Corporate Law Newsletter 4/2016

4/2016
Corporate Law
Newsletter
Neueste
Rechtsprechung
und aktuelle
Entwicklungen
Liebe Leserinnen und Leser,
anlässlich der aktuellen Geschehnisse und der heiß diskutierten Frage,
ob und in welchem Umfang Wissen eines Organmitglieds einer Gesell­
schaft zugerechnet werden kann, besprechen wir in dieser Ausgabe
das jüngste Urteil des Bundesgerichtshofs. Als Highlights der aktuellen
Rechtsprechung thematisieren wir den Nießbrauch am Kommanditanteil
sowie das Recht des Gesellschafters auf Anwesenheit eines Außen­
stehenden bei der Gesellschafterversammlung. Auf europäischer Ebene
stellen wir zudem Neuigkeiten zu dynamischen IP-Adressen vor. Ab­
schließend erhalten Sie einen Ausblick auf Änderungen der Corporate
Governance-Vorschriften von unserer DCGK-Expertin.
Wir wünschen Ihnen ein frohes Weihnachtsfest und freuen uns auf ein
spannendes neues Jahr mit Ihnen!
Ihr
Dr. Christian Bosse
Inhalt
2 | Corporate Law Newsletter 4/2016
Brennpunkt
4 Auskunftsanspruch des Kommanditisten
8 Zurechnung des Wissens eines Aufsichtsratsmitglieds
und Verschwiegenheit
Rechtsprechung
10 Nießbrauch am Kommanditanteil keine eintragungsfähige Tatsache
14Amtsniederlegung eines Alleinvorstands zur Unzeit, gerichtliche
Ergänzung des Aufsichtsrats
16Bestellung eines Notgeschäftsführers bei Unklarheiten über die
Vertretung der GmbH
18Vertretung und Begleitung des Gesellschafters bei der
Gesellschafterversammlung
20EuGH-Urteil zu dynamischen IP-Adressen und § 15 TMG
Aktuelle Meldungen
24 Vorschläge zur DCGK-Anpassung in 2017
27 Ansprechpartner
Corporate Law Newsletter 4/2016 |
3
Brennpunkt
4 | Corporate Law Newsletter 4/2016
Auskunftsanspruch des Kommanditisten
BGH, Beschluss vom 14.06.2016 – Az.: II ZB 10/15
Das außerordentliche Informationsrecht des Kommanditisten nach § 166 Abs. 3
HGB ist nicht auf Auskünfte beschränkt, die der Prüfung des Jahresabschlusses
dienen oder zum Verständnis des Jahresabschlusses erforderlich sind. Vielmehr
erweitert § 166 Abs. 3 HGB das Informationsrecht des Kommanditisten bei Vor­
liegen eines wichtigen Grundes auch auf Auskünfte über die Geschäftsführung des
Komplementärs allgemein und die damit im Zusammenhang stehenden Unterlagen
der Gesellschaft.
Sachverhalt
Der Antragsteller ist Kommanditist einer Publikumskommanditgesellschaft. Gegenstand
der Gesellschaft ist der Betrieb einer Windkraftanlage sowie der Verkauf des hierdurch
gewonnenen elektrischen Stroms. Antragsgegnerin ist die Komplementär-GmbH, welche
an mehreren Publikumskommanditgesellschaften mit dem gleichen Gegenstand (Betrieb
jeweils einer Windkraftanlage und Verkauf des hiermit erzeugten Stroms) als persönlich
haftende Gesellschafterin beteiligt ist. Der Antragsteller verlangt von der Antragsgegnerin
unter Berufung auf § 166 Abs. 3 HGB Informationen über die Umsetzung des Geschäfts­
gegenstands der Publikums-KG vor dem Hintergrund, dass der Geschäftsgegenstand bei
den anderen Gesellschaften, an denen die Antragsgegnerin ebenfalls als Komplementärin
beteiligt ist, bereits jeweils umgesetzt wurde.
Parallel dazu hatte der Antragsteller gegen die Antragsgegnerin auch Leistungsklage auf
Erteilung von Informationen nach § 166 Abs. 1 HGB erhoben.
Das vorinstanzlich mit der Sache befasste Oberlandesgericht Oldenburg hatte die Be­
schwerde des Antragstellers gegen die ablehnende erstinstanzliche Entscheidung des
Amtsgerichts zurückgewiesen. Zur Begründung führte das OLG Oldenburg an, das außer­
ordentliche Informationsrecht sei auf Auskünfte beschränkt, die zur Prüfung des Jahres­
abschlusses bzw. zum Verständnis des Jahresabschlusses erforderlich seien.
Hiergegen hat der Antragsteller Rechtsbeschwerde zum BGH eingereicht.
Rechtlicher Hintergrund
Nach § 166 Abs. 1 HGB ist der Kommanditist berechtigt, die abschriftliche Mitteilung
des Jahresabschlusses zu verlangen und dessen Richtigkeit unter Einsicht der Bücher und
Papiere zu prüfen. Gemäß § 166 Abs. 3 HGB kann auf Antrag eines Kommanditisten das
Gericht, wenn wichtige Gründe vorliegen, die Mitteilung einer Bilanz und eines Jahresab­
schlusses oder sonstiger Aufklärungen sowie die Vorlegung der Bücher und Papiere jeder­
zeit anordnen.
Corporate Law Newsletter 4/2016 |
5
In der obergerichtlichen Rechtsprechung wie auch der einschlägigen Kommentarliteratur
wird die Frage, ob das in § 166 Abs. 3 HGB geregelte außerordentliche Informationsrecht
des Kommanditisten sich auf Auskünfte beschränkt, welche einen Bezug zum Jahresab­
schluss aufweisen (in der Rechtsprechung vertreten durch das OLG Oldenburg und das
OLG Köln; in der Kommentarliteratur in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, in Baumbach/
Hopt sowie in Münchener Kommentar HGB), oder ob dieses darüber hinaus auch Aus­
künfte über die Geschäftsführung des Komplementärs im Allgemeinen erfasst (in der
Rechtsprechung vertreten durch das OLG Hamm, das OLG München sowie das OLG
Düsseldorf; in der Kommentarliteratur in Staub, in Münchener Kommentar HGB sowie
in Oetker), kontrovers diskutiert.
Entscheidung des BGH
Der BGH hat sich der zuletzt genannten Auffassung im Sinne eines erweiterten Anwendungsbereichs des außerordentlichen Informationsrechts aus § 166 Abs. 3 HGB angeschlossen
und der Rechtsbeschwerde des Antragstellers stattgegeben.
Zur Begründung hat der BGH dabei auf folgende Erwägungen abgestellt:
Die gleichzeitige Geltendmachung eines Auskunftsanspruchs aus § 166 Abs. 1 HGB im
Wege der Leistungsklage stehe der Zulässigkeit des Antrags nach § 166 Abs. 3 HGB nicht
entgegen. Das Kontrollrecht aus § 166 Abs. 3 HGB trete neben das Informationsrecht aus
§ 166 Abs. 1 HGB.
Die aus dem Informationsrecht folgenden Ansprüche seien dabei sowohl gegen die Gesell­
schaft selbst als auch gegen die hier zur Geschäftsführung befugte persönlich haftende
Gesellschafterin, welche die begehrte Auskunft unschwer erteilen könne, gerichtet.
Dass sich die außerordentlichen Informationsrechte nach § 166 Abs. 3 HGB auch auf die
Geschäftsführung im Allgemeinen erstrecke, ergibt sich laut der Entscheidungsbegrün­
dung des BGH zunächst daraus, dass nach dem Wortlaut des § 166 Abs. 3 HGB neben der
Mitteilung der Bilanz und eines Jahresabschlusses sowie der Vorlegung der Bücher und
Papiere auch die Anordnung „sonstiger Aufklärungen“ durch das Gericht abgedeckt sei.
Weiter sei der Vorschrift aus Abs. 3 kein expliziter Bezug zu § 166 Abs. 1 HGB (welcher
allein Informationen in Zusammenhang mit dem Jahresabschluss erfasst) zu entnehmen.
Zudem könne die Anordnung gemäß Abs. 3 „jederzeit“ auf Antrag eines Komman­ditisten
geltend gemacht werden, was ebenfalls dafür spreche, dass das in § 166 Abs. 3 HGB ge­
regelte Auskunftsrecht vom Jahresabschluss unabhängig ist.
