Bankensektor. YANN GOFFINET Senior-Finanzanalyst Pictet Wealth Management D ie Marktperformance europäischer Bankpapiere entwickelte sich 2016 in den zwei Jahreshälften sehr unterschiedlich. Im ersten Halbjahr verzeichnete der Bankensektor im Stoxx Europe 600 Index die schlechteste Performance. Damals startete die EZB ein neues Programm quantitativer Lockerung (QE) und die Briten entschieden sich per Referendum für einen Austritt aus der EU. Beide Faktoren trugen in ganz Europa zu immer niedrigeren Zinsen bei. Aber im zweiten Halbjahr machten die Banken ihre Unterperformance der ersten Jahreshälfte zum Grossteil wieder wett. Die Anleiherenditen zogen nämlich beiderseits des Atlantiks im Einklang mit besseren Konjunkturdaten ausgehend von ihren Juli-Tiefs wieder an. In den USA wurde die Erholung der Anleiherenditen durch den Wahlsieg von Donald Trump zusätzlich befeuert. 2016 gab es eine hohe Korrelation zwischen der relativen Performance europäischer Banken und den Inflationserwartungen (siehe Grafik). Eine ähnlich gute Korrelation konnte zwischen der relativen Performance europäischer Banken und US-Anleiherenditen gezeigt werden. BANKEN TUT EIN REFLATIONÄRES UMFELD GUT…. Man stelle sich eine vereinfachte Welt mit Zinsen von 3,5% vor, in der Retail-Banken ihre Kundendepots mit 2% verzinsen. In dieser Welt streichen Banken die 1,5% Unterschied als Teil ihrer Nettozinsmargen ein. Aber in einem Alternativszenario mit Zinsen unter 1,5% beginnen die Depotmargen der Banken zu schrumpfen, da sie Kunden für die Hinterlegung ihrer Ersparnisse bei der Bank nicht bezahlen lassen wollen. Wenn nun die Leitzinsen negativ werden, dann drohen den Ban- PERSPEKTIVEN SONDERAUSGABE JANUAR/FEBRUAR 2017 5% ken negative Depotmargen. In genau dieser Lage waren europäische Banken im Jahr 2016, insbesondere nachdem die EZB ihre eigene Einlagenfazilität im März auf -0,40% gesenkt hatte. Auf der Kreditvergabeseite hielten sich die Margen besser. Aber die Banken der Euro-Zone konnten meist niedrigere Depotmargen nicht durch höhere Darlehensmargen ausgleichen (anders als in Schweden und der Schweiz). Die Verflachung der Zinskurve, die die QE-Massnahmen der EZB begleitete, schmälerte die Bankmargen zusätzlich. Da die Aktiven der Banken keine längere Duration aufweisen als ihre Passiven (Darlehen haben tendenziell eine längere Laufzeit als Depots), führt eine Verflachung der Renditekurve zu weniger Zinseinnahmen. Zusammen mit finanzkrisenbedingt höheren Kapitalanforderungen führte dieser Druck auf die Netto-Zinseinnahmen, die Haupteinnahmequelle der Banken in der Euro-Zone (etwa 60%), zu einer niedrigen Eigenkapitalrendite (ROE). Der ROE-Durchschnitt im europäischen Bankensektor lag 2015/16 bei ca. 5%. Bei Firmen des Stoxx Europe 600 erreichte er 12,5%. Mit anderen Worten: Bei Negativzinsen und flachen Zinskurven können Banken nicht zugleich ihre Infrastrukturkosten (IT, Filialen, Mitarbeiter) decken und zweistellige Erträge erwirtschaften. ROE -Durchschnitt europäischer Banken …ABER DER LEICHTE TEIL DER REFLATION IST HINTER UNS Daher war die Wende bei den Zinsen und Inflationserwartungen im zweiten Halbjahr 2016 eine Erleichterung für europäische Banken. KORRELATION ZWISCHEN DER RELATIVEN PERFORMANCE EUROPÄISCHER BANKEN UND INFLATIONSERWARTUNGEN 105 % 1.8 STOXX Europe 600 Banks PriceEUR/STOXX Europe 600 Price Index EUR Euro: 5-Jahres-Inflationserwartungen (%, rechte Skala) 100 95 1.7 1.6 90 1.5 85 1.4 80 1.3 75 70 1.2 12/15 01/16 02/16 03/16 04/16 05/16 06/16 07/16 08/16 09/16 10/16 11/16 12/16 Quelle: Pictet Equity Investment Research, Bloomberg 8 9 Die schlimmsten Befürchtungen über künftige Gewinne waren damit ausgeräumt. Aus Bewertungssicht kletterte das KGV, zu dem Banken gegenüber dem Gesamtaktienmarkt gehandelt wurden, von 0,6x im Sommer 2016 innerhalb weniger Monate wieder auf den historischen Mittelwert von 0,8x. „Bei Negativzinsen und flachen Zinskurven können Banken nicht zugleich ihre Infrastrukturkosten decken und zweistellige Erträge erwirtschaften.“ Das Tempo der jüngsten Neubewertung der Banken legt nahe, dass der leichte Teil der Reflation möglicherweise schon hinter uns liegt. Auch wenn die Neubewertung läuft und die relativen KGVs der Banken über ihren langfristigen Durchschnitt hinaus steigen, könnte fortan eine Welle von Aufwärtskorrekturen der Gewinnerwartungen nötig sein, um die Performance des europäischen Bankensektors zu unterstützen (bisher haben die Gewinne nach einer langen Zeit des Rückgangs erst einen Boden gebildet). Die kommenden Monate werden zeigen, ob die vor allem seit der Wahl von Donald Trump zu erkennende Zuversicht über Wachstum und Zinsen gerechtfertigt ist. Ohnehin könnten die Zinsen 2016 weltweit durchaus ihr Tief erreicht haben, sodass das Umfeld für Banken nun immer weniger schwierig werden und sich normalisieren könnte. Eine solche Entwicklung würde eine selektive Erhöhung des Portfolioexposures bei Banken rechtfertigen. Banken mit Exposure in den USA, dem Markt der den Zinsanstieg treibt, könnten attraktiv bleiben — zumindest solange die EZB ihr QE-Programm fortsetzt. AKTIEN Inflationserwartungen begünstigen Value-Aktien JACQUES HENRY Teamleiter – Cross-Asset Asset-Allokation und Makro-Research Pictet Wealth Management WILHELM SISSENER Manager für Wirtschafts und Finanzanalyse Asset-Allokation und Makro-Research Pictet Wealth Management Value-Aktienstrategien verzeichneten im zweiten Halbjahr 2016 eine gute Performance. Dieser Trend scheint sich dieses Jahr fortzusetzen. L etztes jahr war das Jahr der Kontraste an den Finanzmärkten. Ängste vor Disinflation blieben das vorherrschende Thema im ersten Halbjahr. Dies bedeutete, dass relativ sichere Aktien mit geringer Kursvolatilität besser als günstige, aber riskantere Aktien (Value-Aktien) abschnitten. Anfang Juli ergab sich infolge wesentlich besserer US-Beschäftigungsdaten als erwartet und einer Neubewertung der wirtschaftlichen Folgen des britischen Brexit-Votums dann ein Regimewechsel. So konnten die Inflationserwartungen wieder die Marktstimmung prägen. Laut unseren Daten verzeichnen US-Value-Aktien seit diesem Regimewechsel eine deutliche Outperformance gegenüber wenig volatilen Papieren und der S&P-500-Benchmark von 31% bzw. 21% in USD.* Es gibt so viele Value-Indizes wie Index-Anbieter. Daher haben wir bei Pictet Wealth Management zur klaren Analyse von Markttrends unseren eigenen US-Value-Index entwickelt, der neuste akademische Forschungsergebnisse berücksichtigt. Dieser Index ist derzeit bei Finanzwerten (meist Banken) und Öl- und Gasaktien gegenüber der S&P500-Benchmark stark übergewichtet und bei Gesundheit am „US-Value-Aktien verzeichnen eine deutliche Outperformance gegenüber wenig volatilen Papieren und dem S&P 500.