Verteidigung in Europa: Mehr Strategie wagen | KPMG Klardenker

Verteidigung in Europa: Mehr Strategie wagen
Keyfacts über Rüstung
- USA will weniger für Nato zahlen
- EU plant gemeinsamen Verteidigungsfonds
- Gemeinsame Beschaffung hilft bei Kostensenkung
16. Februar 2017
Wenn in wenigen Tagen die Münchner Sicherheitskonferenz ihre Tore öffnet, muss man kein
Prophet sein, um schon jetzt eines der wichtigsten Konferenz-Themen zu kennen: Trump und
die Auswirkung der US-amerikanischen Sicherheitspolitik auf Europa. Der US-Präsident
kritisierte in der Vergangenheit mehrfach, dass sein Land einen Großteil der finanziellen
Belastungen innerhalb der NATO trägt. Seine Einschätzung, die NATO sei „obsolet“ dürfte die
Alarmglocken zum Schrillen gebracht haben. Und auch wenn die jüngsten Erklärungen aus
Washington versöhnlicher klangen – die grundsätzliche Frage ist gestellt: Wie kann Europa für
seine Sicherheit sorgen für den Fall, dass die USA nicht mehr in dem Maße für diese
aufkommen wollen wie bisher?
Auf den ersten Blick ist das amerikanische Vorgehen sogar nicht komplett unverständlich. Der
Unterhalt und die Instandhaltung einer Armee ist teuer. Laufende Kosten und die Kosten für
neue Waffensysteme ergeben Dimensionen, die Klassenunterschiede deutlich machen: Im Jahr
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2015 beliefen sich die Militärausgaben der USA auf fast 600 Milliarden US-Dollar, Deutschland
gab im selben Zeitraum für die Verteidigung knapp 40 Milliarden aus. Natürlich ist die
Volkswirtschaft der USA stärker als die deutsche, deshalb hier zur besseren Orientierung der
prozentuale Blick: So investieren die US-Amerikaner 3,3 Prozent ihres Bruttoinlandsproduktes
in Militärausgaben, in Deutschland sind es 1,2 Prozent. Das liegt weit unter dem weltweiten
Durchschnitt von 2,3 Prozent.
Mehr Unabhängigkeit durch Verteidigungsfonds?
Allein auf die Zahlen bezogen haben die USA also objektiv recht mit ihrer Kritik: Im westlichen
Militärbündnis zahlen sie mehr als alle anderen Bündnispartner. Also einen Schritt weiter
gedacht: Was nun tun? Bereits Ende des letzten Jahres plante die EU-Kommission einen
Verteidigungsfonds, in den alle Länder einzahlen sollen. Schon damals war ein Ziel eines
solchen Fonds die stärkere Unabhängigkeit der europäischen Länder von den USA. Aber auch
für ein zweites zentrales Problem der europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik wäre
ein solcher Fonds eine gute Lösung: Europa ist – anders als die USA – wesentlich vielseitiger
bei seinen militärischen Ausgaben, manche würden sagen: zersplitterter.
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Milliarden Euro betrugen die Militärausgaben in der
Bundesrepublik im Jahr 2015.
Für die Anbieter von Rüstungstechnologie ist das ein gutes Geschäft, für die europäischen
Länder eher nicht: Derzeit werden gut 80 Prozent der Rüstungsgüter in Europa von den
einzelnen Mitgliedsstaaten ohne belastbare Absprachen mit anderen Ländern beschafft. Das
Ergebnis ist aus Sicht der EU-Kommission eine teure „Dopplung militärischer Kapazitäten“. Die
hat durchaus ihren Preis: Bis zu 100 Milliarden Euro jährlich betragen die Mehrkosten für die
Verteidigung, schätzt die Kommission.
Aber nicht nur die Beschaffung scheint optimierbar, auch die Finanzierung der Beschaffung ist
ein Bereich, in dem vieles besser laufen könnte. Um eine gemeinsame EU-Armee oder einen
potenziellen Ersatz für die NATO sollte es dabei nicht gehen; vielmehr wäre eine gemeinsame
Beschaffungspolitik angebracht, die sich auf lange Sicht als nachhaltig erweisen könnte.
Bei Rüstung: Gemeinsam stärker als allein
Die spannende Frage also: Wie macht man das? Ein Verteidigungsfonds wie aktuell diskutiert
ist ein Schritt in die richtige Richtung. Allerdings haben Fonds in der Vergangenheit immer
wieder einen entscheidenden Nachteil unter Beweis gestellt: Sie sind endlich. Wenn die Mittel
ausgeschöpft sind, werden die Fonds entweder eingestellt oder neu aufgelegt. Für eine
langfristige Planung ist das eher ungeeignet. Anders wäre das beispielsweise bei einer
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übergeordneten Institution – nennen wir sie einmal „Sicherheitsbank“ – die langfristig arbeiten
und darüber hinaus mehr Themen bearbeiten könnte als die pure Beschaffung von
Kriegstechnologie. Hier könnte auch der gemeinsame Katastrophenschutz in Europa ebenso
eine Rolle spielen wie Fragen der Migration oder die Abwehr der steigenden Gefahr durch
Cyber-Krieg.
Gibt es das nicht schon, und zwar in Form der Europäischen Verteidigungsagentur (EDA),
fragen Sie jetzt? Ja und nein, lautet die Antwort. Der EDA fehlt es an der erforderlichen
politischen Unabhängigkeit. Eine Sicherheitsbank müsste sich in ihrer Struktur deutlich davon
unterscheiden. Denkbar wäre beispielsweise eine privatwirtschaftliche Rechtsform als
Aktiengesellschaft, einzige Aktionäre wären dann die EU-Mitgliedsstaaten. Damit einher ginge
mit hoher Wahrscheinlichkeit ebenso ein professionelleres Auftreten gegenüber privaten
Rüstungsfirmen und den Anbietern von Sicherheitslösungen. Mit anderen Worten: So manch
ein Kampfflugzeug würde in der Beschaffung im Kostenrahmen bleiben, wenn die
Rüstungsunternehmen mit einem effizienten und – im Zweifelsfall auch – juristisch
kompetenten Akteur verhandeln müssten.
Das alles ließe sich bedenken, wenn in den nächsten Tagen über die europäische
Sicherheitspolitik gesprochen wird. Mit Sicherheit wird Europa künftig stärker für seine
Sicherheit sorgen müssen als bisher. Aber bitte nicht zu jedem Preis.
Zusammengefasst
»Ein Verteidigungsfonds ist ein Schritt in die richtige Richtung. Allerdings haben Fonds in der
Vergangenheit immer wieder einen entscheidenden Nachteil unter Beweis gestellt: Sie sind
endlich. Wenn die Mittel ausgeschöpft sind, werden die Fonds entweder eingestellt oder neu
aufgelegt. Für eine langfristige Planung ist das eher ungeeignet.«
US-Präsident Trump hat angekündigt, die finanziellen Belastungen innerhalb der NATO anders verteilen
zu wollen. Für die europäischen Länder könnte das bedeuten, dass sie künftig stärker selber für ihre
Sicherheit und Verteidigung sorgen müssen als bisher. Wie denn?
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Hartfrid Wolff
Manager Öffentlicher Sektor Corporates
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