Ausgabe 07 17. Februar 2017 Deutsche MittelstandsNachrichten powered by Globalisierung Welthandel: Problem liegt nicht bei Trump, sondern in China China und die globalen Konzerne haben dafür gesorgt, dass keine Arbeitsplätze in den Industriestaaten mehr entstehen D er freie Welthandel ist angeblich von Donald Trump bedroht. Das ist eine Verklärung von Vergangenheit und Gegenwart der Globalisierung. Denn der freie Welthandel ist bereits durch die Handelspraktiken Chinas und global tätiger Konzerne sowie durch die Reaktionsarmut der USA und der Europäischen Union ausgehöhlt. Die hypnotische Fixierung auf alle Aktionen und Tweets des neuen amerikanischen Präsidenten verhindert eine rationale Diskussion der wirklichen Probleme der Weltwirtschaft. Trump wird als Bedrohung für den freien Welthandel aufgefasst. Selbst Chinas Staats- und Parteiführer kann sich demgegenüber als dessen Advokat und Garant anpreisen. Die Wahrheit ist eine andere: Globalisierung und Welthandel sind bereits vor der Ankunft von Präsident Trump entgleist. Die entsprechenden Abkommen – NAFTA, WTO, heute auch TTIP und TPP – waren bzw. sind Export- und Investitionsquoten China 1980-2015. Quelle: National Bureau of Statistics, eigene Berechnungen fehlkonzipiert. In der Praxis hat Chinas Politik die Substanz und den Inhalt der WTO und des internationalen Währungssystems ausgehöhlt und in eine existentielle Krise gestürzt. Die Angst vor einer protektionistischen Wende im Amerika von Donald Trump treibt seltsame, ja absurde Blüten. Eine Empfehlung ist, sich auf China zu fokussieren oder sich mit China zu verbünden. Der chinesische Staats- und Parteichef Xi Jinping hat beim WEF-Forum in Davos geschickt auf dieser Melodie gespielt. Eine genaue Analyse zeigt, dass China protektionistisch operiert und die Vereinigten Staaten und Europa dramatisch und irreversibel schädigt. In Zukunft noch viel mehr als in der Vergangenheit. Nicht böse Absicht, sondern eine schwere Systemkrise im eigenen Land treibt dabei die chinesische Führung an. China ist innerhalb einer Generation von der Autarkie zum größten Akteur im Welthandel aufgestiegen. Dies war mit historisch einmaligen Wachstumsraten des Bruttoinlandsprodukts (BIP) verbunden. Seit den frühen 1980er Jahren ist gemäß den offiziellen BIP-Zahlen die Wirtschaft um jährlich durchschnittlich 10 Prozent gewachsen. In den vergangen Jahren hat Analyse Europa zeigt ein starkes Gefälle nationaler Mindestlöhne Am 1. Januar 2017 gab es in 22 der 28 Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU) nationale Mindestlöhne. Nur in Dänemark, Italien, Zypern, Österreich, Finnland und Schweden gibt es keine derartige Regelung. Das sind die Ergebnisse einer neuen Studie des Europäischen Statistikamtes. Im Vergleich dazu lag der auf Bundesebene geltende Mindestlohn in den Vereinigten Staaten im Januar 2017 bei 1.192 Euro pro Monat. In den betreffenden 22 Mitgliedstaaten reichen die Mindestlöhne von unter 300 Euro pro Monat in Bulgarien (235 Euro) sowie in Rumänien (275 Euro) bis knapp unter 2.000 Euro monatlich in Luxemburg (1.999). Anders ausgedrückt ist der höchste Mindestlohn in der EU etwa 9-mal so hoch. Die Unterschiede zwischen den Mindestlöhnen in den Mitgliedstaaten der EU sind jedoch erheblich geringer, wenn Preisniveauunterschiede beseitigt werden: Die Mindestlöhne in den Mitgliedstaaten mit relativ niedrigeren Preisniveaus werden vergleichsweise höher, wenn sie in Kaufkraftstandards (KKS) ausgedrückt werden. Umgekehrt werden die Mindestlöhne in den Mitgliedstaaten mit höheren Preisen dann relativ gesehen niedriger. Mindestlöhne können auch in Relation zu einer anderen Größe gemessen werden, nämlich als prozentualer Anteil an den monatlichen Bruttomedianverdiensten. Im Jahr 2014 lagen in nur drei der betreffenden Mitgliedstaaten die Mindestlöhne über 60 Prozent der monatlichen Bruttomedianverdienste: in Portugal (64 Prozent), Frankreich und Slowenien (je 62 Prozent). In sieben Mitgliedstaaten waren die Mindestlöhne dagegen weniger als halb so hoch wie die Medianverdienste. Der in Euro ausgedrückte Mindestlohn war im Jahr 2017 in jedem Mitgliedstaat, in dem es einen nationalen Mindestlohn gibt, höher als im Jahr 2008. Einzige Ausnahme war Griechenland, wo er um 14 Prozent fiel. Zwischen 2008 und 2017 haben sich die Mindestlöhne in Bulgarien und Rumänien verdoppelt. Zudem verzeichneten auch die Slowakei (+80 Prozent) sowie die drei baltischen EU-Mitgliedstaaten ebenfalls deutliche Zuwächse. 1 Deutsche MittelstandsNachrichten powered by Ausgabe |07/17 sich diesen Zahlen zufolge allerdings das Wachstumstempo verlangsamt – auf immer noch spektakuläre 7 Prozent pro Jahr. Ohne Anspruch von Vollständigkeit lässt sich folgendes über Chinas Rolle in der Weltwirtschaft formulieren: China hat essentiell von 1978 an das Wachstumsmodell Japans und Koreas repliziert. Es hat eine starke Fokussierung auf den Außenhandel mit einer Abschottung oder nur Partialöffnung des Binnenmarktes verbunden, aber mit wichtigen Modifikationen gegenüber Japan und Korea. Das Modell war exportorientiert, wobei zunächst die an den Küsten gelegenen Sonderwirtschaftszonen herausragende Bedeutung hatten. China offerierte sich dort als Plattform für ausländische Firmen mit speziellen rechtlichen, regulatorischen und steuerlichen Freiheiten und immensen Subventionen. Der Aufbau dieser Exportindustrie beruhte auf dem Import von Kapital, Technologie, Management Know-how und auf billiger einheimischer Arbeitskraft, welche vom Land in die Städte strömte, sowie auf Subventionen aller Art. Im Unterschied zu Japan und Korea waren also ausländische Unternehmen, typischerweise Multinationale, die ExportPromotoren Chinas. Sie standen von Beginn der Öffnung in enger Integration mit dem Weltmarkt, importierten Rohstoffe und Halbfabrikate aus dem Ausland und exportierten die Fertigprodukte wieder ins Ausland. Deshalb wird die Handelsbilanz von den Zollbehörden Chinas bis heute in US-Dollar erhoben und ausgewiesen. Der Inlandabsatz war diesen Multinationalen dagegen lange verwehrt – und wenn nicht, dann mit Umwegen verbunden. In Japan und Korea standen dagegen große, typischerweise familienbeherrschte inländische Konglomerate an der Spitze der Exportentwicklung. Neben den Exportsektor spielten die Investitionen eine herausragende Rolle. Bei der Urbanisierung, dem Bau von Städten, Agglomerationen, Infrastrukturen, Verkehrsnetzen, Kraftwerken, Übertragungsleitungen und dem Wohnungsbau waren die staatlichen Unternehmen federführend. Für die Erschließung des chinesischen Binnenmarktes mussten sich die ausländischen Unternehmen im Unterschied zur Exportindustrie erheblichen Restriktio- nen unterwerfen. Der Zugang zu diesem zahlenmäßig und potentiell auch ökonomisch größten Markt der Welt war von Beginn an mit starken Einschränkungen verbunden: Importe wurden erschwert, quantitativ begrenzt, durch Zölle verteuert oder verboten. In aller Regel mussten die ausländischen Investoren Joint Ventures (JV) mit einheimischen Unternehmen vor Ort eingehen. Diese waren oft oder zumeist staatlich und Mehrheitsaktionäre der JV. Die operative Führung wurde den ausländischen Unternehmen überlassen. Über diese Joint Ventures sollte es einen Technologietransfer vor allem in Sektoren geben, welche als strategisch wichtig für die Entwicklung