“ stärksten untergewichtet. Die Rückkehr langfristiger Teuerungserwartungen – ein treibender Risikofaktor für Value-Aktien – verhalf Kapitalmarktzinsen zu einem Anstieg. Die 10-Jahresrendite der US * Gesamtertrag, gemessen zwischen dem 5. Juli und dem 5. Januar 2017 10-JÄHRIGE US-BREAKEVEN-INFLATIONSRATE: EIN ERHEBLICHER RISIKOFAKTOR, DER VALUE-AKTIEN TREIBT Page 7 105 PWM - AA&MR US Value Index TR (USD) ggü. S&P 500 Index TR (linke Skala) 100 Mitte 2016: Regimewechsel 95 % 3.5 10-Jahres-Breakeven-Inflationsrate, NSA, Prozent – US (rechte Skala) USWahlen 2.9 90 2.3 85 80 1.7 75 70 1.1 14 15 16 17 Quelle: Pictet WM – AA&MR, Factset PERSPEKTIVEN SONDERAUSGABE JANUAR/FEBRUAR 2017 Treasuries kletterte von einem Tief bei 1,36% im Juli auf fast 2,4% Anfang Januar 2017. Bis Ende 2017 rechnen wir mit einem Anstieg bis auf 3%. Dies wird die Nettozinsmargen der Banken erhöhen und ein starkes Gewinnwachstum „US-Value-Aktien verzeichnen eine deutliche Outperformance gegenüber wenig volatilen Papieren und dem S&P 500.“ in dem Sektor unterstützen. Die Erholung der Ölpreise von unter USD 30 pro Barrel im Februar 2016 auf über USD 50 Anfang Januar 2017 dürfte die Gewinne im Öl- und Gassektor beflügeln. Da wir für 2017 mit einem Durchschnittspreis von etwa USD 55 pro Barrel rechnen, werden die Energieunternehmen dieses Jahr von einem kräftigen Basiseffekt profitieren. Dementsprechend erwarten wir im Gegensatz zu den ständigen Abwärtskorrekturen bei Gewinnen der letzten Jahre und zu den mickrigen Gewinnzuwächsen 2015 und 2016 nun für 2017 insgesamt eine Erholung des Gewinnwachstums. Unseres Erachtens könnte es in den Industrieländern 7-8% und in den Schwellenländern 10% erreichen. Auf Finanzwerte dürften etwa 15% des Gewinnwachstums bei S&P-500Firmen entfallen und 25% bei StoxxEurope-600-Firmen, während es im Öl- und Gassektor wohl 30% bzw. knapp 20% sein werden. Das Szenario für eine robuste Gewinndynamik, das die laufende Reflation und insbesondere Value-Aktien unterstützt, ist nach den US-Wahlen vom November noch wahrscheinlicher. Wenn man die 10-jährige US-Breakeven-Inflationsrate als repräsentativ nimmt, begünstigen die Trends bei Teuerungserwartungen Value (siehe Grafik). Inflationserwartungen treiben als wichtiger Risikofaktor US-Value-Aktien gegenüber dem S&P 500. Insgesamt bleiben unsere Erwartungen für Gewinnwachstum äusserst vorsichtig und bieten 2017 Raum für positive Überraschungen. Eine könnte von Donald Trumps Wirtschaftsprogramm kommen, wenn es ein vernünftiges angebotsseitiges Element enthält. Seine Vorschläge für eine Steuerreform und einen umfassenden Infrastrukturausgabenplan helfen, das nominale BIP-Wachstum und die Marktstimmung zu erhalten. Wie eine Direktsimulation zeigt, könnte die Senkung der US-Unternehmenssteuer von derzeit 35% auf 15% in den Jahren 2017 und 2018 ein zweistelliges Gewinnwachstum bedeuten. Dies ist zwar nicht in unserem Szenario vorgesehen, darf aber 2017 nicht aus den Augen verloren werden. Pläne für höhere US-Staatsausgaben unterstützen einen anhaltenden Anstieg der 10-jährigen Inflationserwartungen. Sollten die Erwartungen von aktuell 2,0% auf den historischen Durchschnittswert von 2,2% steigen, dann könnte der Marktkurs von Value-Aktien dieses Jahr laut unseren Berechnungen sogar noch zweistellig zulegen. Value ist daher nach wie vor aktuell, getrieben von noch günstigen Aktien in Sektoren, die auf steigende Inflationserwartungen reagieren. ANLEIHEN Tapering der EZB beunruhigt Investoren LAURÉLINE CHATELAIN Neben der nahenden Drosselung der Anleihenkäufe werden die Anleihen der Euro-Zone durch die Zinsnormalisierung in den USA und eine vollgepackte politische Agenda beeinflusst. Strategin für Festverzinsliche Pictet Wealth Management I m Dezember 2016 beschloss die EZB die Verlängerung ihres Programms der quantitativen Lockerung (QE) mindestens bis Dezember 2017, allerdings ab April nur noch für 60 Milliarden pro Monat statt derzeit 80 Milliarden. Überdies liess die EZB klar durchblicken, dass sie im zweiten Halbjahr 2017 beginnen werde, über die Drosselung ihrer monatlichen Käufe nachzudenken. 10 11 Das sogenannte „Taper Tantrum“ von 2013 ist noch gut in Erinnerung. Damals verunsicherte die Fed die Anleger mit ihrer Erklärung, sie sei bereit, ihre Anleihenkäufe zurückzufahren. Vor diesem Hintergrund wird die Vorhersage der Entwicklung der EZB-Drosselung für die Anleger entscheidend sein, um Überraschungen zu vermeiden. Die Kerninflation wird zur Schlüsselfrage. Konkret glauben wir, dass die 10-JAHRES-RENDITEN DEUTSCHER BUNDESANLEIHEN UND INFLATION IN DER EURO-ZONE Page 10J-Rendite deutscher Bundesanleihen Euro-Zone: Kern-VPI (ggü. Vorjahr in %) Euro-Zone: Kern-VPI (ggü. Vorjahr in %) PWM-Prognose 10J-Rendite deutscher Bundesanleihen,PWM-Prognose 6% 5 4 Breakeven-Rendite für deutsche 10J-Inflation Euro-Zone: Kern-VPI (ggü. Vorjahr in %) PWM-Prognose Euro-Zone: VPI (ggü. Vorjahr in %) PWM-Prognose Breakeven-Rendite für deutsche 10J-Inflation PWM-Prognose 3 2 1.4% 1 0.7% 0 -1 -2 00 01 02 03 04 05 06 07 08 09 10 11 12 13 14 15 16 17 Quelle: Pictet WM-AA&MR, Bloomberg Kerninflation anhaltend die Medianprognose der EZB-Experten von 1,1% gegenüber dem Vorjahr übertreffen müsste, damit die EZB endgültige Pläne für den QE-Ausstieg umsetzt. Unseres Erachtens will die EZB vorsichtig bleiben, um die Ansteckungsgefahr durch einen neuerlichen Rückgang der Teuerungserwartungen zu vermeiden. Ausgehend von unserer Prognose, dass die Gesamtteuerung 2017 im Durchschnitt nur 1,5% und 2018 1,3% erreichen wird, erwarten wir, dass die EZB allzu aggressiven Veränderungen abgeneigt ist und ihre monatlichen Wertpapierkäufe frühestens Ende 2018 beendet. „Die EZB soll vorsichtig bleiben, um einen erneuten Rückgang der Teuerungserwartungen zu vermeiden.