NEWSLETTER 1/2017
DIE NÄCHSTE GENERATION
In Sansibar vom ZMT ausgebildet, steuern junge
Forscher in eine hoffnungsvolle Zukunft
ON EXPEDITION
Wenn die Sonne vor Stone Town im Meer versinkt und ein kühlender Abendwind durch die
engen Gassen von Sansibar Stadt weht, treffen sie sich in den kleinen Imbiss Restaurants
und berichten einander vom Tag: junge Wissenschaftler aus aller Welt, die vom Tauchgang in
den Riffen und Seegraswiesen, von den lokalen Fischern, von der Feldarbeit in den Dörfern
zurückkehren. Keine ihrer Herkünfte gleicht der anderen: andere Länder, andere Fächer. Und
doch wissen sie gut voneinander und arbeiten Hand in Hand für eine Zeitenwende.
Denn die Zeiten sind rau für tropische Küsten: Boomender Tourismus, gestresste Riffe, Korallenbleiche, Überfischung, zu viele Nährstoffe im Wasser, Algenwachstum und vieles mehr.
Auch die Bewohner der Insel Sansibar müssen diesen Problemen ins Gesicht sehen, denen
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2 5 JA
immer mehr tropische Küsten ausgesetzt sind. Sie bedeuten Konflikte zwischen Nutzern
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und Schützern der marinen Ressourcen. „Ein nachhaltiges Management zum Erhalt der Ressourcen muss letztlich die Perspektiven aller teilhabenden Personen berücksichtigen“, sagt
ZMT-Direktorin Hildegard Westphal, und so lautet das Credo des Instituts für jedes Projekt:
zum G em Outfit.
in neu Sie mehr
Lesen „NEWS“
in den
„Wissenschaftler müssen für dieses holistische Denken vorbereitet werden.“
Viele Expertisen für ein klares Ziel
Auf Sansibar gelingt das derzeit vorbildlich. Die engagierten Wissenschaftler überzeugen
mit passenden Antworten. Denn eine so interdisziplinäre Ausbildung wie sie hatte keine
Generationen vor ihnen, und keine ist wohl so gut vernetzt und erfahren im Austausch.
Drei Jahre lang forschten sie in der Graduiertenschule SUTAS (Sustainable Use of Tropical
Aquatic Systems) – einem vom ZMT entwickelten und geleiteten Projekt in Zusammenarbeit
mit dem Institute of Marine Science (IMS) an der Universität von Dar es Salaam in Sansibar
und dem Leibniz-Institut für Präventionsforschung und Epidemiologie (BIPS) in Bremen. Die
SUTAS-Doktoranden haben Gesundheitsdaten in den Dörfern erhoben, die Trinkwasserversorgung untersucht, die Fischbestände abgeschätzt, Fangmethoden der lokalen Fischerei
INHALT
analysiert, Kooperationsverhalten erforscht, Zusammenhänge zwischen gestressten Seegras-
Die nächste Generation
1
wiesen und dem Nährstoffeintrag durch verunreinigtes Wasser hergestellt und Zustand und
Wer wird das Riff regieren?
2
Veränderung der Korallenriffe beobachtet. Jetzt fließt dieses unterschiedliche Wissen zusam-
Weil alle wissen, was sie wollen
3
men – für ein zukünftiges Management, das ökonomische und ökologische Bedürfnisse an
News/Impressum4
tropischen Küsten ernst nimmt und langfristig aufeinander abgestimmt schützt.
O N B OA R D
WER WIRD DAS RIFF REGIEREN?
Hauke Reuter beobachtet einen unscheinbaren Kandidaten
Sie gehören zur Ordnung der Blumentiere. Das klingt far-
Institute of Marine Sciences (IMS) betreuten Studierenden
benfroh, doch in der bunten Gemeinschaft der Korallen-
schließen will. Daten müssen her: Warum macht sich der
riff-Bewohner gehen Corallimorpharia eher unter. Platt,
unscheinbare Organismus plötzlich breit? Ergreift er seine
bräunlich und elastisch wie ein Pfannkuchen liegen sie auf
Chance, wenn das Riff geschwächt ist? Unterstützen Nähr-
dem Riff, schrumpfen und schwellen wie ein Schwamm
stoffe im Wasser, wie Phosphate, Stickstoff oder Eisen,
und werden einzeln leicht übersehen. Unter „diverse an-
sein Wachstum? Welche Nachbarn halten ihn in Schach?