angesehen wurden. Die Einschätzung, was strategisch wichtig sei, konnte über die Zeit hinweg auch variieren. Die ausländischen Unternehmen begnügten sich deshalb häufig damit, alte Technik in diese JVs einzubringen. Insgesamt war aber auch dieser Technologietransfer erfolgreich. Das moderne China seit der Öffnung durch Deng Xiaoping 1978 hat also als Besonderheit eine im Grundsatz dualistische Struktur der Wirtschaft entwickelt: China kombiniert Exportpromotion mit Importsubstitution. Einer Exportpromotion zunächst vor allem für ausländische Unternehmen steht ein staatlich beherrschter oder wenigstens regulatorisch strikt kontrollierter Binnensektor gegenüber, der von ausländischer Konkurrenz abgeschottet ist und der durch einen erzwungenen Technologietransfer in Joint Ventures modernisiert werden soll. Natürlich ist das überzeichnet, aber die Grundtendenz entspricht diesem Muster – und zwar bis heute. Von diesem Grundmuster treten Abweichungen und Modifikationen auf. Wo die Regierung keine Prioritäten für die einheimische Fertigung identifiziert, können ausländische Anbieter auch als Exporteure diesen Markt erschließen, ohne speziell behindert zu werden. Auch Konsumentenpräferenzen können dafür sorgen, dass ausländische Firmen keine Nachteile erleiden. Viele Unternehmen werden sich dennoch davon überzeugen, dass eine lokale Präsenz vor Ort vorteilhaft ist, um die Marktnähe in diesem Riesenmarkt ausnutzen und um allenfalls die Lieferketten optimieren zu können. Umgekehrt tritt 17. Februar 2017 der Staat zunehmend und bewusst auch selber als Exportpromoter auf. In französischer Weise werden nationale Champions, die aus der Binnenwirtschaft hervorgegangen sind, als Weltmarkt-Teilnehmer oder sogar -Führer etabliert – teilweise auch durch Zwangsfusionen. In der Zukunft sollen so sogar ganze Industrien an die Weltspitze katapultiert werden. Dabei akquirieren staatliche Unternehmen auch gezielt ausländische Unternehmen mit Spitzentechnologie in Zukunftsbranchen oder mit starker Marktstellung. Im Falle Chinas ist die Rolle des Staates im ökonomischen Modernisierungsprozess immer noch überragend. Dies hat seine Wurzeln in der Geschichte, als die zentrale kaiserliche Bürokratie während Jahrtausenden für den Wasserbau und damit die Verteilung der Ressourcen für die Landwirtschaft zentral war. Das maoistische Erbe hat die herausragende Bedeutung des Staates noch gesteigert. Mao baute auf dem stalinistischen Industrialisierungsmodell auf und verstaatlichte oder kollektivierte allen Privatbesitz. Mindestens solange die kommunistische Partei in China an der Macht ist, wird in China ein grundsätzlich anderes Verständnis der Rolle des Staates als etwa in Westeuropa oder in den Vereinigten Staaten dominieren – mit Konsequenzen für Außenhandel und für die Währungspolitik. Und es nicht verwunderlich, dass die Parteiführung in Zeiten der Krise, deren Zeichen sich mehren, auf traditionell dirigistische Konzepte setzt. Während der ganzen Periode seit Machtergreifung der Kommunistischen Partei traten Spannungen und dramatische Richtungswechsel zwischen der Zentrale und den Lokal- oder Provinzbehörden auf. Sie sind heute nicht entfernt mehr so gewalttägig wie in der maoistischen Periode, aber in ihrer Bedeutung gerade für den Welthandel nicht zu unterschätzen. In dieser kurzen Zusammenfassung ist es unmöglich, darauf vertieft einzugehen. Sie sollen lediglich kursorisch erwähnt werden. Chinas Wirtschaftsentwicklung seit der Öffnung von 1978 hat verschiedene Perioden mit ganz unterschiedlichen Charakteristiken, Schwerpunkten und Zielsetzungen der Politik durchgemacht. Entsprechend unterschiedlich fallen in 2 Deutsche MittelstandsNachrichten powered by Ausgabe |07/17 17. Februar 2017 der wissenschaftlichen Literatur die Peri- lokalen Behörden wurden viele staatliche das Outsourcing aus den Industrieländern odisierungen aus. Für den Außenhandel Unternehmen entweder privatisiert und begünstigten. Diese Exportsubventionen gibt es eine ganz klare Zäsur, die mit Chi- restrukturiert oder geschlossen. Die Ban- widersprachen dem Inhalt des WTO-Abnas Eintritt in die WTO im Dezember 2001 ken wurden der faulen Kredite entledigt, kommens. Sie sind am Beispiel von Apple verbunden ist. In den beiden Jahrzehnten indem sie in spezielle Giftmüll-Gefäße dokumentiert worden. Die zentrale Rolle am Ende des 20. Jahrhunderts war die transferiert wurden. Innerhalb weniger ausländischer Multinationaler beim ExTrennung zwischen Exportsektor und Jahre wurden rund 50 Millionen Beschäf- port geht aus der folgenden Grafik deutBinnenmarkt strikt. Die Binnenwirtschaft tigte freigesetzt. Aufgrund dieser Restruk- lich hervor: Zu den Sektoren, welche sofort und war von staatlichen Unternehmen be- turierungen – Schließung unrentabler Bestimmt, wobei bis Mitte der 1990er Jahre triebe und Massenentlassungen – ergaben beschleunigt in den 2000er Jahren die die Lokalbehörden häufig Eigentümer wa- sich schon ab 1996 erhöhte Produktivitäts- Produktion nach China verlagerten, gehörte vor allem die amerikanische Technoloren. Das Wachstumsmodell war extensiv, gewinne. Vom Ausland her repräsentiert jedoch gie-Industrie: Computer, Peripheriegeräte, die Zunahme des BIP wurde weitgehend durch die Beschäftigungsexpansion und der WTO-Beitritt im Jahr 2001 die wirkli- Bildschirme, Halbleiter, Audio- und Videodurch den begleitenden Aufbau des Ka- che Zäsur. Dies gilt vor allem für die Ver- ausrüstung, Telefonie-, Mobil- und zuletzt pitalstocks getragen. Das Produktivitäts- einigten Staaten. Zwar gewährten die USA Smartphones, Netzwerk- und Übertrawachstum und die Zunahme der Reallöh- schon ab 1995 China den Status der Meist- gungstechnik. Dadurch gingen Millionen ne waren noch niedrig. Im Prinzip wurden begünstigung, d.h. der niedrigsten Zolltari- von Jobs in den USA verloren beziehungsdamit die Grundlagen des nachfolgenden fe. Doch dieser Status musste Jahr für Jahr weise entstanden dort gar nicht. Heute vom Kongress bewilligt und verlängert fehlen dieser Industrie die Lieferketten in Wachstumsprozesses geschaffen. Die zweite Periode startete um die werden. Dies war eine unsichere Sache, den USA. Viele Produkte werden gar nicht Jahrtausendwende und dauert bis heute weil im Kongress aus politischen Gründen mehr hergestellt. Das Land, welches in an. Wichtigster Wendepunkt war der WTO- erhebliche Vorbehalte gegenüber China Forschung und Entwicklung führend bzw. Eintritt Chinas im Dezember 2001. Dieser bestanden. Erst der WTO-Beitritt schuf absolut dominant ist, hat beschäftigungsEintritt löste einen Export- und Investiti- die endgültige Sicherheit. Von diesem mäßig relativ wenig davon. Dafür ist China Zeitpunkt an explodierten die Direktin- der wichtigste Arbeitgeber dieser Industonsboom ohnegleichen aus. Aus der Grafik geht deutlich hervor, vestitionen amerikanischer und anderer rie. Am Beispiel von Apple wurde verdass Chinas Exporte und Importe geradezu ausländischer Unternehmen in China. Das explodierten. Dabei erwirtschaftete China WTO-Abkommen schrieb einen massiven sucht aufzuzeigen, welche push- und pullerstmals auch massive und systematische Zollabbau vor, aber auch vor allem eine Faktoren zu dieser verzerrten Entwicklung Überschüsse in der Handelsbilanz. Sie sind Rechtssicherheit für die ausländischen beigetragen haben: Zuvorderst