Konstitutionsbedingungen und Dynamik (Performanz

Prof. Dr. Burkhard Müller ● Universität Hildesheim
Prof. Dr. Werner Thole ● Universität Kassel
Dr. Peter Cloos ● Universität Kassel
Stefan Köngeter ● Universität Hildesheim
Zwischenbericht des DFG-Forschungsprojektes
Konstitutionsbedingungen und Dynamik (Performanz)
sozialpädagogischen Handelns in der
Kinder- und Jugendarbeit
Kassel und Hildesheim im September 2005
Inhaltsverzeichnis
Zusammenfassung ..................................................................................................... 5
1
Einleitung........................................................................................................... 9
2
Methodologischer Zugang und methodisches Vorgehen................................12
2.1 Ethnographie, Triangulation und »sensitizing concepts« ...............................................12
2.2 Ethnographische Praxis.......................................................................................................14
3
Ergebnisse.........................................................................................................18
3.1 Die Herstellung von Zugehörigkeit...................................................................................18
3.1.1
3.1.2
3.1.3
3.1.4
Der Eintritt in das Jugendhaus.....................................................................................................21
Zugehörigkeit als Schlüsselkategorie ...........................................................................................23
Gemeinschaft – Begrüßungen unter Jugendlichen ...................................................................25
Dispositive des Eintritts und ihre Regulierungen .....................................................................26
3.2 Erste Verdichtung: Die sozial-pädagogische Arena ........................................................29
3.3 Konstitutive Handlungsbögen............................................................................................34
3.3.1
3.3.2
3.3.3
3.3.4
Alltägliche Kommunikationen und ihre Modulation................................................................34
Knappe Modulationen...................................................................................................................38
Übergang und Transformation ....................................................................................................41
Zusammenfassung..........................................................................................................................42
3.4 Zweite Verdichtung: Die Herstellung von Konsens und Beziehung ...........................45
3.5 Dritte Verdichtung: Konstitutive Regeln und paradoxale
Handlungsanforderungen....................................................................................................51
3.5.1
3.5.2
3.5.3
3.5.4
Die Sparsamkeitsregel....................................................................................................................52
Die Mitmachregel ...........................................................................................................................55
Die Sichtbarkeitsregel ....................................................................................................................58
Der Zentrale Handlungstypus ‚Andere(r) unter Gleichen‘......................................................61
Literatur ...........................................................................................................................................64
4
Anhang ..............................................................................................................70
4.1 Hinweise zur Transkription der Protokolle Teilnehmender Beobachtungen..............70
4.2 Hinweise zur Zitationsweise der Protokolle.....................................................................70
Zusammenfassung
5
Zusammenfassung
Der Zwischenbericht dokumentiert und resümiert die bis Mitte September 2005 vorliegenden Ergebnisse des Projektes »Konstitutionsbedingungen und Dynamik (Performanz)
sozialpädagogischen Handelns in der Kinder- und Jugendarbeit« in gebündelter Form auf
zwei Ebenen. Erstens wird das im Antrag referierte methodische Design der Studie auf
Basis der Feldpraxis und der hermeneutischen Arbeit am Material kritisch betrachtet (1).
Zum zweiten können erste, hier generalisierend angelegte Ergebnisse zu der Frage skizziert werden, wie sich die Kinder- und Jugendarbeit als sozialpädagogisches Handlungsfeld
unter der Bedingung von Freiwilligkeit herstellt. Die referierten Befunde stellen die Kinder- und Jugendarbeit als eine sozial-pädagogische Arena vor, die sich über die Herstellung
von Zugehörigkeit konstituiert, die in den Alltagsszenarien aufrechterhalten, stabilisiert
und moduliert wird und in der die PädagogInnen sich als »Andere unter Gleichen« durch
ihre Interaktionen und Intervention unter Einhaltung konstitutiver Regeln platzieren (2).
(1) Insgesamt dokumentiert das im Forschungsprozess entwickelte methodische Design eine innovative Variante der ethnographischen Methodentriangulation, die insgesamt
einen Beitrag zur Weiterentwicklung der Forschungsmethoden und -methodologie im
Kontext von Sozialpädagogik und Erziehungswissenschaft leisten kann. Das bislang vorliegende, schwerpunktmäßig biografisch angelegte Design professionsbezogener Studien
wurde um eine ethnographische Perspektive erweitert. Diese Perspektive erlaubt es, die
performative Herstellung von pädagogischen Handlungsfeldern in ihren Konstitutionsbedingungen zu rekonstruieren. Mit anderen Worten: Der ethnographische Zugang ermöglicht die empirisch dichte Beschreibung der feldkonstitutiven Regeln und Strukturmerkmale, der spezifischen Interaktionsrahmungen des Feldes und der dort vorzufindenden professionellen Anforderungen und Handlungsparadoxien. Dieser Feldzugang, der sich im
Forschungsantrag dezidiert entfaltet findet, konnte auf Basis der praktischen Feldforschung und einer intensiven Auf- und reflexiven Nachbearbeitung forschungsmethodisch
verfeinert sowie hinsichtlich der materialbezogenen Formen der Rekonstruktion neu modelliert werden. Sowohl die transkribierten ethnographischen Gespräche und leitfadengestützten Interviews, die aufgezeichneten Besprechungen der pädagogischen Teams wie
auch die Beobachtungsprotokolle der Felderkundungen wurden sequenzanalytisch rekonstruiert. In Bezug auf die hermeneutische Aufschließung der Beobachtungsprotokolle
wurden sowohl die Konstruktionsleistungen der Protokollanten wie auch das notierte Geschehen im Feld Gegenstand der Rekonstruktionen. Hierüber konnte die Konstruktion
des Feldes in einer doppelten Perspektive nachgezeichnet werden. Die sequenzanalytische
Rekonstruktion von Protokollen Teilnehmender Beobachtung scheint aus unserer Perspektive und vor dem Hintergrund unserer Erfahrungen eine Bereicherung ethnografischer Forschungspraxis darzustellen.
6
Performanz der Kinder- und Jugendarbeit
(2) Als Schlüsselkategorie unserer empirischen Arbeit hat sich der Begriff der »sozialpädagogischen Arena« herausgestellt, entlang dessen die pädagogischen Prozesse und der Alltag in der Kinder- und Jugendarbeit empirisch dicht beschrieben werden können. Die Kategorie »Arena« könnte zunächst als einfacher Hinweis auf die räumlichen Bedingungen
der Kinder- und Jugendarbeit aufgefasst werden. In dezidierter Abgrenzung zu einem verdinglichten Raumbegriff muss jedoch die Arena als ein Handlungsraum verstanden werden, der nicht primär über territoriale-architekturale Grenzen, sondern performativ hergestellt, also »erhandelt« wird (vgl. dazu auch Löw 2001; Reutlinger 2003; Werlen 2000). Die
»sozial-pädagogische Arena« der Kinder- und Jugendarbeit benennt einen Handlungsraum,
in dem vielfältige, wenn auch nicht unbegrenzte Arten der pädagogisch inszenierten wie
auch der alltagsinszenierenden Nutzung möglich sind. Der Begriff legt Analogien zu
Marktplätzen, Fußgängerzonen, Shopping-Malls nahe, die ihren Zweck gerade dadurch erfüllen, dass sie die angestrebten NutzerInnen nicht auf die erwünschten Funktionen hin
kontrollieren, zumindest vielfältige, andersartige Nutzungen zulassen. Jenseits gängiger Bestimmung der Kinder- und Jugendarbeit als offener und diffuser Raum wird die »sozialpädagogische Arena« hier als eine Klammer verstanden, in der performativ festgelegt ist
und wird, nach welchen Regeln und in welcher Geordnetheit gehandelt wird.
Mit der methodisch kontrollierten, empirisch dichten Beschreibung des Handlungsraums der Kinder- und Jugendarbeit, der nicht alleine durch ein Zur-Verfügung-Stellen
von Räumen entsteht, wird in diesem Projekt Neuland betreten. Es werden die verallgemeinerbaren Merkmale der »sozial-pädagogischen Arena« und die konkrete performative
Herstellung dieses »Raumes« dargelegt. In der »sozial-pädagogischen Arena« als Aufführungsort und Zuschauerraum spielt unter den Bedingungen von Diskontinuität die Ermöglichung einer besonderen Art von »Zugehörigkeit« zu einer sozialen Sphäre eine besondere
Rolle. Kinder- und Jugendarbeit als performative Herstellung einer »sozial-pädagogischen
Arena« und als Herstellung von »Zugehörigkeit« sind komplementäre Bestimmungen, die
sich wechselseitig präzisieren, und nicht als bloße Rahmenbedingungen oder als konzeptioneller Sockel gelten können. Die Herstellung der »sozial-pädagogischen Arena« über die Ermöglichung der Herausbildung von Zugehörigkeit wird nachfolgend verdeutlicht (vgl. Kap. 3.1 u. 3.2).
In dieser Weise unterscheidet sich die Kinder- und Jugendarbeit grundlegend von anderen pädagogischen Handlungsfeldern. Somit verzichtet unser empirischer Zugriff auf
die Kinder- und Jugendarbeit auf die etwa im schulpädagogischen Forschungsbereich
selbstverständliche Prämisse einer klaren Unterscheidung zwischen dem Unterricht auf der
einen Seite und dem Verfügbar-Sein und Ausstatten von Räumen sowie der Sicherung der
physischen Präsenz von SchülerInnen als Herstellung von Rahmenbedingungen auf der
anderen Seite. Die schulpädagogische und forschungsbezogene Schwerpunktsetzung auf
die performative Bildung von Gemeinschaften unter den SchülerInnen lässt bislang die
Chancen für die Rekonstruktion eines entsprechenden »liminalen« Handlungstypus auf
Zusammenfassung
7
Seiten der LehrerInnen ungenützt. Die Rekonstruktion pädagogischen Handelns in den
Arenen der Kinder- und Jugendarbeit könnte daher neue Impulse für eine Forschung nach
den Bedingungen und Möglichkeiten innerhalb der Schule und bei der Kooperation der
beiden Institutionen Kinder- und Jugendhilfe mit Schule eröffnen.
Kinder- und Jugendarbeit als spezifischer Handlungstypus erfordert zunächst, dass die
MitarbeiterInnen als »Andere unter Gleichen« an den alltäglichen Kommunikationen der
Jugendlichen teilnehmen. Sie sind jedoch herausgefordert, durch Modulationen das Geschehen ständig auf Basis eines jeweiligen working consensus zwischen PädagogInnen und
BesucherInnen neu zu rahmen und auszuhandeln, was als nächstes geschieht. Die entsprechenden Interaktions- und Rahmungsprozesse beschreiben wir unter den Stichworten
»Modulationen«, »Transformationen« und »Übergänge« (vgl. Kap. 3.3), die zeigen, wie im
Gewande alltagskommunikativer Interakte pädagogisches Handeln vollzogen wird. Dabei
werden performativ die widersprüchlichen Handlungsanforderungen bearbeitet, die wir
unter der doppelten Bestimmung von Konsens und Beziehung (vgl. Kap. 3.4) begonnen
haben zu rekonstruieren. Ein Fazit dieser noch vorläufigen Ergebnisse ist, dass die Prozesse in der sozial-pädagogischen Arena keineswegs chaotisch und anarchisch, wie bisher unterstellt, laufen, sondern nach relativ klaren, wenn auch reflexiv häufig nicht rückgekoppelten und somit unthematisiert bleibenden »konstitutiven« Regeln, von denen wir bisher drei
näher identifiziert und näher beschrieben haben. Wir dokumentieren die mit diesen Regeln
verbundenen paradoxalen Anforderungen an das professionelle Handeln und verdichten
unsere empirischen Beobachtungen in der professionellen Herausforderung des »Anderen
unter Gleichen« (vgl. Kap. 3.5). Diese Figur erweist sich hier als für die Kinder- und Jugendarbeit spezifische Form der Bearbeitung des Spannungsverhältnisses zwischen diffusen und spezifischen Handlungserwartungen.
Wie im Arbeitsbericht und in diesem Bericht (vgl. Kap. 2) dargestellt, haben wir das
Arbeitsfeld Kinder- und Jugendarbeit im Sinne eines theoretical sampling breit abgebildet.
Statt diese Vielfalt in ihrer Breite zu rekonstruieren, verfolgen wir jedoch mit dem Begriff
der Konstitutionsbedingungen der Kinder- und Jugendarbeit vor allem das Ziel, die verbindenden Gemeinsamkeiten herauszuarbeiten. Die Konzentration darauf zwang uns allerdings
dazu, wichtige Aspekte, die uns das Material anbietet, zunächst zurück zu stellen. Dazu
gehört nicht nur der Verzicht darauf, unterschiedliche Typen oder Stile des Performativen,
auf die wir gestoßen sind, profilierend darzustellen, auch wenn die organisationskulturellen
und habituellen Unterschiede bei den Rekonstruktionen als Hintergrundfolie stetig Beachtung fanden. Wir konnten bisher auch die konstitutiven Merkmale und Typen von Arbeitsbündnissen zwischen PädagogInnen, Kindern und Jugendlichen, welche sich oft erst
mit dem Blick auf die längerfristigen Beziehungen erschließen, noch nicht empirisch dicht
beschreiben. Zu wenig Beachtung findet auch der Tatbestand, dass Kinder- und Jugendarbeit sich traditionell – und seit zwanzig Jahren auch in den Diskussionen zur außerschuli-
8
Performanz der Kinder- und Jugendarbeit
schen sozialpädagogischen Arbeit mit Kindern und Jugendlichen konzeptionell reflektiert
– in eine pädagogische Arbeit mit Kindern und eine Jugendarbeit gliedert. Dies wird im
erhobenen Material zwar sichtbar, aber nicht zum expliziten Gegenstand der Darstellung.
Der gleichzeitig eingereichte Ergänzungsantrag wendet sich speziell diesem Thema zu.
Einleitung
1
9
Einleitung
Die Kinder- und Jugendarbeit hat sich als außerschulisches Sozialisationsfeld in den letzten Jahrzehnten etabliert und verzeichnete bis Ende der 1990er Jahre trotz aller Krisenrhetorik eine quantitative Expansion und qualitative Ausdifferenzierung (vgl. Thole/ Pothmann 2005). Die Forschungs- und Wissenschaftslandschaft reagierte auf diese Entwicklung mit einer Diversifizierung theoretisch-konzeptioneller Ansätze, empirisch aber eher
auf der Ebene von Einzelstudien und Praxisreflexionen. Ein zentraler Topos, der in den
letzten Jahren den Diskurs in der Kinder- und Jugendarbeit beherrschte, war »informelle
Bildung« und die Frage, inwiefern die vermuteten Bildungsprozesse in der Kinder- und Jugendarbeit empirisch beschrieben und untersucht werden können (vgl. Rauschenbach u. a.
2004; Sting/ Sturzenhecker 2005). Trotz einiger Fortschritte in diesem Bereich blieben viele Fragen offen (vgl. Müller/ Schmidt/ Schulz 2005), insbesondere wie sich der pädagogische Handlungstypus der Kinder- und Jugendarbeit vom pädagogischen Handeln in anderen Handlungsfeldern (etwa der Schule) unterscheidet und worin möglicherweise der pädagogische Mehrwert der Kinder- und Jugendarbeit – angesichts des zunehmend an Fahrt
gewinnenden Ausbaus der Ganztagsschule – auch für die schulische Entwicklung besteht.
Ein Überblick über die Forschungslage in der Kinder- und Jugendarbeit weist auf ein
doppeltes Forschungsdefizit hin: Zum einen hat sich die sozialpädagogische Forschung in der
Kinder- und Jugendarbeit – jenseits von methodisch unzureichend kontrollierten Praxisbeschreibungen – zu wenig mit den pädagogischen Prozessen und mit den sie gestaltenden
PädagogInnen und AdressatInnen selbst auseinander gesetzt. Diese Forschungslücke korrespondiert zum anderen mit dem Defizit, dass der disziplinäre Diskurs über Aufgaben,
Möglichkeiten und Gestaltung von Kinder- und Jugendarbeit vorzugsweise normativ geführt wird, also vor allem das »Sollen«, kaum jedoch Bedingungen des »Könnens« entfaltet
wurden. Dementsprechend heterogen sind auch die theoretisch-konzeptionellen Entwürfe
der letzten Jahre, in denen Kinder- und Jugendarbeit eher als Flickenteppich »konzeptioneller Grundmuster« – etwa unter sozialräumlichen Vorzeichen (vgl. bspw. Deinet 1999;
Deinet/ Krisch 2002) oder als Beziehungsarbeit (vgl. bspw. Bimschas/ Schröder 2003) –
und variierender institutioneller Bestimmungsversuche erscheint (zusammenfassend Deinet/ Sturzenhecker 2005). Versuche, allgemeine Konstitutionsbedingungen von Jugendarbeit zu klären und empirisch zu erkunden, sind dagegen selten (vgl. Müller 2005).
In Großbritannien (Smith 2005, Jeff/ Smith 2002, Young 1999, Robertson 2005) ist jedoch ein stärkeres Bemühen spürbar, die konstitutiven Merkmale von Jugendarbeit als pädagogische Tradition der »informal education« (www. infed.org/ archives) herauszuarbeiten. Dieses wird insbesondere durch den stärkeren Legitimationsdruck neoliberaler Politik
herausgefordert. Um die empirische Erforschung steht es jedoch auch hier, ebenso wie in
anderen europäischen Ländern und den USA, nicht besser. Eine Ausnahme bildet hier die
10
Performanz der Kinder- und Jugendarbeit
Studie von Heath und McLaughlin (1993), die in der Tradition der chicago school
(vgl. Whyte 1996, Park u. a. 1926, Thrasher 1927) eine fünfjährige ethnographische Studie
über die Arbeit von youth clubs in drei us-amerikanischen Großstädten durchführten. Dabei untersuchten sie die Bedingungen, unter denen die Jugendlichen in youth clubs eine
protektive Identität entwickeln können. Trotz der umfassenden methodischen Anlage
bleibt auch in diesem Forschungsprojekt unbeantwortet, wie die youth worker konkret im
Alltag agieren, wie es ihnen gelingt, einen förderlichen sozialen Ort zu kreieren usw.
Dieses Forschungsdefizit berücksichtigend nimmt unser Projekt seinen Ausgang bei
der ethnographischen Rekonstruktion pädagogischer Handlungszusammenhänge von PädagogInnen und ihren AdressatInnen, um zeigen zu können, wie Kinder- und Jugendarbeit sich als institutionelles Feld im Zusammenwirken der beteiligten AkteurInnen konstituiert. Es konzentriert sich darauf, die empirisch beobachtbaren und rekonstruierbaren
Handlungen und Arbeitsbögen sowie die sich darauf aufbauende Generierung von Arbeitsbeziehungen zu rekonstruieren. Die Ergebnisse sollen schließlich als Elemente in einer Theorie (mittlerer Reichweite) verortet werden, die sich auf den pädagogischen Handlungstypus der Kinder- und Jugendarbeit bezieht. Die Vielfalt der einbezogenen Einrichtungen, Konzepte und individuellen Strategien dient uns zu deren empirischer Sättigung.
Mit der Schwerpunktsetzung auf die ethnographischen Beobachtungen wird dem Umstand Rechnung getragen, dass für das Feld der Kinder- und Jugendarbeit die »Schweigende Dimension des Sozialen« (Hirschauer 2002, S. 40) ein wichtiger Bestandteil der Konstitution von Kinder- und Jugendarbeit darstellt. Gleichzeitig wird hierdurch ermöglicht,
nicht – wie in dem überwiegenden Teil der empirischen Untersuchungen im Feld Sozialer
Arbeit (vgl. hierzu Cloos/ Thole 2005) – nur die Einschätzungen und die Deutungen zum
Handeln, sondern auch das Handeln selbst in den Blick zu nehmen. Der ethnographische
Zugang öffnete uns die Perspektive auf eine spezifische Performativität des Handelns in
den Arenen der Kinder- und Jugendarbeit, deren Bedeutung für die sozialpädagogische
Forschung erst seit Neuestem erkannt wird (vgl. Müller/ Schmidt/ Schulz 2005). Ergänzt
wurde der ethnographische Ansatz um Interaktionsanalysen der jugendkulturellen Sprechhandlungen, die die sprachliche Seite der inszenatorischen Konstitution dieses Handlungsfeldes berücksichtigt. Die zentrale Forschungsperspektive besteht daher darin, die performative Herstellung der Kinder- und Jugendarbeit und ihre konstitutiven Regeln registrierend und protokollierend festzuhalten und die selbstverständlichen Aufführungen und Praktiken, die auf
ein implizites Wissen und Können der Akteure verweisen, zu rekonstruieren. Diese Perspektive ist Richtschnur für den weiteren Forschungsprozess.
In sozialpädagogischer Perspektive hat das Projekt mit seinem methodischen Forschungszugang und seinen ersten Ergebnissen bereits einen substanziellen Beitrag zu einer
Einleitung
11
empirisch gehaltvollen Beschreibung des Handlungstypus der Kinder- und Jugendarbeit1
und der Weiterentwicklung einer Theorie der Kinder- und Jugendarbeit geleistet. Darüber
hinaus aber visiert es auch einen Beitrag für die Entwicklung einer sozialpädagogischen
Professionsforschung an, deren Konzentration auf die in Interviews vermittelten Deutungsmuster der Professionellen sich als gravierender Mangel erweist (Cloos/ Thole 2005;
Schweppe/ Thole 2005).
Aus diesen hier zusammenfassend dargestellten Überlegungen haben sich im Forschungsprozess datenbegründet folgende Beobachtungs- und Analyseschwerpunkte als
zentral herauskristallisiert:
• Die sozial-pädagogische Arena: Anfangs- und Beendigungssituationen verweisen in besonderer Weise auf die Konstitution dieses Gesamtrahmens und die Herstellung von Zugehörigkeit zu den Arenen der Kinder- und Jugendarbeit (Kap. 3.1). Das pädagogische Handeln in der Kinder- und Jugendarbeit findet unter der Beobachtung aller Akteure innerhalb eines Rahmensystems statt, deren zentrale Dimensionen wir entlang des Begriffs der Arena entfalten (Kap. 3.2).
• Die Handlungsbögen der jugendlichen und erwachsenen AkteurInnen: Dabei werden in
einer für die Kinder- und Jugendarbeit spezifischen Art und Weise Interaktionsrahmen
konstituiert, moduliert, reguliert und gebrochen (Kap. 3.3).
• Die Typen von working consensus: Kinder- und Jugendarbeit kennzeichnet sich durch eine
komplexe Aufschichtung und Relationierung von Arbeitsbeziehungen zwischen Kindern, Jugendlichen und PädagogInnen (Kap. 3.4).
• Die konstitutiven Regeln und ihre paradoxalen Handlungsanforderungen: Das pädagogische
Handeln in der Kinder- und Jugendarbeit ist trotz seiner Heterogenität bestimmt durch
konstitutive Regeln, die auf die Bearbeitung paradoxaler Handlungsanforderungen verweisen
(Kap. 3.5).
Zunächst aber sollen noch einige methodologische Konsequenzen aus dieser Gegenstandsbestimmung erläutert werden.
1
Zur besseren Lesbarkeit wird hier der Terminus Kinder- und Jugendarbeit verwendet, auch wenn sich die
empirischen Beobachtungen und die Ergebnisse ausschließlich auf die außerschulische Pädagogik mit Kindern und Jugendlichen in Kinder- und Jugendzentren, -häusern und -clubs beziehen.
12
Performanz der Kinder- und Jugendarbeit
2
Methodologischer Zugang und methodisches Vorgehen
2.1
Ethnographie, Triangulation und »sensitizing concepts«
Im Zuge der Forschungspraxis erwies sich die Ethnographie als grundlegendes Forschungsprogramm. Hierin wurde eine Triangulation unterschiedlicher Erhebungsmethoden eingebunden2, im Gegensatz zu einer Methodentriangulation, die darauf setzt, die verschiedenen Perspektiven der im Feld beteiligten Akteure durch unterschiedliche Erhebungsverfahren – wie bspw. Interviews, Gruppendiskussionen – kontrastierend zu erheben. Schon früh zeigte sich in den ethnografisch erhobenen Feldprotokollen, dass hierin
die jeweiligen Perspektiven und Handlungsmuster der FeldteilnehmerInnen (Professionelle, Kinder und Jugendliche, Teilnehmende Beobachter) als performative Praxis aufgehoben und darin sowohl in ihrem Eigensinn als auch in ihrer gegenseitigen Beeinflussung rekonstruierbar sind. Somit konnten diese auch nicht als separate Handlungsmuster, die im
Feld »aufeinander treffen«, erfasst werden. Erst der ethnographische Zugang, wie er im
Folgenden skizziert wird, ermöglicht deshalb die Rekonstruktion des pädagogischen Alltags in der Kinder- und Jugendarbeit. Die Ausweisung der Ethnographie als zentrale Forschungsstrategie des Projektes war die forschungslogisch notwendige Anpassung an den
Forschungsgegenstand und beinhaltete die Schwerpunktlegung auf die Teilnehmende Beobachtung unter Hinzuziehung von ethnographischen Interviews mit Professionellen,
Kindern und Jugendlichen sowie unter Erhebung von registrierenden Daten von Interaktionen zwischen Professionellen, Kindern und Jugendlichen und von Teamsitzungen. Diese Anpassung erwies sich als notwendig, nachdem sich zum einen Schwierigkeiten zeigten,
(narrative) Interviews und auch Gruppendiskussionen mit Kindern und Jugendlichen zu
initiieren und durchzuführen. Hier wurde rasch deutlich, dass vieles, was angefragt wurde,
der jeweiligen Altersstufe und den habituellen Dispositionen entsprechend nur bedingt
oder nur eingeschränkt und häufig nur sehr knapp und kaum narrativ beantwortet werden
konnte (vgl. u. a. Heinzel 2000; Bourdieu 1997). Zum anderen erwies sich die Kinder- und
Jugendarbeit als ein Feld, in dem die dort vorzufindenden Interaktionsregeln, -gattungen
und -stile als jugendlich geprägte Kommunikationskulturen mit hohem Grad an performance-Aspekten erscheinen (vgl. auch Deppermann/ Schmidt 2003). Auch dies legte nahe,
die Vorteile einer Ethnografie zu nutzen, die Klaus Amann und Stefan Hirschauer (1997,
2
Zunehmend wird der Begriff der Teilnehmenden Beobachtung durch den Begriff Ethnografie abgelöst. Damit gehen »veränderte konzeptionelle Akzentsetzungen einhergehen« (Lüders 2000a, S. 385). Grob lässt sich
mit diesem Wandel der Blickwechsel von einer Erhebungsmethode zu einem Forschungsprogramm anzeigen. Im Gegensatz zum deutschen Sprachraum, in dem qualitative Interviewverfahren im Zentrum der qualitativen Forschungslandschaft stehen, zeigte sich das Forschungsprogramm »Ethnographie« insbesondere im
angelsächsischen Sprachraum als vorherrschendes, auch in zahlreichen Publikationen und Handbüchern dokumentiertes Programm (vgl. hierzu Knoblauch 2000; Lüders 2000b; Clarke 2002 sowie beispielhaft: Atkinson et al. 2001; Denzin/Lincoln 2000; Denzin 1997), das durch einen »turn to Biographical Methods« allmählich aufgeweicht zu werden scheint (vgl. hierzu Chamberlayne/Bornat/Wengraf 2000).
