Datum: 12.02.2017 Den Spitälern geht das Geld aus Die Renditen vieler Kliniken sind zu tief, um ihr Überleben zu sichern A Erwirtschaftet eine ungenügende Marge: Das Kinderspital Zürich Foto: Reto Oeschg er Jürg Meier tur Independent Credit View (ICV) Studie des BeratungsunternehZürich Ein Blick in die Geschäfts- ein Wert im Bereich von 10 Pro- mens PWC kommt zu ähnlichen berichte von sechzig Schweizer Be- zent, damit ein Spital die nötigen Ergebnissen. 2015 erreichte mehr treibergesellschaften zeichnet ein alarmierendes Bild der Spitallandschaft. Viele Kliniken der öffentlichen Hand erwirtschaften zu tiefe Margen, um langfristig überleben zu können. Nötig wäre laut übereinstimmender Einschätzung der Gesundheitsexperten von KPMG, Investitionen in neue Geräte oder in die Gebäude stemmen kann. Laut einer Studie von ICV erreichen Universitäts- und Kinderspitäler im Schnitt aber nur rund 6 Prozent. Regionalspitäler kommen auf rund 7 Prozent. Bei Pri- vatspitälern liegen die Margen PWC und der Zürcher Ratingagen- dagegen weit über 10 Prozent. Eine Themen-Nr.: 660.003 Abo-Nr.: 660003 Auflage: 168'662 als die Hälfte der Spitäler die nötige Marge nicht. Besonders beunruhigend: Bei vielen ist das bereits seit mehreren Jahren der Fall. Das Finanzloch wird bei ihnen immer grösser, sie leben von den Reserven. Für Felix Schneuwly, den Gesundheitsexperten des Internet- Argus Ref.: 64282482 Datum: 12.02.2017 vergleichsdienstes Comparis, spre- 3,7 Prozent. Laut Finanzchef Michen die Zahlen eine klare Sprache. chael Meier war sie 2015 wegen «Die Schweiz hat zu viele Spitä- einer Umstellung der Rechnungsler.» Er sieht zwei Möglichkeiten. legung allerdings höher, nämlich Entweder schiesst die öffentliche 4,2 Prozent. Meier räumt aber ein, Hand noch mehr Steuergelder ein. dass auch das noch zu wenig ist. «Oder es kommt zur Struktur- Eine Institution wie das Kinder- bereinigung, etwa zur Schliessung von Spitälern.» Bild wird durch grosszügige Subventionen verfälscht Bei der Auswertung von Independent Credit View traten nicht nur deutliche Unterschiede zwischen den privaten und den staatlichen spital müsse einen Wert zwischen 10 und 12 Prozent erreichen, wenn ihr Fortbestand gesichert werden soll. Das Kinderspital plant darum einen Neubau, um ab 2021 seine verschiedenen Standorte zusammenzufassen. Das macht hohe Ef- fizienzgewinne möglich, etwa Spitälern zutage. Sondern auch dank kürzerer Wege für Ärzte, zwischen den Kliniken, die im Pflegepersonal und Patienten. Vertreter von Spitälern mit tiefen Margen erklären, dass sie unter den sind. Das Kantonsspital Winterthur Ungleichgewichten im Spitalweerreichte beispielsweise eine Mar- sen leiden. Das Kinderspital ZüBesitz von Kantonen oder Gemein- Top 15 Höpital de la Tour GE Hirslanden-Gruppe Klinik Barmelweid AG Bad Schinznach AG Aevis-Victoria-Gruppe Kantonsspital Winterthur ZH Psychiatrische Dienste Aargau Psychiatrische Dienste Graubünden Kantonsspital Nidwalden Spitäler Schaffhausen Schaffhausen Spitäler Kantonsspital Graubünden Spital Limmattal Limmattal ZH ZH Spital Spital Bülach Bülach ZH ZH Spital Luzerner Kantonsspital Uni-Kinderspital beider Basel 25,0% 20,9% 16,9% 16,6% 13,8% 12,6% 12,2% 12,0% 11,9% 11,7% 11,6% 11,4% 11,3% 10,7% 10,6% Margen (Ebitdar): Durchschnitt 2014 und 2015 ge von 12,6 Prozent. Das Spital rich etwa hat im Gegensatz zu kleiEinsiedeln dagegen kam auf einen neren öffentlichen oder zu privaWert von nur 2,3 Prozent. «Unsere heutige Marge ist nicht existenzsichernd», bestätigt Direktor Reto Jeger. Er will sie darum mit verschiedenen Massnahmen erhöhen. So liess er eine neue Station bauen, auf der Patienten mit Zusatz- ten Spitälern die Pflicht, Assistenz- ärzte auszubilden. Die entstehenden Kosten sind laut Finanzchef Meier aber bei weitem nicht gedeckt. Das Bild wird auch dadurch ver- fälscht, dass manche Kantone versicherung behandelt werden grosszügig Subventionen sprechen. können. Der Anteil dieser lukrati- Sie dürfen sogenannte gemeinwirtven Kunden ist in Einsiedeln be- schaftliche Leistungen an ihre reits leicht gestiegen. Jeger ist über- Spitäler ausrichten. Schwyz sei hier zeugt: Viele Spitäler können so ihre im Gegensatz zu anderen KanMargen verbessern. Doch nicht alle tonen zurückhaltend, sagt Reto Jeger. Die Folge: Das Spital Einsie- werden das schaffen. Dem einen deln steht