Medikamenten-Engpässe: Immer weniger Wirkstofie vorrätig

Ausgabe | 07
17. Februar 2017
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Wirtschaft
Medikamenten-Engpässe: Immer weniger Wirkstoffe vorrätig
Wichtige Medikamente können nicht mehr geliefert werden. Doch die Probleme liegen nicht nur in der Produktionskette
E
s war einen Tag vor Heiligabend, als der
Mangel offenbar wurde: ein Engpass
beim Antibiotikum Piperacillin. Das Mittel
ist für viele Patienten lebensnotwendig. „In
der Krebsbehandlung wird es eingesetzt
bei Menschen mit einem schlechten Immunsystem, wenn sie Fieber bekommen“,
sagt der Onkologe Bernhard Wörmann.
Kurz vor Weihnachten musste der medizinische Leiter der Deutschen Gesellschaft
für Hämatologie und Medizinische Onkologie daher noch an Kliniken Empfehlungen für alternative Behandlungsmethoden
verschicken. Derlei Notstände sind längst
keine Seltenheit mehr.
Gerade in der Krebstherapie seien
Versorgungsengpässe bei Arzneimitteln
bedrückend, sagt Wörmann. „Es gibt eine
Reihe von Präparaten, die nicht ersetzbar
und daher unverzichtbar sind.“ Und selbst
bei austauschbaren Medikamenten führten
Engpässe zu einer Beunruhigung der Patienten. „Deswegen sind wir in der Onkologie
sehr sensibel auf diesem Gebiet.“ Grund für
den Engpass bei Piperacillin ist ein Betriebs-
unfall im größten Herstellungsbetrieb des
Wirkstoffs in China. Keine Seltenheit: Seit
ein paar Jahren mehren sich die Fälle, „in
Einige Rabattverträge verhindern die ausreichende Versorgung mit Medikamenten.
Quelle:Flickr/Global Panorama/CC BY-SA 2.0
denen eine ordnungsgemäße Arzneimittelversorgung nicht mehr gewährleistet ist, weil
zugelassene Arzneimittel nicht oder nicht in
der erforderlichen Menge verfügbar sind“,
stellt das Bundesinstitut für Arzneimittel
und Medizinprodukte (BfArM) in seinem
jüngsten Bulletin fest.
Das Institut führt eine Liste, die auf
freiwilligen Meldungen beruht. Dabei handelt es sich um verschreibungspflichtige
Präparate, die überwiegend zur Behandlung
lebensbedrohlicher oder schwerwiegender
Erkrankungen bestimmt und für die keine
Alternativpräparate verfügbar sind. Krebsmittel, Antibiotika und Notfallarzneimittel fallen ebenso darunter wie Präparate,
die im Zusammenhang mit Operationen
verwendet werden. Insgesamt werden dort
zurzeit Lieferengpässe bei 22 Medikamenten
aufgelistet. In rund 70 Prozent der Fälle sind
Probleme bei der Herstellung der Grund für
Ausfälle, bei 25 Prozent werden laut Bundesinstitut nicht ausreichende Produktionskapazitäten angeführt.
Weltweite Konzentrationsprozesse
Experten sehen vor allem in der zunehmenden Spezialisierung der Unternehmen
auf wenige Wirkstoffe eine Ursache. „Ein
Hauptgrund für mögliche Lieferschwierigkeiten ist die weltweite Konzentration der
Wirkstoffproduktion“, sagt der stellvertretende Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Pharmazeutischen Industrie
Analyse
Wechsel der Krankenkasse kann Geld sparen
Durch einen Krankenkassenwechsel
können Verbraucher Hunderte Euro im Jahr
sparen - ohne dass sie dabei Abstriche bei
den Leistungen machen müssen. Dabei gilt:
Es gibt nicht die eine perfekte Krankenkasse
– die Wahl hängt viel mehr von den persönlichen Bedürfnissen des Versicherten
ab. Das gemeinnützige Verbraucherportal
Finanztip hat die gesetzlichen Krankenkassen unter die Lupe genommen.
Mittlerweile erheben alle deutschen
Krankenkassen neben dem gesetzlich festgelegten Beitrag von 14,6 Prozent einen
Zusatzbeitrag. 2017 liegt dieser zwischen
0,3 und 1,8 Prozent und muss vollständig
vom Arbeitnehmer übernommen werden.
