Das Mädchen unter dem Dohlenbaum

Da
asMädcchenun
nterde
emDoh
hlenbau
um DIE D
DOHLEN SCH
HWIMMEN A
AM HIMMELL, DER HIMM
MEL IST IHR M
MEER Die D
Dohlen wohn
nen in den grroßen Bäumeen vorm Bah
hnhof, hoch o
oben in den Wipfeln. Ich muss ganz still stehen, damit sie nicht erschreccken und we
egfliegen. Ich
h schaue zu ihnen hinau
uf und sehe sie auf den Zweigen scchaukeln. Zw
wischen den grünen Blätttern sehen sie wie schwarze Bälle aus. Mam
ma ist drinnen
n im Bahnho
of, Fahrkarteen kaufen. W
Wir fahren w
weit weg, an einen Ort, w
wo ich noch nie gewesen
n bin. Mam
ma hat gesagtt, man musss die Dohlenn unbedingt so früh am M
Morgen seheen, wenn ess noch dunkel und der Himmel be
einahe schw
warz ist. Als Kind hat sie unter deenselben Bäumen gestaanden. Als der erste Voggel losfliegt, fliegen ihm die anderen nach. Die B
Bäume rausc hen, und die
e Äste zitterrn, und alless versinkt im
m Geschrei dder Vögel. Für einen Augenblick weerde ich ein Stück kleineer, dann heb
be ich den Kopf, und es kommt mir vor, als würd
de ich mehr dem Geschrei als den V
Vögeln selber nachschauen. Die V
Vögel fliegen in Wirbeln und weiten Bögen von d
den Bäumen weg. Die Doohlen schwim
mmen am H
Himmel, der H
Himmel ist ih
hr Meer. Wie lange lebt wo
ohl eine Doh
hle? Das musss ich Mama fragen. Und
d was passierrt, wenn ein Vogel mitteen im Fliegen
n stirbt? Fälllt er dann eiinfach runte
er? Könnte m
mir eine totee Dohle gena
au vor die Fü
üße fallen? W
Was würde ich dann mitt ihr machen? Ich glaube, ich würde sie mit in de
en Zug nehm
men und sie d
dort, wo wir hinfahren, bbegraben. Aber die tote Dohle würde mir die Hände schwarz verbrennen, und im Zug müsste ich Mama erklären, woher die schwarze Farbe an meinen Händen kommt. Ich müsste ihr den toten Vogel zeigen; vielleicht wäre er klein genug, und ich hätte ihn in die Manteltasche gesteckt. Die Krähen sind ganz glühend heiße Vögel, oder mindestens sehen sie so aus. Der Baum neben mir ist wie verrostet. Wenn man ihn anfasst, bleibt rostiger Schmutz an den Fingern kleben. Jemand müsste ihn waschen wie unser Boot, aber die Bäume werden nicht von den Menschen gewaschen, der Regen wäscht sie. Das heute ist kein richtiger Regen, es fällt nur ein bisschen pappiger Schnee. Mama sagt, für den Herbst ist das normal. Ich hoffe, dass die Dohlen wiederkommen. Ich stelle mich genauso gerade hin wie der Baum, dann störe ich sie beide nicht, die Bäume und die Vögel. Die Bäume warten nämlich auch, dass die Vögel wiederkommen. Darum sind sie so still. Ich glaube aber, die Dohlen sind weiter weggeflogen. Vielleicht kommen sie heute gar nicht mehr zurück. Oder sie fliegen so hoch, dass sie im Himmel ertrinken. Alle Bäume vorm Bahnhof sind gleich rostig und voller Löcher. Vorhin hab ich den Finger in so ein Loch gesteckt und mit der Hand fest gegen den Stamm gedrückt, aber das hat der Baum nicht gemocht. Vielleicht wollen die Bäume nur von Dohlen berührt werden. ICH WEISS, WIE ES IST, WENN MAN JEMANDEN VERMISST Auf einmal schwanken die Bäume. Im Dunkeln hab ich gar nicht gemerkt, woher der Wind so plötzlich kam, der den Schneeregen vertrieben hat. Vielleicht ist er von hinter dem Bahnhof gekommen, mit dem Zug aus dem Norden. Wenn auf dem Meer so ein Wind weht, kommt man mit dem Segelboot schnell