dere Organismen“ haken wissenschaftliche Beobachter
Welche unterliegen seinem Durchsetzungsvermögen? Ist
der Riffe die schwabbelige Minderheit meistens ab. „Wir
er besser angepasst an widrige Bedingungen als seine
wissen fast nichts über diese unbeachtete Art“, sagt
Sippe? Unempfindlicher gegenüber einer Erwärmung des
Hauke Reuter, und so ein Befund macht den gewissenhaf-
Wassers? Und welche Meeresbewohner kontrollieren die
ten Ökologen vom ZMT unruhig.
Art, indem sie die Blumentiere schlicht auffressen?
Rückgratlose Verwandtschaft…
Weil vor Sansibar erst kürzlich das Phänomen einer Korallenbleiche die Riffe geschädigt hat, lässt sich dort eine
Hauke Reuter bringt so schnell nichts aus der Fassung –
mögliche Ausbreitung der skelettlosen Spezies ausge-
aber Corallimorpharia schon, seit er in den Riffen vor San-
zeichnet beobachten. In welche Richtung wird sich das Riff
sibar beobachtet hat, dass sich diese Art ungewöhnlich
nun entwickeln – wird es sich erholen oder erobert und
ausbreitet. Fast ein Viertel der Bewohner in stadtnahen
somit noch stärker geschädigt werden? Hauke Reuters
Riffen besteht dort aus diesen seltsamen Verwandten
kolumbianische Studentin Viviana Esteban Garcia analy-
der Steinkorallen und das ist vergleichsweise „nicht nor-
siert derzeit die Neubesiedlung von Korallen auf speziell
mal“, meint der Wissenschaftler. Denn mit dieser Bevöl-
gebrannten und Ende September 2016 in Sansibars Rif-
kerung im Übermaß hat das Riff ein Problem: sie bildet
fe verankerten Fliesen. Sie generiert damit ein kleines
kein Skelett. Salopp ausgedrückt hat der Abkömmling
wichtiges Stück Wissen im Puzzle, das Hauke Reuter mit
kein Rückgrat. Überwuchert er seine steifen Verwandten
den Kollegen in Sansibar zusammensetzen möchte. „Das
invasionsartig, geht dem Riffsystem die Stabilität verloren.
langfristige Interesse gilt einem integrativen Modell der
Ein solcher Regimewechsel könnte für das Korallenriff also
Entwicklungen der Riffe, das auch Corallimorpharia und
fatal ausgehen.
Schwämme berücksichtigt.“ Dann erst könne man Spekulationen über einen Regimewechsel im Riff mit begrün-
…mit vermutlich fatalen Folgen
deten Prognosen ersetzen, sagt der besonnene ZMT-Forscher. „Noch gibt es keine Zeichen in irgendeine konkrete
Aber noch klaffen hier viele Wissenslücken, die Hauke
Richtung.“
Reuter mit den von ihm und Christopher Muhando vom
Hauke Reuter gehört zur Abteilung „Theoretische Ökologie und Modellierung” am Leibniz-Zentrum für
Marine Tropenforschung (ZMT) in Bremen und leitet die Arbeitsgruppe „Räumliche Ökologie und Interaktionen”. Seit 2009 forscht er intensiv mit Kollegen in Sansibar, um die Riffsysteme besser zu verstehen und
deren Entwicklung unter sich verändernden Umweltbedingungen abschätzen zu können. In der Zusammenarbeit bilden sie auch wissenschaftlichen Nachwuchs aus.
ON TOPIC
WEIL ALLE WISSEN, WAS SIE WOLLEN
Fischer und Forscher in Sansibar im Team für Nachhaltigkeit:
Jennifer Rehren und Achim Schlüter über eine vernetzte interdisziplinäre Wissenschaft in Sansibar
Welches Problem haben Sansibars Fischer?
am Beispiel der zwei Dörfer untersucht und festgestellt,
Jennifer Rehren: In den Fischerdörfern an der Ostküs-
dass die Nutzung der nachhaltigeren Fangmethoden nicht
te Sansibars sind viele Fischer davon überzeugt, dass die
notwenig mit der Bereitschaft zur Zusammenarbeit für
Ressourcen in Chwaka Bay überfischt sind.