Laut GKV-Spitzenverband sind rund 90
Prozent der Bürger in Deutschland ge-
setzlich versichert, also rund 70 Millionen
Menschen. „Verbraucher können durch
einen Wechsel viel Geld sparen, ohne dabei
auf Leistungen verzichten zu müssen“, sagt
Julia Rieder, Expertin für Versicherungen
bei Finanztip. Ein Arbeitnehmer mit einem
Bruttoeinkommen von 3.000 Euro monatlich kann beispielsweise im Jahr 400 Euro
Beitrag sparen, wenn er von der teuersten
bundesweit geöffneten zur günstigsten
Kasse wechselt. Für Spitzenverdiener sind
sogar bis zu 580 Euro Ersparnis drin.
95 Prozent der Leistungen sind gesetzlich festgelegt und damit bei allen Kassen
gleich. Trotzdem sollten sich Versicherte
vor der Entscheidung für eine neue Kasse
genau überlegen, welche Zusatzleistungen ihnen wichtig sind. Das betrifft zum
Beispiel die Bereiche Service, Vorsorge,
Familienleistungen, alternative Medizin
und Zahnbehandlungen.
Versicherte, die ihre Krankenkasse
wechseln möchten, können dies mit nur
zwei Schreiben erledigen: Sie kündigen bei
der bisherigen Krankenkasse und füllen
den Mitgliedsantrag für die neue Kasse
aus. Die Kündigung ist komplett, sobald
der alten Kasse eine Mitgliedsbescheinigung der neuen vorliegt. „Jeder hat die
freie Wahl. Denn gesetzliche Kassen dürfen keinen ablehnen“, sagt Rieder. „Man
muss sich keine Sorgen machen, durch
einen Wechsel ohne Krankenversicherung
dazustehen. Klappt etwas nicht, bleibt
man automatisch bei der alten Kasse
versichert.“
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(BPI), Norbert Gerbsch. Dies sei dem globalen
Kostendruck im Gesundheitswesen geschuldet. Zudem werde beim kleinsten Verdacht
auf eine Verunreinigung die Produktion und
Auslieferung angehalten. Lieferengpässe
seien somit auch der Preis für das hohe Sicherheitsniveau. Auch dem Bundesinstitut
zufolge kommen Lieferengpässe aufgrund
von Qualitätsmängeln immer öfter vor.
Nach dem Lieferausfall im chinesischen
Werk hat das Bundesgesundheitsministerium in Deutschland bei der Versorgung mit
Piperacillin am Jahresende den Notstand
ausgerufen, denn eine gleichwertige Arzneimitteltherapie steht nicht zur Verfügung. Vorübergehend kann dadurch von den Behörden
der Vertrieb nicht zugelassener Präparate aus
dem Ausland genehmigt werden, um Kliniken
und Patienten eine Alternative zu bieten.
Immer wieder Engpässe bei Chemotherapie-Wirkstoff
Immer wieder zu Engpässen kam es in
den vergangenen Jahren auch beim Chemotherapie-Präparat Melphalan. Die Produktion
des Wirkstoffs ist kompliziert und in Europa
gibt es nur noch eine Firma mit Sitz in Italien.
„Wenn nur noch ein Hersteller da ist, weil die
Hürden relativ hoch sind, dann darf bei dem
nichts passieren“, sagt Wörmann. Melphalan
wird unter anderem eingesetzt, um Krebszellen vor einer Transplantation zu zerstören.
Deutsche Unternehmen versuchen,
sich gegen Lieferengpässe zu wappnen. Bei
Stada etwa kommt eine sogenannte „2nd
Source-Strategie“ zum Einsatz, wie das Unternehmen mitteilt. Diese habe zum Ziel,
für alle wichtigen Wirkstoffe mindestens
zwei qualifizierte Lieferquellen zu haben,
idealerweise aus unterschiedlichen Ländern.
Trotz der Sicherheitsmaßnahmen könne
es aber auch bei Stada zu Lieferengpässen
kommen, was derzeit bei Metropolol zur
Behandlung von Bluthochdruck der Fall sei.
Grund sei die Nicht-Lieferfähigkeit eines
Marktteilnehmers, der den Großteil eines
Rabattvertrags mit einer Krankenkasse bedienen sollte. Die übrigen Vertragspartner – so
auch Stada – könnten die dadurch entstandenen Ausfälle nur über einen begrenzten
Zeitraum ausgleichen. Von Bayer heißt es,
aktuell gebe es keine Lieferengpässe.