Auch aus der Regelungssystematik des § 166 HGB ergebe sich eine eigenständige Stellung
des in Abs. 3 geregelten außerordentlichen Informationsrechts. Während das Informationsrecht aus Abs. 1 ohne weitere Voraussetzungen bestehe, sei das außerordentliche Informa­­tionsrecht nach Abs. 3 nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes gegeben. Hinzu käme,
so der BGH weiter, dass die Geltendmachung des Anspruchs aus § 166 Abs. 1 HGB im
Wege der zivilprozessualen Leistungsklage geltend zu machen sei, der Anspruch aus
§ 166 Abs. 3 HGB hingegen dem Streitverfahren im Rahmen der freiwilligen Gerichts­
barkeit zugeordnet ist.
6 | Corporate Law Newsletter 4/2016
Schließlich sei zu berücksichtigen, dass § 166 HGB insgesamt dem Kommanditisten dazu
diene, die Auskunftsansprüche des Kommanditisten von denen eines von der Geschäftsführung ausgeschlossenen Komplementärs abzugrenzen. Letzterer könne sich nämlich
stets anlassunabhängig über sämtliche Angelegenheiten der Gesellschaft unterrichten.
Für diese Abgrenzung reiche es aus, die Geltendmachung des Auskunftsanspruchs des
Kommanditisten an einen wichtigen Grund zu knüpfen.
Dabei hat der BGH darauf hingewiesen, dass das Vorliegen eines „wichtigen Grundes“
jedenfalls dann zu bejahen sein wird, wenn die Belange des Kommanditisten durch ein
vertragliches oder das in § 166 Abs. 1 HGB vorgesehene Informationsrecht alleine nicht
hinreichend gewahrt werden und zudem die Gefahr einer Schädigung des Kommanditisten
besteht.
Da in der Vorinstanz Feststellungen zum Vorliegen eines solchen „wichtigen Grundes“
nicht getroffen worden waren, hatte der BGH die Sache an das Beschwerdegericht zurück
zu verweisen.
Praxishinweise
Die Entscheidung des BGH schafft Klarheit zu der bislang sowohl auf Ebene der
Obergerichte wie auch in der Literatur kontrovers diskutierten Frage nach dem Ver­
hältnis der Informationsrechte aus § 166 Abs. 1 und 3 HGB und stärkt damit die
Informationsrechte des Kommanditisten in erheblichem Umfang. Insbesondere ist
nunmehr abschließend geklärt, dass das außerordentliche Informationsrecht aus
§ 166 Abs. 3 HGB sich nicht nur auf die Einsichtnahme der Jahresabschlüsse beschränkt, sondern sich darüber hinaus auch auf die allgemeine Geschäftsführungs­
tätigkeit erstreckt; dies allerdings nur unter der zusätzlichen Voraussetzung des
Vor­liegens eines „wichtigen Grundes“.
Die bislang bestehenden Defizite bei den Informationsrechten des Kommanditisten
einer (Publikums)- Kommanditgesellschaft gegenüber den (allerdings auf die Geltendmachung in der Hauptversammlung beschränkten) Informationsrechten des Aktionärs
aus § 131 AktG hat der BGH mit seiner Entscheidung damit weit­gehend beseitigt.
Autor
Christian Normann
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Steuerrecht
Fachanwalt für Handels- und
Gesellschaftsrecht
Ernst & Young Law GmbH | Essen
Telefon +49 201 2421 24167
[email protected]
Corporate Law Newsletter 4/2016 |
7
Brennpunkt
8 | Corporate Law Newsletter 4/2016
Zurechnung des Wissens eines Aufsichtsratsmitglieds
und Verschwiegenheit
BGH, Urteil vom 26.04.2016 – Az.: XI ZR 108/15
Fall
Der Prokurist einer Bank, die wegen fehlerhafter Anlageberatung auf Schadensersatz in
Anspruch genommen wurde, war durch Hauptversammlungsbeschluss in den Aufsichtsrat
einer Aktiengesellschaft gewählt worden, die wiederum Emittent der Finanzanlagen war,
die der fehlerhaften Anlageberatung zugrunde gelegen haben sollen. Der Kläger machte
geltend, dass das Wissen, das der Prokurist als Aufsichtsratsmitglied über die Finanzan­
lagen der Aktiengesellschaft erlangt hatte, der Bank zuzurechnen sei. Der Bank sei inso­
weit eine vorsätzliche Falschberatung vorzuwerfen, als die Beratung das Wissen des Pro­
kuristen über die Finanzanlage nicht zutreffend reflektiert habe. Die Hauptversammlung
hätte überdies den Prokuristen mit dessen Bestellung von seiner Verschwiegenheitspflicht
als Aufsichtsrat gegenüber seiner Bank befreit. Der BGH erteilte diesen Überlegungen
eine klare Absage.
Rechtslage
Rechtlicher Ausgangspunkt ist § 116 S. 1 i. V. m. § 93 Abs. 1 S. 3 AktG, wonach Auf­
sichtsratsmitglieder zur Verschwiegenheit über vertrauliche Angaben und Geheimnisse
der Gesellschaft, namentlich über Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse, verpflichtet sind.
Der BGH stellt in seinem Urteil zunächst klar, dass die Frage der vertraglichen oder gesetzlichen Offenbarungs- bzw. Mitteilungspflicht für die Qualifikation einer Information als ver­
trauliche Angabe oder als Geheimnis ohne Bedeutung ist. Die Verschwiegenheitspflicht
gilt gegenüber allen nicht zu den Organmitgliedern der Gesellschaft gehörenden Personen.
Denn nur wenn die Verschwiegenheitspflicht absolut wirkt, ist gewährleistet, dass der Auf­
sichtsrat seine gesetzlichen Überwachungs- und Beratungsfunktion erfüllen kann. Diese
bildet das notwendige Korrelat zu den umfassenden Informationsrechten des Aufsichtsrats.
Der BGH führt in seinem Urteil aus, dass ein Aufsichtsratsmitglied auch nicht im Vorhinein
für einen bestimmten Themenbereich generell von der Schweigepflicht entbunden werden
kann. Das aktienrechtliche Schweigegebot ist in § 116 S. 1 i. V. m. § 93 Abs. 1 S. 3 AktG
vielmehr abschließend geregelt, nicht disponibel und kann insbesondere auch nicht durch
Satzung oder Geschäftsordnung gemildert oder verschärft werden. Dies ist nicht neu;
vielmehr knüpft der BGH hier an seine frühere Rechtsprechung aus dem Jahr 1975 an
(BGH, Urteil vom 05.06.1975 – Az.: II ZR 156/73).
Weiterhin betont der BGH, dass nach der gesetzlichen Regelung allein der Vorstand der
Aktiengesellschaft „Herr der Geschäftsgeheimnisse“ ist. Auch dies hatte der BGH bereits
1975 ausgeführt. Nur der Vorstand kann im konkreten Einzelfall für die Offenlegung eines
Geschäftsgeheimnisses optieren. Der BGH stellt nunmehr aber klar, dass dies auch dann
gilt, wenn die Gesellschaft zur Offenbarung vertraglich oder gesetzlich verpflichtet ist. Die
Hauptversammlung der Gesellschaft ist demgegenüber von vornherein nicht befugt, über
die Offenlegung von Geschäftsgeheimissen zu entscheiden. Diese Argumentation des
BGH, die an seine Rechtsprechung aus dem Jahr 1975 anknüpft, überzeugt. Sie beachtet
das aktienrechtliche Kompetenzsystem, wonach die Hauptversammlung gemäß § 119
Abs. 1 AktG nur in den rechtlich ausdrücklich bestimmten Fällen beschließt, während der
Vorstand nach §§ 76, 78 AktG immer dann zuständig ist, soweit andere Organe nicht zu­
ständig sind. Folglich kann die Hauptversammlung auch nicht im Zusammenhang mit der
Aufsichtsratswahl bestimmte Aufsichtsratsmitglieder von der Verschwiegenheitspflicht
befreien. Nach Ansicht des BGH kann sich lediglich der Aufsichtsrat in Einzelfällen und
auch nur insoweit von der Verschwiegenheitspflicht selbst befreien, als diese allein aus
dem Aufsichtsrat selbst stammende Umstände wie Abstimmungsinhalte und Diskussions­
inhalte betrifft.
Dem BGH zufolge scheidet deshalb für solche Umstände, die unter die Verschwiegenheits­
pflicht des § 116 S. 1 i. V. m. § 93 Abs. 1 S. 3 AktG fallen und durch deren Weitergabe das
Aufsichtsratsmitglied seine Schweigepflicht verletzen würde, eine Wissenszurechnung –
gleich auf welcher Rechtsgrundlage – von vornherein aus.