der amegemäß den chinesischen Zollangaben auf Unternehmen. In der Praxis kamen dann rikanische Steuerkodex, der die Produktions-Auslagerung begüns500 Milliarden Dollars angetigt, dann die teils enormen stiegen, dürften in der Realität Exportsubventionen durch aber höher sein. (gelbe Balken) China auf Stadt-, Provinz und Manche Beobachter seLandesebene. Dazu gehören hen den Startschuss zur MoLand, das gratis oder zu symdernisierung bereits Mitte der bolischen Preisen überlassen 1990er Jahre. Unter dem ‚Wirtwird; Steuerbefreiungen für schaftszar‘ und späteren MiGewinn-, Import- und Mehrnisterpräsidenten Zhu Rongji wertsteuern sowie Beihilfe zur wurde der Wildwuchs der globalen Steueroptimierung; staatlichen Unternehmen aus staatliche Eigen- und Fremdden 1980er und frühen 1990er kapital-Beiträge sowie InfraJahre erfolgreich bereinigt. Die strukturhilfen; ein industrielZentrale übernahm die Macht, les Arbeitsheer, das durch den die lokalen Behörden wurden Staat für firmenspezifische über die Finanzpolitik gezüZwecke trainiert, und durch gelt. Die lokalen Körperschafrepressive, diskriminierende ten mussten ausgeglichene (Wanderarbeiter) und teilweiHaushalte erwirtschaften, sie Exportwerte der ausländisch finanzierten Unternehmen. se sklavenähnliche Praktiken konnten nicht mehr wie in Quelle: National Bureau of Statistics diszipliniert wird. Apple ist der Vergangenheit defizitäre das Symbol dieser Entwicköffentliche Betriebe aufrechterhalten. Durch den Kreditstopp der Ban- Exportsubventionen Chinas für die inves- lung, aber keineswegs allein oder besonken und die Haushalt-Disziplinierung der tierenden Unternehmen hinzu, welche ders hervorstechend. 3 Deutsche MittelstandsNachrichten powered by Ausgabe |07/17 Die zweite große Industrie, die Hunderttausende von Jobs in den USA wie in Westeuropa verlor, ist die Textil-, Bekleidungs-, Schuh- und Lederindustrie. Auch sie wurde im großen Stil nach China verlagert. Intuitiv würde man dies als normal empfinden. Doch auch diese Leichtindustrien Chinas profitierten von denselben Faktoren wie die Technologie-Branche. Ihr Aufbau wurde von China extrem unterstützt, weil das zeitgleiche Auslaufen des Multifaser-Abkommens im Jahr 2005 der Textil- und Bekleidungsindustrie ein enormes Wachstumspotential verlieh. Alle Mengen- und Zollbeschränkungen für Importe aus Schwellenländern nach den USA oder nach Westeuropa wurden damit abgeschafft – auch für Schuhe und Lederwaren. China schuf denn auch spezialisierte Sonderwirtschaftszonen für die Textil-, Bekleidungs- und Schuhindustrie, wo den international tätigen Unternehmen dieses Sektors großzügige Unterstützung gewährt wurde. Über diese beiden Branchen lagerten ein breites Spektrum von Industrien ihre Produktion nach China aus: Elektroindustrie, Metallwaren, elektrische Haushalt- bis hin zu HiFi-Geräten und Fernsehen, Möbel, Inneneinrichtungen und viele andere mehr. Auffällig an der Grafik der Exportwerte ist, dass der Anteil der Unternehmen mit ausländischer Beteiligung zunächst auf rund 60 Prozent aller Exporte Chinas anstieg. Diese Aktivität der ausländisch beherrschten Unternehmen verlangsamte sich allerdings und stagnierte ab 2008, während chinesische Unternehmen, meist Staatsunternehmen, die Exporttätigkeit praktisch ungebremst weiter ausdehnten und heute fast 60 Prozent aller Exporte tätigen. Die Qualität dieser Daten ist schwierig zu beurteilen. So ist fraglich, ob die iPhone-Lieferungen von Apple aus den speziellen Zollzonen effektiv korrekt erfasst sind. Was aber daraus hervorgeht, ist das starke Wachstum der Lieferungen von chinesischen Unternehmen. Zhu Rongji war es auch gewesen, der auf chinesischer Seite den Beitritt Chinas zur WTO forcierte, in mühsamen Verhandlungen vor allem mit den USA, aber auch mit erheblichen Widerständen in China selbst. Im Rückblick wurde China zur WTO überhastet und unter viel geringeren Auf- 17. Februar 2017 lagen und vor allem Kontrollmechanis- deepening). Aufgrund der Produktivitätsmen zugelassen. Das Land versprach das, zuwächse und der Zunahme der Beschäftiwas die andere Seite hören wollte, änder- gung hin zur Vollbeschäftigung begannen te seine Handelspraktiken in der Realität die Reallöhne seit der Jahrtausendwende aber nur zäh oder gar nicht. Kern des WTO- zu steigen. Damit wurde auch der private Beitritts Chinas waren die Elemente des Konsum stimuliert. Es entstand eine groWashington Konsensus. China mit seinem ße, kaufkräftige Mittelklasse. Sichtbarster Staatskapitalismus hat sich nicht etwa in Ausdruck waren die Zunahme des privaten diese Richtung bewegt. China hielt viel- Wohnungsbesitzes, der Automobildichte mehr an seiner Politik der Importsubstitu- sowie die Gewährung von Ferien, die auch zu Auslandreisen und zum inländischen tion fest. Der WTO-Eintritt bedeutete aber auch Tourismus führten. In den Städten ist heufür die Binnenwirtschaft eine Zäsur. Denn te die Mehrzahl der Einwohner im Besitz viele bisherige Praktiken wurden damit für der Wohnung. Die rechtlichen Grundlagen nicht WTO-konform erklärt. Viele Gesetze, des Privateigentums an Wohnungen waVorschriften und Verordnungen mussten ren 1998 geschaffen worden. Vorher gab es abgeschafft, angepasst oder ersetzt wer- praktisch nur staatlich gebaute Mietwohden. Die diesbezüglichen Voraussetzun- nungen. Als Beispiel für das veränderte Kongen waren teilweise bereits vorausgehend oder begleitend geschaffen worden. Damit sumverhalten, aber auch für die Praktiken verbunden war eine Privatisierung bisher in der Binnenwirtschaft, sei hier der Autostaatlicher Unternehmen. Der Anteil des mobilbau angeführt. Die Fahrzeugprodukstaatlichen Sektors an Wertschöpfung und tion war einer der klassischen geschützten Beschäftigung ging deutlich zurück. Er fiel Sektoren der chinesischen Wirtschaft mit gemäß offiziellen Zahlen von 70 Prozent Importzöllen von 80 bis 100 Prozent. Bis auf rund 30-40 Prozent heute. Genaue zum WTO-Beitritt war seine Bedeutung Zahlen sind nicht erhältlich, weil hinter aber sehr gering. Seit dem WTO-Beitritt ist vielen scheinbar privaten Unternehmen in der Fahrzeugbau direkt und indirekt zu eiletzter Instanz gleichwohl der Staat als ulti- ner der wichtigsten verarbeitenden Indusmativer Eigner und Kontrolleur steht. Der trie der Binnenwirtschaft geworden. Durch den WTO-Beitritt wurden die Anteil staatlicher Unternehmen an den Investitionen hingegen blieb schon in den Importzölle für Personenwagen bis 2006 offiziellen Zahlen sehr hoch. Das Wachs- abgesenkt – auf immer noch hohe 25 Prozent. Sie summieren sich mit Mehrwerttumsmodell änderte sich fundamental. Der Beitrag des Beschäftigungswachs- steuern und spezifischen Konsumsteuern, tums zum BIP-Wachstum ging deutlich die praktisch nur für importierte Fahrzeuzurück, während das Gros von erhöhten In- ge erhoben werden. Die Importzölle sind vestitionen und damit verbunden Produk- dadurch bis auf den Import von Premitivitätszuwächsen kam. Charakteristisch um-Fahrzeugen und von Luxuskarossen waren die enorm erhöhten Investitions- prohibitiv. Zusätzlich wurden Autoteile quoten, d.h. der Anteil der Investitionen als Vorleistungen mit einem Zoll von 13 am Bruttoinlandsprodukt. Sie stiegen in zwei Etappen an. Zunächst mit dem Eintritt in die WTO auf über 40 Prozent des BIP. Seit 2009 überstiegen sie die Quote von 45 Prozent und erreichten