vorwärts. Die Bäume wissen jetzt auch, dass die Dohlen weiter weggeflogen sind. Sie winken ihnen zum Abschied. Ich winke auch, für alle Fälle. Ich weiß, wie es ist, wenn man jemanden vermisst. Man spürt es überall, am meisten unter den Kleidern, aber wo ganz genau, weiß ich nicht. Manchmal tut es auch im Hals oder in den Ohren weh. Der Hals fühlt sich dann dicker an, und in den Ohren ist so ein Stechen. Es ist ein Gefühl, als ob man ganz schnell rennen sollte und könnte es nicht. Niemand kann die Stelle sehen, wo es am meisten wehtut, wenn man jemanden vermisst. Mama hat auch so eine Stelle. Ich hab auf ihrem Schoß gesessen, und sie hat es mir erzählt. Ich hab nichts gesagt, nur zugehört. Wenn ich auf ihrem Schoß sitze, wird die Stelle, die niemand sehen kann, kleiner. Unser Boot hat einen schönen Namen gehabt: Sternenhimmel. Die Leute, denen es jetzt gehört, haben ihm einen Frauennamen gegeben. Wir mussten das Boot verkaufen, weil mein Vater es nicht mehr steuern kann. Mama hat gesagt, wir werden es in Erinnerung behalten, und sie hat mir erklärt, was Erinnerungen sind. Wenn
n Mama nacchher zurückkommt, sag ich ihr, dass das Boot wie eine von dden Dohlen ist, die wegggeflogen sind
d. Dann weiß
ß sie, dass ichh verstanden
n habe, wie d
das mit den EErinnerungen
n ist. Was man in Erinn
nerung behä
ält, vergisst m
man nicht, auch wenn m
man nicht diee ganze Zeit daran denktt. Erinnerunggen leben in
n einem weitter. Sie hören
n nie auf. Wenn sie ein SSpiel wären, ginge es im
mmer weiter, auch dann n
noch, wenn m
man die Spie
elsachen einssammeln unnd zum Essen
n nach Hause muss. Ich haab schon vieele Erinnerun
ngen. Von unnserem Boot haben wir B
Bilder in eineem Fotoalbum. Ich vergeesse es nichtt, und Mama
a vergisst es nicht, und m
mein Vater au
uch nicht, obbwohl er schon im Himm
mel ist. Gesteern hat Mam
ma gesagt, dass d
er dortt irgendwo am a Meer wo
ohnt. Bestim
mmt wollte er e bei unserrem Boot sein. Ich weiß nicht, ob meein Vater im Himmel flieg
gen kann, abber er schautt nach mir u
und Mama, n
nur ein bissch
hen mehr na ch mir, weil ich ein Kind bin. Im Hiimmel kann man zur gleichen Zeit ann verschieden
nen Orten se
ein. Mein Vater siehtt, dass ich unter den Bääumen vorm Bahnhof stehe, und gleeichzeitig sie
eht er Mam
ma am Schalteer, wie sie Fa
ahrkarten ka uft. WIR REDETTEN ÜBER DIE WOLKEN
Mein Vater ist sch
hon im Himm
mel. Trotzde m dachte ich
h einmal, ich
h hätte ihn im
m Haus gegenüber geseh
hen. Ich kam von der Schule nacch Hause und ging zum
m Fenster, um ein bissschen hinau
uszuschauen. Da hab ich ihn im fünftten Stock am
m Fenster ste
ehen sehen. Ich hab ihm sogar was aaus der Schule erzählt, un
nd ich hatte das Gefühl, dass er es hö
ört. Vielleeicht hat er aauch den Sch
hmetterling ddraußen auff unserem Fe
enstersims geesehen. Der hatte dunkelbraune Flü
ügel, und an den Flügelsppitzen war ein weißer Strreifen. Erst ddachte ich, dass er vielleeicht erschricckt, wenn ich
h ihn so langge anstarre, aaber er blieb
b ganz ruhig sitzen. Da hab ich das FFenster aufgeemacht und einen Fingerr über ihn ge
ehalten. Der Finger war w
wie ein Dach
h über den SSchmetterlingsflügeln. Viielleicht hattte ihn ein Vogel zu uns he
eraufgebrachht, und jetzt hatte er An
ngst, von so h
hoch oben w
wieder runterrzufliegen.