Abgesehen von den krassen Beispielen
wie Piperacillin und Melphalan ist aber nicht
jeder Lieferengpass automatisch ein Versorgungsengpass, wie BPI-Geschäftsführer
Gerbsch und andere Experten betonen. Ge-
sundheitsminister Hermann Gröhe beruhigt:
„Patientinnen und Patienten können sich in
Deutschland auf eine gute Arzneimittelversorgung verlassen.“ Gemeinsame Verantwortung aller Beteiligten sei es, Lieferengpässe
zu vermeiden. Der CDU-Politiker verweist
auf eine im Dialog mit der Pharmaindustrie
vereinbarte Liste „versorgungsrelevanter,
engpassgefährdeter Arzneimittel“. Diese
werde „in Kürze“ vorliegen.
Medikamente fließen aus Deutschland ab
Immer häufiger zu einem Problem wird
laut Pharmaindustrie und Apotheker der
sogenannte Parallelhandel. Dabei fließen
Medikamente aus Deutschland ab, weil die
hierzulande verhandelten Arzneimittelpreise
teils deutlich unter denen anderer Länder
in Europa liegen. Dann lohnt es sich für
spezialisierte Händler, rabattierte Medikamente aufzukaufen und in anderen Ländern
anzubieten. Das Unternehmen Boehringer
Ingelheim kann davon ein Lied singen. Offenbar könnten einzelne Apotheken das
Diabetes-Präparat Jardiance nicht jederzeit
wie üblich problemlos vom Großhandel
beziehen, sagt Sprecherin Heidrun Thoma.
Ihr Unternehmen liefere eigentlich deutlich größere Mengen in den deutschen Markt,
als zur Versorgung von Patienten notwendig
seien. „Wir können nur vermuten, dass auf
den Handelsstufen der Verkauf von deutscher
Ware ins EU-Ausland dazu führt, dass unser
Produkt in Deutschland nicht immer sofort
für jeden Patienten erhältlich ist.“ Rückmeldungen zu Jardiance gebe es insbesondere
aus Großbritannien und skandinavischen
Ländern. Auch andere Unternehmen beklagen, aufgrund der attraktiven Margen
bestehe ein großer Anreiz für Großhandel
oder Apotheken, Medikamente ins Ausland
zu exportieren.
Der Vorsitzende des Deutschen Apothekerverbands (DAV), Fritz Becker, stellt fest,
Deutschland sei inzwischen in einzelnen
Fällen zu einem Exporteur etwa in Richtung
Großbritannien geworden, wo höhere Preise
gezahlt würden. Zwar sei der Handel mit
Arzneien über Ländergrenzen hinweg in
Europa durchaus üblich und könne für den
einzelnen Patienten wichtig sein, die Folgen
könnten aber auch Marktverzerrungen sein.
Becker plädiert daher dafür, die im Sozialrecht
verankerte Importförderklausel zu streichen.
Der Verband forschender Arzneimittelhersteller (vfa) verlangt zur Eindämmung
unkontrollierbarer Abflüsse ins Ausland ein
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Handeln der Politik: „Preisbedingte Lieferengpässe lassen sich vermeiden, wenn die
direkte Abrechnung erstattungsfähiger Medikamente zwischen Kassen und Unternehmen
erfolgt und auf eine öffentliche Listung der
Preisrabatte in Deutschland künftig verzichtet wird“, sagt vfa-Hauptgeschäftsführerin
Birgit Fischer zu Reuters. Vertraulichkeit sei
in anderen europäischen Ländern Standard.
Im Entwurf des Gesetzes zur Stärkung
der Arzneimittelversorgung, das in den
nächsten Wochen vom Bundestag verabschiedet werden soll, ist Vertraulichkeit zu
den Preisen vorgesehen. Die Pharmaindustrie
hatte auf die Geheimhaltung gedrängt, weil
die deutschen Preise bei Verhandlungen im
Ausland als Referenzgröße herangezogen
werden. Doch die Diskussion darüber, wie
weit die Vertraulichkeit gehen soll und welche
Institutionen des Gesundheitswesens weiter
Einblick erhalten, hält bis in die Schlussberatungen zu dem Gesetz an. Die Industrie
sorgt sich, dass es am Ende zu einer weichen
Vereinbarung kommt, die mit echter Vertraulichkeit wenig zu tun hat. Vermutlich werden
die Details am Ende in einer nachträglichen
Verordnung geregelt.