Methodologischer Zugang und methodisches Vorgehen
13
S. 24) herausheben: »Synchrone Beobachtungen [haben] gegenüber Interviews den Vorzug,
eben nicht nur die Selbstbeschreibungen, d. h. die Interpretationen, Meinungen und kognitiven Wissensbestände der Teilnehmer zu erheben, sondern die (präreflexiven) ‚Selbstformulierungen‘ ihrer Praxis« (Garfinkel/ Sacks 1976).
Jenseits einer »romantischen« Hermeneutik (vgl. Gadamer 1965, S. 280), die sich vorwiegend für das »Verstehen« subjektiv gemeinten Sinns interessiert, bei der nicht nur die
Deutungen, sondern auch die Handlungspraxis selber und das in ihr inkorporierte Wissen
in den Blick gerät, »sichert die in situ-Anwesenheit einer Ethnographin gerade nicht vorrangig die Möglichkeit, die Welt der anderen mit ihren Augen zu sehen, sondern diese
Weltsichten als ihre gelebte Praxis zu erkennen« (Amann/ Hirschauer 1997, S. 24).3
Insofern wurde das im Antrag formulierte methodische Programm des Forschungsprojektes im Sinne der Regeln eines offenen Forschungsprozesses (vgl. Clarke 2002) leicht
modifiziert. Diese Regeln verweisen darauf, dass die jeweiligen Erhebungsmethoden gegenstandbezogen angewandt werden müssen, das heißt abhängig von den jeweiligen Forschungsfragen sind und dem im Feld vorzufindenden Bedingungen sukzessive zu entwickeln sind (zur Einhaltung der Gütekriterien vgl. Steinke 2000, S. 326 f.; vgl. auch Bohnsack 2000; Thole 2003). Wie im Forschungsprojektantrag vorgesehen hat sich das Forschungsprojekt damit auf »unsicheres Terrain« begeben (vgl. Cloos/ Thole 2005, S. 86 ff.).
»Sensitizing Concepts«
Zur Rekonstruktion der Konstitutionsbedingungen von Kinder- und Jugendarbeit erwies
es sich im Verlauf des Forschungsprojektes als sinnvoll – auch im Sinne der neueren Fassungen der Grounded Theory (vgl. hierzu Strauss 1994 und insbesondere zum Umgang
mit theoretischem Vorwissen: Strübing 2004) – gegenstandsbezogen und empirisch dicht
am erhobenen Material sensibilisierende Konzepte hinzuziehen, ohne dass dabei einer
Subsumtionslogik gefolgt wurde.4 Die sensibilisierenden Konzepte halfen dabei, das Feld
der Kinder- und Jugendarbeit und das empirische Material im Sinne eines permanenten
Vergleichs auf mehreren Ebenen gegenzulesen (vgl. Strauss 1994). Sie haben dazu beigetragen, den forschenden Blick und den Rekonstruktionsprozess zu inspirieren. Im Einklang mit dem Ziel des Forschungsprojektes, Konstitutionsbedingungen zu rekonstruieren, galt es Konzepte an der Hand zu haben, die die Rekonstruktion der Regelhaftigkeit,
der vorzufindenden Rahmung und der sequenziellen Ordnung erlaubte.
In diesem Sinn erwies sich im Laufe des Forschungsprozesses die Rahmenanalyse
(vgl. Goffman 1977) als ein »sensitizing concept«, um – entgegen der in der Literatur und
3
Hier erscheint auch der Hinweis von Elisabeth Bergner instruktiv: Sie verweist darauf, dass Teilnehmende
Beobachtung an die Tatsache anschließt, »dass das, was Menschen tun, von dem beträchtlich abweichen
kann, was sie über ihr Tun berichten« (Bergner 2002, S. 377).
14
Performanz der Kinder- und Jugendarbeit
Forschung vorzufindenden Bestimmung der Kinder- und Jugendarbeit als diffuses Feld
mit diffusen Anforderungen (vgl. Mollenhauer 1986)5 – empirisch aufzeigen zu können,
dass die dort vorzufindenden Interaktionen eben nicht diffus oder beliebig, sondern in
dem Sinne erwartbar sind, als dass sie in vielerlei Hinsicht gerahmt sind (vgl. professionsbezogen Willems 1997).
Entsprechend der Ergebnisse der neueren Professionsforschung (vgl. u. a. Riemann
2000; Fabel/ Tiefel 2004; Cloos 2004) wurde bei den empirischen Rekonstruktionen plausibel, zum einen das Konzept der Paradoxien professionellen Handelns und zum anderen das
der Handlungs- bzw. Arbeitsbögen einzubeziehen.6 Das Konzept der ‚Arbeitsbögen‘ ist systematisch in eine »Theorie der sequentiellen Organisation von Arbeit und der situativ ausgehandelten Arbeitsteilung« eingebunden (Schütze 1987, S. 541). Hierüber konnte es gelingen, das Geschehen mit seinem jeweiligen Ablauf und die dort vorzufindenden konstitutiven Regeln zu beschreiben.
Der Begriff der Performativität bot sich hier an, da er einerseits anschlussfähig an die Interaktionstheorie Goffmans und den damit verbundenen Inszenierungsaspekten ist und
andererseits dem Ritualitäts-, Aufführungs- und Inszenierungscharakter des beobachteten
Geschehens in der Kinder- und Jugendarbeit gerecht wird. Das Performative als praktisches
Vollziehen (etwas tun, indem man etwas tut; vgl. Göhlich 2001, S. 30 f.), als präzisierendes
Selbstdeuten, als kommunikatives Wirken und mimetischer Prozess (vgl. Wulf 2001b) hebt
gleichermaßen die Sprachlichkeit und die Körperlichkeit der Interaktionen hervor. Der
Rückgriff auf diesen Begriff zielt also darauf, die empirischen Wissenslücken in der Jugendarbeit in Bezug auf die konkrete Handlungspraxis zu schließen.
2.2
Ethnographische Praxis7
Im Mittelpunkt der ethnografischen Praxis standen Teilnehmende Beobachtungen in insgesamt acht Einrichtungen der Kinder- und Jugendarbeit in unterschiedlicher Trägerschaft, Größe und Konzeption in verschiedenen Regionen in den sogenannten alten Bundesländern.8 Die Auswahl der ersten Einrichtungen erfolgte auf Basis der Feldkenntnisse,
4
5
6
7
8
Vgl. auch zur Theorien-Triangulation Flick (2000) und zum Triangulationsgebot insbesondere in der Ethnographie Flick (2004).
Klaus Mollenhauer z. Β. hat hier von einem »Erziehungsfeld voller Widersprüche und Heteronomien« mit
einer größeren »Variationsbreite der Formen und Veränderbarkeit der Einrichtungen und Inhalte« gesprochen (Mollenhauer 1986, S. 116).
Vgl. hierzu für die Kinder- und Jugendarbeit erstmals: Schumann (1998).
Ziel dieses Abschnitts ist es nicht, die zeitliche Abfolge der einzelnen Arbeitsschritte des Forschungsprojektes aufzuzeigen. Hier sollen vielmehr Ergebnisse vorgestellt werden, die sich als Innovationen einer sich im
Forschungsprozess entwickelnden Forschungspraxis ergeben haben.
Die Erhebung in Jugendhäusern in den Neuen Bundesländern hätte zum einen die finanziellen Mittel des
Projektes aufgrund weiter Wegstrecken überfordert. Zum anderen hätte das Projekt durch die Erhebung z. B.
einer Einrichtung der dort vorzufindenden Spezifik nicht gerecht werden können, die sich in einer unterschiedlichen Geschichte, anderen sozio-strukturellen Bedingungen und differenten BesucherInnenkulturen
ausdrückt (vgl. Thole 2000; Schröder/Simon 2005).
Methodologischer Zugang und methodisches Vorgehen
15
wurde jedoch insbesondere dadurch beeinflusst, dass der Zugang durch die jeweils angefragten MitarbeiterInnen in der Kinder- und Jugendarbeit nicht immer auch gewährleistet
wurde. Die weitere Feldauswahl wurde im Sinne des Theoretical Sampling gesteuert
(vgl. Strauss 1994), richtete sich im Sinne des Prinzips des permanenten Vergleiches auf
die Erhebung von Kontrastfällen.9 Die Auswahl erfolgte entlang der vier Unterscheidungsgruppen »sozialräumliche Situierung«, »Organisation«, »Konzeption« und »BesucherInnen«. Diese Merkmale haben sich in den bisherigen Forschungszugängen der Kinder- und
Jugendarbeit (Deinet/ Sturzenhecker 2005) und im Hinblick auf weitere theoretisch induzierte Differenzierungen als besonders relevant erwiesen und können gleichzeitig als im
Forschungsprozess empirisch geleitete Unterscheidungskriterien angesehen werden.10
Bei den Feldteilnahmen galt es zum einen, die schwierigen Balancen der Feldforschung
in der Mehrfachrolle des Pädagogen und Forschers distanzierend zu reflektieren (vgl. Thole/ Cloos/ Küster 2004). Zum anderen ging es hier darum, im wechselseitigen Prozess von
Einsozialisation ins und Distanzierung vom Feld ein in vielen Aspekten bekanntes Feld zu
befremden (Amann/ Hirschauer 1997).
Neben den Teilnehmenden Beobachtungen an insgesamt etwas mehr als 100 Feldtagen
wurde im Sinne einer talking ethnography ein weiterer Schwerpunkt auf reflektierende bzw.
ethnographische Gespräche mit den MitarbeiterInnen gelegt, die dazu dienten, Kommentierungen, Reflexionen und die Beigabe von Zusatzinformationen zum beobachteten Geschehen anzuregen (vgl. auch Kaufmann 1999).11 Diese Gespräche mit den MitarbeiterInnen wurden protokolliert und – soweit möglich – digital aufgezeichnet.
Da während der Feldteilnahmen innerhalb kurzer Zeit das jeweils untersuchte Feld
möglichst umfassend in den Blick zu bekommen war, und Fokussierungen nur immer bezogen auf einzelne Aspekte vorgenommen werden konnten, wurden für nachfolgende
mikroanalytische Rekonstruktionen zusätzlich registrierende Daten (vgl. Bergmann 1985) von
Interaktionen aufgezeichnet. Interaktionsprotokolle wurden somit – wenn möglich – von
Teamsitzungen und Nachbesprechungen, aber auch von separierten Situationen zwischen
MitarbeiterInnen, Kindern und Jugendlichen beim ‚Quatschen‘ oder auch bei sogenannten
‚Angeboten‘ angefertigt – wenn dies der allgemeine Geräuschpegel in den Jugendhäusern
9
Eine strenge Befolgung der Regeln des theoretical sampling bzw. der Strategien des permanenten Vergleichs
auf Ebene der Auswahl der untersuchten Einrichtungen war auf Basis des Antrages nicht vorgesehen (vgl.
hierzu auch Truschkat/Kaiser/Reinartz 2005). Eine Sättigung mit dem Ziel, die gesamte Einrichtungslandschaft erfassen zu können, sollte auch nicht erzielt werden.
10 Ein Überblick über die ausgewählten Einrichtungen entlang der hier aufgeführten Merkmale findet sich im
Arbeitsbericht.
11 Darüber hinaus wurden Dokumente zu den jeweiligen Einrichtungen gesammelt, mit den Jugendlichen Stadtteilrundgänge vorgenommen und die Einrichtungen fotografiert bzw. videografiert. Dokument- und Bildanalysen wurden nur in spezifischen Fällen vorgenommen, wenn es z. B. im Falle der Rekonstruktion einer Szene auf dem »Mädchenpodest« notwendig wurde, auch Fotografien von diesem Mädchenpodest zum präzisen
Verständnis der Szene hinzuziehen. Die Stadtteilrundgänge wurden nach erster Sichtung aufgrund der Komplexität des Materials nicht weiter ausgewertet und nach der ersten Feldphase aufgegeben.
16
Performanz der Kinder- und Jugendarbeit
erlaubte. Darüber hinaus wurden mit Kindern, Jugendlichen und Professionellen teils narrativ angelegte und leitfadengestützte Interviews mit dem Ziel durchgeführt, Geschichten
zu generieren, die langfristige Prozesse zum Gegenstand haben.
Zusätzlich wurde bei der gesamten Datenerhebung darauf geachtet, dass sich Phasen
der Feldteilnahme mit Phasen abwechselten, in denen intensive Rekonstruktionsarbeit, eine Überprüfung der Erhebungsmethoden und auf Basis der so gewonnenen Ergebnisse
neue Fragen und Blickwinkel generiert wurden. Ergebnis des zirkulären Forschungsprozesses
war dann eine allmähliche Fokussierung bei jeder neuen Feldphase auf Basis der Erkenntnisse der vorausgegangenen Feldaufenthalte.
Eine wichtige Nachjustierung ergab sich dadurch, dass sowohl in der ersten als auch
besonders in der zweiten Feldphase gezielt Beobachterinnen eingesetzt wurden. Diese haben zu bestimmten Angebotsformen, mädchenspezifischen Nischen und Deutungsmustern Zugang erhalten, die den männlichen Beobachtern bis dahin verschlossen blieben.
Analog dazu wurde dann auch in den sequenzanalytischen Interpretationen auf eine geschlechterheterogene Zusammensetzung der Interpretationsgruppen geachtet. Das erwies
sich auch für die Rekonstruktion der scheinbar geschlechtsunspezifischen Angebote, wie
z. B. der so genannte »Offene Bereich«, als besonders wichtig, um die Performativität von Geschlecht, die für die Kinder- und Jugendarbeit besonders bedeutsam ist, besser in den Blick
zu bekommen.
Von den jeweils ein- bis zehnstündigen Teilnehmenden Beobachtungen wurden dicht
am Geschehen Protokolle Teilnehmender Beobachtungen zunächst auf Tonband gesprochen12, anschließend transkribiert, sprachlich leicht überarbeitet und zeitlich sortiert. Einige Protokolle wurden zusätzlich – wenn Aufnahmen vorhanden – durch Transkripte von
Interaktionsprotokollen ‚aufgefüllt‘.13
Bei der Auswertung der Daten wurde – den Gütekriterien der Qualitativen Sozialforschung folgend (vgl. Steinke 1999, 2000) – dem Prinzip gefolgt, dass die teilweise zeitlich
parallel erhobenen Materialsorten mit unterschiedlichen Erhebungsverfahren und je spezifischen Relevanzhorizonten getrennt voneinander ausgewertet und erst in einer anschließenden theoretischen Generalisierung zusammengeführt wurden.
Insgesamt erwies sich im Forschungsprozess eine doppelte Strategie als fruchtbare
Grundlage zur Auswertung der erhobenen Materialien. Zum einen wurden Teile der erhobenen Interviews und Szenen aus den Protokollen Teilnehmender Beobachtungen dicht
am jeweiligen Forschungsinteresse einer extensiven Sequenzanalyse mit dem Ziel einer mög12 Die Protokolle Teilnehmender Beobachtungen wurden insbesondere in der Anfangsphase gegenseitig gelesen, um einen Austausch zu initiieren und eine Kontrolle zu gewährleisten. Hierüber konnten die jeweiligen
Blickwinkel, der Schreib- und Protokollstil abgeglichen, blinde Flecken entdeckt und erste Rekonstruktionen
angeschlossen werden.
13 Eine genauere Beschreibung, wie Protokolle erstellt wurden, findet sich auch bei Cloos (2004, S. 148 ff.; vgl.
auch Lofland 1979; Hildenbrand 1984).
Methodologischer Zugang und methodisches Vorgehen
17
lichst validen Rekonstruktion unterzogen14, die es erlaubte, erste Modelle, Kategorien und
Konzepte zur performativen Herstellung von Kinder- und Jugendarbeit zu entwickeln.15
Zum anderen wurden im Sinne des permanenten Vergleichs innerhalb der Grounded Theory
(Strauss 1994) die rekonstruierten Fälle, Situationen und Szenen mit weiteren Daten minimal und maximal kontrastiert. Die vergleichende Analyse zielte nicht überwiegend auf »Überprüfung und Validierung von Daten und Fakten« (Lamnek 1995, S. 114 f.), sondern auf die
Entwicklung und Überprüfung eigener theoretischer Kategorien und Hypothesen und
damit letztlich auf die Theoriegenese durch die »Suche nach Ähnlichkeiten und Unterschieden« (Böhm 2000, S. 476).
14 Zur Absicherung der Ergebnisse erfolgte ein erheblicher Teil der Rekonstruktionen in ForscherInnengruppen in unterschiedlicher Zusammensetzung: in der Kasseler Forschungswerkstatt, getrennt in den jeweiligen
Teams in Hildesheim oder Kassel oder auch gemeinsam.
15 Insbesondere der möglichst extensive Rekonstruktion der ersten beiden Protokolle teilnehmender Beobachtungen ermöglicht die Offenlegung der zentralen organisationskulturellen Strukturen, ähnlich wie die Rekonstruktion der Anfangserzählung in einem narrativen Interview (vgl. Cloos 2004; 166 ff.).
18
3
Performanz der Kinder- und Jugendarbeit
Ergebnisse
Die Präsentation der Ergebnisse konzentriert sich auf die Darstellung der zentralen im
Forschungsprozess entwickelten (Schlüssel-)Kategorien und diejenigen Beobachtungsschwerpunkte, die sich empirisch als grundlegend für die Beschreibung der Konstitutionsbedingungen der Kinder- und Jugendarbeit erwiesen haben: die »Herstellung von Zugehörigkeit« (Kap. 3.1), die »sozial-pädagogische Arena« (Kap. 3.2), die zentralen »Handlungsbögen« (Kap. 3.3) zur Herstellung von Konsens und Beziehung (Kap. 3.4) sowie die darin
aufgehobenen »konstitutiven Regeln und paradoxalen Anforderungen« für professionelles
Handeln (Kap. 3.5). Dieser Zuschnitt der Ergebnispräsentation verzichtet damit zum einen
aus Darstellungsgründen auf die ausführlichen Sequenzanalysen der Teilnehmenden Beobachtungen und zum anderen auf die ausführliche Analyse von ‚Fällen‘, d. h. von Organisationen und Personen (Professionelle und AdressatInnen). Letzteres ist insbesondere
dem oben dargelegten Forschungsinteresse geschuldet. Auch wenn im Rahmen des Forschungsprozesses ausführliche Fallrekonstruktionen vorgenommen wurden, die zeigen,
dass die empirisch erfasste Handlungspraxis erheblich entlang der Kontextbedingungen
unterschiedlicher Organisationskulturen und beruflich-habitueller Unterschiede variiert,
werden diese Varianzen aber zugunsten des besonderen Fokus unserer Forschung und zur
besseren Lesbarkeit im Folgenden weitgehend ausgeklammert. In diesem Sinne werden im
nachfolgenden Ergebnisbericht fast ausschließlich Ausschnitte aus Protokollen Teilnehmender Beobachtungen eingebunden.16
3.1
Die Herstellung von Zugehörigkeit
Kinder- und Jugendarbeit erweckt bei oberflächlicher Betrachtung manchmal den Eindruck, als sei sie gar kein von alltäglichen Freizeitbeschäftigungen von Kindern und Jugendlichen abgegrenzter Ort, sondern übergangslos darin eingebettet; wie auch die Tätigkeit von PädagogInnen solcher Betrachtung als schlichte Beteiligung an jenen Freizeitbeschäftigungen und nicht als professionelles Handeln erscheinen mag. Wir werden im Weiteren zeigen, dass dieser Eindruck täuscht, aber auch nicht zufällig entsteht. Kinder- und
Jugendarbeit wird vielmehr wesentlich dadurch geprägt, dass sie die Übergänge zwischen
verschiedenen Sphären begleitet und bearbeitet. Kinder und Jugendliche kommen in die
Einrichtungen der Kinder- und Jugendarbeit, die immer schon durch die Erwachsenen besetzt sind und deren institutionelle Macht sich nicht zuletzt durch ihre Schlüsselgewalt
symbolisiert. Der ethnographische Zugang, den wir gewählt haben, macht diese Übergänge auch für den Forscher/ die Forscherin augenscheinlich, da er/ sie selbst die Grenzen in
eine Einrichtung überschreiten muss.
Die Herstellung von Zugehörigkeit
19
Das macht darauf aufmerksam, dass die Phänomene des Übergangs (vgl. Turner 1989)
einen wesentlichen Prozess darstellen. Mit dem Eintritt in das Jugendhaus wird eine räumliche Grenze überschritten, sowohl zur von Erwachsenen bestimmten Umwelt, als auch zu
anderen jugendkulturellen Orten. Diese räumliche Grenze verweist aber immer zugleich
auch auf eine soziale Grenze und damit auf die Frage einer sozialen Differenz – auch wenn
gerade für Jugendliche, die das erste Mal in eine Einrichtung kommen, nicht klar ist, was
auf sie zukommt. Das liegt an der Art und Weise, in der diese Grenze/ Differenz markiert
ist. Grenzen, Grenzziehungen und Grenzüberschreitungen stellen also, in markanterer
Weise noch als in der Schule (vgl. Wagner-Willi 2001, S. 228), wesentliche Aspekte in der
pädagogischen Arbeit in der Kinder- und Jugendarbeit dar.17 Darauf wurde vielfach hingewiesen und teilweise auch in pädagogischen Arbeitsprogrammen reflektiert (vgl. Projektgruppe Qualitätsentwicklung der Berliner Jugendarbeit 2004), ohne jedoch ausreichend
auf die pädagogischen Implikationen Bezug zu nehmen und ohne eine empirisch ausreichende Basis aufzuweisen. Insbesondere in der so genannten »offenen« Kinder- und Jugendarbeit kommt dem Übergang eine besondere Bedeutung zu, da das Angebot einer
Freizeitstätte (Jugendtreffs, -häuser und -zentren) häufig bereits architektonisch-territorial
auf die konzeptionellen Überlegungen hinweist, einen sozialen Ort18 zu konstituieren, der
pädagogisch relevante Differenzerfahrungen zur sonstigen Umwelt ermöglichen soll.
Der augenfälligste Übergang ist der von draußen nach drinnen, der Eintritt. Aber auch
innerhalb des Jugendhauses gibt es mehr oder weniger deutliche Übertritte und Übergänge, die deutlich machen: »Jetzt passiert etwas anderes« und »Hier gelten andere Regeln«.
Die Struktur des Übergangs unterscheidet sich dabei erheblich von anderen pädagogischen
Kontexten. Zwar kann man auch in der Schule beim Übergang von der Pause zum Unterricht bei mikroanalytischer Betrachtung eine »Unstrukturiertheit« bemerken, »in der die
bestehenden Strukturen der Peegroup-Beziehungen nicht mehr vollständig aufrechterhalten werden können und das Regelwerk des Unterrichts noch keine primäre Geltung hat«
(Wagner-Willi 2001, S. 245). Jedoch gibt es in der Schule durchaus institutionelle Arrangements, die die Liminalität strukturieren können (z. B. die Klingel) und die soziale Position
des Lehrers gibt ihm die Möglichkeit, diese Phase der Unstrukturiertheit zu beeinflussen.
Außerdem sind, wie im Folgenden noch deutlicher wird, in der Kinder- und Jugendarbeit
die liminalen Phänomene des Übergangs keineswegs nur Epiphänomene, die von einem
16 Hierdurch wird – den Gütekriterien der Qualitativen Sozialforschung folgend (vgl. Steinke 1999, 2000) – einer unangemessenen Perspektivenverknüpfung durch die Einbeziehung von Materialien unterschiedlicher
Erhebungsmethoden entsprochen.
17 Mit »Grenzen« ist hier das Ensemble von sozialen, zeitlichen und räumlichen Klammerungen bezeichnet, die
darauf verweisen, dass innerhalb dieser Klammer andere konstitutive Regeln vorherrschen als außerhalb.
Damit grenzen wir uns also von der alltagssprachlichen Verwendung der pädagogischen Grenzen und
Grenzziehungen ab, die gerade Hochkonjunktur hat.
18 Vergleiche für die Bedeutung des sozialen Ortes im Kontext der Sozialpädagogik (Bernfeld 1973; Müller
1992; Winkler 1988).
20
Performanz der Kinder- und Jugendarbeit
»eigentlichen« Kerngeschäft zu unterscheiden wären (wie es z. B. in der Schule für die Pause im Verhältnis zum Unterricht gilt). Vielmehr ist die Gestaltung jener Phänomene selbst,
wie wir es insbesondere am Beispiel der Herstellung von »Zugehörigkeit« zeigen werden,
wesentlicher Bestandteil dessen, was Kinder- und Jugendarbeit performativ konstituiert.19
In der Kinder- und Jugendarbeit ist erst einmal auffällig, dass die Liminalität durch ihre
Unsichtbarkeit, Beiläufigkeit oder Nonchalance gekennzeichnet ist. Es wird sich herausstellen,
dass diese Nonchalance nicht – wie auf den ersten Blick – eine Unstrukturiertheit darstellt,
sondern eine eminent wichtige Funktion für die Kinder- und Jugendarbeit hat und analog
zu dem Übergang vom Profanen zum Sakralen, wie es Willems (1997, S. 358) in Anschluss
an Goffman für Therapiesitzungen identifiziert, gesehen werden kann. Die Beiläufigkeit
des Übergangs macht es gerade möglich, die institutionelle »Klammer«, die den sozialen
Raum »Jugendhaus« (mit Öffnungszeiten, Raumübergängen usw.) kennzeichnet, unsichtbar werden zu lassen.
Bei der Analyse der Übergänge wurde deutlich, dass wir zwei Dimensionen unterscheiden müssen. Zum einen spielt die performativ-ritualisierte Herstellung dieses Übergangs
eine Rolle. Offensichtlich und gut empirisch rekonstruierbar wird dieser Übergang bei der
Begrüßung zwischen Jugendlichen und MitarbeiterInnen (vgl. den Abschnitt »Zugehörigkeit« im Kap. 3.1.1). Diese Begrüßungen weisen aber noch einmal andere Regeln und
Funktionen auf, als die Begrüßungsrituale unter den Jugendlichen selbst (vgl. den Abschnitt »Gemeinschaft« im Kap. 3.1.1) und der Empfang von BesucherInnen und PädagogInnen in den Kinderbereichen.
Zum anderen spielt das Ensemble von materiell-räumlichen, zeitlichen und sozialen
Begrenzungen eine entscheidende Rolle, die die Bedingung und Begrenzung der Möglichkeit für den Übergang von drinnen nach draußen darstellen (vgl. Kap. 3.1.2). Dieses Ensemble ist keine natürliche Grenze, in dem Sinne dass jeder Ort ein Außen und ein Innen
hat. Vielmehr wird das Ensemble in seinen verschiedenen Dimensionen (räumlich, zeitlich, sozial) und seiner Diskursivität als sozial konstituiertes und immer wieder zu rekonstituierendes betrachtet.
19 Schon der nach unserem Wissen älteste deutschsprachige Text, der offene Kinder- und Jugendarbeit als
Konzept beschreibt, Alice Salomons an englische Vorbilder angelehnte Beitrag in »Die Jugendfürsorge« vom
Sept. 1900 über »Klubs und Erholungsheim für jugendliche Arbeiter« (vgl. Salomon 1997), betont, dass die
»Hauptschwierigkeit« darin bestehe, »die jugendlichen Arbeiter mit der Einrichtung bekannt zu machen« und
die Art des Zugangs so zu gestalten, dass sie »das Gefühl der Zugehörigkeit zum Klub erweckt« (ebd., S. 66).
Die Frage, wie sich konkret im gemeinsamen Handeln Zugehörigkeit herstellen lässt, wurde hier jedoch nicht
gestellt, geschweige denn beantwortet.