Interessanterweise hatte das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg im Bereich der
Beteiligungsverwaltung der öffentlichen Hand unlängst ebenfalls die Vertraulichkeit des
Aufsichtsratswissens rechtlich gestärkt. Es führte in einem Urteil aus dem Jahr 2015
(OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 18.01.2015 – Az.: OVG 12 B 21.13) aus, dass Unterlagen eines öffentlichen Unternehmens, über die eine Behörde im Rahmen ihrer Beteili­
gungsverwaltung verfügt, amtliche Informationen sind, die zwar dem Informationsfreiheitsgesetz unterstehen und somit Gegenstand eines Informationsanspruches sein können, der
grundsätzlich jedermann zusteht. Es betonte zugleich aber, dass Aufsichtsratsmitglieder
gemäß §§ 93, 116 AktG einer Verschwiegenheitspflicht unterliegen. Diese Verschwiegen­
heitspflicht gelte zwar nach § 394 AktG weitestgehend nicht gegenüber der Gebietskörperschaft, die das betreffende Aufsichtsratsratsmitglied in den Aufsichtsrat gewählt oder ent­
sandt hat und der das Aufsichtsratsmitglied berichtspflichtig ist. Es seien im Gegenzug
gemäß § 395 AktG aber die mit der Verwaltung der Beteiligung betrauten Personen der
Gebietskörperschaft zur entsprechenden Vertraulichkeit verpflichtet, so dass ein Informa­
tionsanspruch Dritter insoweit ausscheide. Auch hier erkannte das OVG Berlin-Brandenburg
somit bei vertraulichem Aufsichtsratswissen einen grundsätzlichen Vorrang der aktien­
rechtlichen Verschwiegenheitspflicht vor dem Informationsinteresse Dritter an.
Autor
Dipl.-Kfm. Dr. Maximilian Koch | Rechtsanwalt
Ernst & Young Law GmbH | Düsseldorf
Telefon +49 211 9352 17886 | [email protected]
Praxishinweise
Es handelt sich bei dem vorliegenden
BGH-Urteil um eine wichtige höchst­
richterliche Entscheidung zur Ver­
schwiegenheitspflicht des Aufsichtsrats einer Aktiengesellschaft. Der
BGH führt hier seine frühere Recht­
sprechung, die er vor mehr als 40
Jahren entwickelt hat, fort.
Das neue BGH-Urteil stellt klar, dass
diese Verschwiegenheitspflicht umfas­
send gilt, nicht relativiert werden darf
und im Einzelfall nur zur Disposition
des Vorstands steht. Das hat zum
einen zur Konsequenz, dass das Auf­
sichtsratswissen nicht rechtlich zuge­
rechnet werden kann, soweit die
Verschwiegenheitspflicht reicht. Zum
anderen zeigt die BGH-Entscheidung
aber auch, dass die Verschwiegen­
heitspflicht eines Aufsichtsratsrats­
mitglieds nicht etwa von vornherein
gegenüber bestimmten Stakeholdern
abgeschwächt wäre, sondern unein­
geschränkt zu erfüllen ist. Dies gilt
insbesondere auch für Aufsichtsräte,
die als Vertrauensleute bestimmter
Stakeholder-Gruppen im Aufsichtsrat
tätig sind. Ein Verstoß gegen die
Verschwiegenheitspflicht stellt eine
schwere Pflichtverletzung dar, die
nicht eine zivilrechtliche Schadens­
ersatzhaftung nach sich ziehen kann,
sondern nach § 404 Abs. 1 Nr. 1 AktG
insbesondere auch strafbar ist.
Die BGH-Entscheidung dürfte eben­
falls in Konzernkonstellationen Be­deutung erlangen. Denn gemäß der
Logik dieses BGH-Urteils lässt sich
argumentieren, dass z. B. das Wissen
eines Aufsichtsratsmitglieds einer
Tochtergesellschaft selbst dann nicht
automatisch der Muttergesellschaft
zugerechnet wird, wenn dieses Auf­
sichtsratsmitglied zugleich Mitglied
der Geschäftsführung der Mutterge­
sellschaft ist. Vor diesem Hintergrund
empfiehlt es sich, in Zukunft noch
stärker auf eine ordnungsgemäße
Entbindung von der Schweigepflicht
zu achten und dies auch zu dokumen­
tieren, bevor Unternehmensinterna
weitergegeben werden.
Corporate Law Newsletter 4/2016 |
9
Rechtsprechung
10 | Corporate Law Newsletter 4/2016
Nießbrauch am Kommanditanteil keine eintragungsfähige
Tatsache
OLG München, Beschluss vom 08.08.2016 – Az.: 31 Wx 204/16
Abweichend von den Entscheidungen des OLG Stuttgart (Beschluss vom 28.01.2013 –
Az. 8 Wx 204/16) und des OLG Oldenburg (Beschluss vom 09.03.2015 – Az.: 12 W 51/
15) hat das OLG München die Eintragungsfähigkeit eines Nießbrauchs am Kommandit­
anteil in das Handelsregister verneint, da das Interesse des Rechtsverkehrs an umfas­
senden Informationen hinter dem Grundsatz der Registerklarheit zurückstehen muss.
Sachverhalt
Das Amtsgericht München – Registergericht – lehnte den Antrag auf Eintragung der Belas­
tung der Kommanditanteile, die der Kommanditist E im Wege der Sonderrechtsnachfolge
unter Nießbrauchsvorbehalt auf seine Kinder übertragen hatte, mit der Begründung ab,
die Eintragung eines Nießbrauchs am Kommanditanteil in das Handelsregister sei gesetz­
lich nicht vorgesehen. Mangels erheblichen Interesses des Rechtsverkehrs an einer Ein­
tragung sei der Nießbrauch auch nicht eintragungsfähig. Das OLG München wies die
hiergegen eingelegte Beschwerde zurück und setzt sich hierdurch in Gegensatz zu den
Entscheidungen des OLG Stuttgart und des OLG Oldenburg.
Entscheidungsgründe
Da eine gesetzliche Eintragungsverpflichtung nicht vorgesehen ist, kann eine Eintragung
des Nießbrauchs in das Handelsregister nur dann erfolgen, wenn den die Eintragung be­
gründenden Umständen (hier das Interesse des Rechtsverkehrs an möglichst
um­fassenden Informationen) im Einzelfall ein solches Gewicht zukommt, dass die Gefahr
der Überfrachtung des Handelsregisters (Grundsatz der Registerklarheit) dahinter
zurück­zutreten hat.
Der Senat erkennt aus den folgenden Gründen kein solches Interesse:
Keine Außenhaftung des Gesellschafters
Die Eintragung des Nießbrauchs im Handelsregister sei im Hinblick auf die Bekanntgabe
der Haftungsverhältnisse nach Auffassung des Senats nicht erforderlich. Den Nießbraucher
treffe neben dem Kommanditisten keine persönliche Haftung für die Verbindlichkeiten der
Gesellschaft. Vielmehr hafte auch bei der Vereinbarung eines Nießbrauchs am Kommanditanteil ausschließlich der Kommanditist nach dem gesetzlichen Umfang gemäß §§ 128,
171 Abs. 1 HGB.
Fehlende Mitwirkungsrechte des Nießbrauchers
Ebenso sei eine Eintragung nicht erforderlich, um den Mitwirkungsrechten des Nießbrau­
chers ausreichend Rechnung zu tragen. Zwar könne vereinbart werden, dass das Stimm­
recht in der Gesellschafterversammlung dem Nießbraucher zusteht, vorliegend fehlte es
jedoch an einer solchen Vereinbarung. Eine Mitwirkungspflicht ergebe sich auch nicht aus
§ 1071 BGB, der die Zustimmung des Nießbrauchers zu Gesellschafterbeschlüssen oder
Maßnahmen des Gesellschafters vorsehe, die den Nießbrauch unmittelbar in seinem Be­
stand betreffen, da die fehlende Zustimmung nicht die gesellschaftsrechtliche Wirksam­
keit des Beschlusses verhindere.