fast 50 Prozent, was historisch und im internationalen Vergleich einzigartig ist. Diese Quoten sind auf der Basis von nominellen Werten berechnet. Das Wachstumsmodell beruhte noch mehr auf erhöhter KaProduktion und Import von Fahrzeugen in China 1998-2016. pitalintensität (engl. capital Quelle: ORCA, National Bureau of Statistics 4 Deutsche MittelstandsNachrichten powered by Ausgabe |07/17 Prozent, später 10 Prozent belegt. Entsprechend importieren manche Hersteller Komponenten und lassen sie in China nur montieren. Vor allem aber verbesserte der WTO-Beitritt Chinas den Rechtsstatus und den Ausblick für die ausländischen Unternehmen. Schließlich setzte Bejing eine neue Politik für die Verkehrs-Infrastruktur um: Das Land setzte auf die Automobilisierung. Daher explodierten Autoproduktion und -absatz von sehr niedrigen Niveaus aus nach dem Beitritt zur WTO. Sie machten China schon 2009 zum größten Fahrzeugmarkt der Welt. Seither hat China den Rest der Welt abgehängt. Die Automobilindustrie ist besonders instruktiv für das Verhalten Chinas seit dem Beitritt zur WTO im Dezember 2001. Die Importe sind volumenmäßig relativ zur inländischen Produktion unbedeutend. Sie werden durch Zölle und andere Handelsschranken eng begrenzt. China hat damals mit dem WTO-Beitritt unterzeichnet, dass es keine Importbarrieren errichten, seinen Binnenmarkt anders als in der Vergangenheit öffnen, staatliche Unternehmen nicht mehr bevorzugen, keinen Technologietransfer mehr erzwingen und keine staatlichen Subventionen an die Unternehmen mehr ausschütten werde. Das sind wesentliche Inhalte der WTO-Abkommen. Zum exakt gleichen Zeitpunkt wurde der Startschuss gegeben für die Entwicklung der Autoindustrie – in den Industrieländern die wichtigste Industrie bis heute. Für die Entwicklung einer modernen Volkswirtschaft ist die Automobilisierung ein einzigartiger Wachstumsimpuls. In den USA schon in den 1910er und 1920er Jahren, in voller Breite wie in Europa, Japan oder Korea erst nach dem Zweiten Weltkrieg hat die Durchsetzung der Autoindustrie enorme Kopplungs-, Akzelerator- und Multiplikator-Effekte ausgelöst – dies über Jahrzehnte hinweg. Mit der Massen-Motorisierung waren der Straßen- und Autobahnbau, der Aufbau eines Tankstellennetzes, von Lagern, Transport- und Umlade-Stationen, Werkstätten, Garagen, Servicestationen, von touristischen Infrastrukturen usw. verbunden. Ganz zu schweigen von der Autoindustrie selbst, welche alle möglichen vor- und nachgelagerten Branchen wie die Stahl-, Metall-, chemische oder KunststoffIndustrie stimuliert und indirekt den Maschinenbau, Banken und Versicherungen 17. Februar 2017 beflügelt. Die gewaltigen notwendigen Investitionen haben in China Millionen von Arbeitsplätzen, steigende Realeinkommen und Konsum geschaffen. Zum gleichen Zeitpunkt, als dieser Takeoff losgetreten wurde, hatte China das WTOAbkommen unterschrieben – und machEU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker und der chinesische te später das Gegenteil Staatspräsident Xi Jinping. Quelle: EU-Rat von dem, was dort vertraglich festgelegt worden war: Prohibitive beitende Industrie Chinas vom Geist der Importzölle von 25 Prozent, zunächst als Importsubstitution getränkt – sogar mehr Übergangslösung festgelegt, wurden zum denn je. Das mag für ein normales SchwelDauerzustand. Sie verhindern Autoim- lenland legitim sein, aber nicht mehr für porte außer für Oberklassen- und Luxus- das größte Land im Welthandel. Es steht karossen – bis heute. Die ausländischen zudem im fundamentalen Widerspruch zu Autohersteller werden gezwungen, in Joint den WTO-Verträgen, die China unterschrieVentures mit staatlichen einheimischen ben hat, um sich den ungehinderten ZuHerstellern, Mehrheit praktisch immer gang zu den westlichen Absatzmärkten zu beim Staat, die Autos zu produzieren. Die verschaffen. Zudem verwendet China dort ausländischen Hersteller müssen dort ihre anders als viele andere Schwellenländer IP einbringen. In nicht wenigen Fällen ent- auf breitester Basis Formen der Absatzfördeckten sie dann über die Zeit hinweg, dass derung, die schlichtweg inakzeptabel sind. die Pläne und Konstruktionsdetails auf In China, dem mit Abstand größten einmal auch bei den Muttergesellschaften und schnellst wachsenden Automarkt der ihrer JV-Partner auftauchen und dort zur Welt, ist nicht nur Realität, was Donald Abkürzung von Entwicklungsaufwendun- Trump für den amerikanischen Automarkt gen verwendet werden. Keine Chance, dies angekündigt hat: Prohibitive Importzölle auf juristischem oder politischem Weg zu zur Marktabschottung. Darüber hinaus ist verhindern oder zu bestrafen. Die einhei- ein ganzes Arsenal an Investitions- und mischen Hersteller erhalten Subventionen Handelspraktiken Standard, die auf der aller Art von verschiedenen staatlichen schwarzen Liste der WTO stehen: Für ausStellen: Eigenkapital und Darlehen von ländische Hersteller nur Produktion in der Stadt- oder Provinzregierung, welche Joint Ventures, die mehrheitlich im Staatsso eine Wachstumsindustrie ansiedeln besitz sind; erzwungener Technologiewollen. Die Zentralregierung schreibt als transfer; teilweise sogar staatlich angeordBedingung für die Zulassung eines neuen neter Diebstahl von geistigem Eigentum; Fahrzeugherstellers einen Mindestanteil hohe Subventionen für einheimische, zuchinesischer Lieferungen vor, häufig von meist staatliche Hersteller, insbesondere 40 Prozent beim Start und von 80 Prozent auch um das Exportgeschäft anzukurbeln. innerhalb weniger Jahre. Schließlich ver- Der an strikte Regeln gebundene ‚freie gibt der Staat Subventionen an jene Unter- Welthandel‘, um den es angeblich erst mit nehmen, welche eine bestimmte Export- Trump so schlecht bestellt sein wird, ist quote erreichen. Das sind alles Praktiken, in Bezug auf China eine Wunschprojektidie dem Buchstaben und Geist des WTO- on, welche mit der ökonomischen Realität Abkommens widersprechen. nichts gemeinsam hat. Dabei spielt eine Auch heute, 15 Jahre nach Unterzeich- Rolle, dass die im betreffenden Sektor tänung des WTO-Abkommens, ist diese für tigen Unternehmen nicht klagen können. die Binnenwirtschaft maßgebliche verarDass dies nicht so wahrgenommen 5 Deutsche MittelstandsNachrichten powered by Ausgabe |07/17 wird, dafür spielt eine Rolle, dass die im betreffenden Sektor tätigen Unternehmen nicht klagen können. Für die globale Autoindustrie ist der chinesische Markt ein enormes Geschenk – starkes Wachstum, hohe Margen. Aber die Arbeitsplätze entstehen fast ausschließlich in China und nur wenige in Europa oder in den USA. Bei den Branchen, wo China amerikanische und europäische Produzenten verdrängt hat, sind sie ohnehin in China konzentriert. Makroökonomisch ist der freie Welthandel bei so ungleich angewandten Regeln ein Beschäftigungstransfer aus den USA und Europa nach China. Die Europäische Union hat im Durchschnitt aller Branchen Zolltarife von rund 2 Prozent. Diese Form von Freihandel ist ein Einfallstor für Importe. China hat 25 Prozent auf Autos, das mit Abstand wichtigste Konsumgut. Im nächsten Artikel wird gezeigt werden, wie sich dies in Kombination mit Auflagen und zusätzlichen Abgaben auf den chinesischen Automarkt 17. Februar 2017 und auf die Globalisierung der Autoindustrie ausgewirkt hat und noch auswirken wird. Eine Konsequenz ist klar: Die