Datum Seite | | 13.02.2017 8 Auflage | 291.142 Ist Kyriakos Mitsotakis der neue Tsipras? Athens Oppositionsführer erklärt in Berlin, wie Von Michael Martens er sein Land aus der Krise führen will politische Analysen spezialisierten Athe- tung wolle er die Geldgeber davon überDenkfabrik Macro -Polis. zeugen, im Gegenzug die mit Athen verMitsotakis werde in Berlin vermutlich einbarten Primärüberschüsse also die sagen, eine von ihm geführte Regierung Haushaltsüberschüsse ohne Berücksichtiwerde Strukturreformen einläuten, die in gung des Schuldendienstes von 3,5 auf 2 Griechenland seit 40 Jahren niemand ge- Prozent zu senken. Diese Forderung hat viele Fürsprecher, auch beim Internationawagt habe, mutmaßt Malkoutzis, sieht aber eine „Glaubwürdigkeitslücke" in der len Währungsfonds, wo man es schlicht Argumentation. „Natürlich wäre es ein gu- unrealistisch nennt, dass Griechenland tes Signal, solche Reformen durch das Par- über Jahre hinweg so hohe Primärüberlament zu bringen aber damit wäre es ja schüsse erwirtschaften kann wie derzeit nicht getan", spielt Malkoutzis auf vergan- vorgegeben. Doch eine Senkung der angestrebten Überschüsse bedeutet, dass die gene Erfahrungen an, als Neuerungen Milliarden von anderswoher kommen zwar zu Gesetzen, aber nie implementiert müssen, lies: aus den anderen Staaten der wurden. Die Reaktion der Geldgeber werEurozone, da der IWF nicht zahlen wird. de lauten: „Strukturreformen sind großarDas ist im Wahljahr insbesondere in tig, aber bis sie wirken, müssen die RechFrankreich, Deutschland und den Niedernungen trotzdem weiter aufgehen." landen nicht zu vermitteln. Und so könnte Einerseits sind Mitsotakis' Verspre- die Grexit-Debatte wieder aufkommen, chen maßvoller als die jedes anderen die Mitsotakis unbedingt vermeiden will. griechischen Oppositionsführers seit Freilich wäre Griechenland schon heuWiedereinführung der Demokratie 1974. te nicht mehr in der Eurozone, wenn MitEin Populist wie Tsipras ist er nicht. Aber sotakis' früheres Abstimmungsverhalten seine wirtschaftspolitische Grundsatzre- maßgeblich für die Zukunft des Landes gede in Thessaloniki im vergangenen Sep- wesen wäre. Im Mai 2010 wurde im Athetember ließ doch aufhorchen. Mitsotakis ner Parlament über das langwierig ausgeversprach eine Reduzierung der Grund- handelte erste Milliardenpaket für Griesteuer um 30 Prozent, der Körperschaft- chenland abgestimmt, das in anderen steuer von 29 auf 20 Prozent sowie die Er- Volksvertretungen, darunter im Bundesmäßigung weiterer Abgaben oder die Ab- tag, unter Mühen und Murren gebilligt schaffung einer Sondersteuer auf Wein. worden war. Obwohl Griechenlands Überin der Eurozone davon abhing, ließ Er stellte ein Wirtschaftswachstum von leben der damalige Oppositionsführer Antonis vier Prozent und die Schaffung von Samaras die ND-Fraktion gegen das Paket 120 000 neuen Arbeitsplätzen Jahr für stimmen. Jahr in Aussicht. Nur eine Abgeordnete hatte den Mut, Niemand bestreitet, dass die steuerlisich ihm zu widersetzen und mit „Ja" zu che Belastung griechischer Unternehmen stimmen. Das war die frühere Außenmiund Bürger erstickend hoch ist. Doch benisterin Dora Bakogiannis, Mitsotakis' vor die von Mitsotakis geplanten SteuerSchwester. Es könne nicht angehen, dass senkungen (vielleicht) die Wirtschaft beausländische Parlamente Griechenland leben, werden sie dem Staat zunächst EinMilliardenhilfen