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christO Ph fu chs
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BILDENDE KUNST
Keramikobjekt, o. T., vor 1958, 6,5 x 31 cm
Keramikobjekt, o. T., vor 1958, 30 x 36 cm
„Was Kurt Ohnsorg geschaffen hat,
ist etwas ganz Besonderes“
Auf Initiative von Paul Twaroch (Niederösterreich-Fonds) wird anlässlich des 90. Geburtstages des herausragenden
niederösterreichischen Keramikkünstlers Kurt Ohnsorg eine retrospektive Ausstellung im DOK Niederösterreich zu sehen sein.
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rischer Arbeit steht er in der Tradition
der Wiener Werkstätte und japanischer
Kunst. Wie bei vielen seiner Kolleginnen
und Kollegen waren es fi nanzielle Gründe, die es verhinderten, dass er sich
ausschließlich seinen freien Arbeiten
widmete. Zum Selbstverständnis seines
Arbeitens schreibt er: „Die Liebe zum
Handwerk ist nicht als sentimentale Neigung anzusehen, sondern als die nach
wie vor vollkommenste Möglichkeit des
Menschen, sich mit der Materie auseinanderzusetzen. Und diese Auseinandersetzung kann man sich nicht ersparen …
Wer sich der Mühe der Beherrschung der
Materie nicht unterzieht, bei dem kann
sowohl Persönlichkeit als auch Künstlerschaft als fragwürdig gelten …“
Seine künstlerische Leidenschaft galt
der Glasur. Er entwickelte dafür eigene
Verfahrensweisen (in Gmunden in Zusammenarbeit mit Alfred Zinhobl), brach
die glatten Oberflächen auf
und schuf eine Antiästhetik.
Die oft vulkanisch wirkenden
Oberflächen, die eine Familiarität sowohl mit der Art
Brut als auch mit der Arte
Povera aufweisen, sind von
einer farblich höchst beeindruckenden Expressivität und Vitalität und zeuKeramikplastik, o. T., um 1961,
90 x 50 x 30 cm
gen von einem großen technisch-experimentellen Charakter. Immer wieder fi nden sich nicht nur „Gefäße“, sondern
auch rein plastische Arbeiten (ursprünglich wollte Ohnsorg Bildhauer werden).
In diesem Zusammenhang bezeichnete
ihn Otto Breicha als den „Wotruba der
Keramik“. Zu Recht spricht der Kunstsammler Ernst Ploil von einem „Wegbereiter und Revolutionär“. Von den sogenannten miniaturhaften „Wuzzelfiguren“ bis hin zu leider nur mehr bedingt
vorhandenen Großplastiken im öffentlichen Raum in Wien spannt sich dabei
formal sein Œuvre. Sein in vielem radikales Schaffen markiert die avancierteste Position der Nachkriegskeramik in
Österreich.
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TV & KINO
Die Ausstellung KURT OHNSORG – Keramik
aus Leidenschaft wird am Freitag, 17. März
2017 um 18.30 Uhr im NÖ Dokumentationszentrum für moderne Kunst, Prandtauerstraße 2
in St. Pölten eröffnet. Anhand von rund 100
Werken wird ein prägnanter Überblick in das
faszinierende Schaffen von Kurt Ohnsorg
gegeben. Ebenso erscheint zur Eröffnung im
Verlag Bibliothek der Provinz erstmals eine
Werkmonographie, die rund 500 Arbeiten des
Künstlers dokumentiert; zahlreiche Dokumente,
Fotografien und Interviews mit Wegbegleitern,
Zeitzeugen und Sammlern vermitteln lebendige
Einblicke in die Persönlichkeit des Künstlers –
es gilt, ein Jahrhundertwerk wiederzuentdecken!
www.noedok.at
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WOLfgan g maYer
Ohnsorg, am 25. 12. 1927 in Sigmundsherberg geboren, studierte an der Hochschule für angewandte Kunst in der
Klasse von Robert Obsieger Keramik und
schloss 1950 mit Diplom ab. Mitte der
1950er Jahre bezog er in der Porzellangasse 26 im 9. Wiener Gemeindebezirk
seine erste Werkstätte, die rasch ein
Treffpunkt verschiedenster Künstler, Literaten und Musiker wurde (Karl Prantl,
Hans Kahn, Heimito von Doderer, Friedrich Cerha, um einige zu nennen). Mit
der Gründung des „Josef-HoffmannSeminars“ (gemeinsam mit Alfred Seidl)
1961, den 1964 gestarteten „Internationalen Keramiksymposien“ in Gmunden
und in engem Zusammenhang damit der
1969 an der Linzer Kunstschule etablierten Professur und Meisterklasse für
Keramik setzte er in den 1960er Jahren institutionelle Meilensteine für die
österreichische Keramik. Mit Freunden
und Kollegen realisierte er erstmals
auch die Möglichkeit, direkt
in den Keramikfabriken in
Gmunden (Werk Engelhof)
und in Wilhelmsburg (Formgebungssymposion 1966 in
der Firma ÖSPAG) mit der
dort vorhandenen Infrastruktur zu arbeiten. Kurt
Ohnsorg starb am 22. 9. 1970
in Gmunden.
Im Spannungsfeld von angewandter und freier künstle-
Kurt Ohnsorg mit einer keramischen Plastik, um 1963
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