Keine Vergleichbarkeit mit dem Testamentsvollstreckervermerk
Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus der Entscheidung des BGH zur Eintragungs­
fähigkeit einer Dauertestamentsvollstreckung im Handelsregister (BGH, Beschluss vom
14.02.2012 - Az.: II ZB 15/11). Der Testamentsvollstrecker könne – anders als der Nieß­
braucher – grundsätzlich alle mit der Beteiligung verbundenen Mitgliedschaftsrechte
ausüben. Darüber hinaus müsse ein Gesellschaftsgläubiger, der den Kommanditisten
persönlich in Anspruch nehmen wolle, den Testamentsvollstrecker als Partei kraft Amtes
verklagen. Insoweit bestehe ein wesentlicher Unterschied zwischen Testamentsvoll­
streckung und Nießbrauch.
Corporate Law Newsletter 4/2016 | 11
Die Entscheidung des OLG München ist zu begrüßen. Bei der vorliegenden Nießbrauchs­
vereinbarung, bei der dem Nießbraucher keine Mitverwaltungsrechte eingeräumt wurden,
kann kein berechtigtes Interesse des Rechtsverkehrs an der Eintragung des Nießbrauchs
im Handelsregister vorliegen.
Haben der Gesellschafter und der Nießbraucher hingegen anders als im Fall des OLG
München vereinbart, dass dem Nießbraucher selbst Stimm- und Verwaltungsrechte in
der Gesellschafterversammlung zustehen, ist umstritten, ob der Nießbrauch im Handels­
register einzutragen ist. Begründet wird dies u. a. damit, dass die Eintragung des Nieß­
brauchers im Handelsregister aus Gründen des Gläubigerschutzes erforderlich sei, da
der Nießbraucher neben dem Kommanditisten hafte. Dies überzeugt jedoch nicht, da der
Nießbraucher – seine Haftung unterstellt – nur neben den Gesellschafter als weiteren
Haftungsschuldner tritt, auf den der Rechtsverkehr ebenso wenig vertrauen kann wie
auf einen Bürgen. Höchstrichterlich geklärt ist dies jedoch nicht.
Stehen dem Nießbraucher selbst Stimm- und Verwaltungsrechte in der Gesellschafterver­
sammlung zu, könnte der Rechtsverkehr zudem ein berechtigtes Interesse daran haben,
zu erfahren, wer an Beschlussfassungen mitwirken kann bzw. muss. Das OLG Oldenburg
hatte noch angenommen, dass die Eintragung erforderlich sei, um dem Handelsregister
die Prüfung zu ermöglichen, ob ein Beschluss wirksam zustande gekommen sei (OLG
Oldenburg, Beschluss vom 09.03.2015 – Az.: 12 W 51/15).
Höchstrichterlich geklärt ist jedoch, dass dem Nießbraucher in Grundlagengeschäften kein
eigenes Stimmrecht in der Gesellschafterversammlung zusteht. Somit kann das Register­
gericht auch ohne Eintragung des Nießbrauchs seiner Prüfungspflicht nachkommen. Auch
über § 1071 BGB lässt sich keine Eintragung rechtfertigen, da nach herrschender Meinung
die fehlende Zustimmung des Nießbrauchers die gesellschaftsrechtliche Wirksamkeit
eines Gesellschafterbeschlusses nicht berührt. Ein ohne Zustimmung des Nießbrauchers
gefasster Beschluss, der den Nießbrauch unmittelbar in seinem Bestand betrifft, kann nur
Ansprüche zwischen Gesellschafter und Nießbraucher auslösen.
Folglich kann auch dann der Rechtsverkehr kein berechtigtes Interesse an der Eintragung
des Nießbrauchs im Handelsregister geltend machen, wenn dem Nießbraucher abweichend
von der gesetzlichen Regelung Stimmrechte in der Gesellschafterversammlung zustehen.
Praxishinweise
Da die obergerichtliche Rechtsprechung zur Eintragung des Nießbrauchs im Handels­
register uneinheitlich ist, bleibt die Entscheidung des BGH abzuwarten. Im Sinne
größtmöglicher Vorsicht, um die mögliche Haftung des Nießbrauchers zu begrenzen,
sollte dennoch versucht werden, die vorsorgliche Eintragung des Nießbrauchs im
Handelsregister zu erreichen.
12 | Corporate Law Newsletter 4/2016
Autor
Stefanie Guerra
Rechtsanwältin
Ernst & Young Law GmbH | Stuttgart
Telefon +49 711 9881 15914
[email protected]
Corporate Law Newsletter 4/2016 | 13
Rechtsprechung
14 | Corporate Law Newsletter 4/2016
Amtsniederlegung eines Alleinvorstands zur Unzeit,
gerichtliche Ergänzung des Aufsichtsrats
OLG Hamburg, Beschluss vom 27.06.2016 – Az.: 11 W 30/1
Ausgangsfall
Nachdem zwei von drei Aufsichtsratsmitgliedern einer insolventen Aktiengesellschaft ihr
Aufsichtsratsamt niedergelegt hatten und das Amtsgericht Hamburg einem Antrag des
Alleinvorstands auf Ergänzung des Aufsichtsrats nicht stattgeben wollte, weil ein solcher
Antrag aufgrund des laufenden Insolvenzverfahrens unzulässig sei, legte eineinhalb Jahre
später auch der Alleinvorstand aufschiebend bedingt durch Eintragung der Beendigung
des Vorstandsamts ins Handelsregister sein Amt als Vorstand nieder und meldete dies
beim Handelsregister zur Eintragung an. Das Amtsgericht Hamburg wies die Anmeldung
aber durch Beschluss zurück, weil die Amtsniederlegung des Vorstands zur Unzeit erfolgt
und damit rechtsmissbräuchlich sei. Das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg gab
der Beschwerde des Alleinvorstands statt.
Rechtslage
In Rechtsprechung und Literatur ist anerkannt, dass sowohl Aufsichtsrats- als auch Vor­
standsmitglieder einer Aktiengesellschaft ihr Amt grundsätzlich durch einseitige Erklärung
niederlegen können. Ebenso anerkannt ist aber auch, dass eine Amtsniederlegung nicht
zur Unzeit erfolgen darf, weil sie ansonsten rechtsmissbräuchlich ist. Das Handelsregister
vertrat die Auffassung, der Alleinvorstand habe sein Vorstandsamt hier nicht niederlegen
dürfen, weil der Aufsichtsrat nicht in der Lage gewesen sei, den Vorstand neu zu besetzen;
die Gesellschaft würde durch die Amtsniederlegung handlungsunfähig. Der Versuch, sich
Praxishinweise
der freiwillig übernommenen Verantwortung für die Gesellschaft und aller weiteren Pflichten
zu entledigen und dadurch die überwiegenden Interessen anderer an der Handlungsfähig­
keit der Gesellschaft hintanzustellen, sei im vorliegenden Fall rechtsmissbräuchlich.
Tatsächlich gab es hier aber keinen Fall der Handlungsunfähigkeit. Der Umstand, dass
die insolvente Aktiengesellschaft einen Insolvenzverwalter hatte, der das Vermögen der
Gesellschaft verwaltete, sprach zwar noch nicht gegen die Möglichkeit der Handlungsun­
fähigkeit. Denn die Mitglieder von Vorstand und Aufsichtsrat verlieren mit der Insolvenz
der Aktiengesellschaft nicht ihr Amt, sondern sie können weiter für die Gesellschaft
handeln, natürlich nur in bestimmten, nicht vermögensbezogenen Bereichen, in denen
ihre Kompetenz nicht durch die Kompetenz des Insolvenzverwalters verdrängt ist.
Nach Auffassung des Hanseatischen Oberlandesgerichts war die Aktiengesellschaft aber
trotz des unterbesetzten Aufsichtsrats hier nicht handlungsunfähig. Denn die Unterbeset­
zung im Aufsichtsrat hätte gemäß § 104 AktG aufgrund eines Antrags des verbliebenen
Aufsichtsratsmitglieds oder eines Aktionärs durch gerichtlich bestellte neue Aufsichts­
ratsmitglieder behoben werden können. Der Aufsichtsrat hätte so wieder beschlussfähig
werden – nach § 108 Abs. 2 AktG müssen mindestens drei Aufsichtsratsmitglieder an der
Beschlussfassung teilnehmen – und einen neuen Vorstand bestellen können. Außerdem
bestand die Möglichkeit, nach § 85 AktG direkt ein erforderliches Vorstandsmitglied ge­
richtlich bestellen zu lassen. Die Insolvenz der Aktiengesellschaft hatte diese gerichtlichen
Möglichkeiten entgegen der Auffassung des Amtsgerichts Hamburg nicht unzulässig
gemacht.