“ Der Marktfokus auf Inflationsdaten könnte indes zu höherer Anleihemarktvolatilität führen. Die Daten können ausschlagen und dürften im 1. Quartal 2017 von positiven Basiseffekten profitieren, die im weiteren Jahresverlauf nachlassen. Die jüngste Spitze der Gesamtinflation könnte, wenn sie länger anhält, letztendlich die EZB unter Druck setzen, obwohl der EZBRat wahrscheinlich weiter Widerstand gegen (deutsche) Politiker leisten wird, die eine straffere Politik fordern. Der Anleihenmarkt der Euro-Zone bleibt insgesamt hochgradig integriert in den Weltkapitalmarkt und auch die Massnahmen der anderen weltweit wichtigen Zentralbanken sind für die Vorhersage der Anleiherenditen in der Euro-Zone von Bedeutung. So sind 10-jährige deutsche Bundesanleihen fast perfekt mit 10-jährigen US Treasuries korreliert. In Einklang mit den Marktprognosen rechnen wir 2017 mit zwei 0,25%-Zinserhöhungen der Fed. Sollte jedoch der Kernpreisindex (PCE) ständig über 2,1% gegenüber Vorjahr (für Ende 2017 erwarteter Wert) liegen, könnte die Fed ihre Zinsstraffung beschleunigen. Eine aggressivere Fed würde wahrscheinlich höhere Treasury-Renditen, vor allem bei kurzen Laufzeiten, und eine Verflachung der Renditekurve bewirken. Dies hätte Folgen für Staatsanleihen der EuroZone. Wir erwarten daher, dass die 10-Jahresrenditen der US Treasuries bis Ende 2017 (ausgehend von 2,36% am 5. Januar) auf 3% steigen, mit vorübergehenden Spitzen darüber hinaus im Jahresverlauf, sollte der Kongress umfassende Fiskalanreize genehmigen. Andererseits rechnen wir weder bei der Bank of England noch bei der Bank of Japan mit geldpolitischen Überraschungen. Erstere kann wegen zunehmender importierter Inflation eine nachlassende Inlandsnachfrage nicht unterstützen, Letztere wird gezwungenermassen ihre quantitative Lockerung fortsetzen, solange die Inflation hartnäckig unter dem Ziel verharrt. In der Euro-Zone selbst könnte die Vorwegnahme des EZB-Tapering zu einem jähen Anstieg der deutschen Bundesanleiherenditen führen, wenn der EZB-Kaufdruck wegfällt. So könnte der Anleihemarkt Staatsanleihen in Einklang mit dem robusten Wirtschaftswachstum und der steigenden Inflation in Deutschland und in gewissem Mass in der gesamten Euro-Zone neu bewerten. Die 10-Jahresrendite deutscher Bundesanleihen könnte bis Ende 2017 (von 0,25% Anfang Januar) auf 0,7% klettern, und bei stärkerer Inflation sogar noch höher. In diesem Szenario würden sich die Spreads von Anleihen der Peripherie zu Bundesanleihen ausweiten, insbesondere jene von Italien und Portugal, wo der Markt wieder die Nachhaltigkeit der Länderverschuldung in den Vordergrund rücken könnte. Angesichts wichtiger Wahlen in Frankreich, den Niederlanden, Italien und Deutschland in diesem Jahr könnten politische Ungewissheiten höhere Volatilität verursachen. Änderungen in Haushalts- und Wirtschaftspolitik der Länder würden sich schnell auf die Staatsanleiherenditen niederschlagen. PERSPEKTIVEN SONDERAUSGABE 3% Rendite 10-jähriger US Treasuries Ende 2017 JANUAR/FEBRUAR 2017 ANLEIHEN Wenn es soweit ist, sind nicht benchmarkbezogene Anleihenfonds da MUSSIE KIDANE Leiter Fonds- und Managerselektion Pictet Wealth Management Nachdem es Jahre still um sie war, könnten nicht benchmarkbezogene (oder Absolute-Return-)Fonds nun, da wir in eine Phase moderater Reflation eintreten, wieder voll zur Geltung kommen. M 11% Unterschied der 1-Jahres-Performance zwischen den besten und den schlechtesten Fonds 12 13 inimale Zinsen und die Aussicht auf eine bevorstehende Normalisierung der Geldpolitik weckten reges Interesse an nicht benchmarkbezogenen Anleihenfonds, zumal die Anleger nach höheren Renditen und Kapitalschutz suchen. Trotz periodischer Volatilitätsschübe legten die globalen Anleihenindizes in den letzten fünf Jahren um fast 20% zu. Nicht benchmarkbezogene Anleihenfonds blieben zurück und erzielten im gleichen Zeitraum einen Durchschnittsertrag von 6%. Daher sind viele Anleger verständlicherweise enttäuscht von der relativen Performance dieser Anleihestrategien. Ist die Frustration der Anleger über das rechnerische Ergebnis hinaus berechtigt? Auf welcher Basis sind solche nichtraditionellen Strategien zu beurteilen? Nicht benchmarkbezogene Anleihenfonds sind flexible, nichttraditionelle festverzinsliche Strategien, die in Staats- und Unternehmensanleihen, hypotheken- oder anlagenbesicherte Wertpapiere und Währungen investieren. Diese wetterfesten Produkte sollen die meisten üblichen Vorteile von Anleihenanlagen (konstante Erträge, Liquidität und Diversifikation) bieten, aber zugleich auch die Chance auf schwächere Abwärtsrisiken als mit traditionellen Anleihenanlageansätzen. Von nicht benchmarkbezogenen Anleihenfonds ist zu erwarten, dass sie bei Bullenmärkten schlechter und bei Bärenmärkten besser als traditionelle Strategien abschneiden, indem sie angelegtes Kapital besser nach unten absichern. Die Ertragszahlen der letzten fünf Jahre erwiesen sich als sehr positiv für traditionelle Staatsanleihen und weniger für nicht benchmark- bezogene Fonds. Sie stehen also mit historischen Trends im Einklang. Die Kritik an nicht benchmarkbezogenen Anleihenfonds ist daher nicht gerechtfertigt: Diese Produkte haben gezeigt, dass sie mehr als nur eine Marketing-Spielerei sind. Unseres Erachtens liegt jedoch ein grundlegendes Missverständnis vor, wenn diese Strategien als heiliger Gral der Anleihenanlagen verkauft werden. Nicht benchmarkbezogene Anleihestrategien verfolgen das doppelte (und mitunter divergierende) Ziel erheblicher Ertragsgenerierung bei Kapitalerhalt. Das ständige Hin und Her zwischen Risk-on- und Risk-offPositionen, mit denen diese Strategien konstant jonglieren müssen, schliesst einen Wettbewerb mit benchmarkgesteuerten Anleihestrategien aus, insbesondere bei Bullenmärkten. Anleger können die Sicherheit ihrer Anlagen kaum verbessern, ohne dabei auf einen Teil des Aufwärtspotenzials zu verzichten. „Nicht benchmarkbezogene Fonds dürften eine überdurchschnittliche Performance erzielen, wenn die Zinsen langsam steigen.“ Daher glauben wir, dass pauschale Vorwürfe gegen nicht benchmarkbezogene Anleihenfonds empirisch nicht gerechtfertigt sind. Diese Produkte sind so gestaltet, dass sie sich von Anleihenfonds mit Benchmark unterscheiden. Deshalb dürften wohl auch ihre Ertragsflüsse anders ausfal- len. Angesichts des hoch diversifizierten Spektrums von Anlagen, in die nicht benchmarkbezogene Fonds investieren, ist die Performance-Streuung oft erheblich. Wie unsere Tabelle verdeutlicht, beläuft sich der durchschnittliche Ertragsunterschied zwischen den besten und den schlechtesten 5% nicht benchmarkbezogener Anleihenfonds über die letzten ein, drei und fünf Jahre auf 11%, 13% bzw. 22%. „Pauschale Vorwürfe gegen nicht benchmarkbezogene Anleihenfonds sind nicht gerechtfertigt.“ Wenn man die Ergebnisse von Absolute-Return-Fonds analysiert, muss zunächst unbedingt das Ertragsziel und das damit verbundene Risikoniveau berücksichtigt werden, und danach der zum Erreichen des vorgegebenen Ziels ABSOLUTE-RETURN-ANLEIHENFONDS % GESAMTERTRAG PER 31.12. 