Der Respirator ist ein Beatmungsgerät für Patienten

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In diesem Heft
Weltwirtschaft Wie soll Deutschland auf
Titel
einen drohenden Steuerkrieg reagieren?
Wahlkampf Wie Martin Schulz die Kanzler-
schaft Angela Merkels ins Wanken bringt
12
Parteien Finanzminister Wolfgang Schäuble
attackiert den neuen
SPD-Kanzlerkandidaten
Affären Die fragwürdigen Privilegien
für die Getreuen des früheren
EU-Parlamentspräsidenten Schulz
20
22
70
Manager Carsten Kengeter will die
Deutsche Börse groß machen und droht
zu scheitern – auch an sich selbst
Medien
Internet Frauen schlägt in den sozialen
Netzwerken oft der blanke Hass entgegen
74
Deutschland
Ausland
Leitartikel Wie Martin Schulz die
Ein Überlebender des syrischen Foltergefängnisses Saidnaja berichtet / Russisches Narrenspiel: Der Prozess gegen Alexej Nawalny
76
Ukraine Zwei Jahre nach dem Minsker
Abkommen kämpft die Regierung um die
Loyalität der Menschen im Osten des Landes 78
Rumänien Eine junge Protestbewegung
demonstriert gegen
die Elite und für Europa
82
Syrien Von Aleppo nach Homs – eine
Reportage aus dem von Baschar al-Assad
kontrollierten Rumpfstaat
84
deutsche Politik belebt
8
Meinung Kolumne: Im Zweifel links /
So gesehen: Trumps Bademantel
10
CDU kritisiert Schulz als Heuchler /
Pannenserie bei der Luftwaffe / Verbotene
Böller in Hunderten Haushalten entdeckt 26
Karrieren Frank-Walter Steinmeiers
schwieriger Weg vom Berufspolitiker
zum Volkspräsidenten
30
Internet Private Initiativen kämpfen
gegen Hassbotschaften
und Falschnachrichten im Netz
34
Polizei Unterschiedliche Computersysteme der Länder behindern die Jagd
auf Verbrecher
37
Gastbeitrag BKA-Chef Holger Münch
fordert notwendige
Reformen in der Terrorbekämpfung
38
Asyl Der Juraprofessor Daniel Thym
über die Forderung, die Flucht
nach Deutschland zu erleichtern
40
Lobbyismus Warum sich der Deutsche Wetterdienst seine Gesetze selbst schreiben darf 41
Wohnen Wie staatliche Vorschriften
das Bauen verteuern
42
Zeitgeschichte Konrad Adenauers
Sohn Paul führte ein bislang
unbekanntes Tagebuch über die letzten
Jahre des Nachkriegskanzlers
44
Landschaftspflege Warum Personalräte von
Behörden Spaßreisen bezahlt bekommen 47
Hauptstadt Die teuren Pannen
bei der Sanierung des berühmten
Pergamonmuseums
48
Verkehr Der alltägliche Schrecken –
die Geschichte eines tödlichen Unfalls
50
Sport
Bayern München, die Passkönige der
Champions League / Magische
Momente: Magdalena Neuner über ihren
ersten Weltmeistertitel im Biathlon
Ski alpin Die Besessenheit des österreichischen Skihelden Marcel Hirscher
USA Trumps Einreisepolitik belastet
den Sport
Kultur
Ende des Serienbooms / Europäische
Satiriker empfehlen Donald Trump
ihre Heimatländer als besten Partner /
Kolumne: Zur Zeit
Europa Der Schriftsteller Navid Kermani
bereist den Osten des Kontinents
Kino Denzel Washingtons Familiendrama
„Fences“
Architektur David Chipperfield im
SPIEGEL-Gespräch über
seine umstrittenen Pläne für das
Haus der Kunst in München
Buchkritik Geschichte einer Obsession –
das Buch „I Love Dick“
der Amerikanerin Chris Kraus
Wirtschaft
Hohmann-Dennhardt hätte noch mehr
kassieren können / Keine Entschädigung
bei wildem Streik? / Die unfairen
Klauseln der Sparkassen
Vermögen Wer wird reich
und wer nicht?