Die Herstellung von Zugehörigkeit
3.1.1
21
Der Eintritt in das Jugendhaus
Der folgende Protokollausschnitt weist trotz seiner scheinbaren Banalität auf zahlreiche
Kategorien hin, die mit der Begrüßung in der Kinder- und Jugendarbeit verbunden sind.
Im Folgenden geht es also zunächst um die gemeinsamen Merkmale der Begrüßungsformen.20
Bernardo21
Dann kommt ein Jugendlicher (er heißt Bernardo) rein. Er ist groß, kräftig gebaut, vielleicht 17 Jahre alt, sieht gut und
braun gebrannt aus. Er sagt: »Hi, alles klar« Wir sagen auch alle »Hi«. Es geht kurz um die Pizza, dann fragt Daniela (P): »Wo sind die Mädels?« Der Junge: »Hä« Ehe Daniela die Frage wiederholen kann, sagt er: »Keine Ahnung«
… Es kommt noch ein weiterer Junge rein, er geht zu Niclas (P) an den Rechner, sagt: »Hi, wie geht‹s Dir?« Niclas
meint: »Joho«. Beide lachen. Niclas: »Und Dir« und lacht danach. Der Junge: »Ja, muss ja auch sein.«A,T9:423
In diesem Ausschnitt kommt ein Jugendlicher in das Büro des Jugendhauses »Alter Bahnhof« herein. Obwohl er damit schon die Schwelle zum Jugendhaus überschritten hatte, bekommt der Zutritt zum Büro für dieses Jugendhaus eine besondere Bedeutung. Während
nämlich die anderen Räume des Jugendhauses (das sind insbesondere: Küche, Billardraum,
Fernsehraum und Disco) die größte Zeit über ‚erwachsenenfrei’ sind, ist das Büro der soziale Raum, in dem Jugendliche und Erwachsene regelmäßig in Kontakt treten. Es ist für
die StammbesucherInnen zum Ritual geworden, zuerst einmal im Büro vorbeizuschauen
(vgl. A,P-C1:983). Generalisierend können wir folgende Dimensionen an diesem Ankerbeleg deutlich machen:
Informalität und Coolness: Die lockere Form der Begrüßung inszeniert eine Coolness, die
in den von uns untersuchten Jugendbereichen weit verbreitet ist. Diese wird insbesondere
zwischen Jugendlichen und PädagogInnen praktiziert, die sich bereits seit längerem kennen.22 Die Coolness der Jugendlichen stellt performativ die Unabhängigkeit und Autonomie der Jugendlichen her – sowohl gegenüber den Jugendlichen wie auch gegenüber den
PädagogInnen. Dabei ist festzustellen, dass aber die PädagogInnen durchaus diese Informalität aufnehmen und reproduzieren. Die Informalität der Begrüßung wird also von beiden Seiten inszeniert: Duzen, lockere Interjektionen (»Hi«), Lachen, indexikalische Äußerungen (»Joho«). Dadurch werden PädagogInnen zu Duz-Erwachsenen zum Anfassen, die
eine symmetrische und »persönliche« mit einer asymmetrischen und »beruflichen« Beziehung zu den Jugendlichen zu vereinbaren haben (vgl. Müller/ Schmidt/ Schulz 2005).
Freundlichkeit und die Betonung von Individualität: Die betont formlose und scheinbar ganz
individuell motivierte Freundlichkeit der Begrüßung grenzt sich auf der einen Seite von ei-
20 Dieses Protokoll wurde nachträglich durch eine Tonbandaufnahme ergänzt (vgl. methodisches Design).
21 Alle Namen sind anonymisiert. Die in Klammer dahinter stehenden Kürzel weisen darauf hin, ob es sich um
B (BeobachterIn), P (PädagogIn) oder J (Kind bzw. Jugendliche) handelt.
22 Im weiteren Projektverlauf kann auf weiteres Material zurückgegriffen werden, in dem auch Begrüßungen
von neu ankommenden Jugendlichen dokumentiert sind. Diese Fälle bleiben hier zunächst unberücksichtigt.
22
Performanz der Kinder- und Jugendarbeit
ner in anderen professionellen Kontexten vorzufindenden institutionellen Neutralität ab.23
Dabei ist hier wie auch in anderen Beispielen wichtig, dass diese Art der Freundlichkeit allen BesucherInnen zuteil wird. Insbesondere die sogenannten StammbesucherInnen werden dabei mit besonderer Aufmerksamkeit gewürdigt. Diese Freundlichkeit unterscheidet
sich von einer bloßen dienstleistungsorientierten Höflichkeit und intendiert auch dem
Handeln innerhalb des Jugendhauses einen bestimmten Stil zu geben. Sie weist implizit
darauf hin, welche Vorstellungen die PädagogInnen vom Umgang miteinander haben. Ihr
Ziel ist es, eine positive Atmosphäre herzustellen, die zugleich den Eindruck erweckt, unmittelbar Ausdruck persönlicher und enger Beziehungen zu sein. Auch wenn bei den Einrichtungen und den jeweiligen Professionellen habituelle und organisationskulturelle Unterschiede zu entdecken sind, ist hier generell zu beobachten, dass sich die MitarbeiterInnen implizit daran orientieren, diese besondere Art professioneller Freundlichkeit an den
Tag zu legen.
Ein weiteres wichtiges Merkmal dieser freundlich-fröhlichen Begrüßungsformel ist der
Bezug zu der jeweiligen Person in ihrer Besonderheit. Es geht also nicht nur darum, alle
Jugendlichen gleichermaßen freundlich zu behandeln, sondern darüber hinaus noch Unterschiede zwischen den Personen aufzuzeigen. Hierbei dürfen aber von den beruflichen
AkteurInnen nicht so viele Unterschiede produziert werden, dass sie zu Konflikten mit
anderen Jugendlichen führen oder die Differenz zwischen PädagogInnen und Jugendlichen aufheben. In der ‚individuellen Note‘ kommt eine Wertschätzung und Anerkennung
einer Person als Individuum zum Ausdruck (im Sinne von: »Ich bin zu jedem hier freundlich, und gleichzeitig schätze ich besonders Dich als Person«). Im Beispiel wird das über
die direkte Nachfrage nach den »Mädels« klar. Es genügt hier also nicht, eine unspezifische
Dienstleistungshöflichkeit an den Tag zu legen (»Wie geht‘s uns denn heute?«).
Spiel mit der Generationendifferenz und dem Rollenhandeln: Die Generationen- und Rollendifferenz wird durch das »du« und durch die lässige Art des Umgangs spielerisch nivelliert.
Mit der coolen, beiläufigen Art, nach dem Befinden zu fragen, übernehmen die Jugendlichen eine typische Aufgabe der PädagogInnen. Die PädagogInnen gehen darauf ein und
»heben« damit ebenfalls spielerisch die Generationendifferenz ihrerseits »auf«. Das geschieht aber immer nur bis auf weiteres und dieses Spiel ist nur möglich sofern klar ist,
dass die institutionelle Rollendifferenz bestehen bleibt. Diese Situationen finden sich in allen von uns beobachteten Einrichtungen wieder und verweisen auf ein »So-tun-als-ob«,
das den spielerischen Charakter der Kinder- und Jugendarbeit ausmacht. Dieses Spielerische darf jedoch nicht als Gegensatz zu »ernsthafter« pädagogischer Interaktion betrachtet
23 Goffman (1973, S. 310) spricht vom »disziplinierten Desinteresse« für Privatangelegenheiten, dessen sich
Dienstleistungs-Experten zu befleißigen hätten. Ähnliche Aussagen finden sich schon bei Parsons (1939), der
für die Medizin als Profession hervorhebt, dass der Arzt die PatientInnen ohne Ansehen der Person betrachten solle.
Die Herstellung von Zugehörigkeit
23
werden. Erving Goffman weist darauf hin, dass in jedem Spiel im Sinne einer Modulation
eines Rahmens das Urbild des Primärrahmens immer noch vorhanden und sichtbar ist
(vgl. Goffman 1977, S. 56).
Rituelle Erzeugung von Gemeinsamkeit und Differenz: Die Betonung der Individualität führt
dazu, dass zwischen Jugendlichen und PädagogInnen (anders als unter Jugendlichen)
gleichartig sich wiederholende Rituale beim Eintritt in das Jugendhaus kaum beobachtbar
sind. Allerdings darf dies nicht vorschnell als Ausweis von Beliebigkeit gewertet werden.
Gerade die fröhlich-freundliche Begrüßung auf Seiten der MitarbeiterInnen mit ihren individuellen Abwandlungen verweist auf das zentrale Muster der individuellen persönlichen Note
des pädagogischen Handelns.24 Sie muss aber zugleich als Wahrnehmung einer pädagogischen Rolle gestaltet werden, weshalb diese persönliche Note auch mit der Abwehr allzu
vergemeinschaftender Rituale wie bestimmte Grußformeln und -akte einhergehen.25 Zentrales Spannungsmoment ist hier also die Produktion der feinen Unterschiede und des
Austarierens zwischen Gemeinsamkeit und Differenz.
Orientierung aneinander und kontrollierende Beobachtung: Die ritualhafte und doch informelle Begrüßung beim Eintritt in das Jugendhaus konstituiert eine Übereinkunft von Jugendlichen und PädagogInnen darüber, was hier »gespielt« wird. Mit der gegenseitigen persönlichen Ansprache zeigen sich die Akteure, dass ihnen bewusst ist, in einem Raum zu sein, in
dem man sich informell bewegen, kommen und gehen kann. Gleichzeitig wird damit aber
auch klar, dass das Jugendhaus kein Ort der Anonymität ist: Wer hierher kommt, den
kennt man oder früher oder später und zwar nicht primär hinsichtlich spezifischer Rollenerwartungen (wie LehrerInnen ihre SchülerInnen kennen), sondern primär hinsichtlich der
subjektiven Art von Zugehörigkeit. Diese gegenseitige Orientierung aneinander hat dabei
immer auch kontrollierende Züge, die aber in der Regel von den PädagogInnen geschickt
verdeckt werden. Durch das Spiel mit der Generationen- und Rollendifferenz wird aber
auch gleichzeitig ausgehandelt, dass der spezifische Ort, an dem man sich begegnet, ein
Ort ist, der durch die Gleichzeitigkeit von diffusen und spezifischen Anteilen der Sozialbeziehung gekennzeichnet ist.
3.1.2
Zugehörigkeit als Schlüsselkategorie
Zusammenfassend kann herausgestellt werden, dass die aufgeführten Merkmale von Informalität und Coolness, Freundlichkeit bei Betonung der Individualität, Spiel mit Genera-
24 Es wird sehr häufig nach einem Gruß mit einer kleinen Bemerkung Bezug auf gemeinsam geteilte Erfahrungen genommen.
25 Im Interview hebt die Pädagogin Sarah Sebald aus Langenfelden z. B. hervor: »Seit Neustem kommen einzelnen Mädchen auf mich zu und begrüßen mich mit Küsschen, wobei ich das nicht so gerne hab und versuch dem auch auszuweichen. Ich bin da so ein bisschen hin- und hergerissen. Wenn ich dem jetzt nicht geschickt ausweichen kann, ohne jetzt direkt zu sagen: Nein ich möchte das nicht. Aber ich persönlich möchte
mich auch nicht zu ´ner Clique zuordnen und ich bin auch nicht die beste Freundin von irgendeiner.«C,M1:86
24
Performanz der Kinder- und Jugendarbeit
tionendifferenz und Rolle, rituelle Erzeugung von Gemeinsamkeit und Differenz, Orientierung aneinander und kontrollierende Beobachtung auf die gemeinsame Schlüsselkategorie »Zugehörigkeit« verweisen. Hierüber wird deutlich, dass die Arenen der Kinder- und Jugendarbeit einen heimlichen Lehrplan verfolgen, den wir mit dieser Überschrift kennzeichnen können. Dabei wollen wir die Herstellung von Zugehörigkeit auf der einen Seite
von der performativen Herstellung von Gemeinschaft in peer-groups auf der anderen Seite abgrenzen (vgl. u. a. Schmidt 2004). Ein zentrales Merkmal ist hierbei immer die Entwicklung einer Gruppenidentität über die Abgrenzung von anderen Gruppierungen und
Individuen. Die professionelle Äquilibristik zwischen allgemeiner Freundlichkeit und persönlicher Note hingegen vermeidet die vorschnelle Abgrenzung von anderen Gruppen.26
Auf der anderen Seite grenzt sich die Zugehörigkeit von der Mitgliedschaft und einem
Klientenstatus ab, die die BesucherInnen in beiden Fällen zunächst in eine spezifische Rolle drängen würden, aus der sie aber in einem freizeitorientierten Setting gerade entfliehen.
Die Schlüsselkategorie Zugehörigkeit verweist auf eine zentrale Funktion von Kinderund Jugendarbeit. Eine deskriptive Annäherung kann erreicht werden, indem auf die zwei
Bedingungen hingewiesen wird, die die Herstellung von Zugehörigkeit kennzeichnen.
Voraussetzungen für die Zugehörigkeit sind zum einen die Vertrautheit (mit…) und zum
anderen die Sichtbarkeit (von…). Zuerst zur Vertrautheit: Wie in anderen pädagogischen
Kontexten ist es auch in der Kinder- und Jugendarbeit eine zentrale Aufgabe, einen wie
auch immer gearteten working consensus herzustellen.27 Dabei stellt sich im Jugendhaus –
ähnlich wie in anderen alltäglichen Fällen der Vertrauensbildung und im Kontrast zu anderen professionellen Institutionen – das Problem, diese Arbeitsbeziehung schrittweise aufzubauen. Dieses Phänomen wird bei Luhmann als das »Prinzip der kleinen Schritte« gefasst (Luhmann 2000, S. 50 ff.) und spieltheoretisch als Strategie des tit-for-tat bezeichnet
(vgl. Axelrod 2005). Die Vertrautheit ist nicht die Lösung des Problems, kann aber die
Vertrauensbildung zwischen Klient und Professionellem erleichtern (vgl. Endreß 2002).
Ohne an dieser Stelle auf diese komplizierten Verhältnisse genauer einzugehen, zeigen die
empirischen Fundstellen zur Performativität der Begrüßung, dass diese auf einer doppelten
Vertrautheit (vgl. Grathoff 1989; Schütz/ Luckmann 1994) beruhen: sowohl der Jugendlichen mit dem Jugendhaus als auch der PädagogInnen mit der sozialen Lebenslage und
dem (jugend-)kulturellen Hintergrund der Jugendlichen.
Die Sichtbarkeit bezieht sich auf das Wechselspiel von Sich-Zeigen und GesehenWerden (vgl. Karl 2005), das in der Begrüßung eine besondere Rolle spielt. Schmidt (2004,
S. 96 f.) verweist in diesem Zusammenhang auf die besondere »Marktwirtschaftlichkeit« der
26 Selbstverständlich erzeugt auch die Herstellung von Zugehörigkeit Differenz und Ausgrenzung. Sie ist aber
zunächst immer auf Integration ausgerichtet. Erst wenn diese auf Grund der institutionellen und organisationskulturellen Vorrichtungen scheitert, zielt sie auf Exklusion.
27 Vgl. ausführlicher zu der Frage nach Arbeitsbündnissen Müller (1991).
Die Herstellung von Zugehörigkeit
25
jugendlichen Inszenierungen. Die PädagogInnen mit ihrer freundlich-individuellen und
zugleich informellen Form der Begrüßung entlasten die Jugendlichen, so dass der Wettbewerb um das Gesehen- und Erkannt-Werden gemildert wird. Auch wenn es hier erst einmal um eine ganz basale Form der Sichtbarkeit geht, nehmen wir an, dass diese die Grundlage für die Aufschichtung intensiverer Formen der Arbeitsbeziehung darstellen. Diese basale Form der Sichtbarkeit und Zugehörigkeit basiert auf der spannungsvollen Verbindung
von professioneller Freundlichkeit »ohne Ansehen der Person« (vgl. Parsons 1964) auf der
einen Seite und dem gleichzeitigen zur Geltung bringen der individuellen Besonderheit der
Beziehung (Anerkennung) auf der anderen Seite. Die Ausbalancierung dieser spannungsvollen Verbindung kann als eine zentrale Anforderung an sozialpädagogisches Handeln in
sozial-pädagogischen Arenen angesehen werden.28
3.1.3
Gemeinschaft – Begrüßungen unter Jugendlichen
Die Frage der Zugehörigkeit wird selbstverständlich nicht nur zwischen PädagogInnen
und Jugendlichen bearbeitet, sondern auch zwischen den Jugendlichen selbst. Sie steht
dort aber unter anderem Vorzeichen, wie auch bereits der Interviewausschnitt mit der Pädagogin aus Langenfelden (vgl. Fußnote 25) verdeutlicht hat. Die soziolinguistische Literatur hat in diesem Kontext materialreiche Belege für die jugendkulturellen Eigenheiten ritualisierter Sprechakte gesammelt, auf die wir an dieser Stelle nur verweisen können
(vgl. Deppermann/ Schmidt 2003; Neumann-Braun 2003; Neumann-Braun/ Richard 2005;
Schmidt 2004). Unserem Projekt dienen diese Ergebnisse insbesondere dazu, die Differenzen zwischen diesen unterschiedlichen Praktiken deutlich zu machen. Die Auswertung
von Begrüßungsritualen unter Jugendlichen bildet einen Kontrast zu Rekonstruktionen,
die sich auf Situationen mit Jugendlichen und PädagogInnen beziehen.
Ein Protokollausschnitt aus dem Jugendcafé Langenfelden macht Hauptmerkmale der
Differenz deutlich.29
»Rummachen mit Falke«
Janine (J, die »Neue«) sagt zu Diana (J, Stammbesucherin): »Ich kenn dich doch irgendwo her!« Diana und Janine unterhalten sich darüber, woher sie sich denn kennen könnten, sie sind beide aus portugiesischen Familien. Verschiedene
28 Der Begriff der Zugehörigkeit verweist auch auf eine Differenz zu anderen professionellen bzw. pädagogischen Handlungsfeldern, in denen im Gegensatz zu Zugehörigkeit Mitgliedschaft als zentrale Basis der Teilnahme verstanden werden kann. Verwiesen werden kann auch auf Formen der Kinder- und Jugendarbeit in
den USA, in der für den Zugang ebenfalls stärker die Mitgliedschaft von Bedeutung ist (vgl. Heath/McLaughlin 1993).
29 Für die Mädchen spielt in dieser Einrichtung das so genannte Mädchenpodest als »Nische« innerhalb des Jugendhauses eine besondere Rolle. Es ist nicht nur Anlaufstelle und Ort der weiblichen Kommunikation, sondern in ihm kristallisiert sich auch ein Teil der pädagogischen Praxis, auf die hier nicht näher eingegangen
wird. Janine ist das erste Mal in der Einrichtung in Langenfelden. Dort sucht sie auf dem Mädchenpodest einen Anknüpfungspunkt und versucht mit Diana, die bei den Jugendlichen auf dem Mädchenpodest und auch
im gesamten Jugendcafé eine herausragende Stellung einnimmt, ins Gespräch zu kommen. Die Hinweise auf
geteilte Erfahrungen bzw. auf gemeinsame Erlebnisse wirken etwas hilflos und zeigen, dass Janine noch keinen Platz innerhalb der Gruppe der Mädchen gefunden hat.
26
Performanz der Kinder- und Jugendarbeit
Möglichkeiten werden durchgespielt. Diana kommt schließlich drauf, dass Janine wohl schon mal bei ihnen zu Hause
war. Das gleiche spielt sich dann rechts von mir mit dem dritten Mädchen ab. Janine erzählt ihr, sie würde sie kennen.
Als sie neulich in der Disco XY war, da hätte sie sie vor der Tür gesehen, als sie mit Falke (J) rumgemacht hätte. Das
andere Mädchen ist kurz etwas irritiert, lacht dann aber. (…) Irgendwann steht Janine auf und geht vom Podest hinunter zu anderen Mädchen an einem der Tische. Es setzt sich statt Janine ein anderes Mädchen auf ihren Platz und ab sofort wird nur noch gelästert. Die rechts von mir sagt: »Die kommt hierher und ich kenn die gar nicht und dann erzählt
die hier einfach, sie hätte mich mit Falke vor dem XY gesehen, wo ich mit ihm rumgeknutscht hätte.« Woraufhin die neu
Hinzugestoßene entgegnet: »Die soll ganz ruhig sein, das ist voll die Schlampe, die lässt sich nämlich fingern und zwar
von jedem«. Diana: »Ja, woher willst du das denn wissen?« – Sie : »Ich hab Beweise« – Die andere: »Ja, was denn für
Beweise, gibt ja wohl keine Fotos oder so.« – Sie wieder: »Ja, aber sie hat es selber erzählt«.C,T5:43
Die Differenz zwischen dieser Eröffnung und der Begrüßung zwischen Jugendlichen und
PädagogInnen zeigt sich deutlich. Der persönliche Tonfall zwischen Pädagogin und Jugendlichem im vorherigen Beispiel und ihr Spiel mit der Generationendifferenz hätten bei
so einer Begegnung wohl ihre Grenzen. Und genauso wäre dann der Pädagogin die Grenze gesetzt, hinterher mit anderen Jugendlichen über Janine zu lästern. Der gemeinschaftskonstituierenden Wirkung des Lästerns ist eben durch die Rollen- und Generationendifferenz Grenzen gesetzt (vgl. Günthner 2000). PädagogInnen können zwar über Jugendliche
lästern, dann aber nur untereinander. Das weist darauf hin, dass die Grenzen der Modulation (hier: das Spiel mit der Generationendifferenz) auf eine feine Austarierung angewiesen
ist, so dass immer beiden Seiten klar ist, dass es sich hier tatsächlich um ein Spiel handelt.
Die Schlüsselkategorie der Zugehörigkeit schließt daher – im Kontrast zur Gemeinschaft –
die Distanz von PädagogInnen und Jugendlichen genauso ein, wie die gemeinsame Vertrautheit innerhalb des sozialen Raumes Jugendhaus.
3.1.4
Dispositive des Eintritts und ihre Regulierungen
Auch wenn sich die Begrüßungen unter den Jugendlichen in Form und Funktion von denen zwischen PädagogInnen und Jugendlichen unterscheiden, so finden sie dennoch nicht
im luftleeren Raum statt. Sie sind gebunden an ein institutionell-pädagogisches Ensemble,
das sozial konstituiert und re-konstituiert wird. Seine materielle Ausprägung in Form von
architektonischen Vorrichtungen (z. B. Fassaden, Eingängen, Türen usw.) und zeitlichen
Begrenzungen (z. B. Öffnungszeiten) müssen hier immer im Kontext der performativen
Herstellung und Wiederherstellung dieser Vorrichtungen (französisch: »dispositif«) und
Begrenzungen betrachtet werden. Vor jeder interaktiv hergestellten Zugehörigkeit über die
Begrüßung schaffen also die räumlichen, zeitlichen und sozialen Strukturen die Voraussetzung für die Performativität von Zugehörigkeit. Abgesehen davon, dass es einladende und
weniger einladende Eingänge gibt, stark begrenzende oder an den zeitlichen Rhythmen der
Jugendlichen angepasste Öffnungszeiten, ist dieses Ensemble von Vorrichtungen immer
die Voraussetzung und Gegenstand für das Spiel und die Auseinandersetzung um Zugehörigkeit. In Anlehnung an Michel Foucault nennen wir dieses Ensemble Dispositiv. Foucault versteht unter Dispositiv ein »heterogenes Ensemble, das Diskurse, Institutionen, ar-
Die Herstellung von Zugehörigkeit
27
chitekturale Einrichtungen, reglementierende Entscheidungen, Gesetze, administrative
Maßnahmen, wissenschaftliche Aussagen, philosophische, moralische oder philanthropische Lehrsätze, kurz: Gesagtes ebenso wohl wie Ungesagtes umfasst« (Foucault 1978,
S. 120). Die hier zitierte Foucaultsche Bestimmung verweist auf ein makroanalytisches Netz,
wie z. B. auf das Dispositiv der Sexualität.30 Wir übertragen diesen Begriff, näher an der alltagssprachlichen französischen Bedeutung, auf unsere mikroanalytische Ebene,
(1) weil er die Diskursivität (Performativität) und Materialität in Zusammenhang bringt,
die für einen sozialräumlichen oder sozialökologischen Ansatz unabdingbar ist. Außerdem verweist der oben angeführte Protokollausschnitt (»Mädchenpodest«) auf die
Schnittmengen zwischen dem makroanalytischen Dispositiv des Geschlechts auf der
einen und dessen pädagogisch-institutionellen Transformation auf der anderen Seite.
(2) weil er die Machtstrukturen und die Strategien sichtbar macht, die innerhalb des Jugendhauses durch die PädagogInnen gesetzt werden. Damit wird die ideologisch aufgeladene Fiktion überprüfbar, ob die Jugendarbeit tatsächlich als ein relativ machtfreier Raum betrachtet werden kann (vgl. Sturzenhecker 2004).
(3) weil mit ihm Machtstrukturen und Strategien in ihrer Ambivalenz von »Hemmung und
Steigerung, Beschränkung und Ermöglichung, Kontrolle und Produktion« betrachtet
werden können, die »gewissermaßen gemeinsame Formeln für Freiheit und Beherrschung« (Heubel 2002, S. 9) darstellen.
Wir werden uns an dieser Stelle auf die sozialräumlich-materiellen Teile des Ensembles
konzentrieren und daran zeigen, dass Herstellung von Zugehörigkeit je nach Einrichtung
unterschiedlich vonstatten geht und auch differierende Botschaften beinhaltet. Anhand
zweier Protokollausschnitte werden im Sinne eines maximalen Kontrastes dieses materielle
Ensemble und die Folgen für den Eintritt in die sozialen Arenen näher erläutert. Zunächst
ein Ausschnitt aus den Beobachtungen des Jugendhauses in Grüntal:
Fensterklettern
Dann sind wir eben wieder in die Küche gegangen. (…) Das Fenster war offen, es kamen mit der Zeit irgendwelche Jugendliche. Der Pädagoge sagte auch schon, nach drei Uhr wäre auf, offiziell, würden sie schon teilweise vorher aufmachen.
Nicht die Tür aufmachen, aber wenn vorher welche da wären, die kämen eben rein. Diesmal kamen die eben durch das
Fenster rein. Er sagte dann immer: »Ja, Fenster ist offen, komm rein!« Dann kletterten sie durch das Fenster.G,T1:114
Das Fenster als inoffizieller Eingang und die Erlaubnis des Mitarbeiters, dass die Jugendlichen durchs Fenster reinkommen dürfen, symbolisiert die besondere Zugehörigkeit dieser
30 Darauf verweist seine weitere Bestimmung: »Drittens verstehe ich unter Dispositiv eine Art von – sagen wir
– Formation, deren Hauptfunktion zu einem gegebenen historischen Zeitpunkt darin bestanden hat auf einen
Notstand (urgence) zu antworten. Das Dispositiv hat also eine vorwiegend strategische Funktion« (Foucault
1978, S. 120). Für unsere Nutzung des Begriffs ist darauf zu verweisen, dass das Wort »dispositif« im französischen, jenseits der Foucaultschen »wissensarchäologischen« Verwendung, soviel wie Vorrichtung, Anlage
aber auch Urteilsspruch (dispositif de jugement) bedeutet. Gemeinsamer Nenner dieser Bedeutungen: Etwas,
das etwas bewirken soll und bewirkt, egal ob ungesagt, oder gesagt.