Autor
Dipl.-Kfm. Dr. Maximilian Koch | Rechtsanwalt
Ernst & Young Law GmbH | Düsseldorf
Telefon +49 211 9352 17886 | [email protected]
Die Amtsniederlegung ist aus recht­
licher Sicht nicht ungefährlich. Erfolgt
sie unberechtigt, kann sie eine Scha­
densersatzhaftung des betreffenden
Mitglieds des Verwaltungsorgans aus­
lösen. Es empfiehlt sich deshalb, vor
einer solchen Entscheidung auf der
Grundlage des konkreten Sachver­
halts kundigen Rechtsrat einzuholen.
Wenn die Amtsniederlegung des Vor­
stands zulässig ist, ist darauf zu achten,
dass sie auch im Handelsregister ein­
getragen werden kann. Weil die Amts­
niederlegung grundsätzlich bereits
mit der Erklärung wirksam ist – das
gilt in der GmbH ebenso, die Eintragung
ins Handelsregister ist dann nur dekla­
ratorisch –, kann das Vorstandsmitglied
nach seiner wirksamen Amtsniederlegung keine Handelsregisteranmel­
dung mehr vornehmen. Aus diesem
Grund war die Amtsniederlegung hier
in rechtlich zulässiger Weise auch auf­
schiebend bedingt auf die Eintragung
ins Handelsregister erklärt worden.
Sie wurde damit erst wirksam, als die
Handelsregistereintragung erfolgte,
nachdem das Hanseatische Ober­
landesgericht den Weg dafür freige­
macht hatte.
Corporate Law Newsletter 4/2016 | 15
Rechtsprechung
16 | Corporate Law Newsletter 4/2016
Bestellung eines Notgeschäftsführers bei Unklarheiten
über die Vertretung der GmbH
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 08.06.2016 – Az.: I-3 Wx 302-15
Modifizierte Leitsätze
• In Ermangelung einer dem § 85 AktG entsprechenden Vorschrift im GmbH-Gesetz
richtet sich die Bestellung eines Notgeschäftsführers für eine GmbH nach § 29 BGB,
mit der Folge, dass ein solcher zu bestellen ist, falls es an einem erforderlichen
Geschäftsführer fehlt und ein dringender Fall vorliegt.
• Die unklare Vertretung der Gesellschaft rechtfertigt die Beurteilung, dass ihr ein
Geschäftsführer im Rechtssinne fehle; hierbei ist ohne Belang, ob und in welchem
Umfang ein Gesellschafter rechtlich in der Lage und tatsächlich bereit ist, an Hand­
lungen der Geschäftsführung und der Vertretung der betroffenen Gesellschaft mit­
zuwirken und was der Geschäftsverkehr bezüglich der Vertretung von der betroffenen Gesellschaft tatsächlich „erwartet“.
• Die Auswahl des Notgeschäftsführers durch das Registergericht ist nicht schon des­
halb fehlerhaft, weil er in einer nicht über gesellschaftliche Kontakte hinausgehen­
den persönlichen Nähe zu einem der Gesellschafter und dessen Ehegatten steht.
Praxisrelevanz
Die Entscheidung betrifft eine in der Praxis gängige Konstellation: Die Beteiligten zu 1 und 2
hielten jeweils 50 % der Geschäftsanteile einer GmbH und waren jeweils gesamtvertretungsberechtigte Geschäftsführer. Zwischen den Gesellschaftergeschäftsführern kam es zum
Streit.
Der Beteiligte zu 2 wurde daraufhin von der Gesellschafterversammlung als Geschäftsführer
abberufen, die Gesellschaft beantragte entsprechend die Eintragung der Abberufung in
das Handelsregister. Gegen den Abberufungsbeschluss wehrte sich der Beteiligte zu 2 mit
Klage gegen die Gesellschaft und beantragte u. a. den Abberufungsbeschluss für nichtig
zu erklären. Bis zur abschließenden Entscheidung über die Anfechtungsklage setzte das
Registergericht das Verfahren über den Antrag auf Eintragung der Abberufung aus, da
eine Klärung, ob eine wirksame Abberufung erfolgt sei, nicht im Registerverfahren erfolgen
könne. Die Beteiligte zu 1 beantragte daraufhin die Bestellung eines Notgeschäftsführers
durch das Gericht. Der Beteiligte zu 2 ist diesem Antrag entgegengetreten. Gleichwohl be­
stellte das Registergericht den Beteiligten zu 3 zum gesamtvertretungsberechtigten Not­
geschäftsführer der Gesellschaft, wogegen sich der Beteiligte zu 2 mit Rechtsmittel wehrte.
Rechtlicher Rahmen
Das OLG Düsseldorf beanstandete die Entscheidung des Registergerichts nicht. Die Vor­
aussetzungen einer Notgeschäftsführerbestellung lägen vor. Die Bestellung eines Notge­
schäftsführers richtet sich mangels Vorliegen einer dem § 85 AktG vergleichbaren Rege­
lung nach § 29 BGB. Hiernach ist ein Notgeschäftsführer zu bestellen, falls es an einem
ordentlichen Geschäftsführer fehlt und ein dringender Fall vorliegt. Zudem dürfen die
Gesellschaftsorgane selbst nicht in der Lage sein, den Mangel innerhalb angemessener
Frist zu beseitigen (Grundsatz der Subsidiarität). Auch hat die Notbestellung nicht die
Funktion, in Gesellschaften mit untereinander zerstrittenen Gesellschaftern an deren
Stelle für die Handlungsfähigkeit der GmbH zu sorgen und das Gericht im Falle einer Be­
stellung indes den Eingriff auf das sachlich Notwendige zu beschränken und den Eingriff
in das Bestellungsrecht so gering wie möglich zu halten.
Durch den Abberufungsbeschluss war vorliegend unklar, ob die Gesellschaft über einen oder
zwei Geschäftsführer verfügte, da über die Anfechtungsklage des Beteiligten zu 2 noch
nicht rechtskräftig entschieden war. Aufgrund dieser Unklarheit über die Abberufung musste
das Gericht an dieser Stelle nicht auf die umstrittene Frage eingehen, ob bei mehreren be­
stellten Geschäftsführern im Falle des Verbleibens nur eines einzigen eine vorgesehene
Gesamtvertretung zur Einzelvertretungsmacht erstarkt oder ob dies nur dann gilt, wenn
die Satzung den Gesellschaftern ausdrücklich erlaubt, auch nur einen einzigen Geschäfts­
führer zu bestellen. Diese Erwägung wäre nur notwendig gewesen, wenn der Wegfall eines
Geschäftsführers sicher festgestanden hätte. Ohne Belang war weiter, ob und in welchem
Umfang der Beteiligte zu 2 rechtlich in der Lage und tatsächlich bereit war, an Handlungen
der Geschäftsführung und Vertretung der Gesellschaft mitzuwirken. Unabhängig von den
Erwartungen des Geschäftsverkehrs hinsichtlich der Gesellschaft müsse die rechtlich wirk­
same Vertretung der GmbH sichergestellt sein. Auf Einzelheiten der Mitwirkungsbereitschaft
des Beteiligten zu 2 komme es daher nicht an. Insgesamt rechtfertige die unklare Vertre­
tung der Gesellschaft die Beurteilung, dass ihr ein Geschäftsführer im Rechtssinne fehle.
Dringlich war die Bestellung nach Auffassung des OLG Düsseldorf, weil die GmbH in Dauerschuldverhältnissen mit ihren Arbeitnehmern und ihrer Vertriebs-GmbH stand, auf regel­
mäßige Zahlungsflüsse über Konten angewiesen war und eine zeitnahe Einigung der zer­
strittenen Gesellschaftergeschäftsführer nicht zu erwarten war.
Auch war die Auswahl des Registergerichts fehlerfrei. Die persönliche Nähe des bestellten
Beteiligten zu 3 ginge nicht über gesellschaftliche Kontakte zu der Beteiligten zu 1 hinaus,
konkrete Umstände über eine Geschäftsführung aus sachfremden Motiven und Zweifel an
der fachlichen Eignung des Beteiligten zu 3 waren nicht dargetan. Angesichts der Tatsache,
dass die Beteiligte zu 1 hier die Abberufung des Beteiligten zu 2 vorangetrieben hatte und
der Beteiligte zu 3 persönliche Kontakte zu der Beteiligten zu 1 pflegte und sogar von
dieser zur Bestellung vorgeschlagen worden war, zeigt dies, dass das Auswahlermessen
des Gerichts eher weit auszulegen ist.