2017 YTD 1 JAHR 3 JAHRE 5 JAHRE Beste 5% 4.8 2.9 6.8 14.2 Beste 25% 2.8 0.2 1.7 10.7 Median des Universums 0.0 -1.0 -0.2 5.7 Schlechteste 25% -1.1 -2.6 -3.3 2.3 Schlechteste 5% -3.3 -7.5 -5.8 -1.0 Quelle: MPI, Lipper-Fondsdatenbank benötigte Anlagehorizont. Wie aus der Tabelle hervorgeht, haben mehr als 30% der Fondsmanager der nicht benchmarkbezogenen Anleihenkategorie über ein, drei und fünf Jahre positive Erträge erzielt. Unser Fazit lautet, dass ein disziplinierter und systematischer Ansatz der Managerselektion die Spreu vom Weizen trennen kann. Nicht benchmarkbezogene oder Absolute-Return-Anleihenfonds dürften bei langsam steigenden Zinsen wie derzeit in den USA eine bessere relative Performance erzielen. Sollte der jüngste Trend zu höheren Anleiherenditen (in den USA und in Europa) 2017 und darüber hinaus anhalten, dann sind diese Produkte gut positioniert, um besser abzuschneiden als traditionelle Anleihestrategien. ROHSTOFFE Schwächt sich die Verbindung zwischen Öl und US-Dollar ab? Der Bruch der historischen Verbindung zwischen Ölpreisen und dem US-Dollar von Ende 2016 könnte sich dieses Jahr fortsetzen. LUC LUYET Währungsstratege Pictet Wealth Management MALIK ZETCHI Finanzanalyst Pictet Wealth Management Ü ber die Jahre ist eine gut etablierte Wechselbeziehung zwischen dem Ölpreis und dem US-Dollar entstanden. Eine Dollarstärke ist tendenziell negativ für Öl und umgekehrt. Das liegt daran, dass ein starker US-Dollar normalerweise die Ölproduktionskosten senkt und so das Angebot verbessert. Ein stärkerer USD verteuert ausserdem Ölimporte in anderen Währungen und verringert so die Nachfrage. Eine USD-Festigung begünstigt daher das Ölangebot stärker als die -nachfrage, was den Ölpreis drückt. Das Gegenteil ist der Fall, wenn der Dollar sinkt. Die letzten drei Jahre bestätigten diese gut etablierte Wechselbezie- hung zwischen niedrigen Ölpreisen und einem starken Dollar. Es gab zwei treibende Kräfte hinter dieser strukturellen Wechselbeziehung. Erstens: Seit der Fed-Ankündigung von 2013, sie wolle mit der Drosselung ihrer monatlichen Wertpapierkäufe beginnen, unterstützt die Abweichung der Fed-Politik von der entgegenkommenden Geldpolitik anderer wichtiger Zentralbanken einen stärkeren US-Dollar. Zweitens: Unter Führung Saudi-Arabiens ermöglichte die OPEC ein wachsendes Überangebot von Öl, um Nicht-OPEC-Produzenten mit hohen Kosten (insbesondere USA) aus dem Markt zu drängen. Die OPEC-Strategie, dem Marktanteil PERSPEKTIVEN SONDERAUSGABE JANUAR/FEBRUAR 2017 ROHÖLPREISE, 2013 - 6. JAN. 2017 140 USD 95 Breiter USD-Index (umgekehrt) Brent-Index (USD pro Barrel) 120 100 105 100 110 80 115 60 120 40 125 130 20 13 14 15 16 17 Quelle: Pictet WM – AA&MR, Datastream USD 55 Prognose für durchschnittlichen Ölpreis 2017 Vorrang vor der Ölmarktstabilisierung zu geben, belastete den Ölpreis. In den letzten Wochen 2016 kam es zu zwei wichtigen Ereignissen, die eine drastische Wende in der Dynamik zwischen dem Ölmarkt und dem US-Dollar einleiteten. Das erste war der Wahlsieg von Donald Trump. Ein republikanisch dominierter Kongress dürfte wohl ein umfassendes Fiskalpaket verabschieden. Diese Aussicht hat den US-Wachstumsausblick aufgeheitert und den US-Dollar beflügelt. Als zweites kam die OPEC-Vereinbarung zur Drosselung der Ölproduktion. Sie ist nicht nur wichtig, weil sie für einen soliden Boden für die Ölpreise sorgt, sondern auch weil sie einer Branche Vertrauen zurückgibt, die in den letzten drei Jahren einen beispiellosen Abstieg durchgemacht hat. Um die weiter wachsende Nachfrage nach Öl zu befriedigen, sind Investitionen und somit ganz klar höhere Ölpreise nötig. Dies unterstreicht die Bedeutung der Vereinbarung vom November. Ergebnis der beiden Ereignisse: Trump bewirkte eine erhebliche US-Dollarfestigung, während die OPEC-Vereinbarung die Ölpreise steigen liess. POSITIVE AUSSICHTEN FÜR ÖLPREISE UND DEN USD Trumps wachstumsfördernde Massnahmen könnten das Wachstum ab dem zweiten Halbjahr 2017 beschleunigen. Ausserdem wird erwartet, dass die Fed wegen des soliden Wachstums 14 15 und brummenden Arbeitsmarkts die Zinsen weiter anhebt. Insgesamt dürfte der US Policy Mix den Greenback 2017 unterstützen. Was den Ausblick für den Ölmarkt betrifft, so dürfte der zunehmende Abbau der Weltbestände zu einer Normalisierung des Angebot/Nachfrage-Verhältnisses und 2017 laut unserem Szenario zu einer neuen Ölpreisspanne um USD 55 pro Barrel führen. Zwar schien Anfang 2016 ein Boden für Ölpreise klar erreicht, aber die Märkte wissen noch nicht, wie hoch die Preise klettern können, bevor es zu einem Angebotssprung kommt. Unkonventionelle US-Ressourcen dürften als erste mit einem höheren Angebot bereitstehen, aber erst in einigen Quartalen. Dieses Jahr wird für die Branche entscheidend, um umfassend zu verstehen, wie gross das Potenzial unkonventioneller US-Ressourcen wirklich ist und wie der nächste Ölzyklus aussehen wird. „Die Märkte wissen noch nicht, wie hoch die Preise klettern können, bevor es zu einem Angebotssprung kommt.“ Obwohl sich die Bedingungen für die Ölbranche verbessern dürften, werden sich die Firmen weiter darauf konzentrieren, mehr mit weniger zu erreichen, und die Technologie wird wohl disruptiv bleiben; so dürfte Ölpreisen eine natürliche Obergrenze gesetzt sein. Neben dem USD-Effekt werden unseres Erachtens alle genannten Faktoren als fundamentale Treiber für die mittelfristige Ölpreisentwicklung auftreten. Der Bruch in der traditionellen Wechselbeziehung zwischen Ölpreisen und dem US-Dollar von Ende 2016 könnte sich daher 2017 durchaus fortsetzen. QUANTITATIVE ANLAGEN Immer mehr Anleger investieren in quantitative Anlagen Wachstum (und Grenzen) des quantitativen Investierens EDGAR VAN TUYLL VAN SEROOSKERKE Chefstratege für Quants Pictet Wealth Management D as stark steigende Interesse an quantitativen Anlagen (Quants) hat zwei Gründe. Einer ist das exponentielle Wachstum der Finanztechnologie (Fintech), der andere die Tendenz von Menschen, sich spät im geldpolitischen Zyklus, wenn die Wirkung der Zentralbankpolitik nachlässt, auf andere mögliche treibende Kräfte am Markt zu konzentrieren. Das Interesse an Quants lässt dagegen nach, wenn die Notenbanken es schaffen, die erwarteten Erträge zu senken – indem sie ihre Grundlage, die Zinsen, komprimieren – und gleichzeitig die Volatilität begrenzen. Die Lockerung der Geldpolitik reduziert die Gelegenheiten für Quants, Wert durch die Nutzung mehrmonatiger Volatilität zu schaffen, weil sie unerwünschten „Lärm“ (oder anders ausgedrückt: sehr viel kurzfristigere Kursschwankungen, die nicht wirklich auf echten Informationen beruhen) auslöst. Mit der Zeit begünstigt jedoch die wiederkehrende Inflation, die normalerweise mit steigender Volatilität und Zinsstraffung ein- BERICHTERSTATTUNG VON BLOOMBERG ÜBER ZENTRALBANKEN NIMMT AB, JENE ÜBER QUANTS NIMMT ZU 140 70000 Anzahl der Nachrichten von Bloomberg über Quants, letzte 90 Tage Anzahl der Nachrichten von Bloomberg über Zentralbanken, letzte 90 Tage 120 60000 100 50000 80 40000 60 30000 40 20000 20 10000 0 0 93 94 95 96 97 98 99 00 01 02 03 04 05 06 07 08 09 10 11 12 13 14 15 16 Quelle. PWM Quantitative Strategies, Bloomberg hergeht, tendenziell das quantitative Investieren unabhängig von den Marktbewegungen, die durch Zentralbanken diktiert werden. Die Verbreitung von Fintech führte zu Mittelabflüssen aus aktiv verwalteten Anlagefonds und Hedgefonds und gleichzeitig zu massiven Mittelzuflüssen in indexgebundene Fonds (über ETFs) und Absolute-Return-Fonds, die auf quantitativen Strategien beruhen. Mit Quants kann ein Fonds auf Basis einer Reihe verschiedener Kennzahlen indexiert werden. Die Indexierung mit anderen Variablen als Marktkapitalisierungen helfen dabei, Portfolios zu konstruieren, die auf Smart-Beta-Elementen beruhen. Und die Indexierung hedgefondsähnlicher Long/Short-Strategien wird dazu genutzt, Fonds rund um Alternatives-Beta aufzubauen, Absolute-Return-Strategien derweil für CTA und systematische globale Makro-Hedgefonds. Absolute-Return-Strategien sind ein logischer Bestandteil der privaten Vermögensverwaltung. In der Tat legten Privatkunden sehr früh in Hedgefonds und Private Equity an. Bei Pictet Wealth Management haben wir zwei automatisierte Quant-Strategien entwickelt, mit einem kombinierten Track Record von acht Jahren. Beide produzieren absolute Renditen, indem sie die Ergebnisse unserer Analyse menschlichen Verhaltens mit einem systematischen Ansatz für globale Makro-Trends kombinieren. Durch diese Kombination können Phänomene wie Marktblasen und Crashs besser erkannt werden. Solche Phänomene haben Parallelen in der realen Welt (Erdbeben, Stromausfälle, Gefrieren von Wasser etc.) und sind mit verschiedenen Phasen des Wirtschaftszyklus korreliert. Man könnte auch sagen: Blasen ent- PERSPEKTIVEN SONDERAUSGABE JANUAR/FEBRUAR 2017 stehen spät in Konjunkturzyklen und oft folgen Markt-Crashs, die tendenziell mit Wirtschaftsrezessionen zusammenfallen. DIE ZUKUNFT VON QUANTS In einem immer komplexeren Umfeld, das von mehrdimensionalen Informationsquellen gekennzeichnet ist, können Maschinen besser sein als Menschen – z.B., wenn es um das Treffen von Entscheidungen über und die Umsetzung von sehr regem Austausch von Anlagen geht. Aber um die Ideen für bahnbrechende Prinzipien zu haben, die auf quantitative Strategien angewendet werden können, sind menschliche Qualitäten wie Kreativität und unkonventionelle Denkweisen nötig, über die Maschinen noch nicht verfügen. Menschliche Kommunikationsfähigkeiten werden benötigt, um aufzuzeigen, dass Alpha ein Nullsummenspiel ist. Mit anderen Worten: Damit eine Anlagestrategie über einen bestimmten Zeitraum Alpha generieren kann, muss sie auch schwierige Ertragsphasen durchlaufen. Die Belohnung für eine solche Strategie ist ganz einfach die Prämie, die von den Anlegern (einschliesslich nicht quantitativen, dis- kretionären Anlegern) dafür verdient wird, dass sie ihre Anlage im Gegensatz zu sprunghafteren Anlegern über volatile Phasen halten. Bei Quants sind extremer Pessimismus ebenso wie extremer Optimismus ungerechtfertigt. Quantitatives Investieren ist keine Black Box (wie die grösste Black Box, das menschliche Gehirn), sondern folgt eindeutig definierten Regeln. Was superintelligente Computer betrifft, so darf nicht vergessen werden, dass einige Computer derzeit über so viele digitale Neuronen verfügen wie das Gehirn einer Ratte. Und obwohl Ratten bemerkenswerte Geschöpfe sind, würden Sie sie sich wahrscheinlich nicht für die Verwaltung ihres Portfolios wünschen. Das quantitative Investieren entwickelt sich wie andere technologiebasierte Branchen ständig weiter: Das Quant-Modell von vor 5 Jahren ist wie ein Sportauto von vor 5 Jahren – immer noch schneller als die meisten Autos, aber langsamer (und billiger) als das neueste Modell. Selbst das vor 20 Jahren verfügbare Modell ist immer noch schneller und nachhaltiger als viele der moderneren Serien-Fahrzeuge. ALTERNATIVE ANLAGEN Comeback von Long/ Short- und Makro-Strategien i. NICOLAS CAMPICHE Nach einem für viele Strategien schweren Jahr bieten die Volatilität bei Festverzinslichen, die Wahl von Donald Trump und eine eng gepackte politische Agenda in Europa den Hedgefonds neue Chancen. Chief Executive Officer Pictet Alternative Advisors H edgefondsmanager begrüssten das Jahr 2017 mit frischer Zuversicht, und wir glauben, sie haben Recht. Angesichts der jüngsten politischen Entwicklungen in den USA und in Europa ist ganz klar ein Makro-Regimewechsel im Gang. Nach den Enttäuschungen von 2016 könnte die Wahl von Donald Trump zu neuer Dynamik in der Hedgefondsbranche 16 17 geführt haben. Hedgefondsmanager freuen sich vor allem über Gelegenheiten in den USA, wo eine Steuerreform, Infrastrukturausgaben, solide M&A-Tätigkeit und ein allmählicher Wechsel von Geld- zur Fiskalpolitik erwartet werden. 2016 belastete politische Instabilität die Performance der Makro-Manager, die grösstenteils ihr Risikoniveau SPITZEN DER AKTIENMARKTVOLATILITÄT 2016, GEMESSEN AM CBOE VVIX INDEX Page 12 130 VVIX 120 110 100 90 80 70 Dec 15 Feb 16 Apr 16 Jun 16 Aug 16 Oct 16 Dec 16 Quelle: Bloomberg gering hielten und Mühe hatten, Geld zu verdienen. Erst im November ermöglichten dann massive Anleiheverkäufe den meisten Managern einen Jahresabschluss im Plus. Für CTA schufen volatile Märkte und eine Reihe von Trendwenden ein ungünstiges Umfeld, obwohl sich die Vorteile ihrer Unkorreliertheit mehrfach bewährten, u.a. während der massiven Aktienverkäufe Anfang 2016. „Die Rückkehr zu den Fundamentaldaten begünstigt Stock-Picker im Long/Short-Aktienbereich.