Das Bundesgesundheitsministerium
sieht den Parallelhandel dagegen nicht wirklich als Problem an. Vielmehr sei dieser eine
Möglichkeit des Handels mit Arzneimitteln im Rahmen des freien Warenverkehrs
im Binnenmarkt. „In erster Linie hiervon
betroffen sind die Staaten, aus denen Arzneimittel exportiert werden. Deutschland
ist beim Parallelhandel mit Arzneimitteln
weit überwiegend Empfängerland“, heißt
es aus Gröhes Ministerium. Die Industrie
verweist dagegen auf Zahlen der Europäischen Zulassungsbehörde EMA. Demnach
betreffen fast 70 Prozent des geplanten Geschäftes von Parallelhändlern eine Ausfuhr
und nur noch rund 30 Prozent die Einfuhr
nach Deutschland.
Industrie fordert Mehrfachvergabe bei
Rabattverträgen
Knappheit droht auch, weil bei Rabattverträgen mit den Krankenkassen meist nur
ein Unternehmen einen Zuschlag erhält
und dieses damit allein für die Versorgung
der Versicherten dieser Kasse zuständig ist.
Engpässe entstünden somit nicht nur beim
Start eines Rabattvertrags, sondern auch
während der zweijährigen Laufzeit, sagt der
Chef des Pharmaverbands Pro Generika, Bork
Bretthauer, zu Reuters.
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„Die Unternehmen, die bei den Rabattverträgen nicht zum Zuge kommen, müssen
ihre Produktionsplanung entsprechend
nach unten korrigieren oder ziehen sich mit
dem Medikament vom deutschen Markt
zurück“, sagt Bretthauer. Rabattverträge
entschieden inzwischen oft gar darüber, ob
Medikamente überhaupt für Deutschland
produziert würden. Bretthauer fordert daher,
Mehrfachvergaben gesetzlich festzuschreiben. Dann würde die Verantwortung für ein
Medikament auf mehrere Schultern verteilt.
Auch der weltgrößte Generika-Hersteller
Teva betont auf Anfrage, als Folge der Rabattverträge gebe es für einzelne Nachahmerpräparate (Generika) immer weniger
Anbieter auf dem Markt. „Im schlimmsten
Fall kann deshalb der Produktionsausfall
nur eines einzigen Herstellers zu Engpässen für ein Arzneimittel führen.“ In jeden
dieser Verträge müsse daher mehr als ein
Unternehmen eingebunden werden, um
Lieferengpässe ausgleichen zu können.
Der BPI fordert gar, dass die Krankenkassen zur Vermeidung von Lieferengpässen an mindestens drei Anbieter Zuschläge
erteilen müssten, von denen auch noch
mindestens einer seine Produktionsstätte
in der EU haben müsse. Zugleich sollte es
Ausschreibungen für Arzneimittel erst dann
geben, wenn mindestens vier Anbieter im
Markt seien, verlangt Gerbsch.
Das Bundesgesundheitsministerium
lässt jedoch keinen gesetzlichen Willen zu
verpflichtenden Mehrfachvergaben erkennen. Diese könnten nur dann in Betracht
kommen, „wenn genügend pharmazeutische Unternehmer im Markt sind und das
Marktvolumen eine Aufteilung auf mehrere
Hersteller zulässt“. Gröhes Ressort verweist
darauf, dass die Krankenkassen bereits
über verschiedene Instrumente verfügten, flexibel auf den Markt zu reagieren.
Sie könnten schon jetzt im Rahmen von
Ausschreibungen mehr als ein Unternehmen
als Rabattpartner pro Arzneimittel unter
Vertrag nehmen.
Klinikapotheken sollen mehr auf Vorrat
bestellen können
Das Ministerium setzt neben der geplanten neuen Engpass-Liste auf andere
Maßnahmen, die teilweise mit dem neuen
Arznei-Gesetz umgesetzt werden sollen. Das
Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte und das Paul-Ehrlich-Institut
etwa sollen bei Lieferengpässen künftig
Informationen zu Absatzmengen und zum
Verschreibungsvolumen der betroffenen
Arzneimittel von den Unternehmen fordern dürfen. Bei Engpässen soll so besser
beurteilt werden können, ob es sich um eine
echte Mangelsituation handelt oder um ein
Verteilungsproblem.
Darüber hinaus soll die Versorgung
17. Februar 2017
von Patienten im Krankenhaus im Falle
eines Lieferengpasses eines Arzneimittels
verbessert werden. Klinikapotheken etwa
sollen mehr auf Vorrat bestellen können.
