Nr. 19-1 (PDF, 109KB, nicht barrierefrei)

BULLETIN
DER
BUNDESREGIERUNG
Nr. 19-1 vom 15. Februar 2017
Rede der Bundesministerin für Arbeit und Soziales,
Andrea Nahles,
zum Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Leistungen bei Renten
wegen verminderter Erwerbsfähigkeit
vor dem Deutschen Bundestag
am 15. Februar 2017 in Berlin:
Herr Präsident!
Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Jedes Jahr kommen 170.000 Menschen neu in Erwerbsminderungsrente. Warum?
Weil sie krank sind. Wir können dazu nur Folgendes sagen: Wir müssen – das ist die
Kernaufgabe unseres Sozialstaates – die Solidarität der Versichertengemeinschaft
wirklich wirken lassen. Denn diese 170.000 Menschen können ihren Lebensunterhalt
aus eigener Kraft nicht mehr wirklich verbessern. Diese Gruppe ist auch besonders
armutsgefährdet. Fast jede beziehungsweise fast jeder siebte Erwerbsgeminderte ist
auf zusätzliche Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung
angewiesen, während es nur drei Prozent der Altersrentner sind.
Das Versprechen der gesetzlichen Rentenversicherung ist es aber, die Risiken des
Lebens wie Alter, Erwerbsminderung und Tod des Ehepartners abzusichern, und zwar
auskömmlich. Dafür zahlen die Menschen ein, und darauf müssen sie sich dann auch
verlassen können. Mir ist bewusst, dass wir damit in der gesetzlichen Rente noch ein
Leistungsspektrum haben, das es in vielen anderen Ländern entweder nie gab oder in
solch einer guten Form nicht mehr gibt. In der privaten Versicherungswelt müssten
Sie, um das Erwerbsminderungsrisiko abzusichern, sehr viel Geld in die Hand nehmen
und zusätzliche Prämien zahlen. Das ist extrem teuer. Insoweit ist das nicht der Weg,
den wir hier empfehlen können.
Bulletin Nr. 19-1 vom 15. Februar 2017 / BMAS – Gesetz z. Verbesserung d. Erwerbsminderungsrente
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Deshalb freue ich mich sehr darüber, dass wir es in dieser Legislatur gleich zweimal
geschafft haben, die gesetzlichen Rentenleistungen im Falle der Erwerbsminderung
zu verbessern. Mit dem Rentenpaket 2014 wurde die Zurechnungszeit von 60 auf 62
Jahre angehoben. Heute gehen wir noch einen entscheidenden Schritt weiter und heben sie von 62 auf 65 Jahre an. Wir haben im Kabinett beschlossen, dass wir die
Zurechnungszeit im Falle der Erwerbsminderung stufenweise um weitere drei Jahre
anheben. Die Betroffenen werden also langfristig so gestellt, als hätten sie bis zum 65.
Lebensjahr durchgearbeitet, was sie aufgrund ihrer Erwerbsminderung in Wahrheit gar
nicht können.
Nachdem wir also schon mit dem Rentenpaket 2014 spürbar die Renten erhöht haben,
nämlich um durchschnittlich fünf Prozent, erhöhen wir die Erwerbsminderungsrenten
für die Zukunft noch einmal deutlich. Wir erwarten dadurch eine Steigerung der durchschnittlich gezahlten Erwerbsminderungsrenten um weitere rund sieben Prozent – also
nach Abschluss dieser stufenweisen Anpassung bis 2024. Genau das nenne ich Solidarität.
Wir haben hier oft Menschen vor uns, die sich lange in körperlich oder psychisch belastender Arbeit aufgerieben haben, bis es nicht mehr ging, oder die ein Unfall oder
eine schwere Krankheit aus der Erwerbstätigkeit gerissen hat. An den Verdienst des
Lebensunterhalts aus eigener Kraft ist dann leider nicht mehr zu denken. Genau für
solche Fälle muss die Gemeinschaft stark sein und auch eintreten. Das ist meine feste
Überzeugung – und nicht nur meine.
Mit dieser Verbesserung stehen wir in seltener Eintracht mit Sozialverbänden, Gewerkschaften und auch Arbeitgebern; diese haben die Regelung als richtigen Schritt begrüßt. Das hätte ich mir bei manch anderem Gesetz auch gewünscht. Aber es ist ja
schön, dass wir diese Eintracht bei diesem Thema in den Anhörungen zum Gesetzentwurf wirklich so hatten. Die Zustimmung war ungewöhnlich breit.
Eine Kette ist immer nur so stark wie ihr schwächstes Glied. Das ist mit unserer Gesellschaft nicht anders. Es ist deshalb richtig und wichtig, auch erwerbsgeminderten
Menschen unter die Arme zu greifen, um gemeinsam stark zu sein.
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