28
Performanz der Kinder- und Jugendarbeit
Jugendlichen zum Jugendzentrum. Sie haben das Privileg hereinzukommen, obwohl das
Zentrum noch nicht geöffnet hat. Die etwas skurril erscheinende Form des Zugangs über
das Fenster kann analog zu der Informalität und der Coolness in den Begrüßungsritualen
gelesen werden. Die »Aufhebung« der Asymmetrie/ der Generationendifferenz wird hier
auf die Spitze getrieben: die Asymmetrie wird dadurch erhöht, dass die Jugendlichen gezwungen werden diesen unbequemen Weg über das Fenster nehmen zu müssen, die
Symmetrie aber gleichzeitig dadurch erzeugt, dass der Mitarbeiter deutlich macht, dass er
das Ganze (scheinbar) nicht so eng sieht. Gemeinsam zelebrieren sie sich als eine Art
symbolische »Hausbesetzer«, die wider die Macht der Institutionen agiert. Auf einen kontrastierenden Aspekt des sozialen und räumlichen Dispositivs weist eine Beobachtung aus
dem Jugendcafé in Langenfelden hin:
Fensterschauen
Ruth (B) beobachtet, wie eine ältere Dame, die vor dem Café vorbei geht, neugierig von Fenster zu Fenster geht und hinein sieht. Dabei geht sie sehr dreist vor, sie »starrt« regelrecht hinein, wahrscheinlich, um ganz genau zu sehen, was drinnen vor sich geht. Nachdem sie durch ein einzelnes der großen Fenster schon sehr lange hinein gesehen hat, geht sie ein
paar Schritte weiter und starrt wieder hinein. Nach ein paar Minuten ist sie auch einzelnen Jugendlichen aufgefallen, die
sich gerade am Billardtisch befinden. Sie weisen sich gegenseitig auf die Frau hin, zeigen auf sie und geben amüsierte
Kommentare ab. Die Frau ändert ihr Verhalten jedoch nicht. Schließlich nimmt ein Junge einen der Barhocker hoch und
tut vom Billardtisch aus so, als ob er die Frau draußen vor dem Fenster damit bedrohen und einschüchtern wollte. Die
Jungs um ihn herum finden das witzig und lachen. Die Frau vor dem Fenster reagiert aber nicht darauf. Sie schaut noch
weitere Minuten durch das Fenster, verschwindet dann aber.C,T7:635
Das Jugendcafé in Langenfelden wurde architektonisch so ausgerichtet, dass es sowohl
sichtbar als auch ein-sehbar ist. Die großen schaufensterartigen Fensterscheiben erzeugen
den ersten Eindruck eines klassischen groß- oder mittelstädtischen Cafés und erregen daher innerhalb eines städtischen Ensembles keine besondere Aufmerksamkeit. Obwohl es
als »etwas anderes Café« erkennbar ist, lädt es gelegentlich PassantInnen zum Eintritt ein.31
Auch wenn in der Art der Einrichtung in Langenfelden ebenfalls die Intention ‚Herstellung von Zugehörigkeit‘ erkennbar ist, so ist diese hier nicht – wie in den eher traditionell
ausgerichteten Jugendhäusern – mit einer Separierung gegenüber der städtischen Öffentlichkeit verbunden. Im Gegenteil: Hier soll offensichtlich dem Wunsch der Jugendlichen
Rechnung getragen werden, in der Stadt und in der Öffentlichkeit sichtbar und erkennbar
zu bleiben. Der Protokollausschnitt verweist zwar darauf, dass diese Herstellung von Öffentlichkeit auch seine unerwünschten Nebeneffekte hat. Aber gerade das »Starren« der
Passantin zeigt, dass sie performativ die Andersartigkeit und Befremdlichkeit des Jugendcafés unterstellt. Gegen diese Unterstellung wehren sich die Jugendlichen provozierend.
31 Das passiert immer wieder, wie wir beobachten konnten und von den PädagogInnen bestätigt bekamen.
Die sozial-pädagogische Arena
29
Räumliche Dispositive beantworten (oder besser: präfigurieren) also immer auch die
andere Seite der Medaille von Zugehörigkeit. Die andere Seite von Zugehörigkeit ist die
Frage nach dem Verhältnis zu den Nicht-Zugehörigen, der Außenwelt. Die Einrichtung
von Langenfelden kann verdeutlichen, dass es sich hier nicht um ein Null-Summen-Spiel
nach dem Motto: »Mehr Zugehörigkeit bedeutet stärkere Abschottung« handelt. Im Gegenteil: Die Zugehörigkeit zum Jugendcafé versichert den Jugendlichen eine anerkannte
Erkennbarkeit und Sichtbarkeit innerhalb des städtischen Kontextes.
3.2
Erste Verdichtung: Die sozial-pädagogische Arena
Nachdem einleitend empirisch aufgezeigt wurde, wie sich Zugehörigkeit performativ herstellt, soll nun der Frage nachgegangen werden, wie das Feld aussieht, zu dem Zugehörigkeit hergestellt wird. Es geht also darum, die Ergebnisse unserer Rekonstruktionen stark
verdichtend, konstitutive Merkmale von Kinder- und Jugendarbeit zu beschreiben.32 Im
Rahmen der Auswertung unserer empirischen Materialien wurde der Begriff der »sozialpädagogischen Arena« zu einer Schlüsselkategorie. In diesem Sinne verstehen wir diesen
Begriff als empirische Konsequenz aus unseren Beobachtungen, auch wenn die Nähe zum
Begriff der ‚sozialen Arenen‘, der von Anselm Strauss geprägt wurde (vgl. Strauss 1982),
nicht ganz zufällig ist. Im Gegensatz zu Anselm Strauss, der damit die Auseinandersetzung
und das Diskursive als zentrales Moment des Alltaghandelns betont, nutzen wird den Begriff, um die performative Herstellung von Kinder- und Jugendarbeit ethnografisch beschreiben zu können.
Die Kategorie »Arena« könnte zunächst als einfacher Hinweis auf die räumlichen Bedingungen der Kinder- und Jugendarbeit aufgefasst werden. Der folgende Protokollausschnitt zu einer spontanen Inszenierung im Jugendzentrum Hobürgen macht aber anschaulich, dass mit der Arena insbesondere ein Handlungsraum verstanden wird, der nicht
primär über territoriale-architekturale Grenzen, sonder performativ hergestellt, also »erhandelt« wird.
Battle
Mir kommt das Geschehen immer gleich vor. Alle Jugendlichen sitzen rum und reden und hören laut Musik. Dann beginnt Aki zur Musik zu tanzen. Er macht den Poptanzstil der kleinen Mädchen nach und karikiert ihn. Es entwickelt sich ein Spiel mit Markus, der die Figuren von Aki nachmacht. Sie haben Spaß daran und sofort schaut der ganze
Raum der Darbietung zu. Sogar aus dem Nebenraum schauen die beiden plaudernden Mädchen, die den ganzen Nachmittag dort saßen, herüber. Dabei war Marcs und Akis Tanz nichts Besonderes. Sie haben immer nur kurz ein Lied
angespielt und sich darüber lustig gemacht. Schon das reichte aber um die Aufmerksamkeit aller sofort auf sich zu ziehen. Ihre Darbietung endete bald, als die beiden keine Lust mehr hatten, ihnen die ‚Witze‘ ausgingen und sie sich wiederholten. Sie setzten sich wieder zu den anderen in die Sofas.H,T5:33
32 Die Ergebnisse beziehen sich hier vorwiegend auf die Arbeit mit Jugendlichen. Die Unterschiede zur Arbeit
mit Kindern müssen im weiteren Verlauf des Projektes noch herausgearbeitet werden.
30
Performanz der Kinder- und Jugendarbeit
Statt einer ausführlichen sequenzanalytischen Interpretation33 möchten wir an diesem kurzen Ausschnitt acht Strukturmerkmale sozial-pädagogischer Arenen aufzeigen. Wir haben
absichtlich eine Szene gewählt, in der keine Professionellen direkt anwesend sind, um zu
zeigen, dass auch dann Kinder- und Jugendarbeit geschieht – und dies im Gegensatz zu
anderen professionellen Arbeitsfeldern, in denen überwiegend die face-to-face Interaktion
zwischen Professionellen und KlientIn im Vordergrund steht. Kinder- und Jugendarbeit
stellt sich zwar nicht ohne die Mitwirkung von Professionellen und/ oder Ehrenamtlichen
her – wenn man von manchen Formen autonomer Jugendarbeit absieht. Jedoch scheint
gerade die Möglichkeit, dass Kinder und Jugendliche – ohne dass Erwachsene anwesend
sind und auch ohne durch die Erwachsenen festgelegte Aufgabe (wie z. B. Gruppenarbeit)
– sich in den Räumen der Kinder- und Jugendarbeit aufhalten, strukturell bedeutsames Element zu sein. Somit kann erstens festgehalten werden:
1. Sozial-pädagogische Arenen der Kinder- und Jugendarbeit sind Orte, die dadurch strukturiert sind,
dass ein nicht unwesentlicher Teil der dort stattfindenden Aktivitäten ohne die direkte Anwesenheit oder
den direkten Einfluss von Erwachsenen bzw. Professionellen geschieht.
Kinder- und Jugendarbeit scheint sich zunächst nicht von jugendlichen Treffpunkten auf
der Straße zu unterscheiden. Dramaturgisch verdichtet leitet der Protokollant die Sequenz
ein, indem er auf die Gleichförmigkeit des Tuns der Jugendlichen hinweist: Sie sitzen herum und hören Musik. Im Anschluss signalisiert das Protokoll durch das Rahmenschaltelement »dann« einen Rahmenwechsel (vgl. Goffman 1977). Dieser wird zunächst von den
beiden Tänzern in Gang gebracht. Dadurch, dass sich die anderen der »Darbietung zuwenden«, wird der Raum auch von den ZuschauerInnen zu einer Bühne. Man kann also
sagen, dass durch jenen Rahmenwechsel die Bühne von Tänzern und ZuschauerInnen
performativ hergestellt wird. Im Gegensatz zum Theater, bei dem der Raum institutionell
in Zuschauerraum und Bühne vor-eingeteilt ist, findet hier die kleine performance mitten in
der Arena statt und stellt sie damit zugleich auch her. Voraussetzung dafür ist zunächst die
Produktion eines akustischen Raumes über die laute Musik. Die performative Herstellung
der Arena erfolgt vorwiegend non-verbal, also über eine körperliche Inszenierung auf der
einen und der Aufmerksamkeitsrichtung der Blicke andererseits. Wir können als zweite
Strukturdimension festhalten:
2. Sozial-pädagogische Arenen der Kinder- und Jugendarbeit sind performativ hergestellte und sensorisch
erfahrbare Orte für verschiedene Formen des Sich-in-Szene-setzens und des Zuschauens. Wir knüpfen
damit an die ursprüngliche Bedeutung der Arena an, die immer auch ein Aufführungsort und Zuschauerraum darstellt.
33 Unberücksichtigt bleiben hier die bewertenden Anteile dieses Protokollausschnitts durch den Beobachter.
Die sozial-pädagogische Arena
31
Doch schauen wir uns noch einmal genauer an, was vor dem Rahmenwechsel passiert ist.
Der Protokollant hat festgehalten: »Alle Jugendlichen sitzen rum und reden und hören laut
Musik«. Wir haben es also mit einer dezentrierten Interaktion zu tun. Dann aber findet plötzlich eine Zentrierung der Aufmerksamkeit statt, indem die zwei Jugendlichen sich in Szene
setzen und die anderen ihre visuelle Aufmerksamkeit auf deren Tanzaufführung richten.
So schnell wie die Aufmerksamkeit auf den Tanz gerichtet worden ist, so schnell ebbt sie
aber auch wieder ab. »Eine zentrierte Interaktion«, so Goffman, »tritt ein, wenn Menschen
effektiv darin übereinstimmen, für eine gewisse Zeit einen einzigen Brennpunkt der kognitiven oder visuellen Aufmerksamkeit aufrecht zu erhalten, wie etwa in einem Gespräch,
einem Brettspiel oder einer gemeinsamen Aufgabe, die durch einen kleinen Kreis von
Teilnehmern ausgeführt wird« (Goffman 1977, S. 7). Zentrierte Interaktion wird gewöhnlich für eine Minimalbedingung zur Konstitution eines Erziehungsfeldes gehalten. Für Jugendarbeit gilt das so nicht.
3. Die Gleichzeitigkeit und der schnelle Wechsel von dezentrierter und zentrierter Interaktion kann als
ein wesentliches Merkmal von sozial-pädagogischen Arenen in der Kinder- und Jugendarbeit beschrieben
werden. Hierin unterscheidet sich das Handeln in der Kinder- und Jugendarbeit im Wesentlichen von vielen anderen pädagogischen Arbeitsfeldern, wie z. B. Unterricht, Beratung, o. ä.
Wir haben bereits festgestellt, dass durch die Aufführung ein Rahmenwechsel vollzogen
wird. Dies scheint bei den Anwesenden nicht zu Irritationen zu führen, obwohl der Wechsel nicht explizit markiert wurde. Auch in weiteren Protokollen unserer Teilnehmenden
Beobachtungen finden wir allenthalben solche Transformationen und Wechsel von Rahmen, die wie selbstverständlich in der sozial-pädagogischen Arena stattfinden, mit oder
ohne Beteiligung von PädagogInnen. Die Aufrecherhaltung eines Rahmensystems, wie
z. B. Beratung oder Unterricht, wird nicht per se als grundlegender working consensus angenommen. Dies bedeutet auch, dass nicht Kontinuität, sondern Diskontinuität der zentrale Ausgangspunkt vom Handeln in sozial-pädagogischen Arenen ist. Diskontinuität bedeutet hier auch, dass im Gegensatz zu anderen professionellen Handlungsfeldern eine
Rahmung jederzeit auch mit Leichtigkeit beendet werden kann, weil kaum zeitliche und
inhaltliche Klammern festlegen, was jetzt oder als nächstes zu geschehen hat.34 Somit
können wir als viertes Merkmal von Arenen in der Kinder- und Jugendarbeit festhalten:
4. Transformationen von Interaktionsrahmen sind in hohem Grade unvorhersehbar. Das hat zur Folge,
dass jede Interaktion unter den prekären Bedingungen der Diskontinuität stattfindet.
34 Vgl. hierzu kontrastierend für die Therapie Willems 1997; ähnlich beschreibt das Axel Schmidt (2005) in Zusammenhang mit jugendlichen Kommunikationskulturen; Beispiele hierfür finden sich auch bei Bärbel Bimschas und Achim Schröder (2003).
32
Performanz der Kinder- und Jugendarbeit
Die hier protokollierte Tanzaufführung hat deutlich spielerische Züge. Sie ist, um noch
einmal mit Erving Goffman (1977) zu sprechen, die Modulation eines Tanzes. Mit anderen Worten: Es wird so getan, als würde man tanzen. Die Tanzschritte von Besucherinnen
des Hauses werden nachgeahmt und karikiert, und die Jugendlichen nehmen damit Bezug
auf das beim Breakdance verwendete Ritual des Battles: Der Tanzstil eines anderen wird
nachgeahmt und spielerisch lächerlich gemacht, wodurch der Nachgeahmte sich aufgefordert fühlt, eine noch bessere Karikatur seines Karikaturisten darzubieten. Das verweist auf
die zweite ursprüngliche Bedeutung von Arena. In ihr finden nicht nur Aufführungen,
sondern auch Wettkämpfe – oder allgemeiner gesprochen – Spiele, Proben und Sonderaufführungen statt (vgl. ebd.).
5. Sozial-pädagogische Arenen der Kinder- und Jugendarbeit sind also Austragungsorte für Wettkämpfe
und Spiele, die immer vor dem Hintergrund eines realen Kampfes um Anerkennung unter Jugendlichen
und zwischen Jugendlichen und Erwachsenen zu betrachten sind. In der Kinder- und Jugendarbeit konstituieren sich also Arenen der spielerischen Auseinandersetzung und der Aushandlung.
Das Protokoll hält genau fest, worum es in diesem Wettkampf geht: Aki »macht den Poptanzstil der kleinen Mädchen nach und karikiert ihn«. Mit anderen Worten: Aki schafft hier
tänzerisch Differenz zu einer anderen Gruppe von jüngeren Jugendzentrumsbesucherinnen und greift damit die in den HipHop-Videos zu beobachtenden differenten Tanzstile
auf, die deutlich als Strategien des Doing Gender zu kennzeichnen sind. Er nimmt damit
distinktiv Bezug auf ein hochkomplexes System von Zeichen und Bewertungen und verortet sich darin performativ und habituell. Spielerisch demonstrieren die Jugendlichen damit,
zu welcher Subgruppe sie gehören.35
6. In sozial-pädagogischen Arenen der Kinder- und Jugendarbeit werden Zugehörigkeit und Gemeinschaft
über die Auseinandersetzung und Abgrenzung von anderen Subgruppen hergestellt, indem je eigene symbolische Zugehörigkeiten szenisch ins Spiel gebracht werden, in mehr oder weniger spielerischen Versuchen,
die Arena zu besetzen.
Das Merkmal der öffentlichen Arena als Aushandlungsarena wird noch einmal deutlicher,
wenn wir uns vor Augen führen, dass diese Abgrenzungen immer unter der Bedingung einer internen Öffentlichkeit vollzogen werden. Jede Handlung und jede Aufführung, gleich
ob von PädagogInnen und von Jugendlichen vollzogen, findet vor den Augen und Ohren
aller anderen statt. In dieser Hinsicht unterscheidet sich Kinder- und Jugendarbeit von vielen anderen professionellen Handlungsfeldern, in denen die zentrierte Interaktion zum
Schutz der KlientInnen oder AdressatInnen unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfindet. Nur in wenigen Aspekten der Schule ähnlich, in welcher Bildung (mehr oder weniger
35 Vgl. zur Bedeutung von Subgruppen in sozialen Arenen Strauss (1982).
Die sozial-pädagogische Arena
33
ungeschützt) vor der internen Öffentlichkeit des Klassenzimmers geschieht, lässt sich für
die Kinder- und Jugendarbeit festhalten:
7. Ein Großteil des Handelns in sozial-pädagogischen Arenen findet unter den Bedingungen von interner
Öffentlichkeit statt. Das Handeln in der sozial-pädagogischen Arena wird auch dann, wenn es separiert
stattfindet, von eine Publikum mitvollzogen und bewertet. Intimität ist hier nur unter den Bedingungen von
Öffentlichkeit möglich.
Zur Verdeutlichung zitieren wir noch einmal einen Protokollausschnitt:
Nebenraum
Tanja (P) berichtet mir Folgendes: Sie sei mit ein paar Jugendlichen zu einer Besprechung in den Nebenraum hinter der
Theke gegangen. Nachdem die Besprechung zu Ende gewesen wäre, hätten die Jugendlichen die Jugendlichen, die an der
Besprechung teilgenommen haben, unverzüglich angesprochen: »Und? Wie lange habt ihr bekommen?«. Tanja erläutert
mir: »In diesen Raum gehen wird häufig, wenn es Auseinandersetzungen mit Jugendlichen gegeben hat. Dort werden
dann auch häufig Hausverbote ausgesprochen«.C,T10:48
Bemerkenswert ist hier, dass trotz der Herstellung eines intimen Interaktionsrahmens, die
mit einer Separation vonstatten geht, die Interaktionen weiterhin im Blick der internen Öffentlichkeit des Jugendhauses stehen. Unsere Beobachtungen zeigen schließlich, dass von
der internen Öffentlichkeit eine externe unterschieden werden muss.
8. Die sozial-pädagogische Arena der Kinder- und Jugendarbeit ist eine doppelte Bühne: a) für das Publikum, das sich aus den direkten TeilnehmerInnen rekrutiert und b) eine Bühne, die von einer externen Öffentlichkeit beobachtet und beeinflusst wird.
Am deutlichsten zeigt sich das in den von uns untersuchten eher ländlich gelegenen Jugendhäusern und -zentren, die sich immer unter den Augen und manchmal auch direkten
Interventionen einer lokalen Öffentlichkeit situieren müssen. Nicht in gleicher Weise dominant, aber dennoch deutlich erkennbar sind auch die anderen von uns beobachteten
Einrichtungen, etwa das großstädtische Jugendhaus Zitrone, durch diesen doppelten Bezug auf eine interne und externe Öffentlichkeit geprägt. In dem städtischen Jugendcafé in
Langenfelden wird allein schon architektonisch auf den Umstand der externen Öffentlichkeit und der Beobachtung von außen verwiesen. Am prägnantesten bringt es aber die Leiterin des Cafés bei einer Nachbesprechung auf den Punkt: Ihr komme es häufig so vor, als
bewege sie sich im Café auf einem Präsentierteller.
Im Folgenden wird der Frage nachgegangen, welche in Zusammenhang mit den hier
beschriebenen Merkmalen stehenden Handlungsbögen in der sozial-pädagogischen Arena
empirisch beobachtet werden können. Dabei werden ausschließlich die Inszenierungen in
Zusammenhang mit der internen Öffentlichkeit untersucht.
34
3.3
Performanz der Kinder- und Jugendarbeit
Konstitutive Handlungsbögen
Das folgende Kapitel schließt an die empirische Beschreibung der Kinder- und Jugendarbeit als Handeln in sozial-pädagogischen Arenen an, indem spezifische Formen des Handelns in den Blick genommen werden. Hier soll noch einmal anhand ausgewählter Szenen
gezeigt werden, wie Kinder- und Jugendarbeit performativ hergestellt und dabei Zugehörigkeit und Differenz geschaffen wird. Der Fokus wird auf Interaktionen gelegt, die in vielerlei Hinsicht alltäglichen Konversationen (vgl. Willems 1997) bzw. Alltagskommunikationen ähneln. Der Fokus geht zunächst auf die Beobachtung zurück, dass auf Seiten der
AdressatInnen ein großer Teil der Zeit mit Frotzeln, Scherzen, mit dem Austausch von
Neuigkeiten, mit Klatschen etc. verbracht wird, was zwar in der Jugendarbeit allgemein bekannt ist, aber kaum einer genaueren Analyse unterzogen wurde (vgl. jedoch Küster
2003).36 Im Zuge der Rekonstruktionen stellte sich jedoch schnell heraus, dass die Interaktionen zwischen den Professionellen und den Jugendlichen nur vordergründig alltagskommunikativen Formen ähnelten. Es wurde deutlich, dass hier andere Regeln gelten, als
sie in der soziolinguistischen Literatur zu Alltagskommunikationen zu finden sind, weil die
institutionelle Einbettung der Interaktionen Differenzen zum Alltagsgespräch erzeugt.37
Ziel der empirischen Rekonstruktionen soll hier nicht sein, die im Rahmen von Konversations- und Gattungsanalysen bislang entwickelten kommunikativen Gattungen38 für
die Kinder- und Jugendarbeit zu re-interpretieren, sondern zu zeigen, welche anderen Bedeutungen spezifische Gattungen im Rahmen von Kinder- und Jugendarbeit erlangen.
3.3.1
Alltägliche Kommunikationen und ihre Modulation
Rumhängen
Ab und zu erhebt sich jemand und setzt sich wieder hin. Billy (J) sagt: »Ey, Aki (J) komm mal her, ich will dir was erzählen. Aki geht die zwei Schritte zu ihm rüber. Dann wird er kurz von jemandem abgelenkt und fragt dann bei Billy
nach: »Was willst du mir denn erzählen?« »Oh, ich hab‘s vergessen.« Aki setzt sich wieder.H,T7:156
36 Vgl. auch die im Rahmen eines DFG-Projektes erzielten Ergebnisse zu Kommunikationskulturen Jugendlicher (vgl. u. a. Neumann-Braun/Deppermann 1998).
37 Dies entspricht den Überlegungen von S. Günthner (2000), die bezogen auf das Konzept der ‚kommunikativen Gattungen’ die »außenstrukturelle Ebene« hervorgehoben hat: »Diese Ebene bezieht sich auf den Zusammenhang von Gattungen und sozialen Milieus, ethnischen und kulturellen Gruppierungen, Geschlechterkonstellationen etc.« (Günthner 2000, S. 17). Zusätzlich verweist sie darauf, dass kommunikative Gattungen
auf der außenstrukturellen Ebene sich »durch typische, immer wiederkehrende soziale Veranstaltungen« auszeichnen (ebd.). Unter sozialen Veranstaltungen versteht sie »jene strukturierten und teilweise sogar institutionalisierten Handlungszusammenhänge (…), die räumlich und zeitlich festgelegt und eingegrenzt sind, wie
beispielsweise Universitätsseminare, Sprechstundensituationen, Verkaufsveranstaltungen, aber auch informelle Familientischgespräche oder Kaffeetrinken unter Freundinnen sind soziale Veranstaltungen.« (ebd.). Die
empirischen Rekonstruktionen haben gezeigt, dass sich in der Kinder- und Jugendarbeit als einer soziale Veranstaltung spezifische Gattungen und abweichende Formen entdecken lassen, zumal nicht unberücksichtigt
bleiben darf, dass sich Kommunikationen in erheblichen Maße dadurch unterscheiden lassen, ob sie innerhalb oder außerhalb des Rahmens von Organisationen stattfinden (vgl. Willems 1997; Puchta/Wolff 2004).
38 Beispielhaft zu nennen sind Studien zu Vorwurfsaktivitäten (vgl. Günthner 2000), Beratungsgesprächen (vgl.
Nothdurft/Reitemeier/Schröder 1994), Scherzkommunikation (vgl. Kolthoff 1996), Klatsch (vgl. Bergmann
1987) und Streit (vgl. Spiegel 1995), die zum Teil wichtige Hinweise für die Rekonstruktionen geliefert haben.
Konstitutive Handlungsbögen
35
Einzelne Jungs sitzen an den Bistrotischen und wirken so, als würden sie nur darauf warten, bis das Café zu macht oder
bis ihre Freunde bereit wären zu gehen.C,T5:493
Offenbar wird in dieser Szene weder den Regeln zur Kommunikation in Organisationen
(vgl. Puchta/ Wolff 2004) gefolgt, noch ist überhaupt Zielgerichtetheit zu beobachten.
Genauso wenig ist hier eine Befolgung allgemeiner Konversationsregeln festzustellen
(vgl. Willems 1997, S. 355 ff.; Schmidt 2005). Vielmehr entspricht die Szene der Kommunikationskultur von Jugendlichen: Man »hat es mit Freizeitinteraktionen zu tun, in denen
keine Aufgaben zu lösen sind und kein Wissen zu vermitteln ist« (Schmidt 2005, S. 93).
