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Finnlands Biowirtschaft rüstet sich mit
Großprojekten
16.02.2017
Neue Zellstoffproduktionen und Biodieselraffinerien / Strukturwandel in der Forstindustrie / Von Marc Lehnfeld
Helsinki (GTAI) - Strategiewechsel in der finnischen Forstindustrie: Weil die Nachfrage nach Druck- und Büropa­
pier fällt, stellen die finnischen Papierkonzerne auf Zellstoff um und setzen in Zukunft auf die effiziente Ver­
wendung von Reststoffen. In 2016 produzierten finnische Hersteller erstmals mehr Zellstoff als Papier. Aber
nicht nur weitere Zellstoffproduktionsanlagen sind in Planung. Auch eine Biodieselraffinerie könnte schon bald
den finnischen Norden beleben. (Internetadressen)
Für deutsche Maschinen- und Anlagenbauer mit Fokus auf die Forst- und Chemieindustrie sowie forschungsin­
tensive Biochemiefirmen lohnt sich ein Blick nach Finnland. Mindestens fünf Großinvestitionen in Zellstoffpro­
duktionsanlagen und Biodieselraffinerien mit einem Gesamtvolumen von über 4 Mrd. Euro stehen vor der fina­
len Investitionsentscheidung. Weil der weltweite Verbrauch von Druck- und Büropapier zurückgeht, diversifizie­
ren die finnischen Papierkonzerne Stora Enso, UPM und Metsä Group ihre Produktpaletten auf der Basis von
Zellstoff. Papierfabriken wurden entweder für die Zellstoffherstellung umgerüstet oder ganz geschlossen und
dienen heute zum Beispiel als Datenzentrum, wie in Hamina für Google.
Größte Investition der finnischen Forstindustrie vor dem Abschluss
In den vergangenen Jahren flossen hohe Investitionen in die Umstrukturierung der finnischen Papierkonzerne,
wie zuletzt unter anderem in Äänekoski. Dort erweitert Metsä Fibre seine Zellstoffherstellung, die voraussicht­
lich in diesem Herbst anläuft und mit Projektkosten von 1,2 Mrd. Euro die größte Investition in der finnischen
Forstindustrie ist.
Auf der anderen Seite öffnen sich die etablierten Konzerne, um mit Kooperationspartnern die Reststoffe aus
der Zellstoffherstellung marktfähig zu machen. So werden in Äänekoski jährlich nicht nur rund 1,3 Mio. Tonnen
Zellstoff hergestellt. Vor Ort soll auch ein Cluster entstehen, hier sollen biochemische Unternehmen Reststoffe
wie Tallöl, Lignin und Hemizellulose effizient veredeln. Weil in den Großanlagen folglich nicht mehr nur Zellstoff
hergestellt wird, sondern vielmehr eine abfallfreie Herstellung mit zusätzlichen Produkten wie Biodiesel ange­
strebt wird, sprechen finnische Branchenunternehmen überwiegend von "Bioproduktfabriken" während sich in
Deutschland der Begriff der "Bioraffinerie" etabliert.
Neue Akteure stoßen Großprojekte in Biowirtschaft an
In der aufstrebenden holzbasierten finnischen Biowirtschaft werden Großprojekte in den nächsten Jahren aller­
dings vor allem von neuen Akteuren angestoßen. In einem Äänekoski ähnlichen Projekt haben sich die ostfinni­
sche Region Kainuu und der Investor NC Capital Partners verbündet. In Paltamo soll mit einer BioFutureFactory
mehr als nur eine Zellstoffproduktion entstehen. In der BioFutureFactory sollen Reststoffe mit Blick auf mögli­
che neue Produkte weiterentwickelt werden. Die Vision der Projektgründer besteht vor allem darin, spezialisier­
te kleine und mittelgroße Unternehmen und Forschungsinstitute für das so entstehende Cluster zu begeistern.
Im Anschluss an die aktuell durchgeführte Machbarkeitsstudie wird eine Umweltverträglichkeitsprüfung statt­
finden. Die Investitionsentscheidung ist für Ende 2018 geplant.
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FINNLANDS BIOWIRTSCHAFT RÜSTET SICH MIT GROSSPROJEKTEN
In einem weiteren Projekt nagen erfahrene Branchenmanager am Metsä-Investitionsrekord. Sie haben sich in
der Firma "Finnpulp" zusammengeschlossen und wollen in Kuopio für 1,4 Mrd. Euro ebenfalls eine Fabrik mit ei­
ner Jahresproduktion von 1,2 Mio. t Nadelholzzellstoff errichten. Gerade wird das Vorhaben einer Umweltver­
träglichkeitsprüfung unterzogen. Die endgültige Investitionsentscheidung wird noch in diesem Jahr erwartet.