mehr nachhaltige Fischerei einhergeht. Es kommt hingegen darauf an, wie gewohnt die Fischer sind, zusammen
Achim Schlüter: Außerdem gelten zwei Nachbardörfer
zu arbeiten. Die Schleppnetzfischerei vor Ort verlangt
als untereinander zerstritten, die jeweils unterschiedliche
mehr Kooperation vom Einzelnen als die Reusenfischerei,
Fangmethoden einsetzen: Schleppnetze, Reusen und
die autonom betrieben wird. Solche Erkenntnisse helfen
Speere. Den Schleppnetzfischern wurde in der Vergan-
allen Beteiligten im Umgang miteinander.
genheit immer wieder ihre umweltschädliche Fangmethode vorgeworfen und und die mangelnde Bereitschaft zur
Jennifer Rehren: Ich habe zudem ein Jahr lang in vertrau-
Kooperation.
ensvoller Zusammenarbeit mit den Fischern eine fischereiökologische Erhebung der Bestände in der Chwaka Bucht
Gibt es Lösungen?
durchgeführt. Für drei regional wichtige Arten wissen wir
Achim Schlüter: Alle Fischer sind sich darüber im Klaren,
jetzt, dass sie Anzeichen einer Überfischung zeigen, und
dass man an einem Strang ziehen muss, um ein nachhal-
wir wissen auch, welche Fangmethoden auf sie den stärks-
tiges Fischereimanagement in der Region zu etablieren.
ten Druck ausüben. Überraschenderweise geht der größte
Druck von der effektiveren Reusenfischerei aus. In einem
Jennifer Rehren: Es hat Versuche gegeben, die Schlepp-
Workshop mit den Fischern aus den drei Dörfern habe ich
netzfischerei in der Bucht zu verbieten und illegale Fangge-
die Ergebnisse vermittelt und diskutiert. Die Akzeptanz
räte auszutauschen. Das hat die Situation nicht verbessert.
und die Kooperationsbereitschaft waren jetzt sehr hoch.
Das Ergebnis waren sehr konkrete Vorschläge seitens der
Achim Schlüter: Ursache ist die ökonomische Abhängig-
Fischer, wie man nun reagiert: ein marines Schutzgebiet,
keit der Fischer. Ein Boot mit Schleppnetzen ernährt rund
das gar keine Fischerei zulässt, stand zur Debatte oder
zehn Fischer. Würden sie arbeitslos, müssten sie in die An-
die Anlage eines künstlichen Riffs, mit dem die Biomasse
schaffung von Reusen und Boot investieren. Dazu sind sie
erhöht werden kann. Die Vorschläge der Fischer werden
nicht in der Lage.
jetzt in den Dörfern diskutiert und von mir in einer Empfehlung an die Politik zusammengefasst.
Was kann interdisziplinäre ZMT-Forschung bewirken?
Achim Schlüter: Die Erforschung der sozioökonomischen
Hintergründe ist sehr hilfreich, um Handlungsoptionen zu
finden. Wir haben außerdem das Kooperationsverhalten
Die Doktorarbeit der Fischerökologin Jennifer Rehren wurde in Bremen und Sansibar im Rahmen der
SUTAS Graduiertenschule betreut. Der Sozialwissenschaftler Achim Schlüter leitet am ZMT die Arbeitsgruppe
„Institutionen und Verhaltensökonomik“. Mit ZMT-Policy Briefs zielt das Institut auf den praktischen Nutzen der
eigenen Forschung und formuliert konkrete umweltpolitische Empfehlungen für politische Entscheidungsträger.
NEWS
ON GOING
Leibniz-Symposium für Umwelt und Entwicklung
Nicolas Dittert und Hildegard Westphal führen zukünf-
Um globale Herausforderungen, frische Ideen von Nach-
tig gemeinsam die Geschäfte des ZMT. Der promovierte
wuchwissenschaftlern, interdisziplinäre Zusammenarbeit
Geologe übernahm zum 16. Januar 2017 als kaufmänni-
und regelmäßigen Austausch geht es: das Leibniz-Um-
scher Direktor an der Seite der wissenschaftlichen Direk-
welt- und Entwicklungssymposium (LEADS) ist eine neue
torin die Verantwortung für die Bereiche Administration
regelmäßige Einrichtung, die das ZMT und drei weitere
und Infrastruktur. >MORE
Leibniz-Institute ins Leben gerufen haben. Der Auftakt des
Diskussionsforums galt Anfang Dezember 2016 in Berlin
dem Thema „From Food Production to Food Security“.