Weil keine Aufgabe zu lösen ist, sind solche vordergründig ereignislosen Kommunikationen und lange Phasen, in denen scheinbar nichts passiert oder nur selten kommuniziert
wird, im Jugendhausalltag nicht selten zu beobachten. Hierbei macht es häufig auch keinen
Unterschied, ob MitarbeiterInnen im Raum sind oder nicht. Häufig scheint es hier darum
zu gehen, genau im Blick zu haben, was gleich passieren, was in der Arena präsentiert und
vorgeführt werden könnte. Der schnelle Wechsel von der dezentrierten zur zentrierten Interaktion geht mit einem ‚Hin und Her‘ und einem ‚Kommen und Gehen‘ einher. Dass
Kommunikationen auf der Seite der Jugendlichen nicht zielgerichtet sein müssen und häufig auch nicht sind, zeigt die folgende Szene, in der auch deutlich wird, dass diese Bedingungen nicht folgenlos für die Interaktion zwischen Jugendlichen und Professionellen
sind. Voraus geht dieser Szene, dass drei Jugendliche auf dem Sofa sitzend nichts Bestimmtes tun und die Professionelle Nadja Hertz sich daneben setzt. Nach einer knappen
Intervention der Professionellen wegen eines auf dem Tisch abgelegten Fußes und eines
spielerischen Widerspruchs durch die Jugendlichen fragt die Mitarbeiterin die auf dem Sofa sitzenden Jugendlichen:
Urlaub
»Fahrt ihr in Urlaub?« Ich habe bereits mehrfach feststellen können, dass Nadja in letzter Zeit über diese Frage Gespräche mit den Jugendlichen zu beginnen versucht. Aber es stellt sich immer wieder als sehr schwierig dar, mit diesen Jugendlichen tatsächlich ein Gespräch beginnen und dann weiterführen zu können. Auch in dieser Situation kam ein Gespräch nicht so richtig zustande, weil der Sevrim angefangen hat, die Geschichte von der Kirmes zu erzählen.Z,T9:624
Es stellt sich die Frage, mit welchem Interesse sich die Mitarbeiterin zu den Jugendlichen
setzt. Vermutet werden kann, dass sie sich hier nicht alleine zum Zwecke der Bewachung
und Regulation in die Nähe der Jugendlichen begeben hat, sondern dass sie die Nähe
sucht, um Kontakt zu den Jugendlichen herzustellen. Bevor sie dies initiieren kann, folgt
sie – durch den Schuh eines Jugendlichen auf dem Tisch herausgefordert – dem Arbeitsbogen der Intervention. Diesen Arbeitsbogen verlässt sie wieder, indem sie die Jugendlichen
fragt, ob sie in den Urlaub fahren. Damit versucht sie zielgerichtet einen Rahmenwechsel
zu initiieren, um von der vorhergegangenen Regulation wegzuführen. Sie versucht ‚Kontakt herzustellen‘, indem sie sich ‚alltagskommunikativ‘ zeigt. Die Frage nach dem Urlaub
ist in alltäglichen Gesprächen auf der Straße legitim, sie ist sehr allgemein gehalten und
36
Performanz der Kinder- und Jugendarbeit
lässt vermuten, dass Nadja Hertz im Moment keine anderen Themen mit den Jugendlichen hat, an die sie anknüpfen kann. Die Initiierung des Rahmenwechsels schlägt jedoch
fehl, nicht nur weil die Mitarbeiterin nicht an dem bisher Geschehenen anknüpfen kann,
sondern auch weil die allgemeine und ernste Frage nach dem Urlaub auch in Kontrast zu
den Sprechgewohnheiten der Jugendlichen steht, die mit der Kirmesgeschichte der Mitarbeiterin demonstrieren, was ihnen tatsächlich interessant erscheint. Die Ablehnung des
Rahmenwechsels kommt auf Seiten der Jugendlichen einer Fortführung ihrer bisherigen
Rahmung gleich. Indem die Jugendlichen der Mitarbeiterin die kalte Schulter zeigen, demonstrieren sie Grenzen und zeigen, dass sie nicht in ihre ‚Gefilde‘ eindringen darf. Es
kann sogar so weit gegangen und behauptet werden, dass Sevrim den Rahmen des Spiels
beim Streit um den Schuh auf der Tischkante weiterführt und ihn ein wenig transformiert.
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass hier Kommunikationsformen aufeinandertreffen, die widerstreitenden Interessen, Regeln und Handlungsbögen folgen. Während die
Mitarbeiterin das Ziel verfolgt, Kontakt zu den Jugendlichen herzustellen, demonstrieren
die Jugendlichen ihren divergenten Kommunikationsstil und wehren die zielgerichteten Interessen der Mitarbeiterin ab.
In der nächsten Szene trifft die Kommunikationskultur eines Jugendlichen im Jugendzentrum Grüntal auf die gegensätzlichen Erwartungen des Professionellen Jörg Stöhr und
der Praktikantin Sigrid Perk. Diesmal ist zunächst eine entgegengesetzte Kommunikationsrichtung zu beobachten.
Viagra
Wir saßen in diesem Küchenraum. Es ging immer rein und raus. Mal saßen dort nur die Praktikantinnen, mal saß da
Jörg Stöhr (P) und aß. Mal saßen dort fünf bis acht Jugendliche, teilweise Ehrenamtliche, teilweise Musiker, teilweise
mischten sich die Jugendlichen aus dem offenen Bereich dazu. Es gab dann immer wieder die Situation, dass insbesondere
der »Ruler« (J) mit einem anderen Jugendlichen ziemlich laut war. Er hat immer irgendwas über Sex geredet, z. B. über
Viagra. Er fragte, ob man einer Frau auch Viagra verabreichen kann, ob die dann auch geil werde. Die Praktikantinnen, die haben darauf immer nur geschmunzelt und den Kopf verdreht, oder auch mal gekontert. Die Sozialassistentin
Sigrid Perk (P) hat dann gesagt: »Mein Gott hast Du mich auf dem Kieker? Du hast mich ja heute ständig auf dem
Kieker und was ist denn heute los mit dir?« Jörg Stöhr sagte dann ab und zu mal: »Nicht persönlich werden!« Ein Jugendlicher, der so ein bisschen schüchterner wirkte und freundlicher, der sagte dann: »Komm wechseln wir das Thema, ist
ja langweilig!«G,T2:193
Szenen, in denen nicht viel passieren zu scheint, wechseln jedoch mit Situationen, in denen
plötzlich der dezentrierte Zuschauerraum zur Bühne wird. Kontrastierend kann hier aufgezeigt werden, wie ein Jugendlicher im Jugendzentrum Grüntal die Arena in Anwesenheit
mehrerer MitarbeiterInnen für eine Inszenierung nutzt, die modulierend gleichermaßen
spielerisch und ernst die Konversationsmaximen von Ehrlichkeit verletzt (vgl. Schmidt
2005), auch wenn er gleichzeitig eine für ihn ernsthafte Frage nach der Verwendung von
Viagra formuliert. Unter den Bedingungen von Öffentlichkeit erscheint die Frage jedoch
als Rahmenbruch. Die Praktikantinnen reagieren auf den Bruch mehr oder weniger di-
Konstitutive Handlungsbögen
37
stinktiv als ein Publikum, das schmunzelnd Gelassenheit demonstriert. Gleichzeitig kann
bei ihnen jedoch auch ein »Aufgreifen der Spielmodalität« (vgl. Günthner 2000) beobachtet werden (»kontern«). Die Praktikantinnen wechseln von der Beobachterinnen- in die
Schauspielerinnenrolle. Die Sozialassistentin Sigrid Perk jedoch, die als ‚Neueinsteigerin‘
den Kommunikationsstil des Jugendlichen nicht genau einzuschätzen weiß, fühlt sich provoziert. Dies veranlasst schließlich den Jugendzentrumsleiter Jörg Stöhr zu einer die Sozialassistentin schützenden knappen Intervention, die das Geschehen neu rahmt. Hier zeigt
sich, dass der jugendliche Kommunikationsstil des Frotzelns, Toppens und Stichelns inForm eines Rahmenbruchs genau dann als ungelungene Inszenierung zu werten ist, wenn
gegenüber der Spaß- und Spielmodalität die Kritik, die Aggressivität und Provokation stärker ins Gewicht fällt (vgl. Günthner 2000, S. 170). Jörg Stöhr verweist darauf, dass die Stichelei ihm zu »persönlich« gemeint sei und zieht damit eine Grenze.39
Der gleiche Jugendliche führt wenige Zeit später seine sexuellen Andeutungen spielerisch weiter und nimmt Bezug auf die bisherige Auseinandersetzung mit dem Jugendzentrumsleiter, in dem er diesen diesmal konkret herausfordert. Er fragt Jörg Stöhr, wann er
das erste Mal onaniert habe. Somit spielt er mit den »Strukturgesetzlichkeiten« einer diffusen Sozialbeziehung, in der »normal ist, dass alles thematisierbar ist« (Oevermann 1999,
S. 111), weil er den Regeln der alltäglichen Konversation – »taktbedingten Sprechverbote[n]« (Willems 1997, S. 364) nicht folgt. Er fordert Jörg Stöhr heraus, eine Information
beizusteuern, die ihn in eine schiefe Lage bringen könnte (vgl. Willems 1997, S. 363 f.). Der
Jugendzentrumsleiter lässt sich jedoch nicht in eine ‚schiefe Lage‘ bringen. Zum einen
antwortet er ernsthaft, indem er eine Bildungsgelegenheit aufgreift und dem Jugendlichen
neues Wissen vermittelt. Zum anderen greift er modulierend den Spielcharakter auf: Im
Kommunikationsstil des Jugendlichen demonstriert er seine ‚Unerschrockenheit‘ durch
schonungslose Ehrlichkeit. Die Arena ist hier eine Bühne, auf der die gelungene Inszenierung seiner Gelassenheit sich zu Demonstrationszwecken an die Praktikantinnen und mit
dem Ziel des ‚Toppens‘ an die Jugendlichen richtet: Er demonstriert dem Jugendlichen, er
könne dieses Spiel besser spielen als dieser und schafft es gleichzeitig, dass der Jugendliche
seine sexuellen Anspielungen beendet.
Fasst man die Beobachtungen bis hierhin zusammen, dann lassen sich zunächst bei Interaktionen zwischen MitarbeiterInnen und Jugendlichen widerstreitende Interessen zwischen alltagkommunikativen bzw. jugendkulturellen Kommunikationsstilen auf der einen
Seite und organisationell und professionell gerahmten Interessen auf der anderen Seite in
der Kinder- und Jugendarbeit entdecken. Die Unterschiede sind nicht selten Anlass für
Regulationen, die verhindern sollen, dass die kommunikativen Regeln der Jugendlichen
39 Bemerkenswert ist auch die Reaktion des anderen Jugendlichen, der das Spiel als langweilig bewertet und
damit gleichzeitig mitteilt, dass er die spielirisch-provokante Inszenierung als nicht gelungen betrachtet.
38
Performanz der Kinder- und Jugendarbeit
auch auf die Professionellen angewendet werden. Diese Differenz wird von den MitarbeiterInnen jedoch häufig spielerisch-modulierend kaschiert, indem sie sich an den Interaktionen der Jugendlichen beteiligen. Hier tun die MitarbeiterInnen so, als würden sie mitmachen, auch wenn für sie andere Regeln gelten als für die Jugendlichen.
Darüber hinaus wird hier deutlich, dass Jugendliche durch Tabubrüche40 – quasi nebenher – spielerisch modulierend die Asymmetrie der Beziehung zu den MitarbeiterInnen
bearbeiten. Sie fordern das prekäre Verhältnis zwischen diffusem und spezifischem Handeln heraus. Gleichzeitig können sie sich habituell im Gefüge der sozial-pädagogischen
Arena verorten und demonstrieren, dass sie vor Überschreitungen nicht zurückschrecken.
Für die MitarbeiterInnen erweist sich hier die sozial-pädagogische Arena als Möglichkeitsraum für Aushandlungen und weitere Bearbeitungen. Mit anderen Worten: Alltagsgespräche auf der Seite der Jugendlichen und die Modulationen durch die Professionellen
können als ein zentrale (Er-)Öffnung für sozialpädagogische Handlungsbögen aufgefasst
werden.
3.3.2
Knappe Modulationen
Langeweile
Einzelne Jungs sitzen an den Bistrotischen und wirken so, als würden sie nur darauf warten, bis das Café zu macht oder
bis ihre Freunde bereit wären zu gehen. Es wirkt wie eine große Aufbruchstimmung. Kurz nach halb zehn kommt ein
Mädchen zu Sarah an die Theke und sagt: »Du, mir ist langweilig.« Worauf Sarah meint: »Du, mir auch.«C,T5:493
In dieser kleinen Szene wird Sarah Sebald von einem Mädchen mit einer typischen ‚Kinderklage‘ angesprochen. Gleichzeitig fordert sie mit dieser Klage die Mitarbeiterin dazu
auf, sich einer Dienstleistungsrolle entsprechend zu verhalten. Das Mädchen formuliert
hier (vermutlich unbewusst) eine Falle: Sie formuliert an die Mitarbeiterin zugleich einen
Betreuungswunsch, eine verdeckte Attacke auf das »langweilige« Angebot der Einrichtung
und die, ebenfalls verdeckte, Aufforderung, das Abendprogramm spannender zu gestalten.
Sarah Sebald ist klug genug, der manifesten Erwartung nicht zu entsprechen, auch wenn
sie in anderen Situationen immer wieder eine ‚gute‘ Dienstleisterin spielt – sei es bei Beratungen oder beim Thekendienst. Sie kontert vielmehr, indem sie bekräftigt, dass sie, wie
das Mädchen, Langeweile empfinde. Damit stellt sie vordergründig Gemeinsamkeit her,
gleichzeitig aber schafft sie, ohne das zu thematisieren, Klarheit in einer diffus gewordenen
Beziehung:: Sie weist indirekt auf ihre berufliche Rolle, aber auch auf die Autonomie des
Mädchens hin. Sie eröffnet damit prinzipiell die Möglichkeit zu einer symmetrischen
Kommunikation, wenn das Mädchen aus ihrer kindlich-dienstleistungsorientierten Anfrage
40 Die hier angeführten Protokollausschnitte sind durch einen männlichen jugendkulturellen Kommunikationsstil geprägt. Insbesondere bei Jugendzentrumsbesucherinnen, aber auch bei älteren Jungen konnten durchaus
andere Kommunikationsstile beobachtet werden, die weniger deutlich den oben beschriebenen aggressiven
Stilen entsprechen (vgl. auch Schmidt 2005). Hier beobachtete Gespräche entsprechen durchaus den von
Willems (1997) aufgeführten Konversationsregeln.
Konstitutive Handlungsbögen
39
heraustritt. Zusammengefasst kann der vom Mädchen initiierte Interaktionsrahmen als
Dienstleistungserwartung, die von der Mitarbeiterin entgegen gesetzte Rahmung als »paradoxe Intervention« gekennzeichnet werden. Bemerkenswert ist hier jedoch insgesamt die
Knappheit der Reaktion, die auch als Strategie der kleinen Schritte gekennzeichnet werden
kann (vgl. Goffman 1981, S. 107 f.; vgl. auch die »Sparsamkeitsregel« in Kap. 3.5.1).
»Willst du quatschen?«
Natascha (J) fragte Ines Kirsch (P), was denn mit nächste Woche wäre, wie oft denn noch Kindertag gemacht würde.
Dann hat Ines so vorgefühlt und meinte: »Nach den Sommerferien willst du wahrscheinlich eher nicht.« Natascha: »Nee,
ich habe unheimlich viel Stress und so. Und die Trainer machen mir jetzt auch Stress, die wollen, dass ich unbedingt
Leichtathletik weitermache.« (…) Sie sagte, sie hätte insgesamt unheimlich viel Stress. Zu Ines: »Weißt du ja.« Ines hat
sie gefragt: »Willst du quatschen? Natascha: »Nein«, sie hätte schon genug die ganze Zeit gequatscht. »Weißt ja, es wird
im Augenblick schlecht geredet. Ja weißte, wegen meinem Exfreund.« (Ich habe das nicht so genau mitbekommen, weil
die über etwas geredet haben, wovon ich gar keine Ahnung hatte.) (…) Natascha sagte noch: »Ja, auf jeden Fall ist der
Ferienspaß so eine Sache, die ich gerne mitmache, aber Kindertag ist wahrscheinlich zu viel. Also müsste man gucken.«
Sie hat das nicht klar formuliert. Sie sagte dann, sie freut sich auf die neue Schule und erzählte, dass sie in Latein eine
Fünf hat. Tanner (J) meinte darauf: »Hey ich war in Latein total gut.«G,T11:132
Eingebettet in alltägliche Kommunikationen über Schule und Liebe, wird über persönliche
Gründe für das Ende des Engagements der Ehrenamtlichen Natascha beim einmal in der
Woche stattfindenden Kindertag verhandelt. Das Gespräch ist seitens der Pädagogin zielgerichtet: Sie verfolgt die Bearbeitung institutioneller Aufgaben, hier die beratende Begleitung einer Ehrenamtlichen, im Gegensatz zum eher alltagskommunikativen Wechselspiel
des nachfolgenden und vorgelagerten Gesprächs über Schule und die Schwester eines anderen Jugendlichen. Die Frage von Ines Kirsch »willst du darüber quatschen« banalisiert
scheinbar unter Verwendung eines eher alltagssprachlichen Begriffes den Vorschlag eines
Beratungsgespräches und egalisiert schon im Voraus die Asymmetrie, die durch die Etablierung eines Beratungsrahmens entstehen könnte. Ähnlich wie »Klatschen« ist das »Quatschen« eher ohne direktes Ziel, dient der Unterhaltung, dem Zeitvertreib. Es ist aber kein
Zufall, dass Ines sich so ausdrückt, wenn sie mit der Ehrenamtlichen nicht »quatschen«,
sondern sie eher beraten will. Zugleich zeigen sich in der Arena unter den Bedingungen
von Öffentlichkeit – das Gespräch findet in der Küche statt, in der sich weitere Ehrenamtliche aufhalten – die Grenzen, einen geeigneten Rahmen bei fehlender Intimität und geringem Schutz herzustellen.
Charakteristisch für das Feld ist es, Raum zu schaffen, in dem sich zweckfrei unterhalten werden kann, der aber gleichzeitig als Gelegenheitsstruktur für anderes dient. Eben
deshalb darf nicht genau definiert werden, was hier eigentlich passiert: Geschieht hier das
Angebot für Beratung, für ein freundschaftliches Gespräch oder etwas ganz anderes?
Sprachlich zeigt sich damit nicht nur die Ambivalenz des Feldes zwischen diffusem und
rollenförmigen Handeln, die die diffusen Eigenschaften der Beziehung performativ in den
Vordergrund rückt. Vielmehr wird eben damit Spielraum für rollenförmiges »pädagogi-
40
Performanz der Kinder- und Jugendarbeit
sches« Handeln geschaffen. Dabei wird der Rahmen der Gesprächssituation äußerlich nur
minimal transformiert, in dem ein Angebot zum »Quatschen« gemacht wird. Die Mitarbeiterin handelt dabei so, als verbliebe sie im Modus des Alltagskommunikationsschemas, im
Modus des vorwiegend Diffusen. Dass dies spezifische professionelle Kompetenzen erfordert, zeigt eine zweite Szene aus dem Jugendzentrum Grüntal, in der das Spannungsfeld
zwischen diffusem und spezifischen Rollenhandeln auf andere Weise deutlich wird.
Reni und die Trennung der Eltern
Reni (J) hat zu weinen angefangen. (…) Sie hat (…) in der Runde berichtet, (…) dass der Vater sich wohl am letzten
Wochenende von der Familie getrennt habe. Er würde auch schon länger woanders wohnen, in Harnebad und würde da
eine Ausbildung als Security-Mann machen. Dort habe er eine Frau kennen gelernt, mit der er schon zusammengezogen
sei. (…) Die Frau habe persönliche und berufliche Probleme. Der Vater habe nun das Gefühl, er würde gebraucht werden. Der Vater habe sie und ihre Mutter belogen. (…) Ines (P) hat dann auch wieder Fragen gestellt. Sie fragte, ob der
Vater bei ihr unten durch wäre oder welches Gefühl sie für ihn empfinden würde. Reni sagte, das Problem sei, sie liebe
ihn natürlich und hänge natürlich an ihrem Vater. Er wäre in der Familie jedoch »ganz unten durch«. Dann wurde
darüber gesprochen, dass das ohne den Vater nun ein Frauenhaushalt wäre. (…) Ines unterstützte dann auch den Frauenhaushalt, indem sie sagte: »Das ist vielleicht ganz gut«. Sie ergänzte: »Gibt hier einiges an Stress und einige Probleme,
vielleicht sollten wir hier mal eine Mädchengruppe aufmachen. Frauenpower!«G,T3:378
Die Szene macht zunächst deutlich, dass es sich hier kaum um einen Beratungsrahmen in
institutionellen Settings handelt, weil hier z. B. weder Wissensdifferenzen und Problemlösungskompetenzen noch die Asymmetrie der Beziehung durch die Mitarbeiterin Ines
Kirsch in den Vordergrund gerückt werden (vgl. Reitemeier 2000, S. 255). Die hier vorzufindende Gesprächsform ähnelt eher dem alltäglichen Kommunikationsrahmen zwischen
FreundInnen, in den Aspekte von Beratung einfließen. Gleichwohl wendet die Mitarbeiterin professionelle Beratungstechniken, z. B. Techniken des aktiven Zuhörens an, die Reni
dazu bewegen, weiter zu erzählen. »Normalisierungsreden« (wie z.B.: »Das wird schon
wieder«), die in alltäglichen Gesprächen dazu dienen, performativ sich gegenseitig Normalität zu bescheinigen (»geht mir auch so«), sind hier nicht zu finden. Als Ines Kirsch jedoch
dann den »Frauenhaushalt« unterstützend kommentiert und den (scherzhaften) Vorschlag
unterbreitet, eine »Mädchengruppe« zu gründen, geschieht eine Transformation des bisherigen Rahmens. Die einzelne Situation wird in einen Gesamtkontext gestellt (»es gibt hier
einige Probleme«) und ein Interventionsvorschlag unterbreitet. Tatsächlich aber führt dies
das »Beratungsgespräch« auf die Ebene der informellen, nicht zweckgerichteten Kommunikation zurück. Zugleich aber hat der Vorschlag symbolischen Charakter, sofern er verdeutlichen soll, dass Reni mit ihren Problemen nicht alleine steht und dass Ines Kirsch mit
Reni solidarisch ist. Mit anderen Worten: Es geht auch hier um die performative Herstellung von Zugehörigkeit. In diesem Rahmen wird nur angedeutet, dass es potentiell möglich wäre, über das gerade stattfindende Gespräch weitere Angebote zu machen. Jedoch
erweist es sich hier als erforderlich, dass der kommunikative Rahmen nicht allzu offensichtlich verändert wird. Auch wenn ein Spielraum für rollenförmiges »pädagogisches«
Konstitutive Handlungsbögen
41
Handeln geschaffen wird, ist der Rahmen der Gesprächssituation jeweils nur minimal verändert, damit der Eindruck entsteht, als verbliebe alles im Modus des Alltagskommunikationsschemas. Somit wird nicht allzu offensichtlich, dass das Hilfe- bzw. Beratungsangebot
immer auch eine asymmetrische Beziehung einschließt. Diese Asymmetrie – so die prekäre
Handlungsanforderung der Kinder- und Jugendarbeit – gilt es nicht zu offensichtlich werden zu lassen (vgl. auch die Mitmachregel, Kap. 3.5.2).
3.3.3
Übergang und Transformation
Die folgende Szene entstammt dem Jugendcafé in Langenfelden. Hier wird kontrastierend
aufgezeigt, wie die Transformation der Dienstleistungserwartung eines Jugendlichen in einen Coaching-Rahmen performativ vollzogen wird.
Bewerbungsschreiben
Von Karim (J) höre ich, dass er einem anderen Jugendlichen sagt, er gehe jetzt mit Sarah (P) eine Bewerbung schreiben.
Ich sitze zu dem Zeitpunkt an der Theke und frage, ob ich mit ins Büro kommen darf, wo die Bewerbung am PC geschrieben werden soll. Karim sagt, ich störe nicht, ich könne ja für ihn schreiben. Wir gehen gemeinsam ins Büro. Auch
Sarah fragt er, ob sie ihm das jetzt schreibe. Aber Sarah setzt sich auf den Stuhl neben den PC und sagt, dass müsse er
schon selbst machen, aber sie könne ihm helfen und ein paar Vorlagen zeigen. Karim setzt sich auf den Schreibtischstuhl
vor den PC. Sarah holt aus dem Regal verschiedene Hefter mit Vorlagen.C,T7:276
Zu Beginn der Szene berichtet Karim einem anderen Jugendlichen, dass er nun mit Sarah
Sebald, der Sozialpädagogin, eine Bewerbung schreiben gehe. Hier definiert er den Termin
mit Sarah als Kooperation und setzt selbstverständlich voraus, dass sie ihm hilft, genauer,
dass sie die Aufgabe für ihn löst. Indem er den Termin in dieser Weise definiert, stellt er
sich performativ als Adressaten einer Hilfe dar. Gleichzeitig wird deutlich, dass Karim bereits den Rahmen des ‚Angebotes‘ und die Erwartungsstruktur kennt. Der Rahmen sieht
vor, dass Karim als ‚Hilfeempfänger‘ zu einem verabredeten Termin geht – ähnlich wie ein
Klient zu seinem Arzt –, der an einem separierten, nur teil-öffentlichen Ort stattfindet.
Bemerkenswert ist, dass Karim seine Aussage offenkundig beiläufig an eine Teilöffentlichkeit in der Arena des Jugendhauses richtet. Die Information, dass er nun einen Termin
bei Sarah wahrnehme, ist also auch für die Öffentlichkeit des Jugendhauses relevant. Somit
markiert Karim durch seine Aussage die besondere Situation, in die er sich begeben wird –
die Beratung –, und die besondere Situation, in der er sich befindet – der Übergang von
der Schule in die Ausbildung.41
In der sich anschließenden Sequenz erkundigt sich die Teilnehmende Beobachterin, ob
sie mit in das Büro gehen dürfe. Karim jedoch bearbeitet in seiner Antwort die Definiti41 Bemerkenswert ist aber auch, dass die Tatsache, dass er nun eine Beratung/Hilfe in Anspruch nehmen wird,
die, anders als eine mit Schwellenängsten behaftete Intervention, im öffentlichen Raum des Jugendhauses
nicht mit Scham behaftet zu sein scheint. Auf Basis dieser Feststellung lassen sich Vermutungen über die
Gestalt des Jugendhauses und die dort vorzufindenden Arbeitsbeziehungen anstellen. Angenommen werden
kann, dass die Einrichtung eine Erwartungsstruktur geschaffen hat, in der Hilfen bei Bewerbungen als legitimes Anliegen definiert sind, die nicht mit sozialem Druck oder Stigmata verbunden sind.
42
Performanz der Kinder- und Jugendarbeit
onsrechte über die Rahmung spielerisch und testet die Fremde, indem er ihr die Rolle seiner Schreibkraft anbietet. Damit spielt er modulierend mit vordefinierten Erwartungen
und Rollen. Er thematisiert gleichzeitig die Schwere des Vorhabens und die potentielle
Kränkung, die aus mangelnden Fähigkeiten, seinen Part zu erfüllen, resultieren könnten.
Im Büro angekommen wird diese Inszenierung vor Sarah Sebald noch einmal wiederholt.
Während Karim vorher die Pädagogin als Mitakteurin definiert hat, weist er auch ihr hier
die Rolle der Schreibkraft zu. Indem keine Begrüßung oder kein anderes Übergangsritual
erfolgt, inszeniert sich Karim als Akteur und Provokateur, der herausfordernd und spielerisch eine Kampfansage an den Rahmen in modulierter Form vorbringt. Es ist die Aufforderung, noch einmal den vordefinierten Rahmen zu verhandeln. Weil Karim sein Anliegen
jedoch nur scherzhaft vorbringt, weiß er anscheinend, dass er kaum über die Rechte zur
Definition des Rahmens verfügt.