Im Pharmadialog wurde zudem vereinbart, dass ein regelmäßiger „Jour Fixe“ zum
Thema Lieferengpässe unter Beteiligung
von Bundesbehörden und Fachkreisen die
Versorgungslage beobachtet und bewertet.
Arzt Wörmann fordert allerdings, es
müsse eine verbindliche Liste wie in den USA
geben und keine, die wie die geplante neue
Liste erneut auf Freiwilligkeit setzt. Wer einen
absehbaren Engpass feststelle, müsse diesen
melden. Notwendig sei es zudem, eine verpflichtende Vorratshaltung von Herstellern
und Großhandel festzuschreiben. Der finanzielle Aufwand müsse dann entsprechend
in den Preisverhandlungen mit abgebildet
werden.
Wozu Engpässe führen können, macht
der Wirkstoff Melphalan deutlich, der auch
jetzt wieder auf der Liste von Medikamenten
mit Lieferschwierigkeiten steht. Im Jahr
2015 hätten an 34 Krebszentren Blutstammzelltransplantationen verschoben werden
müssen, weil der Wirkstoff nicht zur Verfügung gestanden habe, berichtet Wörmann.
Ob ein Leukämiekranker deswegen zu Tode
gekommen sei, lasse sich nicht sagen, eine
Erhebung darüber gebe es nicht. „Ausgeschlossen ist es leider nicht.“
Wirtschaft
Bieter-Wettstreit: Stada bereit für Übernahme
Die Pharmabranche ist für Übernahmen und Fusionen besonders attraktiv. Auch Stada reiht sich im Bieter-Wettstreit ein
U
m den hessischen Generika-Hersteller Stada zeichnet sich möglicherweise ein Wettbieten ab. Zwei Bieter
hätten Interesse an einer Übernahme von
Stada geäußert, eine davon sei der britische Finanzinvestor Cinven, erklärte der
Pharmakonzern und reagierte damit auf
einen Bericht der „Financial Times“. Cinven habe einen Kaufpreis von 56 Euro je
Aktie in Aussicht gestellt, erklärte Stada.
Damit würde das Unternehmen mit 3,5
Milliarden Euro bewertet. Ob es am Ende
zu einem oder gar mehreren Übernahmeangeboten komme, sei ungewiss. „Stada
prüft im besten Unternehmensinteresse
ihre Handlungsoptionen“, hieß es in der
Mitteilung.
Den Namen des zweiten Interessenten
nannte ein Sprecher nicht. Darüber sei Vertraulichkeit vereinbart. Als mögliche Bieter
für das hessische Unternehmen werden
seit Monaten neben Cinven unter anderem
die Finanzinvestoren Advent, Permira, CVC
und Bain Capital gehandelt. „Advent ist
bei seinen Überlegungen ebenfalls recht
weit“, sagte ein Insider. Advent und Permira
wollten sich dazu nicht äußern. Finanzinvestoren stehen derzeit unter starkem Druck,
das ihnen von den Anlegern anvertraute
Geld gewinnbringend in Unternehmen zu
investieren. Cinven hatte erst vor einem
halben Jahr einen neuen, sieben Milliarden
Euro schweren Beteiligungsfonds aufgelegt.
In Deutschland sind die Briten unter ande-
rem am Labor-Konzern Synlab und an der
Lebensversicherungs-Plattform Viridium
(Heidelberger Leben) beteiligt.
Cinven bietet einen Aufschlag von
knapp 13 Prozent – oder 500 Millionen
Euro. „Das dürfte aber noch nicht das letzte
Wort sein“, sagte ein Brancheninsider. „Mehr
als 60 Euro dürfte aber kein Finanzinvestor
zahlen.“
Seit dem Frühjahr 2016 ist die StadaAktie um zwei Drittel gestiegen. Damals
war der deutsche aktivistische Investor
Active Ownership Capital (AOC) mit mehr
als fünf Prozent bei dem einst von Ärzten
und Apothekern dominierten Unternehmen
eingestiegen und hatte auf Veränderungen
gedrängt. Aufsichtsratschef Martin Abend
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wurde abgewählt. Mit einer Offerte von
Cinven könnte AOC seinen Einsatz in etwa
verdoppeln. Zu seinen Plänen wollte sich
AOC zunächst nicht äußern. Im Fahrwasser des Fonds hatten sich mehrere andere
kurzfristig orientierte Investoren wie Petrus Advisers und der Amerikaner Guy
Wyser-Pratte mit Stada-Aktien eingedeckt.