Subventionierung einheimischer Hersteller wirkt sich in einer erheblich latenten Überkapazität aus – genauso wie in vielen anderen Branchen der chinesischen Wirtschaft. Die Kapazität beträgt heute je nach Schätzung 35-40 Millionen Fahrzeuge pro Jahr – und fieberhaft werden von allen Herstellern weitere Ausbauschritte vorangetrieben. Strafzölle USA bereiten Handels-Sanktionen gegen die EU vor Anlass für die harte Gangart ist nicht Trump, sondern die Weigerung der EU, Hormonfleisch aus den USA zu importieren P olitico stellt in einer Analyse die ersten konkreten protektionistischen Maßnahmen der US-Regierung unter Donald Trump vor. Demnach wird das US-Handelsministerium ein Dokument präsentieren, wonach ein Einfuhrzoll in Höhe von 100 Prozent auf insgesamt 90 europäische Produkte, insbesondere agrarwirtschaftliche Produkte aus Frankreich, Deutschland und Italien, erhoben werden sollen. Weitere betroffene EU-Staaten sind Belgien, Dänemark, Finnland, Griechenland, Irland, Luxemburg, die Niederlande, Österreich, Portugal, Spanien und Schweden. Das geht aus dem diesbezüglichen Dokument des Office of United States Trade Representative (USTR) hervor. Im Detail bezieht sich der Zoll auf Rindfleisch, Schweinefleisch, Geflügelfleisch, Roquefort-Käse , Tomaten, Blumen, Paprika, Maronen, Trüffel, Zwieback, Schokoladenblöcke- und Produkte, die nicht mehr als zwei Kilogramm wiegen, Aprikosen, Birnen, diverse Marmeladen, Säfte, Zitrusfrüchte und Senf. Doch auch Motorräder, Haarspangen, Einfachgarne, Viskose-Stapelfasern, Produkte, die zur Verwendung als Kleber oder dafür geeignet sind, oder Fettstoffe aus Wollfett sind betroffen. Die EU-Staaten Polen, Estland, Lettland, Litauen, Tschechien, Slowenien, die Slowakei, Kroatien, Rumänien, Bulgarien, Ungarn, Zypern, Malta und Großbritannien sind von den neuen Einfuhrzöllen nicht betroffen. Der aktuelle Disput zwischen der EU und den USA um Einfuhrzölle geht auf die 20-jährige Weigerung der EU zurück, die Einfuhr von US-amerikanischem Hormonfleisch zu genehmigen, so Politico. Einflussreiche Lobby-Gruppen der US-Bauern drängen die Trump-Regie- US-Präsident Donald Trump. rung als Reaktion dazu, die EU möglichst hart zu treffen. Die EU verfügt über einen Handels-Überschuss von 136 Milliarden Euro mit den USA und ist daher besonders anfällig für „Handelssanktionen“ in Form von „Strafzöllen“. Die Europäische Kommission kündigt in einer Stellungnahme an, den US-amerikanischen Prozess zur „Wiedereinführung von Han- delssanktionen“ sorgfältig zu verfolgen. Das USTR hat noch keine Mitteilung veröffentlicht, weil der designierte USTRChef Robert Lighthizer vom US-Senat noch nicht bestätigt wurde. „Ich bin definitiv besorgt (…). An- Quelle: Flickr/Gage Skidmore/CC BY-SA 2.0 scheinend ist die Bereitschaft, sich in einem Dialog zu engagieren, nicht mehr auf der US-Seite. Dies ist ein Zeichen dafür, dass wir in den Handelsbeziehungen zwischen Washington und Brüssel in eine neue Ära eintreten“, sagt der Vorsitzende des Handelsausschusses des Europäischen Parlaments, Bernd Lange. Doch der Deutsche Bauernverband 6 Deutsche MittelstandsNachrichten powered by Ausgabe |07/17 (DBV) gibt eine vorläufige Entwarnung. Die eigentliche Gefahr für landwirtschaftliche Produkte aus Deutschland besteht nach Ansicht des Verbands in einem möglichen Brexit und nicht in USEinfuhrzöllen. DBV-Sprecher Michael Lohse sagte den Deutschen Mittelstands Nachrichten: „Wir sind generell gegen eine Abschottung durch Zölle. Allerdings ist Deutschlands Export von Agrargütern in die USA mit 1,7 Milliarden Euro, was einem Anteil von drei Prozent entspricht, relativ gering. Wesentlich bedeutender ist der Agrarexport nach Großbritannien, sodass durch die Details zum BrexitBeschluss mit größere Auswirkungen gerechnet werden muss. Nach Großbritannien werden fast fünf Milliarden Euro exportiert und damit 3,4 Milliarden Euro mehr als importiert. Anzumerken ist, dass die deutsche Agrarwirtschaft über Premiumprodukte verfügt, die sehr gefragt in den USA sind und die es dort in der Qualität nicht gibt. Unsere Premiumprodukte sind übrigens auch in Russland gefragt. Dort hatten wir beispielsweise im ersten Jahr der Sanktionen Einbußen von 600 bis 700 Millionen Euro. Doch das hat sich wieder eingependelt, weil wir alternative Märkte erschließen konnten. Nichtdestotrotz bleibt Russland ein interessanter Markt. Russland bezieht seine sogenannten ,weißen Waren‘ – wie Milch und Käse – mittlerweile aus der Schweiz. Die Schweizer profitieren von den Sanktionen. Doch infolge des starken Frankens müssen die Russen höhere Preise bezahlen.“ Politico berichtet, dass Trumps Plan für die Umsetzung von Einfuhrzöllen eine negative wirtschaftliche Entwicklung in den USA auslösen könnte, da Einfuhrzölle zu einer Verteuerung europäischer Produkte auf dem US-Markt führen würde. Paul Henry, ein VespaHändler aus Portland/Oregon, sagt, dass ein hundertprozentiger Einfuhrzoll auf Motorräder aus Europa zur Kündigung von fünf seiner Mitarbeiter führen würde. „Wenn ein Zoll auf Vespas umgesetzt wird, würden wir unser Geschäft verlieren, weil einige US-Landwirte ihr Vieh unbedingt mit Wachstumshormonen spritzen wollen. Es gibt hier keine logische Verbindung“, meint Henry. Der Hormonfleisch-Streit stammt aus dem Jahr 1996, als die USA die EU bei der Welthandelsorganisation (WTO) wegen ihres Einfuhr-Verbots für hormonbehandeltes Rindfleisch verklagten. Nachdem Europa das Verbot weiterhin aufrechterhielt, ermächtigte die WTO die USA, Einfuhrzölle zu verhängen, die den durch das Hormonfleisch-Verbot verursachten Schäden gleichkämen. Seitdem wird in der öffentlichen Debatte von „Strafzöllen“, „Vergeltungszöllen“ oder „indirekten Handelssanktionen“ zwischen den USA und der EU gesprochen. Die „Strafzölle“ hatten einen erheblichen Einfluss, sodass der Wert der EU-Einfuhren, die von den Zöllen betroffen waren, in den Jahren 1997-1998 von 130 Millionen Dollar auf weniger als 15 Millionen Dollar im Jahr 2008 zurückgingen, heißt es in einem Bericht des Congressional Research Service. Im Jahr 2009 entschärfte der damalige US-Präsident Barack Obama den Handelsstreit zwischen den USA und der EU. Die US-Regierung setzte die „Strafzölle“ aus und die USA durften im Gegenzug jährlich 50.000 Tonnen hormonfreies Rindfleisch nach Europa exportieren. „Das war zu einem Zeitpunkt, als die Amerikaner wirklich offen waren, auf Augenhöhe zu verhandeln“, meint Godelieve Quisthoudt-Rowohl von der Europäischen Volkspartei (EVP), die als Berichterstatterin des Europäischen Parlaments bei der Einigung im Jahr 2009 fungierte. Das Europäische Parlament berichtete dazu: „Seit Mai 2009 haben die USA ihre Sanktionen gegen bestimmte EUProdukte sukzessive gelockert, nachdem die EU-Kommission mit der US-amerikanischen Regierung ein dementsprechendes Abkommen ausgehandelt hatte. Als Gegenleistung hob die EU die Importquote von hochwertigem Rindfleisch aus den USA und Kanada an. Bereits im Mai vergangenen Jahres stimmten die USA einer kompletten Aufhebung der Strafzölle zu. Am meisten profitieren von dieser Aufhebung Italien mit Erzeugnissen im Wert von mehr als 99 Millionen USDollar, Polen (25 Millionen US-Dollar), Griechenland und Irland (jeweils 24 Millionen US-Dollar), Deutschland und Dänemark (jeweils 19 Millionen US-Dollar), 17. Februar 2017 Frankreich (13 Millionen US-Dollar) und Spanien (9 Millionen US-Dollar).