“ Trumps Wahlsieg im November belebte die Chancen für taktische Handelsstrategien. Global-Makro-Manager gehen seither wieder mehr Risiko ein, was meist eine hohe Überzeugung widerspiegelt. Laut Konsens stehen wir in der Frühphase eines breiten Bärenmarktes für Festverzinsliche, und ein Inflationsanstieg in den Industrieländern wird erwartet. Die Entkoppelung der Volatilität an den Aktien- und festverzinslichen Märkten seit den US-Wahlen – mit maximaler Zinsvolatilität, weil festverzinsliche Märkte mit höherer Inflation rechnen, während die Aktienvolatilität nachliess, weil die Aktienmärkte positives Gewinnwachstum erwarten – könnte neue Anlagechancen für Makro-Strategien bedeuten. Die erhöhte Volatilität bei Festverzinslichen dürfte Streuung und Preisverzerrungen vermehren, ein für Arbitrage-Handel günstiges Umfeld. Wir sind uns indes weiterhin des Risikos volatiler Preisentwicklungen wegen Regierungs- und Zentralbankmassnahmen bewusst und bevorzugen nach wie vor Manager, die ihre Exposures geschickt je nach Marktumfeld anpassen können. Bei aktienabhängigen Strategien rechnen wir mit einer lang erwarteten Rückkehr zu den Fundamentaldaten und bevorzugen daher Stock-Picker im Long/Short-Aktienbereich. Letztes Jahr war für Long/ Short-Manager nicht leicht: Zwar wurden im ersten Quartal meist gute Unternehmensgewinne gemeldet, aber bei Hedgefonds und Longonly-Anlagefonds beliebte Positionen wurden massiv verkauft. Short-Positionen verzeichneten dagegen wegen reger Deckungskäufe eine Rally. Sektorrotationen und Marktvolatilität machten den Managern im ersten Halbjahr zu schaffen, aber nachdem sich die Aufregung um das Brexit-Votum gelegt hatte, bauten sie ihr Brutto-Exposure wieder auf und machten vorherige Verluste nach und nach wett, insbesondere als sich nach dem Sieg von Donald Trump einige Sektoren erholten. Das November-Geschehen hat den Marktausblick neu gestaltet. Nun sieht es für Long/Short-Aktien besser aus. Zuallererst dürfte das Abrücken von einem QE-getriebenen Marktumfeld bei steigenden Zinsen das aktive Management und Short-Positionen begünstigen. In den USA deuten Korrelations- und Streuungsindikatoren vor einem günstigen binnenwirtschaftli- chen Hintergrund auf ein gutes Umfeld für Stock-Picking hin, während eine Lockerung der Regulierung bestimmte Sektoren wie Gesundheit und Finanzen beflügeln könnte. In Europa rechnen wir wegen des politischen Geschehens und fehlender Stabilität im Bankensektor mit weiterhin volatilen Märkten. Beide Regionen können unseres Erachtens daher attraktive Anlagegelegenheiten für beide Seiten der Hedgefondsbücher bieten, zumal Long- und Short-Positionen weniger überlaufen und bereits konsenskonform scheinen. Derzeit haben wir Long/Short-Aktien in unserem Portfolio übergewichtet. Unterstützung für die Strategie könnte von der Rückkehr der Aktienmärkte zu den Fundamentaldaten, von der Streuung unter den Sektoren oder Faktoren und technologischen Brüchen infolge langfristiger Trends kommen. Gegenwind droht durch die Umsetzung der Politik von Donald Trump, hohe Bewertungsniveaus und vermehrte Volatilität infolge der KGV-Expansion/-Kompression, wenn die Stimmung zwischen Erwartung höheren Wachstums und Sorgen wegen eines zu schnellen Zinsanstiegs schwankt. Wir streben daher eine vorsichtige Kapitalallokation im Long/ Short-Bereich an und bevorzugen flexible Generalisten und Sektorspezialisten, die Regime mit vermehrter Streuung und Volatilität nutzen können. PERSPEKTIVEN SONDERAUSGABE JANUAR/FEBRUAR 2017 ALTERNATIVE ANLAGEN Private Debt liebäugelt mit Immobilienfinanzierung ii. NICOLAS CAMPICHE Chief Executive Officer Pictet Alternative Advisors Angesichts der Sorgen über Illiquidität in einigen Marktbereichen könnten Strategien mit Fokus auf Distressed Debt und Immobilienfinanzierung Chancen bieten. N ach rekordhohen Mittelzuflüssen in Private-Debt-Strategien im Jahr 2015 von fast USD 100 Milliarden waren es 2016 laut Datenanbieter Preqin mit geschätzten USD 74 Milliarden wieder weniger. Mezzanine-Fonds erhielten die meisten Gelder, dicht gefolgt von Direct-Lending- und Distressed-Strategien (siehe Grafik). Die meisten Vehikel am Markt bleiben Fonds für direkte Privatkredite – ein Hinweis auf die Aktualität der Themen Knappheit von Darlehenskapital und Disintermediation infolge einer Flut neuer Regulierungen, die immer strengere Grenzen für Verschuldung und Kapitalreserven traditioneller Geldgeber (Banken und Versicherungen) festlegen. Am liquidesten Ende des Distressed-Spektrums begegnen wir immer wieder ähnlichen Fällen: Positionen, die aus der globalen Finanzkrise stammen, beherrschen das Chancenuniversum (isländische Banken, Lehman Brothers, Staatsanleihen Griechenlands…). Das Wirtschafts- wachstum bleibt gering, und wir befinden uns wahrscheinlich im späten Konjunkturzyklus. Überdies wird eine rekordhohe Summe der Märkte für gehebelte Kredite von Vehikeln mit täglicher Liquidität kontrolliert, während die Bestände von Brokerhändlern auf Tiefstständen sind und die Liquidität an diesen Märkten höchst begrenzt ist. Dies könnte sich als gefährliche Konstellation erweisen, wenn Anleger in hochverzinslichen und gehebelten Krediten beschliessen, dass sie alle zusammen ihr Geld zurück wollen. So könnten die Marktkurse im Vergleich zur fundamentalen Position der zugrunde liegenden Emittenten erheblich verzerrt werden. Zudem ist die US-Unternehmensverschuldung besonders hoch, wenn man sie mit Phasen unmittelbar vor den letzten zwei Abschwüngen vergleicht. Der Hebel konzentriert sich interessanterweise nicht nur auf den Energiesektor – mehr als 40% der Anleihen in fast jedem hochverzinslichen Sektor übersteigen einen Hebel NEUE GELDER IN PRIVATE DEBT PRO JAHR WELTWEIT, 2010 - 2016 180 Zahl der geschlossenen Fonds Neue Gelder insgesamt (Mrd. USD) 160 154 152 138 140 120 100 80 97 85 96 78 75 74 62 60 40 119 110 41 47 20 0 2010 2011 2012 2013 2014 Neue Gelder insgesamt (Mrd. USD) 18 19 2015 2016 Quelle: Preqin von Sechs. Das Volumen der von hoch verschuldeten Unternehmen wie diesen aufgelegten Hochzinsanleihen hat sich seit 2011 mehr als verdoppelt. Bisher konnten Distressed-Manager in einem Umfeld steigender Zinsen, in dem Ausfälle gewöhnlich zunehmen, stets starke Performance-Werte vorweisen. Wir begünstigen weiterhin Manager mit langjähriger Erfahrung, starker Finanzierungsfähigkeit und globaler Reichweite, die die Anlageklasse wechseln können (von Anleihen zu Aktien nach Reorganisation). „Positionen, die aus der globalen Finanzkrise stammen, beherrschen das Chancen-Spektrum.