unter deutlich höherem oder anderen Spital werde darum finanziellem Druck als Spitäler mit «irgendwann der Schnauf aus- freigiebigeren Besitzern. gehen», sagt Jeger. Eine tiefe Marge weist auch das Die Ungleichgewichte sind aber keine Erklärung dafür, warum die Kinderspital Zürich auf. Sie liegt Margen von privaten und öffentgemäss der Erhebung von ICV bei Themen-Nr.: 660.003 Abo-Nr.: 660003 Flop 15 Spital Davos Akutabteilung GR Spitalzentrum Mittelwallis Spital Zofingen AG Höpitaux Höpitaux Universitaires Universitaires de de Genöve Geneve Spital Einsiedeln SZ Spitalregion Fürstenland Toggenburg SG Kantonsspital Kantonsspital Aarau Aarau AG AG Kinderspital Zürich Zürich Kinderspital Kantonsspital Baselland Kantonsspital Höpital du du Jura Jura bernois bernois Höpital Höpital fribourgeois fribourgeois Höpital Centre Hospitalier Hospitalier Universitaire Universitaire VD VD Spital Rheintal Werdenberg Sarganserland SG Spitalzentrum Biel BE Ostschweizer Kinderspital SG 0,6% 1,1% 1,1% 1,9% 1,9% 2,3% 2,3% 2,3% 2,3% 3,0% 3,0% 3,3% 3,7% 3,9% 4,0% 4,4% 4,5% 4,6% 5,1% 5,1% Quelle: Independent Credit View/Geschäftsberichte Auflage: 168'662 Argus Ref.: 64282482 Datum: 12.02.2017 lichen Spitälern so weit auseinanderklaffen. Comparis- Experte Schneuwly sagt, dem öffentlichen Spitalsektor fehle es an Effizienz. ten zum Beispiel keine Chirurgie mehr anbieten und diese an ein privates Spital übergeben. Der Spi- talverbund Appenzell Ausserrho- «Wenn die Autoindustrie solch den prüft eine solche Massnahme. Aus Sicht von PWC-Experte ineffiziente Prozesse hätte wie das Gesundheitswesen, wären Autos Philip Sommer lassen sich nur mit doppelt so teuer und doppelt so Zusammenschlüssen grosse Einpannenanfällig.» Beispiele dafür sind veraltete IT-Systeme oder komplizierte Abläufe in den Operationssälen. Laut Kurt Hess von Independent Credit View herrscht in öffentlichen Spitälern eine ganz andere Kultur als bei Privatspitälern, denn bei ihnen stehe der Profit nicht im Vordergrund. Falsch ist dagegen die sparungen erzielen. Innerhalb von Gruppen wird es einfacher, Struk- turen anzupassen und Standorte zu redimensionieren oder zu schliessen. Die finanzielle Situation wird für die Spitäler derweil immer schwieriger. Die Kosten steigen weiter stark. «Die Tarife, welche die Spitäler erhalten, dürften aber weit verbreitete Meinung, dass sich nur leicht wachsen oder sogar stag- Privatspitäler ihre höheren Mar- nieren», warnt Philip Sommer. gen durch schlechtere Leistungen Schon bald wird auch die öffentlierkaufen. Das belegt eine Analyse che Hand die Löcher nicht mehr der von den Spitälern schweizweit stopfen. Kantone, die heute hohe erhobenen Daten zur Kundenzu- Subventionen auszahlen, können friedenheit durch Independent sich das angesichts des steigenden Credit View: Patienten von Privat- Drucks auf ihre Finanzen immer spitälern sind nicht weniger zufrie- weniger leisten. Trotz der wachsenden Probleden als solche von öffentlichen In- me bauen die meisten Spitäler stitutionen. nicht ab, sondern aus, um sich im Markt zu behaupten. Gemäss der Den öffentlichen Spitälern bleibt NZZ gehen Experten davon aus, damit nur ein Weg: Sie müssen dass in den nächsten Jahren 15 bis Nur mit Zusammenschlüssen kann richtig gespart werden effizienter werden. Denkbar sind 20 Milliarden Franken verbaut laut Kurt Hess Zusammenschlüs- werden. «Jedes Spital ist heute se oder verstärkte Kooperationen überzeugt, dass es am Ende zu den zwischen privaten und öffentlichen Gewinnern gehören wird», sagt Häusern. Kleinere Spitäler könn- Felix Schneuwly von Comparis. «Das kann nicht aufgehen». Themen-Nr.: 660.003 Abo-Nr.: 660003 Zu tiefe Ertragskraft brauchen eine eine Marge Marge Spitäler brauchen von von 10 10 Prozent, um zu überleben. Spitalart Spitalart Universitäts- und Kinderspitäler Zentrums- und Verbundspitäler2 Verbundspitälern Regionalspitäler' Private Spitalketten Spitalketten Sc hweiz4 Schweift Private Spitalketten Spitalketten Deutschland' Marge' 7% 7% 6% 6% 7,3% 7,3% 17,4% 17,4% 13,2% 13,2% 1 Ebitda/Ebitdar grosse Kantonsspitäler Kantonsspitäler 2vor allem grosse inklusive kleine Kantonsspitäler 4Aevis/Hirslanden Aevis/Hirslanden Asklepios, Helios, Sana Kliniken Quelle: Independent Credit View Auflage: 168'662 Argus Ref.: 64282482
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