Die Sozialpädagogin Sarah Sebald greift das Spielangebot nicht auf, sondern beantwortet auf zwei Ebenen direktiv die Frage durch Handeln: In ihrem ersten Schachzug setzt sie
sich auf den Stuhl neben den PC und deutet damit an, dass Karim derjenige sein soll, der
am PC arbeitet. Damit weist sie Karims Herausforderung zurück und macht deutlich, wer
über Definitionsrechte in dieser Situation verfügt. Sarah agiert in der Rolle der Platzanweiserin. In ihrem zweiten Schachzug teilt Sarah Karim mit, dass er seine Bewerbung »selbst«
schreiben solle. Hierüber werden Karims Aufgaben festgelegt. Im dritten Schachzug weist
sich Sarah – die vorherige Aussage durch ein »aber« relativierend – die Rolle als Helferin
zu und beschreibt anschließend, in welcher Form sie ihn unterstützt, durch Bewerbungsvorlagen. Somit hat Sarah Sebald den Arbeitsbogen dargelegt und ihren Rahmen der Arbeitsbeziehung entfaltet. Der Arbeitsbogen soll sich als Koproduktion entfalten: Indem sie
Vorlagen einbringt, eröffnet sie potentiell die Möglichkeit, dass sie Karim unterstützt, ohne dass sie stellvertretend handeln muss. Hier erweist sich Sarah als geschickte Arrangeurin des pädagogischen Grunddilemmas (vgl. Schütze 2000).
Insgesamt kann die Interaktion bis hierhin als liminale Aushandlung eines Hilferahmens begriffen werden (vgl. auch Wagner-Willi 2005). Indem die Personen den Rahmen
aushandeln, handeln sie auch ihre jeweiligen Rollen und Rechte aus. Karim akzeptiert seine
und Sarahs Rolle; das Arbeitsbündnis ist somit besiegelt. Karim lässt sich relativ leicht
‚führen‘. Sein Versuch der Durchbrechung des vorgegebenen Rahmens kann als nicht
sonderlich ernst gemeint angesehen werden.
3.3.4
Zusammenfassung
Zusammengefasst lässt sich die Arena der Kinder- und Jugendarbeit als sozialer Ort unterschiedlichster Kommunikationsstile und -formen beschreiben. Hierbei nehmen jedoch alltägliche Kommunikationen und jugendkulturell geprägte Kommunikationsstile einen zentralen
Stellenwert ein. Entlastet von »thematischer Strenge« (Willems 1997, S. 358), zeigt sich hier
Konstitutive Handlungsbögen
43
die Alltagskommunikation als »komplexes, wechselhaftes, blitzartiges, subtiles Spiel der
Rahmungen, in dem man ständig zu angemessenen Handlungen« (ebd., S. 369) und zu
Bewertungen gezwungen ist. Angesichts der hier häufig vorzufindenden Formen männlich
dominierter jugendlicher Kommunikationskulturen werden die Regeln und Tabus alltäglicher Konversation häufig durchbrochen (vgl. Willems 1997; Schmidt 2005). Auf der anderen Seite sind die institutionell geprägten Kommunikationsrahmen der MitarbeiterInnen in
der Kinder- und Jugendarbeit eher zielgerichtet und zeigen eine »wechselseitige Orientierung an der gemeinsamen Aufgabe« an (Puchta/ Wolff 2004, S. 443).
Die Gleichzeitigkeit unterschiedlicher Kommunikationsformen in der Arena der Kinder- und Jugendarbeit kann als eine ihrer Besonderheiten bezeichnet werden. Im Unterschied zur Schule, bei der in der Regel der Übergang von einem zum anderen Rahmen,
(z. B. von der Pause zum Unterricht) ritualisiert und performativ hergestellt wird und den
zentralen Rahmenwechsel darstellt, der in das Rahmensystem Unterricht führt (vgl. Wagner-Willi 2005), stellt sich die Arena in der Kinder- und Jugendarbeit als Gelegenheitsstruktur für unterschiedliche und fließende Transformationen und Modulationen von Interaktionsrahmen dar. Dabei verfügt die Kinder- und Jugendarbeit z.B. im Gegensatz zur
Therapie kaum über mächtige räumliche und zeitliche Klammern, die die Übergänge gestalten (vgl. Willems 1997), auch wenn hier Dispositive vorzufinden sind, die anzeigen, dass
hier Kinder- und Jugendarbeit stattfindet (vgl. Kap. 3.1.4). Mit anderen Worten: Der jeweilige Rahmen, die Entscheidung was hier jetzt passiert, muss ständig performativ hergestellt
und ausgehandelt werden.42 Die Aushandlung der jeweiligen Rahmung stellt sich, professionsbezogen betrachtet, als ein prekäre Angelegenheit heraus, weil sich Kommunikationen
zwischen alltäglichen und professionell-institutionalisierten Formen, mit anderen Worten:
zwischen diffusen und spezifischen Mustern bewegen.
Ein Großteil der empirisch vorzufindenden Kommunikationen in der Arena der Kinder- und Jugendarbeit, an denen die sozialpädagogischen MitarbeiterInnen beteiligt sind,
erscheint als nicht zielgerichtet und als nicht aufgabenorientiert. Beim gemeinsamen Quatschen reden die MitarbeiterInnen so, als würde keine große Generationendifferenz und
keine Asymmetrie in der Beziehung bestehen. Mimetisch ahmen sie den Sprachstil der Jugendlichen nach (vgl. Küster 2003). Häufig beteiligen sie sich an den spielerisch modulierten Wortgefechten der Jugendlichen, überbieten diese manchmal an Wortgewandtheit und
Gelassenheit und folgen dabei eher Mustern diffuser Sozialbeziehungen. Dabei werden
bestehende Asymmetrien verwischt. Gleichzeitig dürfen die MitarbeiterInnen jedoch nicht
denselben kommunikativen Regeln wie die Jugendlichen folgen, denn für sie gelten andere
Regeln: Zwischen SozialpädagogInnen und Kindern bzw. Jugendlichen gelten nicht die
42 Die Aushandlung kann beinhalten, dass im Gegensatz zu vielen anderen professionellen Handlungsfeldern
hier über längere Zeit nicht viel passieren kann, dass kein Ziel verfolgt wird, dass alle nur herumsitzen und
sich anstarren. Dies ist kennzeichnend für die Kinder- und Jugendarbeit.
44
Performanz der Kinder- und Jugendarbeit
gleichen Reziprozitätsbedingungen wie in anderen alltäglichen Kommunikationen: Das
Weinen von Reni darf durch die Mitarbeiter Ines Kirsch nicht missachtet werden. Am
Frotzeln des Jugendlichen, das an die Sozialassistenpraktikantin gerichtet ist, darf sich Jörg
Stöhr nicht beteiligen. Auch hätte ein verlorenes Frotzelduell für den Mitarbeiter andere
Konsequenzen zur Folge als für den Jugendlichen. Die Szene »Viagra« und die Reaktion
der Sozialassistentin zeigen, wie schwierig und prekär das komplexe, wechselhafte, blitzartige, subtile Spiel der Rahmungen (vgl. Willems 1997, S. 358) innerhalb von Alltagskommunikationen für Professionelle ist. Dies zeigt deutlich, dass für Kommunikationen zwischen Jugendlichen und MitarbeiterInnen der Kinder- und Jugendarbeit mehr als nur Aspekte diffuser Sozialbeziehungen eine Rolle spielen. Kommunikationen mit den Jugendlichen haben vielmehr häufig den Charakter von Modulationen, die den Sinn haben zu
vermitteln, als würde man mitquatschen. Das Mitquatschen jedoch erweist sich als Gelegenheitsstruktur für Transformationen der bestehenden Konversationsrahmen.43
Die Transformation von Interaktionsrahmen geschieht dabei häufig in einer Form, die
als Strategie der kleinen Schritte gekennzeichnet werden kann (vgl. Goffman 1981,
S. 107 f.). Bedeutsam sind hier knappe Interventionen, die den bestehenden Rahmen alltäglicher Kommunikation nur minimal verändern und dabei Optionen für weitere Transformationen liefern. Über diese Transformationen wird aus der Symmetrie heraus Asymmetrie (und vice versa) zwischen den Jugendlichen und den MitarbeiterInnen performativ
hergestellt und damit für beide sichtbar gemacht, dass es hier um Jugendarbeit geht. Professionstheoretisch erweist sich dieses Vorgehen als besonders interessant, weil hier deutlich wird, dass Kinder- und Jugendarbeit im Gegensatz zu anderen pädagogischen bzw.
professionellen Handlungsfeldern durch ständige Transformationen gekennzeichnet ist,
durch die erst das, um was es geht, performativ hergestellt wird.
Somit sind die Alltagskommunikationen der Jugendlichen und die modulierende Teilnahme der JugendarbeiterInnen an ihnen Ausgangsbasis für Rahmungen, die anderen Regeln mit anderen Handlungsbögen folgen. Diese Rahmungen wurden hier bislang nur
durch die Szene »Bewerbung« angedeutet. Im Rahmen des Forschungsprojektes wurden
unterschiedliche Rahmenwechsel und insbesondere auch die Momente der Transformation als Übergänge zur performativen Herstellung von Kinder- und Jugendarbeit untersucht. Schwerpunkte wurden dabei bislang auf Freizeit-, Kreativ- und Beratungsbögen gelegt, aber auch auf die Etablierung von langfristigen, projektförmigen Handlungsbögen.
Eine Verdichtung der Ergebnisse wird in der nächsten Zeit erfolgen.
43 Klaus Mollenhauer hat die Kinder- und Jugendarbeit in diesem Sinne folgendermaßen beschrieben: »Obwohl
wir die Jugendarbeit als freie Geselligkeit bezeichnen können, kann damit doch nicht behauptet werden, dass
diese Geselligkeit in der Variation ihrer Formen unbegrenzte Möglichkeiten habe. (…) Geselligkeit findet
auch außerhalb der Jugendarbeit statt. Nur in den seltensten Fällen wird die Form der Geselligkeit in der Jugendarbeit produziert, in der Regel ist sie der außerpädagogischen Wirklichkeit entlehnt und erfährt durch ihre Aufnahme in die Jugendarbeit lediglich spezifische Momente« (Mollenhauer 1986, S. 107).
Die Herstellung von Konsens und Beziehung
3.4
45
Zweite Verdichtung: Die Herstellung von Konsens und Beziehung
In der Rekonstruktion von Begrüßungssituationen konnte verdeutlicht werden, dass die
Arena sich über die Herstellung von Zugehörigkeit konstituiert und dass die alltäglichen
Kommunikationsformen sparsam moduliert und in institutionalisierte Rahmen transformiert werden. Es stellt sich im Anschluss an diese Ergebnisse die Frage, ob und in welcher
Form die Beziehungsarbeit als modus operandi, der in den letzten Jahren wieder verstärkt
in den Blickpunkt gerückt (vgl. Hafeneger 1993, 1998; Müller 1995, 2000) und zuletzt auch
in einigen Forschungsprojekten (vgl. Bimschas/ Schröder 2003; Müller/ Schmidt/ Schulz
2005) untersucht wurde, eine Rolle innerhalb der Arbeit in der sozial-pädagogischen Arena
spielt. Auch auf Grund der unzureichenden empirischen Basis oszillierte die Diskussion in
der Kinder- und Jugendarbeit zwischen der seit Ende der 1980er Jahre forcierten sozialräumlichen Orientierung, die die Herstellung eines geeigneten und aneigbaren Raumes und
Kontextes im Blick hat, einerseits und einem Verständnis von Kinder- und Jugendarbeit
als Beziehungsarbeit andererseits. Im Projekt wurde mit der Rekonstruktion der unterschiedlichen Typen von Arbeitsbeziehungen schon nach der ersten Erhebungsphase begonnen. Dabei drängte sich uns eine Veränderung des methodischen Zugriffs auf.
Die Auswertung der Teilnehmenden Beobachtungen weist darauf hin, dass diese polare
Aufspaltung auf eine kategoriale Engführung zurückzuführen ist. Die Engführung besteht
darin, insbesondere enge und dauerhafte, intergenerationale Beziehungen mit einem deutlich fokussierten Inhalt zu thematisieren. Die sequenzanalytische Auswertung unserer Protokolle führte uns hingegen dazu, diesen Blick zu weiten, da wir festgestellt haben, dass
‚Beziehungen‘ über kaum wahrnehmbare Modulationen alltäglicher Kommunikationen
hergestellt bzw. immer wieder von Neuem und mit wechselnden Inhalten hergestellt werden (vgl. Frotzeln in Kap. 3.3). Auch der kontrastive Vergleich von Begrüßungssituationen,
die in der Kategorie der »Herstellung von Zugehörigkeit« konvergieren, zeigt, dass innerhalb dieser Arena spezifische Formen von Beziehungen existieren, die aber immer wieder
situativ ausgehandelt werden. Anhand der bislang rekonstruierten Szenen Teilnehmender
Beobachtungen lassen sich vorläufig drei Hypothesen für den working consensus und die
Arbeitsbeziehungen innerhalb der Kinder- und Jugendarbeit bilden. Diese werden anhand
kurzer, interpretierter Ausschnitte vorgestellt:
Chef
Irgendwann kommt ein anderer Junge (Thomas, J) rein. Er ist derjenige, den ich in der Disco schon gesehen habe und mit
dem ich ein wenig über die Musik und die Anlage gesprochen habe. Daniela (P) ist gerade draußen und Thomas, der
sich offensichtlich schon ganz heimisch fühlt, setzt sich hinter den Schreibtisch und meint: »So, jetzt bin ich mal der Chef
hier«. Niclas (P) geht ein bisschen drauf ein, nennt ihn ebenfalls Chef. Es entwickelt sich ein kleines Spiel. Irgendwann
meint er, dass das Arbeiten hier ihm schon ganz gut gefallen würde. Er probiert den Schreibtischstuhl aus, dreht sich
damit ein wenig, nur um demonstrativ zu probieren, wie der Stuhl sich so anfühlt. Daniela kommt dann irgendwann zurück. Thomas grinst Daniela an und macht wieder eine Anspielung. Daniela geht zwar einerseits drauf ein, andererseits
macht sie dann kurzen Prozess und meint »Los, hopp« und Thomas geht woanders hin.A,T3:221
46
Performanz der Kinder- und Jugendarbeit
In der Einrichtung »Alter Bahnhof« des Stadtteils Pelzen ist das Büro das zentrale Kommunikationszentrum zwischen Jugendlichen und PädagogInnen. In dieses Büro tritt am
zweiten Beobachtungstag Thomas (J) ein. Daniela, sie ist die Leiterin des Jugendhauses, ist
gerade im Haus unterwegs und so ist der ‚Chefsessel‘ hinter dem Schreibtisch vakant, denn
Niclas, ein weiterer Mitarbeiter, sitzt an einem anderen Platz. Niclas fängt ein Spiel an, so
interpretiert der Beobachter die Situation. Der Beobachter ist anscheinend irritiert, denn
mit der Notiz »fühlt sich offensichtlich ganz heimisch«, impliziert er bereits eine Erklärung
für das seines Erachtens wohl unübliche Verhalten. Mit seiner Bemerkung impliziert er
auch, dass der Jugendliche sich Rechte herausnimmt, die man erst in Anspruch nimmt,
wenn man sich zu Hause wähnt. Damit überschreitet er die rollenförmige Sozialbeziehung
zwischen Mitarbeiterin und Jugendlichem. Seine Bemerkung (»bin ich mal der Chef«) lässt
jedoch gleichzeitig erkennen, dass er diese Rolle nur mal spielen möchte. Wir haben es hier
mit einer typischen Modulation eines Rahmens zu tun, in dem die Beziehung zwischen Jugendlichen und PädagogInnen moduliert wird. Die Reaktion von Niclas, der das SpielAngebot aufnimmt, eröffnet nun Thomas die Möglichkeit, sich weiter in diese Rolle einzufühlen. Thomas bietet eine kleine performance dar und greift dabei auf stereotype Verhaltensweisen von Chefs zurück (»dreht sich im Stuhl«). Darin kommt eine Lässigkeit zum
Ausdruck, die man sich – aus der Sicht von Thomas – als Chef leisten kann. Auch Daniela
lässt nach ihrer Rückkehr dieses Spiel zunächst zu, wendet dann aber die Situation mit einer kurzen Interjektion, die das Ende des Spiels markiert.
Was aber verweist in dieser Situation auf eine Arbeitsbeziehung? Zunächst könnte man
auf die offensichtlich schon länger bestehende Beziehung zwischen Jugendlichen und PädagogInnen eingehen. Die Informationen darüber sind spärlich: Wir können nur vermuten, dass sich Daniela und Niclas auf der einen Seite und Thomas auf der anderen schon
länger kennen. Doch was wird dann inhaltlich bearbeitet? Um was geht es in dem kleinen
Spiel? Zunächst um die Position, die Daniela und Thomas jeweils innehaben und die Rolle, die sich daran festmacht. Thomas stellt den Generationenunterschied und die Komplementarität und Asymmetrie der Rollen symbolisch in Frage. Können wir aber nun daraus schließen, dass im Sinne eines Arbeitsbündnisses dieses Thema bearbeitet wird oder
werden soll? Wohl nicht so einfach. Denn gerade die spielerische Bearbeitung dieses Themas scheint überhaupt erst die Möglichkeit zu eröffnen, das Generationen- und Rollenverhältnis zu bearbeiten, auf die Probe zu stellen, während eine pädagogische Thematisierung dieses spielerische Erproben eher verhindern würde. Von diesem Material also auf
die konkrete Arbeitsbeziehung zu schließen, wäre voreilig. Das empirische Material spricht
zunächst sehr viel deutlicher über die situative Herstellung eines working consensus und damit über das ernsthafte Spiel an und mit den vorgegebenen Rollen. Der working consensus ist, abstrakt gesprochen, zweistellig: Er beinhaltet einen Bearbeitungsmodus (Spiel)
Die Herstellung von Konsens und Beziehung
47
und ein Thema (Rolle/ Generation). Auf der Grundlage einer allgemeinen Zugehörigkeit
zu der Arena »Alter Bahnhof« und hier noch einmal speziell dem »Büro« als Subwelt wird
dieses Thema bearbeitet. Für die soziale Arena »Alter Bahnhof« lässt sich aus dem kurzen
Ausschnitt nur generalisieren, dass der Bearbeitungsmodus »Spiel« und das Thema »Generationen- und Rollendifferenz« eine Rolle spielt.44
1. Hypothese: Eine empirische Bearbeitung des Themas »working consensus und Arbeitsbeziehung« in der
Kinder- und Jugendarbeit erfordert zunächst immer die Berücksichtigung der situativen Herstellung eines
working consensus, der einen bestimmten Bearbeitungsmodus im Hinblick auf ein bestimmtes Thema beinhaltet. Wir gehen davon aus, dass in jedem Jugendhaus sich bestimmte dominante Formen von working
consensus ausmachen lassen.
Der Materialausschnitt verweist – wie bereits erwähnt – aber auch auf die konkrete Arbeitsbeziehung zwischen Thomas und Daniela. Diese kann allerdings, vor allem bei längerer Vorgeschichte, noch erheblich komplexer sein, so dass sich scheinbar unvereinbare
Modi des working consensus überlagern und dabei die Grenzen komplementären Rollenspiels nicht nur symbolisch in Frage stellen. Auch hier soll ein Beleg aus einer anderen
Einrichtung genügen, der gerade als Extremfall aufschlussreich ist:
Bus leihen
Da war ein Jugendlicher, er hatte Schwierigkeiten, sie müssten nach Nettelheim. Er fragte, ob er den Bus haben könnte.
Dann sagte Jörg (P): »Ist schwierig mit dem Bus, da muss ich einen Dienstreise-Antrag stellen.« Dann hat er überlegt:
Mit dem Dienstreise-Antrag, das kriegt man noch hin, aber das Problem ist, wenn der Bus dann eben kaputt ist, und
damals, war scheinbar richtig teuer, hätte er den Bus verliehen, da hätte man noch nicht mal einen Dienstreise-Antrag
stellen müssen, es war ja eine kleine Fahrt gewesen und dann sei eben der Bus mit sechs oder sieben Jugendlichen überschlagen, wie durch ein Wunder wäre den Jugendlichen nichts passiert, aber der Bus wäre eben kaputt gewesen und er wäre eben der Gearschte, wenn er dann eben kein Bus hätte und demnächst wäre Ferienprogramm und da bräuchten sie eben ständig den Bus. Er meinte dann: »Wir müssen das dann so machen mit dem Vertrag, musst Du dir den mieten,
kostet aber Geld, musst auch die Versicherung übernehmen« usw. Jörg hatte mir noch angekündigt, dass nachher noch die
Melanie (P) kommt, die saß denn da und sagte: »Ey, Du hast meinen Bus verliehen, ich wollte doch hier mit den Jugendlichen zum Konzert fahren«. »Oh«, meint er, »dringendes Problem hatten die und ich habe denen den Bus geliehen.«
Sagt die Melanie: »Ja, aber ich wollte auf ein Konzert fahren.« Jörg: »Ja, aber die hatten eben ein dringendes Problem.«
Meinte sie: »Ist nicht so schlimm, ich kann auch mit dem Auto fahren, kein Problem.«G,T2:87
Der Jugendliche, der beim Jugendeinrichtungsleiter Jörg Stöhr fragt, ob dieser den Jugendhausbus ausleihen dürfe, kann dies vor dem Hintergrund seiner Geschichte mit der
Einrichtung und den dort tätigen Mitarbeiterlnnen riskieren. Er zählt nicht nur zu den älteren Besucherlnnen, sondern aufgrund seines ehrenamtlichen Engagements auch zu den
»Freunden des Hauses«, denen besondere Privilegien zugestanden werden. Als Kontextinformation ist hier wichtig: Die Beziehung des Teams zu dieser Gruppe Jugendlicher ist
44 Weitere Beobachtungen führten uns zu der Annahme, dass im Alten Bahnhof der Bearbeitungsmodus Spiel
zentral ist.
48
Performanz der Kinder- und Jugendarbeit
durch Tauschgeschäfte geprägt, bei denen der Leiter des Jugendhauses auf informellen
Wegen mit diesen Jugendlichen immer wieder Abmachungen auf Gegenseitigkeit trifft.
Dennoch zögert der Leiter der Jugendeinrichtung mit einer Antwort auf die Frage nach
dem Bus, weil keine formal festgelegte Regel zum Busverleih an Jugendliche besteht. Erschwerend kommt hinzu, dass der Jugendliche den Bus für eine längere Fahrt nutzen
will.45 Der Busverleih ist somit – insbesondere im konkreten Fall – mehr als nur eine Ermessenssache. Dies wird auch dadurch deutlich, dass der Leiter die Risiken des Busverleihs vor dem Jugendlichen entfaltet. Auf Basis seiner Erwägungen bietet Jörg Stöhr dem
Jugendlichen an, dass er den Bus zwar nicht leihen, jedoch anmieten kann. Durch diese
plötzliche Wendung im Gespräch wird eine neue Gestalt der Beziehung zwischen dem
Mitarbeiter und dem Jugendlichen eröffnet: Die sonst übliche Form des »einfachen
Tauschgeschäftes«, die Regulierung der Beziehung als eine über Waren und Engagement
kommunizierbare einfache Tauschbeziehung, kann in diesem Fall anscheinend nicht fortgeschrieben werden.
Bedeutsam ist hier nicht nur, dass der Bus, sondern auch dass die Beziehung zwischen
beiden Personen Schaden nehmen könnte, weil die Verantwortung, die auf dem Jugendlichen durch den Busverleih lastet, zu groß ist. Die Arbeitsbeziehung verlangt in diesem Fall
eine neue Form und findet diese in der Herstellung einer formalen, rechtlich gerahmten
Vertragsbeziehung. Die Vertragsbeziehung beinhaltet auch, dass dem Jugendlichen die
Ware »Bus« nur gegen ein Entgelt zur Verfügung gestellt werden kann. Die bisherige Arbeitsbeziehung »pädagogisches Angebot gegen ehrenamtliches Engagement« wird hier
transformiert, ohne dass prinzipiell die bisherige Beziehung aufgeben werden müsste.
Darüber hinaus ist an dieser Sequenz bemerkenswert, dass die Vereinbarungen innerhalb der Öffentlichkeit der Arena des Jugendhauses verhandelt werden. Das bedeutet, dass
nicht nur die beiden über eine enge Beziehung verbundenen Personen Jörg Stöhr und der
Jugendliche an diesem ‚Geschäft‘ beteiligt sind, sondern auch die anderen Jugendlichen
beobachten, was hier los ist. Auch wenn die ‚Freunde des Hauses‘ bestimmte Privilegien
genießen, so können die anderen BesucherInnen doch mit Verweis auf diesen Präzedenzfall die gleichen Rechte fordern. Wir können aus diesem komplexen empirischen Ausschnitt folgern:
• Die je besondere, hier über viele Tauschgeschäfte und gemeinsame Erfahrungen konstituierte, tendenziell in Richtung diffuse Sozialbeziehung transformierte Arbeitsbeziehung muss eben deshalb immer wieder situativ neu justiert und ausgehandelt werden.
• Gleichermaßen gilt jedoch auch: Die Gestaltung der Vertragsbeziehung befördert
gleichzeitig wieder die enge Beziehung zwischen dem Jugendlichen und Jörg Stöhr,
45 Außerdem hat seine Kollegin ihren Bedarf für den Bus bereits angemeldet, da sie mit einer anderen Gruppe
Jugendlicher, die auch aus Freunden des Hauses besteht, zu einem Hardrockkonzert in die nahe gelegene
Großstadt fahren will.
Die Herstellung von Konsens und Beziehung
49
weshalb Jörg Stöhr – trotz aller Widrigkeiten und unter Inkaufnahme des Konflikts mit
seiner Kollegin – diesen Busverleih bewerkstelligt.
• Die Gestaltung der Arbeitsbeziehung findet unter den Augen anderer Jugendlicher, also im Horizont der sozial-pädagogischen Arena Jugendhaus statt und muss insofern
immer vor dem Hintergrund weiterer Arbeitsbeziehungen und eines allgemeinen working consensus in einem Jugendhaus reflektiert werden.
2. Hypothese: Jede Arbeitsbeziehung basiert auf einer gemeinsamen Erfahrungsbasis und damit auf einer
Geschichte von situativ hergestellten working consensus. In jeder Arbeitsbeziehung lassen sich daher bestimmte dominante Prozessstrukturen (eine bestimmte Art und Weise des working consensus) ausmachen.
Dieser dominante working consensus wird aber in der Kinder- und Jugendarbeit besonders durch die jeweilige Konstellation im Jugendhaus und durch die Beziehungsgeschichte geprägt. Da die zu bearbeitende
»dritte Sache«, das Ziel und Thema der Arbeitsbeziehung variable ist, bestimmt sie immer nur von Fall
zu Fall das Geschehen. Daraus leiten sich besondere Anforderungen der Rahmengestaltung für die PädagogInnen ab. Sie müssen dafür sorgen, dass der jeweils passende Rahmen hergestellt wird.
Während aber die je dominanten Formen des working consensus in einem Jugendhaus mit
Hilfe Teilnehmender Beobachtungen rekonstruiert werden können, verweisen die Arbeitsbeziehungen zwischen Jugendlichen (bzw. Cliquen) und PädagogInnen auf eine längere Geschichte. Ihr Geworden-Sein lässt sich nur über eine langfristige Teilnehmende Beobachtung oder über die Rekonstruktion von Narrationen aufschließen. Daher wurden in
der zweiten Erhebungsphase sowohl mit Jugendlichen als auch mit den PädagogInnen
narrativ strukturierte Interviews geführt. Diese zielen darauf ab, die langfristigen, sich aufschichtenden Arbeitsbeziehungen in der Kinder- und Jugendarbeit näher zu analysieren.