“ Die Gelegenheit, die wir heute weiterhin ganz besonders interessant finden, ist die Immobilienfinanzie- rung. Die Kreditvergabe kann nicht mit den Fälligkeiten Schritt halten, denn die Liquidität ist wegen der wenigen Geldgeber unzureichend. Das Gesamtvolumen neu ausgegebener Kredite bleibt unter dem Vorkrisenniveau, trotz eines hohen Geschäftsvolumens bei Gewerbeimmobilien. Dank einer drohenden Schuldenwand (etwa USD 1,4 Bio. an Krediten für Gewerbeimmobilien werden 2016-19 fällig) scheinen alle Voraussetzungen gegeben, damit Immobilienkreditstrategien 2017 attraktiv bleiben. Schuldenschwund führte auch zu einer solideren Struktur von eigen-/ fremdfinanzierten Investitionen. Die Kapitalstruktur einer Immobilienanlage bietet Anlegern einen verbesserten Sicherheitenpuffer und höhere Renditen (Gesamt- oder nachrangige Darlehen) auf einer Anlage, die auch eine Fair-Value-Beurteilung hatte. Uns gefallen vor allem erfahrene Immobilienkreditgeber, die Darlehen mit erstklassigen Sicherheiten schaf- fen, einrichten und verkaufen können. Die Attraktivität dieser Strategie rührt vom voraussichtlich regelmässigen Einkommen, rascher Rückzahlung und Kapitalwertsteigerung in Verbindung mit einer soliden Sicherheit her. Beste Gelegenheiten bieten wohl Mezzanine (die niedrigsten und damit risikoreichsten Schuldentranchen bieten einige der höchsten Coupons am Markt, derzeit etwa 11%) und vorrangige Schuldentranchen (meist durch ein erstrangiges Pfandrecht an der zugrundeliegenden Immobilie besichert, derzeit mit Coupons von etwa 6%). Anleger können von einer Reihe von Ertragsquellen profitieren, darunter Anfangsgebühren, laufende Coupons, Sachleistungen und Aktienoptionen. WAS WÄRE, WENN … .... in Europa alles schief ginge? NADIA GHARBI Trotz einiger Anzeichen für Wirtschaftsdynamik gibt es 2017 viele Gefahren. Europa-Ökonomin Pictet Wealth Management E uropa machte 2016 ein turbulentes Jahr durch: Brexit-Votum im Vereinigten Königreich, Ablehnung des Verfassungsreferendums in Italien, steigende Unterstützung für die Parteien am äusseren rechten Rand in einigen Ländern und Konsolidierung neuer Kräfte ausserhalb des politischen Mainstream. Die politische Ungewissheit erreichte gemäss dem „Economic Policy Uncertainty Index“ (siehe Grafik) Rekordhochs. 2017 werden politische Ereignisse weiter das beherrschende Thema in Europa sein. In mindestens drei Ländern der Euro-Zone finden Wahlen statt und die Briten haben vor, spätestens Ende März mit den offiziellen Brexit-Verhandlungen zu beginnen. In den Niederlanden, Frankreich und Deutschland wird dieses Jahr gewählt und in Italien mit vorgezogenen Wahlen gerechnet. Nach den US-Wahlen im November und dem Brexit-Votum letzten Juni rechnen nun viele Beobachter auch bei den bevorstehenden europäischen Wahlen mit der Möglichkeit einer „populistischen Welle“. Denn auf beiden Seiten des Atlantiks sind ähnliche Bedenken über Globalisierung, Immigration, Sicherheit und soziale Ausgrenzung PERSPEKTIVEN SONDERAUSGABE JANUAR/FEBRUAR 2017 zutage getreten. Auch wenn in den meisten Ländern wahrscheinlich weiterhin traditionelle (aus Koalitionen zusammengesetzte) Regierungen an der Macht bleiben werden, dürfen die Risiken von weniger marktfreundlichen Ergebnissen nicht unterschätzt werden. Unser wenig wahrscheinliches Alternativszenario (wohlgemerkt nicht unser Hauptszenario), das durch hohes Risiko gekennzeichnet ist, sieht folgendermassen aus: Bei den Parlamentswahlen in den Niederlanden im März verhelfen die niederländischen Wähler – inspiriert von Donald Trumps Triumph – der Partei für die Freiheit von Geert Wilders zum Sieg und sprechen sich damit gegen Immigration, die EU und das Establishment aus. Im Mai gewinnt die rechtsextreme Kandidatin Marine Le Pen die französischen Präsidentschaftswahlen und entscheidet schnell, bis Ende 2017 ein Referendum über den Austritt aus der EU abzuhalten. Im Laufe des Jahres kommt in Italien vor dem Hintergrund schwachen Wirtschaftswachstums die gegen das Establishment gerichtete Fünf-Sterne-Bewegung an die Macht und fordert ein (nicht bindendes) Referendum, um aus der Einheitswährung auszutreten. Im Oktober gelingt es Angela Merkel bei der Bundestagswahl nicht, sich eine vierte Amtszeit zu sichern. „Marine Le Pen wird französische Präsidentin und organisiert ein Referendum zur EUMitgliedschaft.“ In der Zwischenzeit führen in Griechenland die fehlenden Zugeständnisse der europäischen Gläubiger beim Schuldenerlass dazu, dass die Unterstützung für die Regierung von Alexis Tsipras in der Bevölkerung weiter sinkt und somit das Risiko für vorgezogene Wahlen 2017 steigt. Portugal verliert aufgrund von schwachem Wirtschaftswachstum und der Abweichung von fiskalpolitischen Zielen sein einziges verbleibendes Investment-Grade-Rating für Staatsan- 20 21 ECONOMIC POLICY UNCERTAINTY INDEX 300 250 200 150 100 50 0 97 98 99 00 01 02 03 04 05 06 07 08 09 10 11 12 13 14 15 16 17 Quelle: Pictet WM – AA&MR, PolicyUncertainty.com leihen, so dass die Papiere des Landes im Rahmen des EZB-Anleihekaufprogramms nicht mehr berücksichtigt werden können. In Spanien ringt die Minderheitsregierung von Mariano Rajoy mit der Umsetzung neuer Reformen und kippt zudem bereits beschlossene Reformen. Zudem steigen die politischen Spannungen zwischen den regionalen und der nationalen Regierung, was dazu führt, dass Katalonien ein Unabhängigkeitsreferendum abhält. Der Sieg der Separatisten schwächt den bereits fragilen institutionellen Rahmen der EU weiter. Weiter im Norden steigt die Ungewissheit rund um den Brexit, was im Laufe des Jahres zu Verunsicherung in Europa führt. Um sich eines breiteren Mandats durch die Öffentlichkeit zu versichern und zu erreichen, dass ein neues Parlament ihre Idee des Brexit unterstützt, ruft die Premierministerin des Vereinigten Königreichs Theresa May vorgezogene Neuwahlen aus. Das Austrittsverfahren wird dadurch verlängert und Artikel 50 kann erst nach März ausgelöst werden. Das Ergebnis ist ein stärker anti-europäisch ausgerichtetes Parlament, wodurch die Wahrscheinlichkeit eines sogenannten harten Brexit noch steigt. LÄNDER KONZENTRIEREN SICH AUF SICH SELBST Die Wirtschaft trägt aufgrund der möglicherweise lang anhaltenden hohen politischen Ungewissheit Schaden davon. Investitionen und Konsum sinken. Es werden keine neuen Reformen mehr umgesetzt, was Europas mittelfristiges Wachstumspo- tenzial weiter belastet. Die Renditen von Staatsanleihen steigen und lassen wieder Bedenken zur Tragfähigkeit der Schulden aufkommen. Länder mit einem strikten fiskalpolitischen Ansatz setzen sich für eine restriktivere Fiskalpolitik ein, was dem Wachstumspotenzial noch mehr zusetzt. Infolge des Siegs von einwanderungskritischen Parteien werden interne Grenzkontrollen wieder eingeführt und damit eine der grundlegenden Säulen der europäischen Einheit gefährdet: die Personenfreizügigkeit. Der Trend zu mehr Nationalismus und weniger Europa