Wird das Projekt realisiert, stehen große Maschineninvestitionen an. In ein ähnliches Projekt von Metsä Fibre in
Äänekoski flossen nach Angaben des finnischen Finanzministeriums rund 750 Mio. Euro in Maschinen und Anla­
gen.
Ausgewählte Großprojekte in Finnlands Biowirtschaft
Projektbezeichnung
Investitio­
Projektstand
Anmerkung
Planung (Um­
geplante Inbetriebnahme 2020; Jahresproduktion von 1,2
weltverträgl­
Mio. t Nadelholzzellstoff, 60.000 t Tallöl und 1 TWh Strom
ichkeitsprüf­
für das öffentliche Netz (http://www.finnpulp.com )
nssumme
(Euro)
Finnpulp: Neue Zell­
1,4 Mrd.
stofffabrik in Kuopio
ung)
KaiCell Fibers: Zell­
Planung
Cluster um Reststoffe der Zellstoffproduktion, Produktions­
stoffherstellung und
1,0 Mrd.
(Machbarkeitss­
volumen unklar, geplante Inbetriebnahme 2021(http://
BioFutureFactory in
tudie)
www.kaicellfibers.com )
Planung
Endgültige Investitionsentscheidung von Investor Kaidi er­
Paltamo
Kaidi: Biodieselanla­
900 Mio.
ge in Kemi, Kapazität
wartet, angestrebter Baubeginn 2017, geplante Inbetrieb­
225.000 t/a
nahme 2019 (http://www.kaidi.fi )
Boreal Bioref: Neue
780 Mio.
Planung
Jahresproduktion von 400.000 t Biomaterialien und Bioche­
Zellstoffanlage in
mikalien, finale Investitionsentscheidung Ende 2017, geplan­
Kemijärvi
te Inbetriebnahme 2020(http://www.borealbioref.fi/
en )
Quellen: Recherchen von Germany Trade & Invest; Pressemeldungen
Neue Biodieselraffinerie in Nordfinnland in Planung
Mit der Veredelung des Reststoffs Tallöl zu Biodiesel betrat UPM bereits Anfang 2015 neuen Boden. Das Unter­
nehmen eröffnete im ostfinnischen Lappeenranta unweit seines lokalen Papier- und Zellstoffwerks die welt­
weit erste Raffinerie, die Biodiesel auf Holzbasis herstellt. Die Investition kostete UPM etwa 179 Mio. Euro und
macht das Forstindustrieunternehmen zu einem Kraftstofflieferanten mit einer jährlichen Biodieselproduktion
von 120 Mio. Litern.
Damit bedient UPM einen wachsenden Markt, denn die EU verfolgt das Ziel, den Anteil erneuerbarer Kraftstof­
fe im Verkehr bis 2020 auf 10% zu erhöhen. So könnte der europäische Markt für erneuerbaren Diesel von 2012
bis 2020 jahresdurchschnittlich um 9,7% auf 21 Mio. t zulegen, wie der chinesische Investor Sunshine Kaidi New
Energy Group schätzt. Im nordfinnischen Kemi möchte dieses Unternehmen bis 2019 daher eine etwa 900 Mio.
Euro teure Biodieselraffinerie errichten. Dafür konnten bereits europäische und finnische Fördermittel einge­
sammelt werden; die Umweltverträglichkeitsprüfung wurde im September 2016 eingeleitet. Die finale Investiti­
onsentscheidung steht noch aus.
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FINNLANDS BIOWIRTSCHAFT RÜSTET SICH MIT GROSSPROJEKTEN
Kaidi könnte auch von der finnischen Biodieselnachfrage profitieren, denn laut Regierungsziel soll sich auch in
Finnland bis 2030 der Biokraftstoffanteil im Verkehr auf 30% erhöhen. Biodiesel spielt dabei eine wesentliche
Rolle, weil er von Dieselfahrzeugen schon jetzt ohne technische Anpassung getankt werden kann.
Internetadressen
Deutsch-Finnische Handelskammer
Internet: http://www.dfhk.fi 
Investitionsförderagentur Invest in Finland/Finpro
Internet: http://www.investinfinland.fi 
Verband der finnischen Forstindustrie
Internet: http://www.forestindustries.fi 
(Ma.Le.)
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Barbara Kussel
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