Fazit
Die Bestellung eines Notgeschäfts­
führers richtet sich für die GmbH nach
§ 29 BGB als Norm des allgemeinen
Korporationsrechts. Da die Ernennung
eines Notgeschäftsführers durch das
Registergericht einen wesentlichen
Eingriff in das Bestellungsrecht der
Gesellschafter aus § 46 Nr. 5 GmbHG
darstellt, sind die Voraussetzungen
des § 29 BGB eng auszulegen. In der
nicht seltenen Konstellation, dass
Gesellschaftergeschäftsführer sich
gegen ihren Abberufungsbeschluss
gerichtlich zur Wehr setzen, erleichtert
die hier besprochene Entscheidung
die Einschätzung der Erfolgsaussichten
eines Antrags nach § 29 BGB analog.
Autoren
Ilja Schneider
Rechtsanwalt
Ernst & Young Law GmbH | Hamburg
Telefon +49 40 36132 25778
[email protected]
Dr. Michael Watzl
Rechtsanwalt
Ernst & Young Law GmbH | Hamburg
Telefon +49 40 36132 21279
[email protected]
Corporate Law Newsletter 4/2016 | 17
Rechtsprechung
18 | Corporate Law Newsletter 4/2016
Vertretung und Begleitung des Gesellschafters bei der
Gesellschafterversammlung
OLG Dresden, Urteil vom 25.08.2016 – Az.: 8 U 347/16
Das OLG Dresden stellt in seinem Urteil die Grundsätze für die Teilnahme von gesell­
schaftsexternen Personen anstelle an der Gesellschafterversammlung dar. Knackpunkt
des Anspruchs eines Gesellschafters auf Zulassung eines Dritten ist, ob der Dritte als Ver­
treter oder als Berater fungieren soll. Bei der Vertretung nimmt der Gesellschafter an der
Versammlung selbst nicht teil, wohingegen er im zweiten Fall eine fachlich qualifizierte
Person während seiner Anwesenheit bei der Versammlung zu seiner Beratung hinzuzieht.
Für diese zwei Fälle gilt nach der Entscheidung des Gerichts Folgendes:
Der Gesellschafter, der selbst nicht zur Gesellschafterversammlung erscheint, kann ohne
weiteres einen Dritten beauftragen, an seiner Stelle teilzunehmen und das Stimmrecht
auszuüben. Etwas anderes kann aus den Satzungsregelungen zur Vertretung hervorge­
hen. Die Person des Vertreters kann außerdem nur aus einem besonders wichtigen Grund
abgelehnt werden.
Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, dass der Gesellschafter selbst an der Versammlung
teilnimmt und sich während dessen fachlichen Rat zum Beschlussgegenstand einholt. Die
Teilnahme eines Dritten neben dem Gesellschafter setzt zwingend voraus, dass die Be­
gleitung eines Gesellschafters entweder im Gesellschaftsvertrag ausdrücklich zugelassen
oder durch einen Gesellschafterbeschluss legitimiert ist. Ist die Begleitung nicht satzungs­
mäßig vorgesehen, kann der Gesellschafter in bestimmten Fällen von den übrigen Gesell-
schaftern verlangen, die Begleitung zuzulassen. Ob ein Anspruch auf Zustimmung und
Zulassung des Gesellschafters besteht, ist durch eine umfassende Interessenabwägung
zu ermitteln. Der Antragsteller muss gewichtige Gründe vorbringen, um seinen Anspruch
gegen die übrigen Gesellschafter zu begründen.
Im entschiedenen Fall fiel die Gewichtung der Argumente zugunsten des Gesellschafters
aus. Besondere Bedeutung kam dabei der überragenden Bedeutung des Beschlussgegen­
standes zu – die zwangsweise Entziehung seiner statusrechtlichen Gesellschafterstellung.
Außerdem sprachen der Grundsatz des fairen Verfahrens und die Gleichbehandlung für
den Gesellschafter. Daneben konnte er seinen persönlichen dringenden Beratungs- und
Unterstützungsbedarf darlegen. Die übrigen Gesellschafter können im Übrigen nicht vorab verlangen, dass der Gesellschafter mitteilt, ob er selbst oder ein Vertreter teil­nehmen
werde. Das Gericht hat im entschiedenen Fall den Anspruch auf Zulassung eines sach­
kundigen Beraters bejaht. Abgelehnt wurde jedoch die Zulassung eines weiteren anwalt­
lichen Begleiters für den Fall, dass bereits die Vertretung des Gesellschafters durch einen
Rechtsanwalt stattfindet.
Im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes wehrte sich der Gesellschafter gegen
die Ankündigung der Gesellschaft, sie werde einen der vorab bezeichneten Rechtsanwälte
weder als Vertreter noch als Begleiter zur Gesellschafterversammlung zulassen. Die
Satzung der GmbH sah weder Regelungen zur Vertretung noch zur Begleitung vor. Die
Tagesordnung der betreffenden Gesellschafterversammlung umfasste allein die erneute
Entscheidung hinsichtlich der Entziehung des Geschäftsanteils des klagenden Gesell­
schafters wegen geschäftsschädigenden Verhaltens. Zur Begründung der Ablehnung des
Rechtsanwalts trugen die übrigen Gesellschafter vor, der Rechtsanwalt habe in der Ver­
gangenheit bei Streitigkeiten in Gerichtsverfahren gelogen, Verfahren verzögert und Ge­
spräche heimlich aufgezeichnet. Der klagende Gesellschafter begründete das Erfordernis
der Begleitung seines anwaltlichen Vertreters mit der Notwendigkeit eines Zeugen.
Das OLG begründet zunächst das Recht auf Vertretung mit dem unabdingbaren Teilnahmeund Stimmrecht des Gesellschafters aus § 47 GmbHG. Anhörung, Stellungnahme und die
Kenntnis von Inhalten der Beschlussfassung seien innerer Kern des Gesellschafterrechts.
Der Gesellschafter müsse stets Einfluss auf die Willensbildung des zentralen Gesellschafts­
organs nehmen können, selbst wenn er bezüglich des Beschlussgegenstands vom Stimm­
recht ausgeschlossen sei. Eine höchstpersönliche Ausübung des Teilnahmerechts sei ge­
setzlich nicht vorgesehen. Aufgrund der Wahlfreiheit bei der Person des Vertreters könne
die Gesellschaft nur in besonders gelagerten Fällen die Person des Vertreters ablehnen.
Nach Ansicht des OLG Dresden reichen die hier von den übrigen Gesellschaftern vorge­
tragenen gravierenden Auseinandersetzungen im Vorfeld nicht aus, um den Rechtsanwalt
als Vertreter oder Begleiter auszuschließen. Das Gericht fordert für den Ausschluss eines
Vertreters einen Bezug zum Versammlungsablauf, z. B. eine zu erwartende Störung
des ungehinderten Ablaufs des Beschlussvorgangs. Nur im Fall der Zulassung seiner
Begleitung könne der Gesellschafter neben seinem sachkundigen Beistand selbst bei der
Versammlung anwesend sein. Gesetzlich sei die Anwesen­heit eines Dritten als Berater
oder Zeuge nicht vorgesehen, so dass es hierzu abweichend einer Satzungsregelung oder
eines Gesellschafterbeschlusses bedürfe. Für den Fall der unmittelbaren Betroffenheit
der statusrechtlichen Stellung des Gesellschafters, wie hier, sei ein solcher dringender
Beratungsbedarf eher gegeben. Hingegen scheine ein dringendes Beratungsbedürfnis
eines sachkundigen Rechtsanwalts, der als Vertreter erscheine, fernliegend. Der Beistand
sei auch nicht im Hinblick auf eine spätere Zeugenstellung er­forderlich, weil der Vertreter
in einem späteren Anfechtungsprozess schon als Zeuge auftreten könne.
Praxishinweise
Es ist anzuraten, im Gesellschaftsver­
trag klare Regelungen zur Vertretung
und Begleitung eines Gesellschafters
in der Gesellschafterversammlung
und ggf. zu den Anforderungen an die
Person des Vertreters/Begleiters zu
treffen.
Für den Fall, dass sich die Einleitung
eines einstweiligen Rechtsschutzver­
fahrens durch den Minderheitsgesell­
schafter abzeichnet, kann die Gesellschaft zu ihrer Verteidigung vorab
eine Schutzschrift bei Gericht ein­
reichen und ihre Gründe für die Ab­lehnung vortragen. Ein gründlicher
Vortrag ist schon wegen des Beweis­
maßstabs im einstweiligen Rechts­
schutzverfahren wichtig.