Im weiteren Forschungsprozess wird das ein Schwerpunkt darstellen.
Schließlich verweist die Sequenz über den Busverleih auf die Gestaltung der Arbeitsbeziehung im Kontext einer sozial-pädagogischen Arena. Ein zentraler Aspekt ist hier, dass
ein Fall (hier: »der Busverleih«) immer im Hinblick auf mögliche weitere Fälle betrachtet
werden muss. Verallgemeinernd können wir daher vermuten, dass die PädagogInnen in
der Kinder- und Jugendarbeit bei jeder Herstellung eines working consensus herausgefordert sind, eine Entscheidung darüber zu treffen, welche Priorität zu setzen ist. In weiteren
empirischen Belegstellen können wir zeigen, dass dies dazu führt, dass es zu einer Relationierung von Fallperspektiven kommt, die auf einer häufig prekären Entscheidung basieren.
Wir haben insbesondere in den Ausführungen zur Art der Transformation der Interaktionsrahmen gezeigt, dass besondere Arbeitsbeziehungen in der Kinder- und Jugendarbeit
sich so gut wie gar nicht in der Gestalt vorgegebener Formate (z. B. Unterricht, Beratungssetting etc.) beschreiben lassen, sondern aus der Herstellung von Zugehörigkeit und aus
alltäglichen Kommunikationen gleichsam herauswachsen. Wir verzichten deshalb hier auf
ein weiteres Beispiel und kommen direkt zu unserer dritten Hypothese:
50
Performanz der Kinder- und Jugendarbeit
3. Hypothese: Jede Arbeitsbeziehung in der Kinder- und Jugendarbeit ist auf Grund der Einbindung in
eine sozial-pädagogische Arena unauflöslich verbunden mit weiteren Arbeitsbeziehungen innerhalb dieser
Arena. Das führt dazu, dass jede situative Herstellung eines working consensus eine Entscheidung herausfordert, welche Fallperspektive primär ist und welche sekundär, tertiär usw. Diese Entscheidung hat damit
aber nicht nur Auswirkungen auf die jeweilige Arbeitsbeziehung zu einem Jugendlichen/ einer Clique,
sondern prinzipiell immer auf die gesamte sozial-pädagogische Arena.
Diese drei Hypothesen verweisen auf grundsätzliche Unterschiede zu Arbeitsbeziehungen/ Arbeitsbündnissen in anderen pädagogischen oder professionellen Handlungsfeldern:
• Während es in anderen pädagogischen Handlungsfeldern (etwa Schule oder Erziehungshilfe) darauf ankommt, die Asymmetrie und formale Macht im Rollenverhältnis
(Lehrer-Schüler etc.) gerade auch dann zu wahren, wenn es das Arbeitsbündnis gleichzeitig notwendig macht, auf der affektiven Binnenseite der Beziehung diffuse soziale
Beziehungen zuzulassen, sie aber im Modus der »Abstinenz« (vgl. Oevermann 1999) zu
verarbeiten, müssen Jugendarbeiter einen Schritt weiter gehen. Sie müssen bereit sein,
ihre Kontrolle über die Arena mit den Jugendlichen zu teilen und die Asymmetrie der
Rollenverteilung zumindest symbolisch infrage stellen zu lassen (vgl. auch die »Mitmachregel« in Kap. 3.5.2). Das pädagogische Verhältnis muss hier, wie schon Schleiermacher (1983, S. 159 und 354ff.) bemerkte, als ein schwindendes inszeniert werden.
• Dies bedeutet, dass die inszenierte Diffusität der Beziehung (im Gegensatz z. B. zu einer inszenierten rollenförmigen Distanz beim Arzt) zugleich das Risiko einer Vermischung von diffusem und rollenförmigem Handeln birgt. Die spielerische Inszenierung
birgt die Gefahr, dass die Jugendlichen sie für real halten und die PädagogInnen eine
rollenförmige Distanz nicht mehr aufrechterhalten können. Die Kriterien für eine gelingende Balance aber lassen sich nur sehr begrenzt aus objektiven Merkmalen eines zu
bearbeitenden Gegenstandes ableiten (etwa Kriterien rechtlicher Verantwortung), als
pädagogische Kriterien aber nur aus der Kontingenz der Geschichte jeweiliger Arbeitsbeziehungen selbst.
• Drittens sind daher die einzelnen Arbeits-Beziehungen zwischen PädagogInnen und
Jugendlichen noch weniger als in jenen andern Feldern von anderen Beziehungen unabhängig. Jede Gestaltung und Modulation einzelner Beziehungen ist immer von der
Resonanz in anderen Beziehungsverhältnissen abhängig, und sie ist immer zugleich abhängig von der Art und Weise, wie Zugehörigkeit zur Arena in dem jeweiligen Jugendhaus als Ganzes gestaltet wird.
• Schließlich sind im Vergleich zu anderen professionellen Arbeitsbeziehungen, die über
spezifische Regeln, Routinen, Inhalte/ Themen und Charakteristika typologisch beschrieben werden können (vgl. Parsons 1964), die jugendarbeiterischen Arbeitsbeziehungen von einer erheblichen Varianz geprägt. Eine Typologisierung dieser unterschiedlichen Formen wird im weiteren Projektverlauf angestrebt.
Konstitutive Regeln und paradoxale Handlungsanforderungen
3.5
51
Dritte Verdichtung: Konstitutive Regeln und
paradoxale Handlungsanforderungen
Im Sinne der einleitend genannten Forschungsziele galt es, eine Generalisierung unserer
Rekonstruktionen in der Weise vorzunehmen, dass zentrale Strukturmerkmale und -probleme der Kinder- und Jugendarbeit beschrieben werden können. Dies geschieht im Folgenden zum einen durch die Benennung von konstitutiven Regeln für das professionelle
Handeln in den Arenen der Kinder- und Jugendarbeit und über die Benennung einer zentralen Handlungsparadoxie, die – unseren Rekonstruktionen entsprechend – gleichermaßen
in der Lage ist, einen zentralen Handlungstypus für die Kinder- und Jugendarbeit zu beschreiben.
Die Benennung von konstitutiven Regeln professionellen Handelns knüpft an die professionalisierungstheoretischen Überlegungen von Ulrich Oevermann (1999) und an die
ethnomethodologischen »Studies of Work« an (vgl. Bergmann 2000). Mit der Beschreibung von konstitutiven Regeln versuchen wir Aspekte der Konstitutionsbedingungen von
Kinder- und Jugendarbeit präziser zu fassen, als dies die bislang für die Kinder- und Jugendarbeit programmatisch gefassten Strukturmerkmale leisten. Wenn wir im Folgenden
von Regeln sprechen, dann meinen wir damit nicht, dass die PädagogInnen in dieser oder
in jener Weise handeln sollen. Wir wollen hier auch nicht empirisch beschreiben, dass einige
SozialpädagogInnen im Gegensatz zu anderen, die wir beobachtet haben, auf diese Weise
gearbeitet haben. Wir behaupten vielmehr, dass wir in unseren Rekonstruktionen wiederkehrende Regeln gefunden haben, die als konstitutiv für die Kinder- und Jugendarbeit gekennzeichnet werden können. In diesem Sinne knüpfen die im Folgenden beschriebenen
Regeln eng an die Beschreibung der Kinder- und Jugendarbeit als Handeln in sozialpädagogischen Arenen an.
Ferner wurde empirisch deutlich, dass durch die hier aufgezeigten Regeln zentrale
Kernprobleme und Paradoxien professionellen Handelns in der Kinder- und Jugendarbeit
bearbeitet werden. Damit wird hier an professionsempirische Studien angeschlossen, die
sich für die »Irritationen der professionellen Identität durch das Gefangensein in die systematischen Fehler bei der Arbeit« interessieren (Schütze 1999, S. 187). Wie Fritz Schütze
feststellt, kommt es »bei der Anwendung der professionellen Analyse- und Handlungsverfahren auf die konkrete Projekt- und Fallproblematik« (ebd., S. 137) immer wieder zu systematischen Fehlern und Paradoxien professionellen Handelns (vgl. auch Schütze 2000),
die grundsätzlich nicht aufgehoben werden können. Fritz Schütze hat für die Soziale Arbeit insgesamt fünfzehn verschiedene Paradoxien empirisch rekonstruieren können, wie
z. B. das »pädagogische Grunddilemma: exemplarisches Vormachen und die Gefahr, den
Klienten unselbständig zu machen« (Schütze 2000, S. 78). Dabei ist zu beachten, dass bei
anderen Professionen ähnliche und gleiche Paradoxien ausfindig zu machen sind. Zusätzlich kann festgestellt werden, dass in den unterschiedlichen Handlungsfeldern Sozialer Ar-
52
Performanz der Kinder- und Jugendarbeit
beit jeweils verschiedene Paradoxien mit unterschiedlicher Gewichtung wirksam werden
können. So können für die Kinder- und Jugendarbeit sicherlich ganz andere Figurationen
von Paradoxien bedeutsam sein als für die behördliche Sozialarbeit im ASD.
Ziel der folgenden Überlegungen soll es nicht sein, die bereits beschriebenen Paradoxien professionellen Handelns (vgl. u. a. Riemann 2000), die sich immer wieder auch in
dem Material des Forschungsprojektes entdecken ließen, erneut zu beschreiben. Vielmehr
geht es darum, zentrale Paradoxien zu benennen, die sich im Laufe des Forschungsprojekt
in dem Sinne als zentral für die Kinder- und Jugendarbeit erwiesen haben, weil hierüber
der spezifische Handlungstypus empirisch verdichtet beschrieben werden kann.
3.5.1
Die Sparsamkeitsregel
Die »Sparsamkeitsregel« hat sich im Laufe des Forschungsprozesses anhand vielfältiger
Rekonstruktionen als eine Regel erwiesen, die für das professionelle Handeln in der Arena
der Kinder- und Jugendarbeit konstitutiv ist. Anhand einiger empirischer Belege soll im
Folgenden die Gültigkeit dieser Regel nachgezeichnet werden.
Drumherum reden
Jörg Stöhr (P) erzählte, dass es ganz oft so sei, dass die Jugendlichen erst anfangen, ihn z. B. auszufragen und dann
wüsste er meistens schon, dass sie irgendwas von ihm wollten. Sie stellten Fragen, die sie ihn schon hundert mal gefragt
hätten: »Bist du verheiratet?« Irgendwann würde herauskommen, dass sie irgendwas von ihm wollten, dass er mit ihnen
eine Bewerbung schreibt usw. Sie würden dann am Anfang immer so ‚drumherum‘ reden. (…) Er würde dann meistens
fragen: »Was wollt ihr denn?« Dann würden sie auch damit herausrücken.G,T10:634
Hier stellt sich die Frage, warum die Jugendlichen einen Umweg wählen und ihre Anfrage
nicht direkt an den Sozialarbeiter adressieren. Zunächst könnte diese Aussage dahingehend interpretiert werden, dass es in diesem Jugendzentrum nicht üblich ist, Unterstützungsleistungen anzufragen. Dieser These widerspricht jedoch, dass Jörg Stöhr hier etwas
berichtet, das sich in regelmäßigen Abständen wiederholt. Vielmehr ist davon auszugehen,
dass der Umweg der Jugendlichen Ausdruck von Regeln des Feldes ist, die hier performativ in der Situation Anwendung finden.
(1) Auszugehen ist erstens davon, dass die Jugendlichen mit einer Anfrage nach Hilfe
oder Unterstützung in der Arena Kinder- und Jugendarbeit einen Rahmenwechsel evozieren würden, der die potentiell symmetrischen Beziehungen der Arena in Frage stellen
würde. Mit der Bitte um Hilfe oder Unterstützung würde gleichzeitig auch die Asymmetrie
der Beziehung zum Mitarbeiter performativ hergestellt werden. Die Jugendlichen würden
sich darüber definieren, dass sie Hilfe und Unterstützung benötigen. Ihr stereotypes Anschneiden eines »privaten« Themas sucht die potentiellen Kränkungen dieser Selbstdefinition zu unterlaufen.
(2) Beachtet werden muss dabei, dass die Adressierung einer Anfrage zumeist unter den
Bedingungen der Arena als öffentlicher Schauplatz geschieht, da dort in der Regel keine
Konstitutive Regeln und paradoxale Handlungsanforderungen
53
Sprechstunden angeboten werden, die einen geschützten Rahmen für solche Anfragen
darstellen könnten. Anfragen in dieser Form geschehen folglich unter der Beobachtung
anderer Jugendlicher. Damit würde durch eine Hilfe-Anfrage die Asymmetrie der Beziehung zu Jörg Stöhr auch öffentlich gemacht werden.
(3) Der durch eine Hilfe-Anfrage evozierte Rahmenwechsel würde zunächst den Wechsel von der dezentrierten zur zentrierten Interaktion bewirken. Eine zentrierte Interaktion
zum Thema Bewerbung würde also die Etablierung eines Arbeitsbogens ‚Bewerbung‘ bedeuten. Der Übergang von der dezentrierten Interaktion zur zentrierten Interaktion zum
Thema Bewerbung bzw. vom »Profanen zum Sakralen« (Willems 1997, S. 358) würde als
organisierter »Übergang von einer Sphäre in die andere« (Goffman 1977, S. 431) performative Praktiken der Gestaltung der Liminalität hervorbringen (vgl. Wulf 2001a; WagnerWilli 2001, 2004). Die Jugendlichen vermeiden dies, indem sie diese Grenze durch eine
spielerische Modulation bearbeiten, die auf die Deutungskompetenz des Mitarbeiters baut,
zu spüren, was sie »eigentlich« wollen.
(4) Wie wir in unseren Rekonstruktionen deutlich machen konnten, geschieht die Organisation des Übergangs innerhalb des Rahmensystems der sozial-pädagogischen Arena
häufig jedoch weder routiniert noch stereotypisch. Der Rahmenwechsel wird kaum durch
räumliche und zeitliche Klammern wie Warte- und Behandlungszimmer, Terminvereinbarungen, das psychoanalytische Coucharrangement oder andere Beratungssettings begleitet
(vgl. Willems 1997, S. 355 ff.), so dass hier von einer mächtigen Erwartungsstruktur nicht
die Rede sein kann. Kinder- und Jugendarbeit als so genanntes niedrigschwelliges Angebot
hält sich in der Weise vor, dass stetig neu ausgehandelt werden muss, welcher Rahmen
nun vorliegt.
(5) Die Regeln alltäglicher Kommunikationen legen fest, dass »Konversationen (…) bestimmten Sprechverboten« unterliegen. »Der wesentlichste Aspekt scheint dabei der zu
sein, dass man die Selbstdarstellung der Interaktionspartner nicht desavouiert. (…) Im
Kontext von Takt existiert eine Fülle von Regeln und Verboten, die Diskretion gebieten.
Man darf keine Information beisteuern, die einen Anwesenden in eine schiefe Lage bringen könnte« (Willems 1997, S. 363 f.). Im Gegensatz dazu werden etwa im psychoanalytischen Gespräch »alle normierten Sprechverbote (…) im therapeutischen ‚Spiel‘ der Psychoanalyse aufgehoben« (ebd., S. 365). Auch wenn es hier nicht um Psychoanalyse geht, so
machen unsere Rekonstruktionen deutlich, dass mit der Etablierung eines Beratungs- oder
ähnlichen Rahmens Potentiale der Gefährdung der Autonomie der Lebenspraxis verbunden sind (vgl. Parsons 1964; Oevermann 1999), die einen sparsamen und vorsichtigen
Umgang mit Rahmenwechseln und Transformationen notwendig machen. Die Aushandlung an der Grenze zwischen Profanem und Sakralem – und dies zeigt dieses Beispiel
deutlich – erweist sich zusammengefasst als eine prekäre Angelegenheit mit den Folgeproblemen der performativen Herstellung einer asymmetrischen Arbeitsbeziehung.
54
Performanz der Kinder- und Jugendarbeit
Die Sparsamkeitsregel bezieht sich – wie der folgende Protokollausschnitt zeigt – zum
einen auf die Quantität der Aktivitäten, die einen Rahmenwechsel evozieren können, aber
auch auf die jeweilige ‚Qualität‘ der Aktivität.
Du bist meine Braut
Kerrim (J), sein deutscher Freund Marvin (J) und noch ein dritter Jugendlicher standen mit Saalim (P) an der Theke.
Sie erzählten, sie seien im Kraftraum gewesen und einer erzählte, er habe alle Gewichte gehoben. Saalim hat zu dem Jungen gesagt: »Ne, das sollst du aber nicht! Deine Muskeln müssen doch erst warm werden.« Sie hatten sich dann Cola bestellt und wollten jetzt ihre Gläser zurückgeben und bezahlen. Saalim hat die Getränke abgerechnet und Kerrim hat zu
den Mädchen, die währenddessen an der Theke vorbeigegangen sind, gesagt: »Du bist meine Braut, Baby! Du bist meine
Braut!« Kerrim sagte das mehrmals und auch der Saalim hatte es gehört, er war gerade dabei im Kopf auszurechnen, was
die Jungen an Rückgeld bekommen. Als Saalim ihnen das restliche Geld gegeben hat, sagte Kerrim zu ihm: »Ja, hier!
Kannst du nicht rechnen!« »Ja, das kann ich. Aber du hast mich verwirrt« sagte Saalim daraufhin. Kerrim: »Wieso?!«
Saalim: »Ja, was hast du denn da gerade gesagt?!« »Wieso? Was hab ich denn gesagt?! Ist doch ganz normal!« sagte
Kerrim. Saalim erwiderte: »Weißt du genau! Find ich nicht gut!« Nachdem (…) Saalim die Jungen eindringlich angeschaut hatte, haben sie mir noch ihre Muskeln gezeigt.Z,T14:1014
Auch ohne dass an dieser Stelle dieses Protokoll Teilnehmender Beobachtungen ausführlich interpretiert wird, zeigen die mehrmaligen knappen Einwürfe des Pädagogen Saalim
Nurrem deutlich, dass das Handeln in der Arena der Kinder- und Jugendarbeit den Mitarbeiter zu steten knappen Interventionen herauszufordern scheint. Dies geschieht jedoch,
ohne dass der Rahmen der alltäglichen Konversation mit wenig thematischer Strenge und
selbstverständlichen Themenwechseln – »das komplexe, wechselhaft, blitzartige, subtile
Spiel der Rahmungen« (Willems 1997, S. 369) – durchbrochen wird. Denn: »Ganz generell
gilt, dass Konversation als solche aufhört, wenn es ernst wird, wenn doziert oder diskutiert, wenn gestritten oder geschwiegen wird, wenn politisiert wird oder wenn jemand ein
Problem aufwirft, das mit der Lockerheit der Unterhaltung nicht vereinbar ist« (ebd.,
S. 377). Eine weniger knappe Intervention, etwa eine Aufforderung zur längeren Diskussion über die ‚Anmache‘ des Mädchens durch den männlichen Jugendlichen, würde den
Versuch einer Rahmung darstellen, welche die Konversation beendet und die Asymmetrie
der Arbeitsbeziehung stärker in den Vordergrund rückt.46
Die ressourcenorientierte Bedingung der Sparsamkeitsregel beinhaltet, dass die MitarbeiterInnen nicht jede Situation zum Anlass für Transformations- und Modulationsversuche in Richtung einer Rahmung auf Grundlage einer asymmetrischen Arbeitsbeziehung
nehmen können. Sie müssen ständig neu – personen- und situationsabhängig – über das
jeweilige Sparsamkeitsmaß entscheiden. Folgt man dem Bericht von Eike Johanning
(2004), dann scheint im Jugendhaus Hobürgen im folgenden Beispiel die Sparsamkeitsregel gebrochen worden zu sein, mit gravierenden Folgen. Das Jugendzentrum wurde ge-
46 Sicherlich kann hier gefragt werden, inwiefern der Mitarbeiter hier das Doing Gender der drei männlichen
Jugendlichen durch eine andere inhaltliche Fassung der Interventionen irritieren könnte, zumal die Muskelshow vor der Theke, in der Arena weitergeführt wird.
Konstitutive Regeln und paradoxale Handlungsanforderungen
55
schlossen. Der Schreiner Manfred Eich und die Sozialpädagogin Michaela Stund sitzen allein im Jugendzentrum hinter verschlossener Tür.
Hinter verschlossenen Türen
Manfred (P), Michaela (P) und ihre Kollegin haben ein ½ Jahr hinter verschlossenen Türen gesessen, weil Michaela mit
den Jugendlichen nicht zurechtkam. Die hatten sich mit denen angelegt. Die beiden Pädagoginnen wollten mit den Jugendlichen spielen, wollten immer mit denen was machen, erzählt Piet (P). Die Jugendlichen wollten aber lieber in Ruhe gelassen werden. Die Breaker wollten nicht mit Pädagoginnen spielen, die wollten halt breaken. Da die Jugendlichen nichts
mit den Frauen zu tun haben wollten, hat Michaela den Breakerraum zugeschlossen. Das gab Ärger. Michaela ist beschimpft worden. (…) Die Jugendlichen waren frustriert und es kam zum Konflikt und zur Eskalation. Piet meinte, die
Frauen seien beschimpft und angemacht worden, wenn sie durch das Viertel gingen.H,T3:166
Der Protokollausschnitt macht deutlich, dass die permanente Nichteinhaltung der Sparsamkeitsregel einen Rahmenbruch innerhalb des Rahmensystems der Arena mit fatalen
Folgen darstellen kann. Plausibel wird anhand dieses Protokollausschnitts jedoch auch,
dass die Sparsamkeitsregel hier in Opposition zu anderen Regeln treten kann, die einen nicht
sparsamen, sondern machtvollen Einsatz von Interventionen notwendig zu machen
scheinten. Sparsamkeit heißt folglich nicht: Sei grundsätzlich sparsam. Folgt man den hier
zusammengefassten Ergebnissen, dann lautet die Sparsamkeitsregel:
Gehe unter den Bedingungen von Öffentlichkeit – wann immer es die Situation erlaubt – sparsam mit der
Transformation von alltäglichen Kommunikationen in der sozial-pädagogischen Arena der Kinder- und
Jugendarbeit in Rahmen um, die die Asymmetrie der Arbeitsbeziehungen allzu sichtbar werden lassen.
Durch die Sparsamkeitsregel wird grundsätzlich die Paradoxie des ‚Anderen unter Gleichen‘ bearbeitet, weil es sich hier um ein Problem der Liminalität zwischen Symmetrie
(‚sozial-pädagogische Arena‘) und Asymmetrie (‚Arbeitsbeziehung‘) handelt.47
3.5.2
Die Mitmachregel
Ausgehend von der Rekonstruktion der Arena der Kinder- und Jugendarbeit als Aufführungs- und Inszenierungsort und als sozialer Ort, an dem Spiele und Wettkämpfe aufgeführt werden, stellt sich die Frage, wie sich die PädagogInnnen selbst innerhalb der Arena
positionieren, wie sie das Geschehen steuern oder eben auch laufen lassen, wie sie das
Handeln der Jugendlichen aufnehmen, transformieren und wie sie sich davon abgrenzen.
Es geht darum, »sich auf die Lebensbedingungen ‚hautnah‘ einlassen zu können, sie tendenziell auch selbst zu mögen und sich mimetisch (…) ihnen anzunähern, ohne sich jedoch darin zu verlieren, sondern ein spielerisches Verhältnis zu wahren« (Küster 2003,
47 Während im Jugendhaus Hobürgen von einem eher extremen Scheitern gesprochen werden kann, bilden
sich in den von uns beobachteten weiteren Einrichtungen insgesamt unterschiedliche Kulturen des Umgangs
mit der Sparsamkeitsregel heraus, die eine mehr oder weniger riskante Balance der Sparsamkeit herstellen.
Die obige Einschränkung – wann immer es die Situation erlaubt – entspricht der Abhängigkeit der konkreten
Auslegung der Regel von den jeweiligen Personen, Situationen und deren organisationskulturelle Einbettung,
die z.B. – wie wir empirisch nachgezeichnet haben – zu unterschiedlichen Praxen der Veröffentlichung von
Regeln führen. Die Rekonstruktionen werden hier aus Platzgründen nicht aufgeführt.
56
Performanz der Kinder- und Jugendarbeit
S. 132). Die entscheidenden Begriffe für das Handeln sind hier »hautnah«, »mimetisch«
und »spielerisch«. Dies entspricht dem besonderen Charakter der Arena der Kinder- und
Jugendarbeit, die wir als Ort der Inszenierung und des Spiels verstehen. Die Inszenierung
ist immer eine sensorisch umfassende Inszenierung, bezieht also die haptischen Elemente
ein, umfasst aber ebenso die akustischen, visuellen, olfaktorischen usw. Aspekte des Handelns. Einen Eindruck von der Bedeutung der mimetischen Phänomene im pädagogischen
Handeln selbst vermitteln zwei kleine Protokollausschnitte:
Björns Hüftschwung
Auch Björn (P) lässt sich v. a. gegen später, als einige der Jugendlichen sehr aufgekratzt sind, immer wieder von der Stimmung der Jugendlichen anstecken. So beobachte ich z. B. wie er in ganz kurzen Momenten wie die Jugendlichen auch,
spontan zur Musik, die gerade läuft, auf der Stelle tanzt oder einen Hüftschwung zur Musik andeutet. Dies geschieht
einmal, als er mit anderen Jugendlichen am Tischkicker steht, ein anderes Mal, als er gerade durch den Raum geht. Ich
kann aber keine Reaktion darauf von den Jugendlichen erkennen.C,T5:532
Posen
In der Zeit zieht Björn die Lederjacke von Alban (J) an und positioniert sich cool im Raum. Die Jungs sehen das und
müssen lachen. Björn dreht sich im Raum, nimmt verschiedene Posen ein und zieht dann die Jacke wieder aus und hängt
sie an die Garderobe.C,T10:445
Beide Protokollausschnitte zeigen etwas, das dem Phänomen des »Crossing« zuzuordnen
ist. Der Kulturanthropologe Ben Rampton (vgl. Rampton 1995) versteht darunter, dass ein
Akteur einen Code benutzt, der in einer Gruppe Verwendung findet, welcher er offensichtlich nicht zugehörig ist. Dabei findet häufig eine übertriebene Stilisierung statt, bei der
besonders prägnante Merkmale sparsam, aber dadurch besonders gut erkennbar eingesetzt
werden. Während in dem ersten Ausschnitt der Mitarbeiter Björn, anscheinend unbemerkt
von den Jugendlichen, die »aufgekratzte Stimmung« aufnimmt und sich ebenfalls tänzelnd
durch den Raum bewegt, wird ihnen das Crossing in der zweiten Sequenz deutlicher. Das
Lachen der Jugendlichen lässt erkennen, dass sie verstanden haben, was Björn damit angedeutet hat. Dabei ist seine Übernahme der »Coolness« der Jugendlichen eine Form der
Mimesis, eine Anähnelung, die aber nicht darauf abzielt zu kopieren. Es geht also nicht um
eine Mimikry oder Anbiederung (vgl. Wulf 2001b), sonst müsste Björn diese performance
auf Dauer darbieten und die coole Haltung habitualisieren, gerade dadurch aber vermutlich
unglaubwürdig werden. Vielmehr wird im Spiel des Crossing nicht nur Nähe, sondern
zugleich auch Distanz hergestellt, die aber doch noch etwas vom Urbild der Coolness übrig lässt und so dem Pädagogen ermöglicht, das Gefühl, das sich mit der Haltung und der
Handlung verbindet, nachzuempfinden, ohne sich mit dem dahinter stehenden jugendlichen Habitus zu identifizieren.