Ich hab das Fenstter zugemaccht, und irge ndwann hab
b ich den Sch
hmetterling vvergessen. A
Als ich das n
nächste Mal an ihn dach
hte, war er nnicht mehr da. d Vielleichtt hatte er seeinen ganzen
n Mut zusam
mmengenom
mmen und die Augen zuggemacht und war davong
geflogen. Mam
ma hörte meeinen Vater gern singenn. Mit seiner Stimme hätte er Opeernsänger werden können, hat sie o
oft gesagt und von einem
m berühmten
n Sänger erzä
ählt; so berühhmt wie der hätte mein Vater angeb
blich auch we
erden könneen. Aber das hat übeerhaupt nicht gestimmt. Papas Stimm
me war komisch. Bei berrühmten Stim
mmen müsssen die Leute anders gu
ucken, als siee bei ihm ge
eguckt habe
en. Manchm al hat er nä
ämlich gesun
ngen, wenn w
wir mit dem Boot irgenddwo im Hafen
n angekomm
men sind, undd ich hab mich ein bissch
hen geschäm
mt, wenn die Leute sic h bei unserrem Boot ve
ersammelt uund ihm zuggehört haben. Dann haben sie mit so
o komisch grooßen Augen geguckt. ner, wenn wir w in die Saauna gehen und schwim
mmen konnteen. Wenn ess vom Es waar viel schön
Landu
ungssteg gleeich ins Tiefe
e ging, musstte ich die Sch
hwimmweste anziehen. Mir war es lieber, wenn
n man vom
m Ufer ins flache f
Wassser waten konnte. Dann brauchtee ich nur meine m
Schw
wimmflügel, u
und nach ein
ner Weile w ar es immerr, als wären sie an mir feestgewachse
en. An solchen Badestellen waren m
meistens noc h andere Kin
nder, und wir konnten zuusammen sp
pielen, n uns wenigsstens nass. oder wir spritzten
Wenn
n mein Vaterr gesungen h
hat, durften die Kinder läänger aufbleiiben. Die Erw
wachsenen kkamen erst n
nur, um Vateer zuzuhören
n, aber dann setzten sie ssich im Kreis und sangen mit und ach
hteten gar nicht mehr au
uf ihre Kinder. Auf einmaal gab es auch keine Schla
afenszeit meehr. Wir kkletterten au
uf die Uferfelsen und legtten uns auf d
den Rücken u
und redeten über die Wo
olken, darüb
ber, was jed
der in ihnen gesehen haat. Die meistten haben Hunde und KKatzen und Pferde P
geseh
hen. Bei mir waren es mehr Vögeel, weil ich es gewöhntt war, sie inn den Wolken zu entdeecken. Mama hatte mir gezeigt, wiee man mit de
em Fernglas schaut. We nn wir mitte
en auf dem Meer waren
n und auf dem Boot nichtts zu tun hattten, durfte ich das Fern glas nehmen
n, und ma wollte, daass ich ihr erzähle, e
wass es am Him
mmel zu sehen gab. Da waren dann mal Mam
richtige Vögel und
d mal solche
e aus Wolkenn. In der Schule wissen sie, dasss mein Vaterr gestorben ist. Ich hab m
mich einfachh gemeldet u
und es erzäh
hlt. In der Pause sind dan
nn Tiina, Kaissa und Saaraa gekommen und wolltenn wissen, wie
e man sich ffühlt, wenn aauf einmal d
der Vater tott ist. Traurig ist man, hab
b ich gesagt, und da haben sie nicht weitergefragt. Dabei kommt es mir manchmal so vor, als wä
äre er gar niccht gestorben. Dann
n ist es, als häätte ich es einfach vergeessen. Ich gehe von der S
Schule nach H
Hause und d
denke, dass wir miteinander Fahrrad fahren woollen. Das ge
eht manchm