Hinsichtlich der Vertretung einer
juristischen Person bei Gesellschafter­
versammlungen besteht ebenfalls
Streitrisiko, welches durch eine Vor­
feldberatung vermieden werden kann.
Autor
Christina Tamara Queisser
Rechtsanwältin
Ernst & Young Law GmbH | Stuttgart
Telefon +49 711 9881 18233
[email protected]
Corporate Law Newsletter 4/2016 | 19
Rechtsprechung
20 | Corporate Law Newsletter 4/2016
EuGH-Urteil zu dynamischen IP-Adressen und § 15 TMG
Weite Definition personenbezogener Daten auch für den Unternehmensalltag relevant
Internetprovider ordnen ihren Nutzern automatisch IP-Adressen zu, damit ange­
bundene Geräte eindeutig identifiziert werden können. Anders als im Falle statischer
IP-Adressen, die einem Anschluss dauerhaft zugeordnet werden, werden dynamische
IP-Adressen für jede Internetverbindung neu vergeben. Eine Identifizierung der Nut­
zer anhand allgemein zugänglicher Informationen ist Dritten auf diese Weise nicht
unmittelbar möglich. So kennt ein Webseitenbetreiber zwar die IP-Adressen der
Nutzer, nicht aber die Identität der dahinterstehenden Person. Allerdings ist es
möglich, IP-Adressen zurückzuverfolgen, wenn die Informationen beim Provider
zusammengeführt werden.
Dynamische IP-Adressen als personenbezogene Daten
Vor diesem Hintergrund wurde im Datenschutzrecht lange diskutiert, ob dynamische IPAdressen als personenbezogene Daten anzusehen sind. Hierzu hat nun der EuGH in einem
Urteil vom 19.10.2016 Stellung bezogen (EuGH, Urteil vom 19.10.2016 – Az.: C-582/14).
Ausgangsverfahren war ein Rechtsstreit zwischen dem Landtagsabgeordneten Patrick
Breyer und der Bundesrepublik Deutschland. Dabei beanstandete Breyer, dass seine IPAdressen nach seinen Besuchen mehrerer öffentlich zugänglicher Webseiten des Bundes
auch über das Ende des jeweiligen Nutzungsvorgangs hinaus gespeichert worden waren.
Die Beurteilung der Rechtmäßigkeit dieses Vorgehens, hängt im Wesentlichen von der
Frage ab, ob dynamische IP-Adressen personenbezogene Daten sind. Der Bundesgerichts­
hof legte diese Frage dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) zur Vorabentscheidung vor.
Der EuGH urteilte, dass dynamische IP-Adressen jedenfalls dann personenbezogene Da­
ten darstellen können, wenn der Webseitenbetreiber, der die IP-Adresse verarbeitet, über
die rechtlichen Mittel verfügt, sich die Zusatzinformationen vom Provider zu beschaffen,
um den Betroffenen identifizieren zu können. Da der Bund befugt ist, unter bestimmten
Umständen die fraglichen Informationen vom Provider einzuholen, bejahte der EuGH dies
im vorliegenden Fall. Im Ergebnis urteilte der Gerichtshof daher, dass die Definition perso­
nenbezogener Daten auch auf dynamische IP-Adressen zu erstrecken sei.
Geltung eines objektiven Maßstabs
Bemerkenswert ist das Urteil vor allem, weil der Gerichtshof zur Ermittlung des Personen­
bezugs nicht darauf abstellt, ob die Informationen zur Identifizierung des Betroffen in
den Händen eines einzelnen Verarbeiters liegen. Vielmehr soll es genügen, wenn der Ver­
arbeiter grundsätzlich über rechtliche Mittel verfügt, die Information von einem Dritten
zu erhalten – unabhängig davon, ob er diese tatsächlich einsetzt. Damit gilt für die Fest­
stellung des Personenbezugs ein objektiver Maßstab.
Personenbezogene Daten unter der Datenschutz-Grundverordnung
Einen solchen sieht auch die in diesem Jahr verabschiedete Datenschutzgrundverordnung
(DSGVO) vor, die ab Mai 2018 in allen EU-Staaten unmittelbar gilt. Gemäß Art. 4 Nr. 1
DSGVO sind Daten personenbezogen, wenn sie sich auf eine identifizierte oder identifizier­
bare natürliche Person beziehen. Die Identifizierbarkeit kann dabei auch indirekt erfolgen,
etwa mittels Zuordnung einer Kennung zu einer Person. Bei der Frage der Bestimmbarkeit
des Betroffenen sind unter der DSGVO alle Mittel zu berücksichtigen, die nach allgemeinem
Ermessen wahrscheinlich zur Identifizierung des Betroffenen genutzt werden (ErwGr 26
DSGVO). Die Identifizierbarkeit ist somit auch dann zu bejahen, wenn das zur Identifizie­
rung benötigte Zusatzwissen zugänglich und erreichbar, dafür jedoch ein gewisser Auf­
wand erforderlich ist. Dies umfasst auch die Möglichkeit, dass dieses Wissen mit recht­
lichen Mitteln von einem Dritten herausverlangt werden muss. Auch die DSGVO legt der
Definition personenbezogener Daten einen objektiven Maßstab zugrunde.
Corporate Law Newsletter 4/2016 | 21
Europarechtswidrigkeit des § 15 TMG
Neben der Frage des Personenbezugs dynamischer IP-Adressen hatte der EuGH über die
Vereinbarkeit des § 15 Telemediengesetz (TMG) mit dem europäischen Recht zu urteilen.
Die Norm erlaubt eine Speicherung von IP-Adressen durch den Webseitenbetreiber, soweit
dies technisch für den Webseitenbesuch und die Abrechnung erforderlich ist. Die entspre­
chende Vorschrift der Richtlinie hingegen sieht eine Interessenabwägung vor, wonach
eine Verarbeitung generell gerechtfertigt sein kann, wenn sie zur Verwirklichung des be­
rechtigten Interesses erforderlich ist und die Rechte des Betroffenen nicht überwiegen.
Im geschilderten Fall erkannte der EuGH ein solch überwiegendes Interesse des Bundes
als gegeben an. Der Bund habe ein berechtigtes Interesse daran, die Funktionsfähigkeit
der Webseite aufrechtzuerhalten und hierzu insbesondere auch Cyberattacken abzuweh­
ren. Eine Speicherung der fraglichen Daten zu diesem Zweck sei auch über die Dauer des
Besuchs hinaus zu rechtfertigen. Die Regelung des TMG sei vor diesem Hintergrund zu
restriktiv und teilweise europarechtswidrig.
Auswirkungen auf den Unternehmensalltag
Nach dem Urteil des EuGH und mit Blick auf die Datenschutzgrundverordnung werden
Daten künftig wohl zunehmend als personenbezogen einzustufen sein. Relevant ist dies im
Unternehmensalltag insbesondere deswegen, da auf Verarbeitungen personenbezogener
Daten datenschutzrechtliche Regelungen anzuwenden sind. Zu diesen müssen nunmehr
wohl auch Kennungen oder Log-In-Daten gezählt werden, die, gleich den dynamischen
IP-Adressen, objektiv auf einzelne Personen beziehbar sind. Verarbeitungen solcher Daten
dürfen nur auf Grundlage einer gesetzlichen Erlaubnis oder Einwilligung erfolgen, was
relevant etwa im Bereich der Speicherung dynamischer IP-Adressen für Marketing-Zwecke
ist. Unternehmen sollten sich daher auf eine erweiterte Anwendbarkeit datenschutzrecht­
licher Regelungen einstellen und sich auch vor diesem Hintergrund rechtzeitig mit den
gesteigerten Anforderungen der Datenschutzgrundverordnung vertraut machen.
Mit der Feststellung der Europarechtswidrigkeit des § 15 TMG wurde in Deutschland die
rechtliche Grundlage für die Speicherung von IP-Adressen zum Zwecke der IT-Sicherheit
gestärkt. Im Rahmen der nunmehr möglichen Interessenabwägung sind die Aufrecht­er­haltung der Funktionsfähigkeit der Webseite und die Abwehr von Cyberattacken als
berechtigte Interessen des Webseitenbetreibers zu berücksichtigen.
Autoren
Dr. Peter Katko
Rechtsanwalt
Ernst & Young Law GmbH | München
Telefon +49 89 14331 25951
[email protected]
22 | Corporate Law Newsletter 4/2016
Laura Tombrink, LL.M.