etabliert sich. Der steigende Druck auf den italienischen Banksektor droht sich schliesslich zu einer weiteren Systemkrise zu entwickeln. Das Rettungspaket in Höhe von 20 Mrd. Euro stellt sich als unzureichend für die Kapitalbedürfnisse der Banken heraus und die italienische Übergangsregierung tut sich schwer damit, eine Lösung zu finden. Spannungen zwischen Brüssel und Rom steigen, da die grössten EU-Länder Italien in diesem Wahljahr keine grossen Zugeständnisse machen dürften. Gott sei Dank ist dieses katastrophale Szenario ziemlich unwahrscheinlich ... EUR 20 Mrd. Höhe des Rettungspakets für italienische Banken WAS WÄRE, WENN … … Schulden und Trump China bedrohen? DONG CHEN Senior-Ökonom für Asien Pictet Wealth Management Einen Absturz des chinesischen Wirtschaftswachstums auf unter 6% sieht unser Hauptszenario für 2017 nicht vor, doch auszuschliessen ist er angesichts der zunehmenden Probleme Chinas nicht. D ie enormen Schulden, die China seit der globalen Finanzkrise angehäuft hat, sind für das Land kurzfristig weiterhin die grösste Herausforderung. Unseren Schätzungen zufolge stieg Chinas Schuldenquote von Ende 2008 bis zum dritten Quartal 2016 von 145% auf 261% des BIP an (siehe Grafik). Fast die Hälfte dieser Schulden, etwa RMB 86,8 Billionen (USD 12,6 Billionen) entfällt auf Nicht-Finanzunternehmen, doch schneller wächst die Verschuldung der Finanzunternehmen und Privathaushalte. Mit dem starken Kreditwachstum gehen verschiedene Ungleichgewichte einher, darunter Überkapazitäten in der Schwerindustrie, eine Immobilienblase und explosives Wachstum im Schattenbankwesen. Die oberste Führung des Landes erliess vor Kurzem umsichtige und neutrale geldpolitische Leitlinien für 2017, in denen die Begrenzung von finanziellen Risiken und Vermögensblasen als vorrangig gilt. Parallel dazu wurden Massnahmen zur Abkühlung des Immobilienmarkts ergriffen, und die People’s Bank of China (PBoC) liess einen Anstieg des Geldmarktsatzes zu, um Hebel im Anleihemarkt zu erschweren. In diesem Zusammenhang besteht wenig Aussicht auf eine Lockerung der Geldpolitik durch die PBoC im Jahr 2017. „Eine starke Korrektur am Wohnungsmarkt könnte Chinas Wachstum 2017 ernsthaft belasten.“ Höhere Zinsen und rückläufiges Kreditwachstum werden Chinas Wachstum 2017 fast zwangsläufig dämpfen. Die Immobilienblase, die sich durch den Anstieg der Immobilienpreise 2016 weiter aufblähte, wird immer schwerer zu halten sein, da sich mögliche Käufer zurückhalten. Eine starke Korrektur am Wohnungsmarkt, in einigen chinesischen Städten nicht undenkbar, könnte Chinas Wachstum 2017 ernsthaft belasten, wenn der Wohnungsbau schwächelt. Im Worst-Case-Szenario könnte – ange- ZUNAHME DER CHINESISCHEN VERSCHULDUNG, 1996 - 3. QUARTAL 2016 Page 15 Anteil am BIP in % Kommunen Zentralstaat Privathaushalte 250 Finanzunternehmen Nicht-Finanzunternehmen 200 150 100 50 0 97 99 01 03 05 07 09 11 13 15 Quelle: Pictet WM – AA&MR, PBoC, National Bureau Statistics of China PERSPEKTIVEN SONDERAUSGABE JANUAR/FEBRUAR 2017 sichts der zentralen Rolle der Immobilien bei der Kreditschöpfung in China – ein Einbruch der Immobilienpreise sogar zu einer Finanzkrise führen. PROBLEMFALL TRUMP Aussenpolitisch dürfte China 2017 aufgrund der potenziellen protektionistischen Massnahmen der neuen Trump-Regierung Probleme bekommen. Im Wahlkampf kritisierte Trump wiederholt, Chinas unfaire Handelspolitik sei für Jobverluste in der US-Industrie verantwortlich. Er drohte an, China zum Währungsmanipulator zu erklären und Strafzölle auf chinesische Waren zu verhängen. Trump hat mehrere wichtige Regierungsmitglieder ernannt, die für ihre negative Einstellung zu Chinas Handelspraktiken bekannt sind. Peter Navarro, Autor des Buches Death by China: How America Lost Its Manufacturing Base, soll den Nationalen Handelsrat des Weissen Hauses leiten. Robert Lighthizer, ein erfahrener Jurist, der lange Zeit die US-Stahlindustrie in Handelsprozessen (in vielen Fällen gegen China) vertrat, wurde zum Handelsbeauftragten der Vereinigten Staaten ernannt. Angesichts der protektionistischen Einstellung Trumps halten wir es für sehr wahrscheinlich, dass die USA mehr Antidumpingverfahren gegen China einleiten werden und manche Exporte Chinas in die USA mit hohen Zöllen belegt werden könnten. Darüber hinaus hat Trump signalisiert, er wolle mit sensiblen Themen wie Taiwan versuchen, China zu weiteren Zugeständnissen im Handel zu zwingen. Mit seinen jüngsten Äusserungen zu Taiwan, die die Ein-China-Politik in Frage stellen, weicht er stark von dem diplomatischen Rahmen ab, der unter Präsident Nixon vor über vier Jahrzehnten festgelegt wurde. Änderungen an der diplomatischen Front könnten sich negativ auf Verfasser: Christophe Donay, Alexandre Tavazzi, Bernard Lambert, Dong Chen, Jean-Damien Marie, Jacques Henry, Luc Luyet, Nadia Gharbi, Lauréline Chatelain, Frederik Ducrozet, Dong Chen Redaktionsteam: Aidan Manktelow, Kalina Moore, Isidore Ryan Redaktionsschluss: 20. Januar 2017 Übersetzung: Holger Albrecht, Juliette Blume, Anita Waser Layout: Production Multimédia Pictet Papier: Gedruckt auf FSC-zertifiziertem Papier. Haftungsausschluss: Diese Marketingmitteilung ist nicht für die Verteilung an oder die Verwendung durch Personen oder Einheiten bestimmt, die die Staatsangehörigkeit von oder den Wohn- oder Geschäftssitz an einem Ort, in einem Staat, Land oder Gerichtskreis haben, in dem eine solche Verteilung, Veröffentlichung, Bereitstellung oder Verwendung gegen Gesetze oder andere Bestimmungen verstösst. Die Informationen, Daten und Analysen in diesem Dokument dienen lediglich der Information. 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Die chinesischen Behörden dürften dank ihrer starken Kontrolle über das Finanzsystem in der Lage sein, Chinas Schuldenprobleme kurzfristig in den Griff zu bekommen, und die Trump-Regierung wird aufgrund politischer Zwänge möglicherweise nicht alle protektionistischen Massnahmen umsetzen, die im Wahlkampf angedroht wurden. Die Risiken dürfen wir jedoch nicht allzu leicht abtun. Wir müssen die Ereignisse in China beobachten und bereit sein, unsere Portfolios so zu positionieren, wie die Bedingungen es erfordern. aktualisieren und auf dem neuesten Stand zu halten. Die eventuell im vorliegenden Dokument erwähnten Wertangaben und Erträge von einem oder mehreren Wertpapieren oder Finanzinstrumenten beruhen auf Börsenkursen aus üblichen Quellen für Finanzinformationen und können sinken oder steigen. 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