“ Das diesbezügliche Abkommen wurde im Jahr 2012 vom Europäischen Parlament verabschiedet. Es bildete die Grundlage für die TTIP-Verhandlungen, die ein Jahr später beginnen sollten. „Heute sind unsere Handelsgespräche ins Stocken geraten (…) und im Lichte einer ,America First‘-Politik scheint sich die Stimmung geändert zu haben“, so Quisthoudt-Rowohl. Die möglichen Einfuhrzölle, die derzeit von Trump in Erwägung gezogen werden, wurden von Obamas ausgehendem Handelsvertreter Michael Froman angekündigt, der – inmitten seiner Frustration über die TTIP-Verhandlungen – im Dezember 2016 den Startschuss um die Diskussion von „Strafzöllen“ gegeben hatte. Der Rindfleisch-Streit zwischen der EU und den USA begann vor allem deshalb, weil die US-Bauernverbände das Abkommen von 2009 zwischen der EU und den USA als unfair einstufen. Sie sagen, dass Länder wie Australien und Uruguay, die hormonfreies Rindfleisch billiger produzieren können, die EUEinfuhrquote von 50.000 Tonnen Rindfleisch leichter erfüllen können, die ursprünglich für die USA gedacht gewesen ist. Der Präsident des North American Meat Institute, Barry Carpenter, warnte bereits im vergangenen Dezember davor, dass die USA „Strafzölle“ ausschließlich als „letztes Mittel“ in Betracht ziehen sollten. Doch er fügte im Hinblick auf die Situation der Fleischbauern in den USA hinzu, dass es offenbar der „einzige Weg ist, um eine faire Entschädigung für die Verluste der US-Fleischindustrie, die aufgrund des EU-Hormonverbots entstanden sind, zu bekommen.“ Jean-Luc Mériaux, Generalsekretär der Europäischen Gemeinschaft für Viehzucht und Fleischhandel (UECBV), erkennt in dem Zoll-Vorhaben der USA den Ansatz, Brüssel zum Handeln zu bewegen. „Es ist für US-Landwirte teurer, die Anforderungen der EU zu erfüllen, als für Rindfleischerzeuger aus anderen Ländern, die die Quote nutzen. Es gibt ein wirtschaftliches Problem (…). Die Botschaft an die Kommission lautet: Fin7 Deutsche MittelstandsNachrichten powered by Ausgabe |07/17 den Sie einen Weg, dies zu beheben“, so Mériaux. Der Zoll-Plan der US-Regierung hat für einen öffentlichen Protest bei europäischen Motorrad-Herstellern gesorgt. Mehr als 11.500 Menschen und Organisationen haben sich in der vergangenen Woche im Rahmen einer OnlineKonsultation an das USTR gewandt und sich gegen die geplanten Einfuhrzölle ausgesprochen. Viele empörten sich darüber, dass die Zoll-Liste – anders als die Zoll-Liste aus den 1990er Jahren – nicht nur landwirtschaftliche Produkte, sondern auch Motorräder umfasst. „Der Motorradsektor sollte nicht in Handelskonflikte über Nahrungsmittelprodukte hineingezogen werden. Europäische Unternehmen müssen in der Lage sein, auf dem US-Markt fair zu konkurrieren und dürfen nicht durch künstliche und politisch motivierte Handelsbarrieren behindert werden“, sagt Manuel Ordonez de Barraicua vom europäischen Verband der Motorrad-Hersteller (ACEM). Die US-amerikanische American Motorcyclist Association forderte ihre Mitglieder im vergangenen Monat dazu auf, das USTR mit Protestbriefen zu überschütten. Der europäische Lebensmittel-Riese Nestlé protestierte ebenfalls gegen den Zoll-Plan des USTR. Dieser bedrohe mehr als 250 Arbeitsplätze und mache beliebte europäische Schaumweine wie San Pellegrino und Perrier unerschwinglich teuer, so der Konzern in einer Mitteilung. „Die USA haben ihre Fähigkeit, diesen Streit zu lösen unter Beweis gestellt – d.h., die Kommission (Anm.d.Red. EUKommission) an den Verhandlungstisch zurückzuholen – ohne zusätzliche Zölle 17. Februar 2017 einführen zu müssen“, heißt es in einem Schreiben der Nestlé-Anwälte. Reinhard Quick, Handelsrechts-Professor an der Universität des Saarlandes, meint, die Konzerne sollten zunächst darauf warten, dass Trump sich in seine Rolle als US-Präsident eingewöhnt. „Derzeit rollen die Amerikaner die Kanonen aus, doch sie haben noch nicht gefeuert“, meint er. Der Präsident der Amerikanischen Handelskammer in Deutschland, Bernhard Mattes, sagte der FAZ nach Gesprächen in Washington, dass der Kongress in der Tat solche Strafzölle vorbereite: So würden „Pläne für eine Steuer von 20 Prozent auf Importe vorangetrieben“. Das träfe „Konsumgüter, Feinwerkzeuge und Produktionsanlagen, die aus Deutschland geliefert werden“. Digitalisierung Luxusgut Internet: Kanada zeigt Deutschland den Fortschritt Kanada will jedem Bürger Breitband-Internet zugänglich machen – in Deutschland kann man nur davon träumen D ie kanadische Telekommunikationsaufsicht CRTC will die gesetzliche Grundversorgung der Bürger um eine moderne Option aufstocken, berichtet die AFP. Momentan ist diese Vorsorge durch ein Vorhandensein von Wasser- und Energieversorgung, Infrastruktur, Postwesen, Telefonanschluss und Gesundheitswesen geregelt. In Kanada sollen die Bürger nun ein Anrecht auf das Internet bekommen – und nicht nur irgendeines: Jeder Anschluss soll mindestens eine DownloadGeschwindigkeit von 50 Mbit/s haben und mit mindestens 10 Mbit/s Dateien senden können. Zudem plant die Behörde, jedes WLAN – in privaten Haushalten und entlang der Hauptstraßen – auf den neuesten Stand der Technik zu bringen. In den Untergrundbahnen größerer Städte wie Montreal ist das bereits möglich. „Der Zugang zum Breitband-Internet ist eine grundlegende Dienstleistung, auf die alle Kanadier Anspruch haben“, sagte Behördenchef Jean Pierre Blais. Um dieses Ziel in die Wege zu leiten, wolle CRTC einen Fonds einrichten, der in den nächsten fünf Jahren 750 Millionen US-Dollar (538 Millionen Euro) in bestehende Pro- Kanada hat damit eine Vorreiterrolle gramme der Regierung investiert. Zuinne, zu der Deutschland nur aufschauen sätzlich wolle man zudem die Geschwindigkeit der existierenden Verbindungen kann. Die Telekom ist lediglich verpflichdeutlich erhöhen. tet, jedem Haushalt einen TelefonanKanada ist das zweitgrößte Land schluss zur Verfügung zu stellen – mehr der Erde und hat 12 Millionen Haushal- nicht. Die Bundesregierung fördert den te sowie eine Million Unternehmen. Ausbau zwar, trifft mit diesen Plänen Die Internet-Fähigkeit solle deshalb ein aber auf die Vormachtstellung der Telegrundsätzliches Bürgerrecht sein und kom. Diese sieht nämlich den Ausbau der den Erfolg insbesondere kleinerer Un- Leitungen nicht durch Glasfasernetze ternehmen stützen. „Hohe Qualität und vor, sondern durch die sogenannte Veceine zuverlässige Verbindung sind für die toring-Technologie. Lebensqualität der Kanadier und Kanadas wirtschaftlichen Wohlstand daher essentiell“, so Blair weiter. Etwa 82 Prozent dieser Personen besäßen bereits relativ schnelles Internet, aber etwa 18 Prozent seien unterversorgt, so CRTC. Spätestens Ende 2021 sollen 90 Prozent schnelles Internet haben. Der Rest solle innerhalb von 15 Jahren Deutschland muss in Sachen digitaler Infrastruktur aufholen. angeschlossen werden. Quelle: Flickr/frankieleon/CC BY 2.0 8 Deutsche MittelstandsNachrichten powered by Ausgabe |07/17 „Vectoring ermöglicht durch den Ausgleich von elektromagnetischen Störungen zwischen den Leitungen eine Verdoppelung der Bandbreite“, heißt es auf der Seite der Telekom. „Um diesen Ausgleich zu ermöglichen, muss der Betreiber allerdings die Kontrolle über sämtliche Leitungen am Kabelverzweiger haben. Das bedeute, „andere Betreiber können dort