Ernst & Young Law GmbH | Berlin
Telefon +49 30 25471 25074
[email protected]
Corporate Law Newsletter 4/2016 | 23
Aktuelle
Meldung
24 | Corporate Law Newsletter 4/2016
Vorschläge zur DCGK-Anpassung in 2017
Am 02.11.2016 hat die Kodex-Kommission ihre Vorschläge zur Revision des
Deutschen Corporate Governance Kodex (DCGK) zur Konsultation gestellt.
Sie stehen unter den Stichworten Transparenz, Präzisierung und Kodexpflege:
• Leitbild des Ehrbaren Kaufmanns (Präambel)
• Investorendialog des Aufsichtsrats (Empfehlung, Tz. 5.2 Abs. 2 DCGK) &
Shareholder Engagement (Gesetzesauslegung, Tz. 2.1.3 DCGK)
• Offenlegung Compliance-Management- & Einrichtung Whistleblower-­
System (Empfehlungen, Tz. 4.1.3 DCGK)
• Klarstellung zum Abfindungs-Cap (Tz. 4.2.3 Abs. 4 DCGK)
• Transparenz der Aufsichtsratsbesetzung (Empfehlungen, Tz. 5.4.1
Abs. 2, 4, 5 DCGK)
• Anpassung an BilRUG & Abschlussprüfungsreform (Gesetzesauslegungen,
Tz. 7.1.1 DCGK, Tz. 5.3.2 Abs. 3 DCGK)
Die Vorschläge werden im Februar 2017 abschließend beraten. Die Kodex-Neufassung
tritt mit Veröffentlichung im Bundesanzeiger in Kraft. Die Unternehmen haben sie bei
der nächsten Aktualisierung der Entsprechenserklärung zu berücksichtigen.
Autor
Daniela Mattheus
Corporate Governance Board Services | Assurance
Ernst & Young GmbH | Berlin
Telefon +49 30 25471 19736
[email protected]
Corporate Law Newsletter 4/2016 | 25
26 | Corporate Law Newsletter 4/2016
Ihre Ansprechpartner bei der Ernst & Young Law GmbH
Berlin
Dr. Cornelius Grossmann
Rechtsanwalt
Ernst & Young Law GmbH | Berlin
Telefon +49 30 25471 25050
[email protected]
Frankfurt
Heike Jagfeld
Rechtsanwältin
Ernst & Young Law GmbH | Frankfurt
Telefon +49 6196 996 28035
[email protected]
München
Dr. Claus Elfring
Rechtsanwalt
Ernst & Young Law GmbH | München
Telefon +49 89 14331 28905
[email protected]
Düsseldorf
Dr. Nicole Franke
Rechtsanwältin
Ernst & Young Law GmbH | Düsseldorf
Telefon +49 211 9352 23800
[email protected]
Hamburg
Ilja Schneider
Rechtsanwalt
Ernst & Young Law GmbH | Hamburg
Telefon +49 40 36132 25778
[email protected]
Nürnberg
Jörg Leißner
Rechtsanwalt | Steuerberater
Ernst & Young Law GmbH | Nürnberg
Telefon +49 911 3958 28369
[email protected]
Hannover
Frank Schäfer, LL.M.
Rechtsanwalt
Ernst & Young Law GmbH | Hannover
Telefon +49 511 8508 23755
[email protected]
Stuttgart
Dr. Christian Bosse
Rechtsanwalt
Ernst & Young Law GmbH | Stuttgart
Telefon +49 711 9881 25772
[email protected]
Dr. Maximilian Koch
Rechtsanwalt | Diplom-Kaufmann
Ernst & Young Law GmbH | Düsseldorf
Telefon +49 211 9352 17886
[email protected]
Essen
Egbert von Holtum
Rechtsanwalt
Ernst & Young Law GmbH | Essen
Telefon +49 201 2421 21890
[email protected]
Mannheim
Dr. Oliver Wittig
Rechtsanwalt
Ernst & Young Law GmbH | Mannheim
Telefon +49 621 4208 20961
[email protected]
Die „EY Tax & Law DE News“ App
ist verfügbar für iPhone und Android
und bietet Ihnen unseren eNewsletter
bequem auf Ihrem Smartphone –
aktuell und kompakt für unterwegs.
Scannen Sie nebenstehenden
QR-Code für weitere Informationen
oder kontaktieren Sie uns per E-Mail
an [email protected].
Corporate Law Newsletter 4/2016 | 27
EY | Assurance | Tax | Transactions | Advisory
Die globale EY-Organisation im Überblick
Die globale EY-Organisation ist einer der Markt­
führer in der Wirtschafts­prüfung, Steuerberatung,
Transaktionsberatung und Managementberatung.
Mit unserer Erfahrung, unserem Wissen und
unseren Leistungen stärken wir weltweit das Ver­
trauen in die Wirtschaft und die Finanzmärkte.
Dafür sind wir bestens gerüstet: mit hervorragend
ausgebildeten Mitarbeitern, starken Teams, exzel­
lenten Leistungen und einem sprichwörtlichen
Kundenservice. Unser Ziel ist es, Dinge voranzu­
bringen und entscheidend besser zu machen –
für unsere Mitarbeiter, unsere Mandanten und
die Gesellschaft, in der wir leben. Dafür steht
­unser weltweiter Anspruch „Building a better
working world“.
Die globale EY-Organisation besteht aus den
­Mitgliedsunternehmen von Ernst & Young G
­ lobal
Limited (EYG). Jedes EYG-Mitgliedsunterneh­
men ist rechtlich selbstständig und unabhängig
und haftet nicht für das Handeln und Unterlassen
der jeweils anderen Mitgliedsunternehmen.
Ernst & Young Global Limited ist eine Gesellschaft
mit beschränkter Haftung nach englischem
Recht und erbringt keine Leistungen für Man­
danten. Weitere Informationen finden Sie unter
www.ey.com.
In Deutschland ist EY an 21 Standorten präsent.
„EY“ und „wir“ beziehen sich in dieser Publika­
tion auf alle deutschen Mitgliedsunternehmen
von Ernst & Young Global Limited.
© 2016 Ernst & Young Law GmbH
Rechtsanwaltsgesellschaft
Steuerberatungsgesellschaft
All Rights Reserved.
GSA Agency
BKR 1612-677
ED None
Bildquellen: ImageShop/Corbis, iStockphoto
Ernst & Young Law GmbH
Die Ernst & Young Law GmbH Rechtsanwaltsgesellschaft Steuerbe­
ratungs­gesellschaft (EY Law) berät als Full Service-Kanzlei in allen
wirtschaftsrechtlichen Fragestellungen. Inter­disziplinäres Arbeiten ist
aufgrund der Zugehörigkeit zur EY-Gruppe eine Selbstverständlichkeit.
Sie arbeitet eng mit anderen Spezialisten aus den Bereichen Corporate
Finance, Steuer­beratung, Transaction Ser­vices und Wirtschaftsprüfung
zusammen. Durch die Präsenz an elf deutschen Standorten gewähr­
leistet sie Mandantennähe, denn kurze und direkte Wege können für
eine zeitnahe und effiziente Umsetzung von Projekten entscheidend
sein. In Deutschland finden Sie sie daher in allen großen Ballungsräumen,
um Sie bei Bedarf schnell und un­kompliziert unterstützen zu können.
Zugleich steht den Mandanten für jedes konkrete Mandat das speziali­
sierte Know-how der entsprechenden Praxisgruppen standortüber­
greifend zur Ver­fügung.
Bei grenzüberschreitenden Transaktionen und Fragestellungen arbeiten
wir mit über 1400 Professionals in 61 Jurisdiktionen weltweit zusammen.
Diese Publikation ist lediglich als allgemeine, unverbindliche
­Information gedacht und kann daher nicht als Ersatz für eine
­detaillierte Recherche oder eine fachkundige Beratung oder
­Auskunft dienen. Obwohl sie mit größtmöglicher Sorgfalt erstellt
wurde, besteht kein Anspruch auf sachliche Richtigkeit, Voll­
ständigkeit und/oder Aktualität; insbesondere kann diese Publi­kation nicht den besonderen U
­ mständen des Einzelfalls Rechnung
tragen. Eine Verwendung liegt damit in der eigenen Verant­
wortung des Lesers. Jegliche Haftung seitens der Ernst & Young
Law GmbH Rechtsanwaltsgesellschaft Steuerberatungs­gesell­
schaft und/oder ­anderer Mitgliedsunternehmen der globalen
EY-Organisation wird ausgeschlossen. Bei jedem spezifischen
Anliegen sollte ein ­geeigneter Berater zurate gezogen werden.
www.de.ey.com