Doktoranden und Post-Docs präsentierten internationale
Forschung in Pakistan, Indonesien, Äthiopien oder Tanzania. In den nächsten Jahren folgen Symposien zu den Themen „Krisen“ und „Biodiversität“. >MORE
EU-Nachhaltigkeitskonferenz am ZMT
Vom 6. bis 8. März 2017 lädt das ZMT zur ersten wissenschaftlichen Konferenz im Rahmen der EU COST Action
„Ocean Governance for Sustainability“ nach Bremen ein.
Das europäische Netzwerk wird ein Konzept für drei Jahre Arbeit erstellen, die sich der Land-Meer-Interaktion,
Zukünftig im Team: Hildegard Westphal und Nicolas Dittert
flächenbasiertem sowie Fischereimanagement, Tiefseeressourcen, Ernährungssicherheit und Meer, Klimawandel
25. Geburtstag - neuer Name - neues Design
und Ozeanversauerung widmen wird. >MORE
Geburtstage geben Anlass zu großen Festen. 25 Jahre marine Tropenforschung aus Bremen wurde am 29. Oktober
Erfolgreiche Vortragsreihe am ZMT
2016 mit mehr als 140 Gästen aus Wissenschaft, Politik,
Die ZMT-Vortragsreihe “Bremen Earth and Social Science
Wirtschaft und Gesellschaft und einem Senatsempfang
Talks” (BEST) startet mit großer Resonanz durch. Hochka-
in der Oberen Rathaushalle gefeiert. „Das ZMT leistet ei-
rätige internationale Experten bieten einmal im Monat am
nen maßgeblichen Beitrag in der Erforschung tropischer
ZMT Einblicke in ihre Forschung, geben Denkanstöße und
Küstenökosysteme“,
Wissenschaftssenatorin
regen Diskussionen über ein breites Themenspektrum an
Prof. Dr. Eva Quante-Brandt die Arbeit. „Es verbindet
den Schnittstellen von Natur- und Sozialwissenschaften
wissenschaftliche Exzellenz mit einem partnerschaftlichen
an. >MORE
würdigte
Verständnis von Kooperation, bei dem es um Zusammenarbeit auf Augenhöhe und den gegenseitigen Austausch
Alumnitreffen in Sansibar und Bremen
von Erfahrung geht.“ Zwei Veränderungen geben der Ent-
Erfolgreiche Stärkung des ZMT-Netzwerks: über 50
wicklung des ZMT zudem Ausdruck: Das Leibniz-Zentrum
Alumni des Instituts aus 27 Ländern trafen sich Ende Ok-
für Marine Tropenökologie – kurz ZMT – heißt seit dem
tober 2016 in Bremen im Rahmen der 25-jährigen Jubilä-
1. Januar 2017 nun Leibniz-Zentrum für Marine Tropenfor-
umsfeier des ZMT. Einen Monat zuvor hatten Alumni aus
schung. Denn Forschung am ZMT ist disziplinär breit. „Mit
Kenia, Äthiopien, Süd Sudan und Tansania in Stone Town
unserer Namensänderung setzen wir ein klares Zeichen für
(Sansibar) ihre aktuellen Arbeiten diskutiert. Wichtiges
unseren bewusst holistisch gewählten Forschungsansatz“,
Thema war die Sondierung zukünftiger Zusammenarbeit
so ZMT-Direktorin Hildegard Westphal. Publikationen wie
untereinander sowie mit dem ZMT. >MORE
IMPRESSUM: http://www.leibniz-zmt.de/Impressum.html, Verantwortlich: Prof. Dr. Hildegard Westphal, www.leibniz-zmt.de / Redaktion: Bettina Mittelstraß,
www.bettinamittelstrass.de / Gestaltung und Layout: Hans-Werner Eberhardt, plan2.dobben-united.de / Copyright Fotos: p. 1: H. Reuter, p. 2: G. Schmidt, p. 3: H. Reuter, p. 4: T. Vankann
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Corporate Design. >MORE | >FOTOS
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