Mediziner und Pharmazeuten halten laut
Stada heute nur noch rund zehn Prozent
der Anteile.
Seit Monaten wird der Arzneimittelhersteller als Übernahmekandidat gehandelt.
Interimschef Matthias Wiedenfels, der im
Frühsommer für den erkrankten langjährigen Stada-Chef Hartmut Retzlaff ans Ruder
gekommen war, hat bisher nicht aktiv nach
einem Käufer gesucht. Er zeigte sich zuletzt
aber offen für Offerten: „Eigenständigkeit
ist kein Selbstzweck“, sagte er im Herbst.
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Das deutsche Pharmaunternehmen ist spezialisiert auf Generika und rezeptfreie Arzneimittel.
Quelle: Stada Arzneimittel AG
Politik
Krankenkassenchef: Höhere Zuschüsse für Hartz-IV-Empfänger
Der Vorsitzende der KKH fordert vom Staat mehr Hilfe bei der Übernahme der Kosten für Langzeitarbeitslose
D
er Vorstandschef der Kaufmännischen Krankenkasse (KKH), Ingo
Kailuweit, fordert einen höheren Steuerzuschuss für die Versicherung von Langzeitarbeitslosen. „Es ist nicht tragbar
und auch nicht gerecht, dass für HartzIV-Empfänger nur 50 Prozent der Ausga-
ben erstattet werden - und der Rest von
den anderen Versicherten aufzubringen
ist“, sagte Kailuweit dem Berliner „Tagesspiegel“ (Samstag). Der Staat müsse für
Langzeitarbeitslose endlich adäquate
Beiträge zahlen, „und zwar so schnell wie
möglich“.
Die steuerlichen Zuschüsse durch den Staat sollen erhöht werden. Quelle: Flickr/Chris Marchant/CC BY 2.0
Reformbedarf sieht der Kassenchef
auch bei der Beteiligung der Arbeitgeber
an den Kassenbeiträgen. Zum einen sei es
nicht fair, „alle Kostensteigerungen nur
noch den Arbeitnehmern aufzubürden“,
sagte Kailuweit. Zum andern hätten die
Arbeitgeber auch nicht wirklich etwas
davon, dass ihre Beitragssätze eingefroren seien.
Die Sozialversicherungskosten seien
gemessen an anderen Aufwendungen
für viele Unternehmen nachrangig. Und
zeitversetzt würden die steigenden Zusatzbeiträge ohnehin in die Lohnrunden
einfließen.
Gleichzeitig hätten sich die Arbeitgeber damit die Möglichkeit genommen,
die Kostenentwicklung mit zu beeinflussen. „Wenn sie sich nicht ausgeklinkt
hätten, hätte es der Gesundheitsminister
mit manchen Zusatzausgaben deutlich
schwerer gehabt.“
Derzeit liegt der allgemeine Beitragssatz, der je zur Hälfte von Arbeitgebern
und Arbeitnehmern gezahlt wird, bei
14,6 Prozent des Einkommens. Hinzu
kommt der Zusatzbeitrag, den die 54
Millionen Kassenmitglieder allein zahlen
müssen.
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17. Februar 2017
Studie
Kinder zu dick: Forscher fordern Regulierung von Werbung
Einige Wissenschaftler machen die Werbung für übergewichtige Kinder in Europa verantwortlich
S
peziell auf Kinder zugeschnittene Glocke aufwachsen lassen, bis sie 18 Jahre wege sich mindestens eine Stunde täglich,
Werbung für zucker- und fettreiche alt sind. Sie sollten nicht von der Werbung konstatieren die Wissenschaftler. Der Anteil
Lebensmittel sollte nach Ansicht von Ex- ausgeschlossen werden, sondern sie müs- schwanke zwischen 2 Prozent der Jungen
perten stärker reguliert werden. Eine eu- sen den Umgang mit ihr erlernen und auf Zypern und 34 Prozent in Belgien. Die
Autoren nehmen in ihrem Bericht die Poropäische Langzeitstudie an rund 10.000 Werbekompetenz entwickeln.“
In der Studie beklagen die Forscher die litik in die Pflicht: Der Bewegungsmangel
Kindern aus acht Ländern, darunter
Deutschland, belegt den Forschern zu- gegenwärtige Situation massiv: „Die Häu- hänge eng mit der Bebauung zusammen,
folge, dass TV-Reklame bei Kindern
den Konsum von ungesunden Lebensmitteln erhöht.