Korruption Schmierten Siemens und andere
Konzerne beim Budapester U-Bahn-Bau?
Gerechtigkeit Der Ökonom Thomas
Straubhaar fordert ein
Grundeinkommen – als Abwehr gegen
einen europäischen Trumpismus
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62
67
68
92
94
Horrorkreaturen aus dem Genbaukasten
für Hobbyforscher? / E-Zigaretten
besser als Tabakqualm / E-Lkw nicht besser
als Dieselbrummi
96
Paarforschung „Heißhunger nach Dir“ –
die Geschichte des Liebesbriefs
98
Erziehung Erbe der Gewalt –
wie Männer aus zerrütteten Familien
selbst gute Väter werden können
101
Medizin Risiko Nebenwirkung –
Ärzte verschreiben zu oft
die gefährlichen Fluorchinolone
104
Früher war alles schlechter: „peak child“ –
die Zahl der Kinder auf der Welt
wächst nicht mehr / Wie fährt man
glücklich U-Bahn?
52
Ein Backpacker überlebte ohne Proviant
im Dschungel
53
Karrieren Die Neuerfindung des Expolitikers
und Bahnmanagers Ronald Pofalla
54
Homestory Was Kursteilnehmer an einer
Berliner „Brauakademie“ lernen
59
91
Wissenschaft
Gesellschaft
Eine Meldung und ihre Geschichte
Lesen Sie
den SPIEGEL
doch mal
hier:
72
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Das deutsche Nachrichten-Magazin
Leitartikel
Endlich Sauerstoff
Der gute Start von SPD-Kanzlerkandidat Schulz ist eine Hoffnung für die liberale Demokratie.
8
DER SPIEGEL 7 / 2017
eine von ihrer Arbeit begeisterte Bundeskanzlerin erwarten dürfen, waren beide Auftritte eine Zumutung, für die
Demokratie auch. Wer soll sich für Politik engagieren,
wenn selbst die Bundeskanzlerin uninspiriert auftritt?
Für die Sozialdemokratie ist Schulz ein Geschenk, weil
da endlich einer ist, der einen ungebrochenen Machtwillen
zeigt. Die Spitzenkandidaten der vergangenen beiden
Wahlkämpfe, Frank-Walter Steinmeier (2009) und Peer
Steinbrück (2013) wirkten aus verschiedenen Gründen gehemmt, zaudernd, zweifelnd. Parteichef Sigmar Gabriel
reihte sich da ein. Das alles war krumm, unstimmig, und
die Wähler merkten das.
Schulz dagegen wirkt so frisch wie machthungrig, seine
SPD scheint ihn zu lieben. Wenn Kandidat und Partei es
schaffen, eine Einheit zu bleiben, ist das ein Gewinn für
alle Demokraten – wegen der
Alternative.
Bislang begeistert Schulz
als Schulz, nicht als ein Politiker, der ein Programm anbietet. Allerdings kann das
nur kurzfristig funktionieren.
Auf neue Ereignisse, vor allem auf Überraschungen –
und Schulz ist eine – reagieren Menschen in zwei Etappen: erst emotional, dann mit
Fragen, also rational. Schulz
befindet sich noch in der ersten Etappe, der schöneren.
Wenn der Jubel abklingt,
wird er sagen müssen, was er
mit Deutschland vorhat, welche Flüchtlingspolitik er verfolgen will, wie er mehr Gerechtigkeit erreichen will, ob
es neue Gesetze zur inneren
Sicherheit braucht oder nicht. Damit wird er Bürger vergraulen, und im politischen Betrieb lauern hinter jeder
Ecke Widersprüche, Ungereimtheiten, Affären. Schulz
muss erst noch zeigen, ob er wirklich geeignet ist.