gewährten, während nahmeausfälle bescheren, die auszugleisich griechische Abgeordnete gegen die chen sind. Ähnlich wie 2009 der damalige nötige Reformen sträubten, sagte sie daOppositionschef Giorgios Papandreou, mals und erinnerte daran, dass dem Land dessen Losung „Lefta yparchoun" („Geld andernfalls der Staatsbankrott drohe. ist da") lautete, will Mitsotakis Sparpoten- Von Samaras wurde sie dafür aus der Partial im Staatsapparat entdeckt haben tei ausgeschlossen. Mitsotakis durfte bleidoch ist fraglich, ob der Umfang zur Ge- ben, denn er hatte gegen das Reformpagenfinanzierung ausreicht. ket gestimmt. Womöglich möchte ihn in Hinzu kommt, dass Mitsotakis' an sich Berlin ja jemand fragen, wie er das heute durchaus einleuchtende Wünsche letztlich sieht und was er damals anders sah als seiebenfalls darauf hinauslaufen, dass ande- ne Schwester. re Europäer zahlen müssten, um GriechenStünden in Griechenland land in der Eurozone zu halten auch Parlamentswahlen an, die wenn Mitsotakis sich hütet, das so zu formulieren. So sagt er immer wieder, durch Oppositionspartei ND umfassende Strukturreformen als Vorleis ner — ATHEN, 12. Februar Die Umfragen sind seit Monaten eindeutig. Stünden in Griechenland Parlamentswahlen an, die konservative Oppositionspartei Nea Dimokratia (ND) wäre klare Siegerin. Zwar haben viele griechische Demoskopen die linke Regierungspartei Syriza schon oft unterschätzt. Doch liegt die ND in der Wählergunst inzwischen so weit vor Syriza (um mehr als zehn Prozentpunkte), dass sich Oppositionschef Kyriakos Mitsotakis als sicherer Nachfolger von Ministerpräsident Alexis Tsipras fühlen darf sofern denn gewählt wird, denn regulär währt die Legislaturperiode noch bis 2019. Tsipras hat zwar gesagt, er wolle durchhalten, doch verlangen Athens Geldgeber bis spätestens Juli neue Rentenkürzungen und Steuererhöhungen, die den angeschlagenen Regierungschef aus der Bahn werfen könnten. Wenn Mitsotakis auf seiner ersten Deutschland -Reise als ND-Chef an diesem Montag Kanzlerin Angela Merkel und am Dienstag Finanzminister Wolfgang Schäuble trifft, geht es also nicht um Courtoisie. Der Oppositionschef will erklären, wie er Griechenland aus der Krise führen möchte auch vor dem einflussreichen Wirtschaftsrat der CDU, dessen Generalsekretär Wolfgang Steiger gerade verkündet hat, die Krisenstrategie in Griechenland greife nicht: „Der Ansatz von FDP-Chef Christian Lindner, darüber nachzudenken, wie wir Griechenland zwar in der EU und ihrer Solidargemeinschaft halten, aber aus der Eurozone hinausbegleiten, ist deshalb richtig." Die bisherigen „Hängepartien", so Steiger, seien mit vielen Milliarden Euro und einem massiven Verlust an Vertrauen in das europäische Projekt viel zu teuer erkauft worden: „Trotzdem ist keinerlei Perspektive erkennbar. Es ist höchste Zeit für — — einen Neustart." Im Wirtschaftsrat könnte man Mitsotakis Fragen stellen, deren Beantwortung er in Griechenland bisher systematisch mied. Das gilt etwa für die unvermeidbare Reform des hochdefizitären griechischen Rentensystems. „Mitsotakis hat deutlich gemacht, dass er keinesfalls weitere Beamte entlassen will. Damit bleibt als Feld für bedeutende Einsparungen nur das Rentensystem. Dazu hat er sich bisher aber nicht geäußert", sagt Nick Malkoutzis, Chef der auf wirtschafts — — — — wäre klare Siegerin.
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