„Vor allem kleine Kinder können Werbung nicht vom Rest unterscheiden und sind ihr deshalb
völlig schutzlos ausgesetzt“, sagte
Studienkoordinator Wolfgang Ahrens vom Leibniz-Institut für Präventionsforschung und Epidemiologie
(BIPS) in Bremen. Eltern mit eher
niedrigem Bildungsstand seien zudem Reklame gegenüber weniger
kritisch eingestellt. Auf deren Kinder
wirke Werbung daher noch stärker.
Freiwillige Selbstverpflichtungen der Hersteller zu einer verantwortungsvollen Werbung für Kinder
hätten nicht funktioniert, betont
der Bericht. Auch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) appelliert
seit längerem an die europäischen
Regierungen, Werbung mit Gesetzen
strenger zu regulieren.
Gezielte Süßigkeiten-Werbung beeinflusst laut Forschern insbesondere Kinder.
Als Reaktion kritisierten Ver
Quelle: Flickr/Caitlin H/CC BY-ND 2.0
braucherschützer die Bundesregierung:
„Bundesernährungsminister Christian
Schmidt setzt im Kampf gegen Fehlernäh- figkeiten von Fettleibigkeit und Überge- betonen sie: „Gut angelegte öffentliche
rung bei Kindern seit Jahren auf freiwillige wicht bei europäischen Kindern verharren Orte und sichere, gut angeschlossene AnlaVereinbarungen“, teilte die Organisation auf einem beispiellosen Niveau.“ Deutsch- gen sind der Schlüssel dazu, die körperliche
Foodwatch mit. „Dabei ist längst belegt, land belegt beim Anteil übergewichtiger Bewegung zu steigern.“
dass das nicht funktioniert. Die Hersteller Kinder einen Platz im Mittelfeld. Demnach
Zudem zeigten die Studienresultate
machen die größten Profite mit Süßkram, waren hierzulande 16,5 Prozent der unter- eindeutig, dass Kinder aus sozial benachZuckergetränken und Knabberartikeln. suchten Kinder im Alter von zwei bis zehn teiligten Familien besonders stark zu ÜberFreiwillig werden sie nicht damit aufhö- Jahren übergewichtig. In Belgien lag der gewicht tendierten, betonte Ahrens. Diese
ren, genau diese Produkte an Kinder zu Anteil mit 9,5 Prozent am niedrigsten, in Gruppen müssten von der Politik stärker
bewerben und deren Geschmack schon Italien mit 42 Prozent am höchsten. In allen unterstützt werden. Für benachteiligte
Ländern waren Mädchen eher betroffen als Verbraucher müsse die Erschwinglichfrüh zu prägen.“
Der Bund für Lebensmittelrecht und Jungen. Die Ergebnisse seien zwar nicht keit von und der Zugang zu gesunden
Lebensmittelkunde (BLL) verwahrte sich repräsentativ, sagte Ahrens, für die Studie Lebensmitteln verbessert werden. Dies
dagegen gegen die Kritik: „Ein Werbeverbot seien aber jeweils ländertypische Regionen wirke sich nicht nur auf das Gewicht der
bringt keine Lösung“, erklärte BLL-Haupt- ausgesucht worden, für Deutschland war Kinder aus, sondern auch auf ihre spätere
Gesundheit, etwa die Anfälligkeit für Herzgeschäftsführer Christoph Minhoff. „Man dies Bremen.
Nicht einmal ein Drittel der Kinder be- Kreislauferkrankungen.
kann Kinder nicht unter einer schützenden
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17. Februar 2017
Forschung
Virtuelle Realität macht Schmerzen erträglicher
Forscher haben herausgefunden, wie Virtual-Reality-Brillen das Schmerzempfinden von Menschen vermindern können
B
eim Arztbesuch virtuelle Pinguine beim Schwimmen beobachten
oder den Mount Everest besteigen – ein
Ausflug in die virtuelle Realität kann
entweder ihre Hand oder aber ein kleines
Buch an. Dabei spürten jene Menschen,
die auf ihre Hand sahen, den Schmerz
schwächer. Auch das Schmerzzentrum
Die Konzentration auf virtuelle Körperteile macht Schmerzen erträglicher.
Quelle: Flickr/Maurizio Pesce/CC BY 2.0
Patienten von einer schmerzhaften Behandlung ablenken. Forscher um Birgit
Nierula von der Universität Barcelona
stellen nun in der Fachzeitschrift „Journal of Pain“ einen neuen Ansatz vor,
der Patienten mithilfe von Virtual-Reality-Brillen helfen könnte, Schmerzen
weniger stark zu spüren. Der Effekt ist
allerdings überschaubar.