Die Bundeskanzlerin hingegen muss paradoxerweise
auf Donald Trump hoffen. Wenn seine Politik so wild
bleibt, wie sie bislang ist, oder noch wilder wird, werden
sich die Deutschen fragen, ob Merkel, die Unerschütterliche und Erfahrene, nicht doch die richtige Kanzlerin ist.
Dann würde halt mit wenig Sauerstoff gelebt.
Aber im Moment geht es nicht um die Frage, wer gewinnt. Was in diesen Tagen zählt, ist die Aussicht auf
einen spannenden Wahlkampf, nachdem es zweimal so
lahm zuging. In der Demokratie kommt es nicht nur auf
Ergebnisse an, sondern auch auf Prozesse. Ein guter, leidenschaftlicher Wahlkampf könnte die liberale Demokratie aus ihrer Krise befreien.
Dirk Kurbjuweit
ROLF VENNENBERND / DPA
D
er Respirator ist ein Beatmungsgerät für Patienten,
denen der Sauerstoff ausgeht. Martin Schulz ist
derzeit der führende Respirator der deutschen Politik. Er belebt die Demokratie, macht Leuten Lust auf die
SPD, Hoffnung auf einen Wechsel in der Regierung. Endlich ist da eine Alternative zu Bundeskanzlerin Merkel,
die seit über elf Jahren regiert und so müde und lustlos
wirkt, als wäre ihr das selbst zu lange.
Dies ist eine Wendezeit. Es geschieht die Wende von einer Demobilisierungsphase in der deutschen Politik zu einer
Mobilisierungsphase, und das ist eine Wende zum Guten.
Merkel wollte nicht, dass sich die Deutschen allzu viel mit
Politik beschäftigen, sie wollte die Bevölkerung über viele
Jahre beruhigen, beschwichtigen, einschläfern. Die Demokratie war unterversorgt mit
politischem Sauerstoff, also
mit Debatten, Emotionen, Ideen. Die Wahlbeteiligung sank.
Als Merkel diese Zeit der
Agonie selbst beendet hat,
mit ihrer Flüchtlingspolitik,
begann Phase eins der Mobilisierung. Bei der AfD sammelten sich Ängste, Ressentiments und Enttäuschung, die
Debatte wurde lebhaft, zum
Teil aber auch widerlich. Die
Demokratie wirkte plötzlich
lebendig, wie erwacht, das
aber vor allem auf dem rechten und äußerst rechten Flügel. Damit rutschte die liberale Demokratie in eine Krise.
Nun erlebt Deutschland eine
Wende in der Wende, dank
Schulz. Mit ihm hat Mobilisierungsphase zwei begonnen, in
der Mitte der Gesellschaft und
links davon. Die Begeisterung, die er derzeit auslöst, zeigt
auch, was so lange vermisst wurde. Schulz ist ja nicht der
ganz große Charismatiker, die alles überragende Lichtgestalt,
das personifizierte Anti-Establishment. Er ist seit Langem
beteiligt an den Machtspielen in der Europäischen Union
und der Bundes-SPD. Er ist so bodenständig wie Merkel, als
Typ eher Gelsenkirchener Barock als Avantgarde.
Von Merkel unterscheidet ihn vor allem Leidenschaft.
Schulz brennt für Europa, er hat für dieses schwierige
Projekt immer lustvoll gekämpft. Man kann ihm zutrauen,
dass er das auch für andere Projekte tut. Merkel dagegen,
die immer zurückhaltend war in ihren Äußerungen, wirkt
in diesen Tagen ausgebrannt. Zweimal hat sie sich als
Kanzlerkandidatin für 2017 präsentiert, einmal allein, einmal mit Seehofer. Zweimal wirkte sie müde, erschöpft,
zweimal konnte sie niemandem klarmachen, was sie eigentlich mit einer vierten Amtszeit will. Für Bürger, die