Nicht nur in diesen beiden Szenen, sondern auch in vielen anderen Protokollen wird
ein Phänomen sichtbar, das wir als konstitutiv für die Kinder- und Jugendarbeit ansehen.
Wir können es zunächst als eine paradoxe Umkehrung der lebensweltorientierten Struk-
Konstitutive Regeln und paradoxale Handlungsanforderungen
57
turmaxime der Partizipation betrachten (vgl. BMJFFG 1990). Es geht in der Kinder- und
Jugendarbeit nicht einfach darum, die BesucherInnen an der sozial-pädagogischen Arena
partizipieren zu lassen, sondern diese so zu gestalten (einschließlich der Inszenierung eigenen persönlichen Auftretens), dass es möglich wird, selbst an den Aktivitäten der Jugendlichen zu partizipieren, dabei mitzuspielen, ohne sich »mitspielen zu lassen« (Müller 2005,
S. 55). Der in der Arena der Kinder- und Jugendarbeit schnelle Wechsel zwischen Beobachtung, Mitwirkung, Zentrierung und Dezentrierung der Interaktion führt dazu, dass
sich die JugendarbeiterInnen nicht auf die bekannten pädagogischen Handlungsformen
wie z. B. Anbieten, Beraten, Begleiten usw. zurückziehen können. Konstitutiv ist vielmehr
die Tatsache, dass sie in der sozial-pädagogischen Arena immer zugleich auch Mitwirkende
wie die Jugendlichen selbst sind und sich herausgefordert sehen, sich an den Aktivitäten zu
beteiligen. Gleichzeitig bleiben sie aber auf die pädagogischen Handlungsformen angewiesen, um den Interaktionsrahmen sozial-pädagogische Arena aufrechtzuerhalten. Diese widersprüchlichen Handlungsanforderungen können empirisch als Mitmachregel gefasst
werden: PädagogInnen in der Kinder- und Jugendarbeit folgen implizit der Aufforderung:
»Tu so, als würdest du bei den Aktivitäten der Kinder und Jugendlichen mitmachen.« Die Mitmachregel
besteht aus drei Komponenten: Erstens: »Mach bei den Aktivitäten der Kinder und Jugendlichen mit«.
Zweitens: »Verhalte dich dabei so, als wärest du Teilnehmer unter anderen«. Drittens: »Stelle glaubhaft
dar, dass du als ein Anderer teilnimmst!«.
Durch das Mitmachen wird demonstriert, dass man sich mitten im Geschehen der öffentlichen Arena befindet und an den Aufführungen, Spielen und Wettkämpfen teilnimmt. Indem die MitarbeiterInnen zeigen, dass sie Spaß an diesen Aktivitäten haben, können sie
die Kinder und Jugendlichen animieren, an den Aktivitäten teilzunehmen. Durch das gemeinsame Tun lernen sich MitarbeiterInnen, Kinder und Jugendliche besser kennen, kann
Gemeinsamkeit hergestellt werden.
Die Befolgung der Mitmachregel wird insbesondere bei Spielen und Wettkämpfen
deutlich, die wir als konstitutives Merkmal der Arena der Kinder- und Jugendarbeit identifiziert haben. In der Mitmachregel wird die Paradoxie bearbeitet, dass die PädagogInnen in
der Kinder- und Jugendarbeit Andere unter Gleichen sind. Im Sinne Goffmans (1977) kann
diese Vorgehensweise als »gutgemeinte Täuschung« angesehen werden, da die MitspielerInnen im Unklaren darüber gelassen werden müssen, ob das Mitmachen Ernst gemeint
oder vorgetäuscht ist.
Die Bearbeitung dieser Paradoxie beinhaltet aber auch erhebliche Fehlerpotentiale, die
sich durch die Abschwächung der ExpertInnenrolle, der Generationendifferenz, durch das
»So-tun-als-ob« ergeben. Vor dem Hintergrund einer Rahmenanalyse wird daher zugleich
das Potenzial für einen klassischen double-bind sichtbar, sofern die PädagogInnen die BesucherInnen einerseits auffordern, sie als TeilnehmerInnen wie alle anderen zu betrachten
58
Performanz der Kinder- und Jugendarbeit
und doch Signale geben, Distanz zu wahren und ihre Autorität als Schiedsrichter zu achten. Die Gefahr besteht darin, dass die PädagogInnen entweder in die Rolle der nur noch
Schiedsrichter und Regulierer oder in die der »Berufsjugendlichen« rutschen und nicht
mehr heraustreten können. Die Chance dagegen liegt in der unausgesprochenen Aufforderung, dass die Kinder und Jugendlichen so handeln dürfen, als läge die Kontrolle des Geschehens bei ihnen, die PädagogInnen als Mitmacher bzw. TeilnehmerInnen zuzulassen
und zu nutzen. Insofern können die Kinder und Jugendlichen mit den MitarbeiterInnen
sowohl Gemeinschaft haben, als auch sich mit ihnen messen.
3.5.3
Die Sichtbarkeitsregel
Empirisch hat sich gezeigt, dass wir es in der Kinder- und Jugendarbeit mit einem Handlungsfeld zu tun haben, das sich durch einen hohen Grad an Informalität auszeichnet.
Diese Informalität entsteht aber nicht von selbst. Sie folgt bestimmten Regeln, die dazu
beitragen diese Informalität allererst herzustellen. Dazu trägt eine weitere konstitutive Regel bei, die wir Sichtbarkeits- bzw. Erkennbarkeitsregel nennen. In ihr verbindet sich die
scheinbar widersprüchliche Einheit von Nonchalance und Alltäglichkeit auf der einen Seite mit der Institutionalisierung eines professionellen Handelns auf der anderen Seite.
Levents Rap
Ich (B) habe an der Theke versucht, ein Interview mit einem Jugendlichen zu führen. Das lief ganz okay und dann kam
Levent (J) dazu. Die zwei Jungen, die ich interviewt habe, meinten: »Is schon vorbei, Alter.« Levent fragt mich: »Kann
ich noch was reinsprechen.« Ich: »Ja, klar.« Er nimmt das Mikro an den Mund und sagt: »Jetzt kommtn kleiner Beat
erst mal. Von Emre (J). (uv).« Ein anderer: »Aber was Gutes, Alter.« (…) Levent: »Was Gutes. Nur für Stefan.«
»Jetzt rap ich Dir mal was vor. Jetzt rap ich mal nen Beat, n geilen, für Sarah. Sarah (P)« ruft er, dann ein ganz kurzer Beat, dann: »So nimmt das Leben seinen Lauf, Du redest über meine Frau. Ich fick Dich (uv) und der Emre
rammt Dir Schläge in Deinen Bauch. Hey oh Stefan Du Arschbacke.« Einer lacht im Hintergrund. »Junge ich bin,
was Du sein willst, ein waschechter Kanake, Stefan, Du weißt Bescheid, lerne aus dem Scheiß. Ich rap (uv) und Deine
Karriere ist vorbei. Du bist Deutscher, was redest von: ‚Alter ist krass‘.« (…) So geht das ein wenig weiter mit »gefickt«
und mit »Du bist ein unintelligentes Stück deutsche Scheiße, Alter.« Ich stehe da und gucke Levent immer noch freundlich an. Hinter der Theke steht Sarah und hat bisher nichts dazu gesagt. Jetzt jedoch ruft sie: »So schlecht. So schlecht«.
Dabei streckt sie Levent den nach unten gestreckten Daumen entgegen.C,T4:556
Levent, ein türkischstämmiger Jugendlicher, kommt zum Teilnehmenden Beobachter und
versucht Kontakt aufzunehmen. Dabei unterbricht er ein Interview mit zwei Jungen und
benutzt das Mikrofon und das Aufnahmegerät als Instrument, um dem Beobachter etwas
vorzuführen. Der Beobachter lässt ihn gewähren. Levent beginnt mit einem »kleinen
Beat«, das ist eine Art Auftakt, der dann zu einem Rap wird. Der Rap wird zum »geilen
Rap« gesteigert. Erst wird er dem Beobachter und danach der Pädagogin Sarah Sebald gewidmet, die zu dieser Zeit hinter der Theke steht und sich mit anderen Jugendlichen unterhält. Der ‚Rapper‘ benutzt dabei einen Text, den er aus einem zu dieser Zeit und im Ju-
Konstitutive Regeln und paradoxale Handlungsanforderungen
59
gendcafé sehr bekannten Rap abgekupfert hat48 und füllt ihn mit den Namen von Leuten,
die ihn umgeben. Der »Gedisste« ist in diesem Fall der Teilnehmende Beobachter (Stefan),
der aber trotz dieser Angriffe »freundlich guckt«. Offensichtlich ist er mit den Gepflogenheiten des Dissens nicht so vertraut und nimmt die damit verbundenen Verbalinjurien
nicht hinreichend ernst. Die Mitarbeiterin, die diese Szene offensichtlich hinter der Theke
beobachtet hat, nützt nun die Pause und bringt ihren Unmut zum Ausdruck. Dabei benützt sie interessanterweise die Symbole eines unzufriedenen Theaterpublikums, die die
Äußerungen von Levent als schlechte Inszenierung statt als persönliche Beleidigung charakterisieren. Sie entscheidet sich für die Kritik mit dem Daumen, belässt es dann aber dabei, ohne in die Rahmung einer pädagogischen Intervention zu wechseln.49
Kontrastieren wir diesen Ausschnitt mit den Ergebnissen aus Untersuchungen zur »Institutionalität des Gesprächs« so ist zunächst eine frappierende Abweichung festzustellen.
Puchta/ Wolff (2004) nennen sechs »Dimensionen«, wozu u. a. Zielorientierung, Verpflichtung auf Rollen und Verantwortlichkeiten für bestimmte Aufgaben und »bestimmte Formen der Bedeutungszuschreibung und des Schlussfolgerns« gehören (vgl. ebd., S. 443 f.).
Zur Erläuterung fügen sie hinzu: »Während es in Alltagsgesprächen zum ‚guten Ton‘ gehört, das Gegenüber nicht darüber im Unklaren zu lassen, wie dessen Aussagen bei einem
selbst ‚angekommen‘ sind, und ihm durch entsprechende Äußerungen Überraschung,
Sympathie, Zustimmung und Solidarität zu signalisieren, halten sich institutionelle Akteure
diesbezüglich (…) auffallend zurück« (ebd., S. 444). Auch wenn manche Gespräche in Institutionen einer alltäglichen Konversation ähneln mögen, zeigt unser Materialausschnitt
doch so gravierende Unterschiede, dass in Zweifel gezogen werden könnte, ob hier überhaupt eine institutionelle Ordnung vorzufinden ist, denn selbst die »wechselseitige Orientierung an der gemeinsamen Aufgaben« (ebd.) ist hier nicht mehr zu erkennen.
Bei genauerer Betrachtung können Gemeinsamkeiten wie auch eine interessante Differenz zu Settings im Sinne Puchta/ Wolffs (2004) festgestellt werden. Im Protokoll verharrt
der Beobachter in seiner neutralen Position, obwohl er das Ziel des Angriffs von Levent
ist. Er verhält sich damit als professioneller Akteur scheinbar angemessen, aber er weicht
damit gleichzeitig der Herausforderung des Battles aus und lässt sie ins Leere laufen.50 Die
Pädagogin hinter der Theke jedoch hält sich nicht zurück und macht eine kritische Bemerkung gegenüber Levent. Insoweit verhält sie sich konform zu den ungeschriebenen Regeln
48 Hier handelt es sich um ein Stück von Bushido, der auch bei den Jugendlichen im Jugendcafé sehr en vogue
ist. Zur Entschlüsselung dessen, was hier vor sich geht, muss Folgendes bekannt sein: Bushido, der damals
gerade von dem in der Rap-Szene bekannten Label »AggroBerlin« zum Major Label Universum wechselte,
hat Ende des Jahres 2004 einen sehr erfolgreichen »Diss« (vgl. Deppermann/Schmidt 2001) gegen seinen ehemaligen Kollegen bei AggroBerlin namens Fler geschrieben. Das Stück heißt daher auch »Flerräter«.
49 Siehe auch Kap. 3.5.1 zur Sparsamkeitsregel.
50 Im Sinne von Goffman kann auch ein Battle, ähnlich wie Frotzeln als eine »verneinbare Kommunikation«
(Goffman 1974; vgl. auch Günthner 2000) aufgefasst werden
60
Performanz der Kinder- und Jugendarbeit
der alltäglichen Konversation und weicht deutlich von den Regeln innerhalb einer professionellen Institution ab. Ihre als Theater-Zuschauerin inszenierte abwertende Geste ist
weniger ein Appell an Levent (»Hör damit auf«), sondern eher eine Selbstauskunft darüber,
welche Einstellung sie zu dem Text und Levents performance hat. Die Pädagogin übt damit einerseits Distanz, indem sie aus ihrer Stellungnahme und Bewertung dieser performance keine Konsequenz in der Rolle der pädagogischen Autorität zieht. Sie lässt Levent
weiter gewähren. Andererseits stellt sie klar, was sie davon hält. Wichtig ist folglich an dieser Stelle, dass die Pädagogin eine spezifische Form der Abstinenzregel in Anschlag bringt,
die wir Erkennbarkeits- oder Sichtbarkeitsregel nennen wollen.51
Diese Regel verweist darauf, dass die PädagogInnen in der Kinder- und Jugendarbeit
regelmäßig Stellung zu den Äußerungen, Bewertungen und Handlungen der Kinder und
Jugendlichen beziehen und sich als Person mit bestimmten Werthaltungen und Normvorstellungen erkennbar machen. Daraus folgen aber – sofern die Handlung der Kinder und
Jugendlichen sich noch einigermaßen innerhalb des Regelsystems der Einrichtung bewegt
– keine unmittelbaren Konsequenzen für den working consensus zwischen ihnen und den
Jugendlichen. Um es an dem Materialausschnitt zu verdeutlichen: Auch wenn Sarah die
Äußerungen missbilligt, wird sie deswegen keine Konsequenzen für die Arbeitsbeziehung
ziehen. Das Sichtbarwerden der Missbilligung ist gleichwohl pädagogisch bedeutsam.
Denn sie führt zu einem deutlichen Bruch innerhalb der von Seiten der Jugendlichen initiierten Kommunikationsstruktur des Dissens, und der darin rituell gefassten Aggressivität.
Die spezifische Abstinenz des Gegenübers (Erkennbarkeit ohne Handlungskonsequenz
bei der Mitarbeiterin und Neutralität beim Beobachter) unterbricht diese spezifische Ablaufstruktur, die sich innerhalb dieses sozialen Milieus herausgebildet hat.
Da die Jugendlichen in der Regel die PädagogInnen (und andere Erwachsene) immer
wieder in der alltäglichen Konversation herausfordern, Stellung zu beziehen und zu handeln (und dies in der Logik dieser Arena auch so sein soll) folgt für die PädagogInnen folgendes Dilemma. Verhalten sie sich neutral (wie z. B. der Beobachter), markieren sie zu
stark die Differenz zu den Jugendlichen (lassen diese »abtropfen«) und würden sich unnahbar und damit auch als wenig vertrauenswürdig erweisen. Verhalten sie sich dagegen
konsequent gemäß ihrer eigenen Werthaltungen, so würde dieses die Arbeitsbeziehung gefährden. Die Regel der Erkennbarkeit ist ein Ausweg aus diesem Dilemma, da sie einerseits die Alltäglichkeit der Kommunikation weiterführt, aber zugleich den Jugendlichen ei-
51 Sie gibt der von Oevermann (1999, S. 152 ff.) in Anlehnung an die Psychoanalyse formulierten Abstinenzregel des pädagogischen Arbeitsbündnisses, die davon ausgeht, dass die persönlichen »diffusen Komponenten
der Sozialbeziehung« (ebd. 153) im Modus der Abstinenz, die formalen Komponenten der pädagogischen
Rolle dagegen manifest gehandhabt werden müssen, eine überraschende Wendung. In der Kinder- und Jugendarbeit muss gerade auch die formale Rolle der pädagogischen Aufgabe im Modus der Abstinenz ausgeübt werden. Dies schließt freilich die Notwendigkeit des abstinenten Umgangs mit jenen »diffusen Komponenten« (etwa mit der in Levents Rap zum Ausdruck kommenden Aggressivität) keineswegs aus.
Konstitutive Regeln und paradoxale Handlungsanforderungen
61
nen Hinweis gibt, wie sie die PädagogInnen einzuschätzen haben. In diesem Sinne kann
die Sichtbarkeitsregel wie folgt gefasst werden:
Mache dich und deine Einstellungen gegenüber den Jugendlichen erkennbar (sichtbar), aber lasse gleichzeitig zu, dass die Jugendlichen ihre Einstellungen (auch die aggressiven, negativen) sichtbar werden lassen,
ohne dass dadurch die wechselseitigen Anerkennungsverhältnisse in Frage gestellt werden.
Im konkreten Fall bedeutet das, dass die Pädagogin herausgefordert ist, beim Battle ernsthaft und glaubwürdig mitzumachen (sei es auch nur als kundiges Publikum), sich und seine Einstellung aber gleichzeitig erkennbar werden zu lassen. Das geht nur, indem gleichsam auf zwei Kanälen kommuniziert wird, bei dem der eine Kanal den anderen negiert,
ohne ihn zu übertönen. Dies erfordert eine gewisse kunstvolle Theatralik, die aber regelmäßig im sozial-pädagogischen Handeln der PädagogInnen anzutreffen ist (bei manchen
mehr, bei manchen weniger). In Bezug auf die paradoxalen Handlungsanforderungen wird
nun deutlich, dass weder das »Übersehen« der Herausforderung noch das sanktionierende
Darauf-Eingehen – und schon gar nicht die Option »exit« – die Lösung des Problems darstellt. Beides wäre gleichermaßen ein Kunstfehler. Die Lösung, die die Pädagogin wählt,
besteht hier jedoch nicht nur in der Balancierung dieser zwei Optionen. Sie gibt quasi das
Paradox zurück, indem sie die Aufführung ernst nimmt (und sich als Zuschauerin verhält)
und sie zugleich in einer Form kritisiert, die deutlich macht, dass nicht nur die Qualität der
performance kritisiert wird, sondern auch die latente Aggression, die die performance als
Ganze prägt.
3.5.4
Der Zentrale Handlungstypus ‚Andere(r) unter Gleichen‘
Die hier empirisch rekonstruierten Regeln professionellen Handelns in der Kinder- und
Jugendarbeit können als zentrale Bearbeitungen von paradoxalen Handlungsanforderungen gesehen werden, die sich auch in den u. a. von Fritz Schütze (2000) beschriebenen
Kernproblemen und Paradoxien wiederfinden.
Durch die Sparsamkeitsregel z. B. wird einerseits das pädagogische Grunddilemma und
die Paradoxie »Geduldiges Abwarten vs. Sofortige Intervention« bearbeitet, wobei es hier
eher darum geht darauf zu warten, wann angesichts vielfältiger Interventionsmöglichkeiten
der richtige Zeitpunkt gekommen ist. Die Mitmachregel tangiert die vierte Paradoxie, die
das Mehrwissen und das Verschweigen des Mehrwissens thematisiert. Die Sichtbarkeitsregel lässt sich ankoppeln an »die Gefahr der Ausblendung der eigenen Gestaltungs- und
Bedingungsanteile an der Fall- und Projektproblematik« angesichts der »Notwendigkeiten
der Unbefangenheit des professionellen Handelns« (Schütze 2000, S. 79).
Viel grundlegender jedoch verweisen die Regeln auf die im professionellen Habitus
nicht aufzuhebende Gleichzeitigkeit von »Rollenhandeln und Handeln als ganze Person,
von Elementen einer spezifischen und einer diffusen Sozialbeziehung« (Oevermann 1999,
62
Performanz der Kinder- und Jugendarbeit
S. 106).52 Jedoch reicht es unserer Ansicht nach nicht aus, dieses Ergebnis schablonenhaft
auf das Handeln in der Kinder- und Jugendarbeit zu legen.53 Vielmehr schälte sich im Laufe der empirischen Rekonstruktionen heraus, dass in der Kinder- und Jugendarbeit ein
spezifischer Typus der Ausbalancierung zwischen diffusem und spezifischem Handeln
hervortritt, der sich über die oben beschriebenen professionellen Regeln verdeutlichen
lässt und sich empirisch als Handlungstypus ‚Andere(r) unter Gleichen‘ verdichtet hat.
Über die Sparsamkeitsregel wird deutlich, dass die PädagogInnen als ‚Andere(r) unter
Gleichen‘ sparsam damit sein müssen, sich durch die Etablierung eines asymmetrischen
working consensus als ‚Andere‘ zu definieren. Im Rahmen der Mitmachregel handeln die
MitarbeiterInnen so, als seien sie Teilnehmende (‚Gleiche‘), weil sie jedoch immer nur so
tun können, als seien sie Teilnehmende, müssen sie sich letztendlich von ihrer Rolle als
TeilnehmerInnen distanzieren. Die Sichtbarkeitsregel macht deutlich, dass es in der widersprüchlichen Einheit von Nonchalance und Alltäglichkeit auf der einen Seite und durch
die Institutionalisierung von professionellem Handeln auf der anderen Seite gilt, Diffusität
und Spezifität in dem Sinne auszubalancieren, dass man sich als Person (Gleicher) unter
den Bedingungen von professionellen Organisationen (Anderer) einbringt.
Damit ist eine zentrale Handlungsparadoxie benannt, die sich auch in den Konzeptionalisierungen von Kinder- und Jugendarbeit in Form der Beschreibung von Handlungsmaximen niederschlägt: Wenn z. B. Kinder- und Jugendarbeit dadurch gekennzeichnet
wird, dass sie einerseits alltagsorientiert die Interaktionspraxen von Jugendlichen anerkennen soll und andererseits dazu dient, zu den »‚problematischen Alltagspraxen‘ und -deutungen Alternativen anzubieten« (Thole 2000, S. 261; vgl. auch Böhnisch 1992, S. 245 ff.),
dann zeigt sich auch hier das Spannungsverhältnis von (diffuser) Teilnehmerrolle und spezifischer Rollenbeziehung. Dieses Spannungsverhältnis konnte auch empirisch anhand der
zentralen Merkmale der sozial-pädagogischen Arena, der dort vorzufindenden Herstellung
von Zugehörigkeit sowie im Rahmen von Alltagskommunikationen und der Etablierung
von Arbeitsbeziehungen aufgezeigt werden (vgl. Kap. 3.1–3.4). Die Arena als Aufführungsort und Zuschauerraum, mit ihrem schnellen Wechsel von dezentrierter und zentrierter Interaktion, als Austragungsort für Wettkämpfe und Spiele sowie als Ort der Herstellung von Zugehörigkeit und Gemeinschaft ist gleichzeitig ein sozialer Ort, an dem modulierend die Differenzen zwischen Professionellen und AdressatInnen egalisiert werden,
52 Zur Struktur des Arbeitsbündnisses zwischen spezifischer und diffuser Sozialbeziehung in Zusammenhang
mit professionellen Regeln siehe auch Oevermann (2002, S. 42 ff.).
53 Diese Gleichzeitigkeit von formalem Rollenhandeln und gleichzeitig »abstinentem« Aufheben der emotionalen und diffusen Beziehungsanteile, wie Oevermann (1999) dies als Modell für gelingende Arbeitsbündnisse
im Lehrerhandeln entwickelt, hat in der Kinder- und Jugendarbeit, wie beschrieben, eine weit fragilere Gestalt und ist nur als oszillierende Bewegung zwischen beiden Polen beschreibbar.
Konstitutive Regeln und paradoxale Handlungsanforderungen
63
um sie gleichzeitig z. B. in Arbeitsbögen der Beratung in der Form zu transformieren, dass
der Typus des ‚Anderen‘ performativ hergestellt wird. 54
Der Handlungstypus ‚Andere(r) unter Gleichen‘ beschreibt somit eine Differenz zu anderen (sozial-)pädagogischen, medizinischen, therapeutischen Handlungsfeldern, in der
zwar die diffusen Beziehungsanteile nicht gänzlich außer acht gelassen werden können, jedoch Mitmachen, Sparsamkeit und Erkennbarkeit in der oben beschriebenen Form eine
geringere Rolle zu spielen scheinen.55
54 Dabei zeigt sich jedoch, dass der jeweilige Umgang mit diesem Spannungsverhältnis in den unterschiedlichen
Jugendhäusern von den verschiedenen MitarbeiterInnen insgesamt in hohem Maße divergiert. In den bislang
erfolgten Rekonstruktionen haben sich Typen herausgeschält, die es in der nachfolgenden Rekonstruktionsphase zu generalisieren gilt.
55 Siehe u. a. für die Schule: Helsper (1996); Schütze u. a. (1996); für die Erwachsenenbildung u. a.: Nittel
(2002); für die Medizin: Parsons (1964) und für die Praxis der Psychoanalyse: u. a. Willems (1997). Auf Basis
der Forschungsanlage des Projektes kann diese Differenz jedoch nur hypothetisch unter Berücksichtigung
der vorliegenden Studien zu anderen professionellen Handlungsfeldern angenommen werden.
64
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70
Performanz der Kinder- und Jugendarbeit
4
Anhang
Hinweise zu den Beobachtungsprotokollen
4.1
Hinweise zur Transkription der Protokolle Teilnehmender Beobachtungen
(P) = Professionelle(r)
(J) = Jugendlicher bzw. Kind
(B) = BeobachterIn
(…) = Auslassungen
4.2
Hinweise zur Zitationsweise der Protokolle
Folgende Abkürzungen gelten für die Wiedergabe von Daten.
a)
Einrichtungen
Z = Jugendzentrum Zitrone in Königsstadt
G = Jugendzentrum Grüntal
S = Spieltreff in Heimenau
K = Cafe Kult in Olzberg
F = (Glas)Fabrik in Melsen
A = Alter Bahnhof in Pelzen
C = Café Mittendrin in Langenfelden
H = Jugendhaus Hobürgen in Meippingen
b) Datenarten
R = Registrierende Daten
T = Protokolle Teilnehmender Beobachtungen
P = Interviews Professionelle
A = Interviews AdressatInnen
M = Mitarbeiterbesprechungen
D = Dokumente (Flyer, Konzeptionen etc.)
c) Besonderheiten
Die Protokolle Teilnehmender Beobachtungen werden durchnumeriert und nicht
mit Datum versehen.
Wenn mehrere Interviews mit einer Person durchgeführt werden, dann werden die
Interviews durchnumeriert.
Wenn ein Gruppeninterview durchgeführt wurde, wird nur ein Buchstabe vergeben (der Anfangsbuchstabe einer/ s Interviewten)
Es darf pro Einrichtung nicht der gleiche Buchstabe für mehrere Personen vergeben werden.
d) Ausführung
»text«Z,T3:234 = 3. Teilnehmende Bobachtung in der Zitrone, Zeile 234.
»text«A,A-P2:234 = 2. Interview mit Paul, Paula und Zora im Alten Bahnhof, Zeile 234.
»text«F,R3:234 = 3. Aufnahme registrierende Daten in der Glasfabrik, Zeile 234.