Forscher wissen seit Jahren, dass
Menschen weniger empfindlich sind,
wenn sie während einer schmerzhaften
Behandlung auf ihren Körper sehen. Das
haben Patrick Haggard und Matthew
Longo vom University College London
herausgefunden, als sie die Hände Freiwilliger mit einem Infrarot-Laser bestrahlten, um ihnen Schmerzen zuzufügen.
Die Teilnehmer schauten währenddessen
ihres Gehirns war weniger aktiv als das
jener Freiwilligen, die auf das Buch sahen. Forscher vermuten, dass sie beim
Ansehen ihrer Hand deswegen weniger
Schmerz spürten, weil sich ihr Körper auf
den Laser vorbereitete und die Schmerzschwelle automatisch erhöhte.
Die Neurowissenschaftler um Nierula prüften nun, ob dieser Effekt auch
mithilfe virtueller Realität funktioniert.
Dabei nutzten sie ein psychologisches
Phänomen: Bei der sogenannten Gummihand-Illusion nehmen Menschen unter
bestimmten Umständen eine unechte
Hand als Teil ihres Körpers wahr.
Die Forscher ließen 19 Freiwillige
zunächst auf einem Stuhl sitzen und
setzten ihnen eine Virtual-Reality-Brille
auf. Durch diese sah jeder Proband eine
Person, die in der gleichen Position
auf einem Stuhl saß wie er selbst. Sie
hielt einen Knopf in der linken Hand,
genau wie der Teilnehmer. Wenn nun
der virtuelle Knopf vibrierte, spürte
der Teilnehmer eine Vibration in der
eigenen Hand. So sollte er die virtuelle Hand als Teil des eigenen Körpers
empfinden.
Im nächsten Schritt untersuchten
die Forscher, ob die Freiwilligen unempfindlicher gegenüber Schmerzen waren,
wenn sie auf das virtuelle Körperteil
sahen. Die Teilnehmer nahmen Elektroden in die rechte Hand, die sich langsam
aufheizten. Sie mussten beurteilen, ab
wann die Hitze schmerzhaft wurde.
Das Resultat: Wenn die Freiwilligen
die virtuelle Hand als Teil ihres Körpers wahrnahmen, waren sie weniger
schmerzempfindlich. Sie meldeten erst
ab durchschnittlich 45,2 Grad, dass ihnen
die Elektrode zu heiß wurde – den anderen Teilnehmern wurde der Schmerz
bereits ab 44,7 Grad zu viel.
„Bisher hat man die virtuelle Realität vor allem zur Ablenkung während
schmerzhafter Behandlungen genutzt“,
sagt Nierula. „Jetzt wissen wir, dass man
diese Technik auch dazu nutzen könnte,
Patienten Bilder eines Körpers zu zeigen
und damit ihr Schmerzempfinden zu
verringern.“ Denn beim Ansehen des
Körpers, so vermutet Nierula, aktiviere
das Gehirn bestimmte Mechanismen zur
Schmerzlinderung. Das sei jedoch noch
Spekulation. Die genauen Mechanismen
wollen die Forscher nun klären.
Für den Philosophen Thomas Metzinger von der Universität Mainz, der sich
seit langem mit dem Thema befasst, birgt
dieser Ansatz Potential: „Diese Forschung
ist sehr nützlich und vielversprechend,
da sie aufdeckt, wie man die virtuelle
Realität therapeutisch nutzen kann, um
Schmerzen zu lindern.“
Impressum Geschäftsführer: Christoph Hermann, Karmo Kaas-Lutsberg. Herausgeber: Dr. Michael Maier (V.i.S.d. §§ 55 II RStV).
Redaktion: Anika Schwalbe, Julia Jurrmann, Cüneyt Yilmaz, Nicole Oppelt, Nicolas Dvorak. Sales Director: Philipp Schmidt. Layout: Nora Lorz. Copyright:
Blogform Social Media GmbH, Kurfürstendamm 206, D-10719 Berlin. HR B 105467 B. Telefon: +49 (0) 30 / 81016030, Fax +49 (0) 30 / 81016033. Email: [email protected]. Erscheinungsweise wöchentliches Summary: 52 Mal pro Jahr. Bezug: [email protected]. Mediadaten: [email protected].
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