keine eigene Technik instal- lieren“. Die Telekom besitzt nach eigenen Angaben insgesamt rund 330.000 Kabelverzweiger, andere Wettbewerber „haben davon circa 8.200 mit eigenen Leitungen angebunden (2,3 Prozent)“. Wirtschaftsverbände und Mitbewerber protestieren bereits dagegen. Einige Europaparlamentarier kritisierten zudem, dass diese Technologie für die rasant steigenden Datenmengen 17. Februar 2017 bald nicht mehr ausreichen würden. Der Akamai-Bericht „State of the Internet“ zeigt, wie wichtig aber ein effektiver Ausbau ist, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Während Platz 1 Norwegen einnimmt, liegt Deutschland mit einer durchschnittlichen Verbindungsrate von 13,7 Mbit/s europaweit auf Platz 17 – als eine der wirtschaftlich stärksten Nationen. Wirtschaft Fachkräftemangel: Tausende freie Stellen in der Technologie Der akute Fachkräftemangel ist in der IT-Branche besonders auffallend. E-Techniker und Developer sind sehr gefragt Dem hohen Bedarf im Technologiebereich folgen Berufsgruppen aus dem Gesundheitswesen. Hier werden insbesondere examinierte Fachkräfte und Spezialisten in der Gesundheits- und Krankenpflege sowie Geburtshilfe (19.441 offene Stellen) gesucht sowie examinierte Fachkräfte und Spezialisten der Altenpflege (13.351 offene Stellen). Zusammen mit der Berufsgruppe der Humanmediziner (4.858 offene Stellen) und Fachkräften/Meistern der Orthopädie-, Rehatechnik und Hörgeräteakustik (3.845 offene Stellen) stehen hier aktuell über 40.000 offene Stellen zur VerIT-Techniker haben derzeit keine Probleme bei der Anstellung. Quelle: Flickr/Ateens Chen/CC BY 2.0 fügung, die besetzt werden sollen. Auf Länderebene liegt der Bedarf im Gesundheitswesen hingegen unterschiedlicher verteilt. eues Jahr, neuer Job – so lautet die Jobsuchmaschine Adzuna. Mit 40.828 offenen Stellen auf Ad- So werden Fachkräfte in der KrankenDevise bei zahlreichen Arbeitnehmern, die sich zu Beginn des Jahres für zuna.de, ist die Nachfrage nach Exper- pflege und Altenpflege insbesondere einen Neuanfang entscheiden. Vom ten für IT-Anwenderberatung sowie in Nordrhein-Westfalen gesucht wähständigen Fachkräftemangel ist die Softwareentwicklung und Programmie- rend Bayern die größte Nachfrage Rede, doch wo genau befinden sich diese rung mit Abstand am größten. Gefolgt an Spezialisten für die Geburtshilfe Jobs, bei denen Bewerber aktuell die bes- von Spezialisten in der Elektrotechnik aufweist. Die Berufsgruppe für Spezialisten ten Chancen haben müssten? Die Studie (34.673 offene Stellen) sowie Ingenieubasiert auf einer aktuellen Fachkräfte- ren im Bereich Mechatronik und Au- aus dem Bereich Klempnerei, Sanitär-, Engpassanalyse der Bundesagentur für tomatisierungstechnik (28.250 offene Heizungs- und Klimatechnik schafft Arbeit (Stand: Dezember 2016), die 20 Stellen) sorgen diese top drei Berufs- es ebenso unter die Top 10 der BerufsBerufsgruppen identifiziert, bei denen gruppen alleine für über 100.000 offe- gruppen mit der meisten Nachfrage. ein Fachkräftemangel erkennbar ist. ne Stellen für Fachkräfte im Technolo- Hier sind aktuell 11.847 offene Stellen Hier wurde ermittelt, bei welchen dieser giebereich. Auf Länderebene entfallen zu besetzen. Ähnlich wie im Bereich 20 Berufsgruppen die meisten Stellen- dabei die meisten Stellen auf Bayern, Technologie entfallen dabei die meisten ausschreibungen anfallen, basierend Baden-Württemberg und Nordrhein- Stellen auf Bayern, Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen. auf dem aktuellen Anzeigenindex der Westfalen. N 9 Deutsche MittelstandsNachrichten powered by Ausgabe |07/17 17. Februar 2017 Automobil Trotz Abgas-Skandal: Deutsche Autoindustrie boomt in China Während der Marktanteil deutscher Autobauer in den USA relativ gering ist, wuchs der Absatz auf dem chinesischen Markt auf Chinas Straßen ein deutsches Modell. Marktanteil PKW-Markt in China. C hina sei Dank: Angetrieben durch ein 13-prozentiges Plus auf dem chinesischen Absatzmarkt konnten die drei deutschen Autokonzerne ihre weltweiten PKW-Verkäufe im vergangenen Jahr insgesamt um fünf Prozent steigern. Außerhalb Chinas ging es allerdings nur um 1,5 Prozent aufwärts. Entsprechend stark ist die Bedeutung Chinas für die deutsche Autoindustrie gestiegen: Gut ein Drittel (34 Prozent) des weltweiten PKW-Absatzes von Volkswagen, BMW und Daimler entfällt auf China. Ein Jahr zuvor lag der Anteil noch bei 30 Prozent, vor fünf Jahren bei 22 Prozent. Vor allem beim Volkswagenkonzern hängt viel vom Absatz in China ab: Fast vier von zehn weltweit verkauften Autos (39 Prozent) werden an chinesische Kunden ausgeliefert. Bei BMW und Daimler beträgt der Anteil jeweils 22 Prozent Seit dem Jahr 2009 konnten die drei deutschen Autokonzerne ihren Absatz in China mehr als verdreifachen: von 1,6 auf 5 Millionen PKW. Im gleichen Zeitraum stieg der Absatz der Unternehmen außerhalb Chinas „nur“ um 37 Prozent. Das sind Ergebnisse einer Analyse der Prüfungsgesellschaft EY, für die die weltweiten PKW-Verkäufe der Automobilkonzerne analysiert wurden. „Der chinesische Markt hat 2016 nach einem schwachen Vorjahr wieder einen Gang hochgeschaltet, der Absatz von Neuwagen stieg um 18 Prozent“, sagt Peter Fuß, Partner bei EY. „Dafür waren aller- Quelle: EY dings vor allem staatliche Steuergeschenke für kleinere Modelle verantwortlich, von denen auch die deutschen Autobauer kräftig profitierten. Denen verhalf der China-Boom nämlich zu einem weltweiten Absatzplus von immerhin fünf Prozent, während es außerhalb Chinas nur sehr langsam aufwärts ging“. Im Vorjahr hatten die drei deutschen Autokonzerne in China noch einen kräftigen Dämpfer erhalten: Der Absatz war um ein Prozent geschrumpft, der Gesamtmarkt war immerhin noch um zehn Prozent gewachsen. Entsprechend stark sank der Marktanteil deutscher Fabrikate im Jahr 2015: von 24,1 auf 21,9 Prozent. Trotz des starken Wachstums um 13 Prozent im vergangenen Jahr verloren die drei deutschen Autokonzerne auch 2016 beim Marktanteil weiter leicht an Boden: Zusammen kamen sie auf einen Marktanteil von 21,1 Prozent – im bisher besten Jahr 2012 war mit einem Anteil von 25,3 Prozent noch mehr als jeder vierte Neuwagen Mit einem Absatzwachstum von 28 Prozent verzeichnete die Mercedes Benz Group im vergangenen Jahr das stärkste Wachstum der drei deutschen Autokonzerne in China, gefolgt von Volkswagen (plus 12 Prozent) und BMW (plus 11 Prozent). Noch wesentlich höhere Wachstumsraten fuhren allerdings chinesische Autobauer ein, die besonders stark im Segment der kleineren SUV vertreten sind und so besonders von den Steuererleichterungen profitierten. Sie legten in den ersten zehn Monaten des Jahres um 20 Prozent zu, während ausländische Marken nur ein Absatzwachstum von 12 Prozent verzeichneten. „Das Jahr 2015 hatte die deutsche Automobilindustrie in China auf den Boden der Tatsachen zurück geholt, 2016 war nur dank staatlicher Steuergeschenke wieder ein sehr gutes Jahr“, sagt Peter Fuß, Partner bei EY. „Der chinesische Markt ist in Wirklichkeit deutlich weniger stark, als die hohen Wachstumsraten des vergangenen Jahres suggerieren.“ Für 2017 ist Fuß zurückhaltend: „Zwar hat die chinesische Regierung die Steuererleichterungen nicht – wie ursprünglich geplant – abgeschafft, sondern nur halbiert. Zu groß war offensichtlich die Sorge vor einem Absturz“. Dennoch rechnet Fuß mit einer deutlich schwächeren Dynamik in diesem Jahr: „Ein Wachstum von fünf Prozent wäre schon sehr gut. Im ersten Quartal könnte es sogar zu Rückgängen kommen, weil es Ende letzten Jahres zahlreiche vorgezogene Käufe gab“. Zahl der verkauften PKW in China 2005-16 in Tausend. Quelle: EY 10 Deutsche MittelstandsNachrichten powered by Ausgabe |07/17 In jedem Fall seien die Zeiten des ungebremsten Wachstums in China vorbei, der Markt normalisiere sich weiter, und gerade ausländische Anbieter hätten es in China inzwischen deutlich schwerer als früher, so Fuß. So habe China ohne Vorankündigung ab dem 01.12.2016 eine Sondersteuer auf Luxusautos eingeführt, was vor die deutschen Premiumanbieter besonders hart treffe. Dennoch bleibe China ein Zukunftsmarkt, betont Fuß: „Noch immer besitzen verhältnismäßig wenige Chinesen ein Auto – auch im Vergleich zu anderen Schwellenländern“. Im vergangenen Jahr ist die Motorisierungsrate – also die Zahl der PKW je 100 Einwohner – in China nach EY-Berechnungen von 9,2 auf 10,7 gestiegen. Zum Vergleich: In Deutschland lag sie Ende 2016 bei 55,8 – also mehr als fünfmal so hoch. Aber auch in Brasilien und in Russland ist die PKW-Dichte mit 15 bzw. 26 PKW auf 100 Einwohner deutlich höher als in China. Der chinesische Absatzmarkt habe also noch erhebliches Potenzial, so Fuß: „Der Wohlstand steigt, die Mittelschicht ist so statusbewusst wie eh und je, und Autos ‚Made in Germany‘ haben dort immer noch einen guten Ruf.“ Angesichts 17. Februar 2017 Die Chinesen besitzen dank einer niedrigen PKW-Dichte noch den „Traum vom Auto“. Quelle: Flickr/Fabrício Marcon/CC BY 2.0 der schwierigen Situation in den USA, wo die deutschen Autobauer nur einen sehr niedrigen Marktanteil haben, und angesichts des geringen Wachstumspotenzials in Europa bleibe China für die deutsche Autobranche der Markt, der die größten Wachstumschancen biete. China hat im vergangenen Jahr seine Position als wichtigster Automarkt der Welt weiter ausgebaut. Innerhalb von zehn Jahren hat sich der Anteil Chinas am weltweiten Neuwagenmarkt mehr als verdreifacht – von zehn auf aktuell 34 Prozent. Im gleichen Zeitraum ging der Marktanteil Europas von 34 auf 22 Prozent deutlich zurück. Digitalisierung Deutscher Mittelstand nutzt kaum digitale Vertriebskanäle Der Online-Vertrieb wird genau wie die Digitalisierung selbst bei vielen Mittelständlern noch nicht genügend genutzt E -Commerce, sprich der Vertrieb über Online-Kanäle, spielt im deutschen Mittelstand bisher nur eine untergeordnete Rolle. Eine repräsentative Studie von KfW Research auf Basis des KfW-Mittelstandspanels zeigt: Die kleinen und mittleren Unternehmen erwirtschaften zurzeit auf digitalem Weg lediglich 153 Milliarden Euro im Jahr – das sind gerade einmal 4 Prozent der Gesamtumsätze der mittelständischen Wirtschaft. Dabei nutzt mit 16 Prozent nur ein kleiner Teil der Mittelständler überhaupt die Möglichkeit, seine Produkte oder Dienstleistungen online an den Kunden zu bringen. Anders gesagt: 8 von 10 Mittelständlern erzielen noch keinerlei Umsätze über den digitalen Vertriebsweg. Die KfW-Analyse zeigt aber auch, dass der digitale Wandel den Mittel- stand langsam aber sicher erreicht: Je neuer ein Unternehmen am Markt ist und je jünger der Inhaber selbst ist, umso größere Bedeutung hat der E-Commerce für den Umsatz. Der weit überwiegende Teil der digitalen Umsätze des Mittelstands wird derzeit nach Schätzungen von KfW Research mit 144 Milliarden Euro über Transaktionen im Geschäftskundenbereich (B2B-Geschäft) generiert. Komponentenzulieferungen im Maschinen- und Fahrzeugbau spielen dabei die wesentliche Rolle. Im direkten Endverbrauchergeschäft erwirtschaften alle deutschen Mittelständler zusammen via E-Commerce nur 9 Milliarden Euro. Zum Vergleich: Amazon als größter OnlineShop setzt in Deutschland alleine rund 8 Milliarden Euro jährlich um. Wenig überraschend sind im Mittelstand die Handelsunternehmen die Digitalisierungs-Vorreiter. Jeder dritte Einzeloder Großhändler betreibt E-Commerce – entweder im direkten Kontakt zum Endverbraucher oder als Lieferant eines anderen Unternehmens. Der Anteil des OnlineUmsatzes am Gesamtumsatz der Branche erreicht hier mit 25 Prozent den höchsten Wert im Mittelstand. In allen anderen Branchen spielt der Online-Vertriebskanal eine deutlich geringere Rolle. Unter den mittelständischen Dienstleistern sind etwa 13 Prozent im E-Commerce aktiv, der auf diesem Weg erwirtschaftete Umsatzanteil liegt bei 17 Prozent. Auch wenn E-Commerce in der Breite des Mittelstands noch nicht angekommen ist, so macht es einen deutlichen Unter11 Deutsche MittelstandsNachrichten powered by Ausgabe |07/17 schied bei der Performance, ob ein Unternehmen darauf setzt oder nicht: Wie die KfW-Analyse belegt, blicken kleine und mittlere Unternehmen mit ausgeprägten E-Commerce-Aktivitäten zuversichtlicher in die Zukunft und sie haben ein höheres Umsatzwachstum. Die mittlere Umsatzwachstumsrate bei Mittelständlern mit erheblichen Online-Umsätzen (mehr als die Hälfte des Umsatzes) lag zuletzt sogar bei 15 Prozent – und erreichte damit annähernd das Vierfache derer von Unternehmen ohne Umsätze aus E-Commerce (4 Prozent). Allerdings zeigt sich auch, dass der starke Konkurrenzdruck im Online-Geschäft seine Spuren hinterlässt, den Spielraum der Firmen bei der Preissetzung einengt und so ihre Profitabilität negativ beeinflusst. Die durchschnittliche Umsatzrendite mittelständischer Unternehmen mit ECommerce liegt laut KfW-Erhebung bei 4 Prozent, die der Mittelständler ohne doppelt so hoch bei 8 Prozent. „Der digitale Vertrieb steckt in weiten Teilen des Mittelstands nach wie vor in den Kinderschuhen. Das heißt leider auch: Die kleinen und mittleren Unternehmen nutzen die Chancen, die E-Commerce der Wirtschaft eröffnet, bisher zu wenig“, sagt Dr. Jörg Zeuner, Chefvolkswirt der KfW. Auch wenn sich nicht jede Branche gleichermaßen für E-Commerce eigne, seien die Unternehmen doch auf E-Commerce ist nicht für jede Branche geeignet. 17. Februar 2017 breiter Front mit sich wandelnden Kundenbedürfnissen konfrontiert. „Ständige Erreichbarkeit, rasche Lieferzeiten, Echtzeitberatung, individuelle Angebote, Benutzerfreundlichkeit oder Mobilfähigkeit werden zunehmend nachgefragt – sowohl von Endverbrauchern als auch von Unternehmenskunden. Digitale Vertriebskanäle könnten hier für viele Mittelständler die Antworten liefern.“ Zudem könnten online Umsätze generiert werden, die auf klassischem Vertriebsweg nicht zustande gekommen wären – etwa durch die Erschließung neuer, digital-affiner Kundengruppen oder eine regionale Verbreiterung des Absatzgebietes. Quelle: Flickr/Jan Hrdina/CC BY-SA 2.0 Impressum Geschäftsführer: Christoph Hermann, Karmo Kaas-Lutsberg. Herausgeber: Dr. Michael Maier (V.i.S.d. §§ 55 II RStV). Redaktion: Anika Schwalbe, Julia Jurrmann, Cüneyt Yilmaz, Nicole Oppelt, Nicolas Dvorak. Sales Director: Philipp Schmidt. Layout: Nora Lorz. Copyright: Blogform Social Media GmbH, Kurfürstendamm 206, D-10719 Berlin. HR B 105467 B. Telefon: +49 (0) 30 / 81016030, Fax +49 (0) 30 / 81016033. Email: [email protected]. Erscheinungsweise wöchentliches Summary: 52 Mal pro Jahr. Bezug: [email protected]. Mediadaten: [email protected]. www.deutsche-mittelstands-nachrichten.de 12
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