mal richtig lannge so, und dann fällt ees mir wiedeer ein: Mein Vater ist im Himmel und
d sieht mich.. Ob ess ihm manch
hmal genauso geht? Ich hhab schon daarüber nachgedacht, wiee es wäre, je
emand anderes zu sein, aaber sich dass vorzustelle n ist ganz schwer. Ich kö
önnte zum Beispiel B
Saarra aus unserrer Klasse se
ein. Sie hat einen e
großenn und zwei kleine Brüdeer. Also hat sie immer je
emanden zu m Spielen. W
Wenn man a
allein ist, kannn man sich dafür besseer mit sich seelber unterhalten. Ich deenke mir imm
mer Spielkam
meraden auss, die mir zuh
hören, und ich höre dafü
ür ihnen zu. AUF EINM
MAL WÄRE A
ALLES NEU uf Bäumen schlafen s
odeer auf der Erde im Grass oder in Strräuchern, ich hab Vögel müssen au
schon
n Elsternester gesehen,, aber nochh kein Dohle
ennest. Es waren w
vier Elsternesterr, und irgendjemand haatte sie von einer alten TTanne herun
ntergeworfen, die gefälltt werden musste. ht so nah an
n die Nester rangetraut, obwohl natü
ürlich keine V
waren. Ich hab mich nich
Vögel drin w
n. Bestimmt schliefen sie
e ganz Ich haab mir überlegt, wie viele Elstern woohl in so ein Nest passten
dicht beieinanderr und wärmtten sich. Ich wollte nicht näher hin, w
weil ich dachhte, dass vielleicht der V
Vater oder die Mutter Elsster kämen uund glaubten
n, ich hätte ih
hre Wohnungg kaputt gem
macht. Nachher hätten sie s mir noch
h mit ihren sspitzen Schn
näbeln auf den d Kopf geppickt. Aber genau g
w
ich eiggentlich Anggst hatte. Vie
elleicht fand ich es auchh nur nicht schön, s
weiß ich nicht, wovor Wohnungen der Vögel eiinfach auf de
en Boden geschmissen h atte. dass jjemand die W
Ich kkann jetzt nicht mehr zwischen Mam
ma und Papaa schlafen. Mama M
sagt, ich w
wäre sowieso
o nicht meh
hr lange zu ihnen
n gekommen
n, aber das stimmt gar nicht. Ich wäre no
och viele Jah
hre zu ihnen gekom
mmen, erstt wenn ich groß bin, hättee ich damit aufgehört. Mama hat nie zw
wischen ihreen Eltern geschlafen. Sie weiß also nichtt mal, wie
e sich das anfüh
hlt. Ich ssehe meinem
m Vater äh
hnlicher als meiner Mutter. Ich hab unsere Bilder nebeneinander gestellt und sie mir genau angeschaut: Ich sehe ihm wirklich ähnlich. Unser Lehrer sieht ihm auch ähnlich. Manchmal ist es, als würde mein Vater vor der Klasse stehen, aber immer nur für ganz kurz. Niemand trägt mich jetzt mehr huckepack, und niemand lässt mich mehr auf seinem Rücken reiten. Für einen Schaukelsitz aus Händen braucht man sowieso zwei Erwachsene. Es war lustig, wenn Mama und Papa sich an den Händen nahmen und ich auf ihren Händen schaukeln durfte. Von dem Sitz konnte man runterfallen, darauf hab ich mich immer am meisten gefreut. Meine Zehen fühlen sich kalt an. Die dünnen Turnschuhe sind im feuchten Gras nass geworden. Ich drücke mit dem Finger auf die Schuhspitze, wie Mama im Schuhgeschäft. Ich will wissen, ob in den Schuhen genug Platz ist. Bewegungsfreiheit, sagt Mutter dazu. Die Schuhe sind zu klein. Nach der Reise, wenn wir uns den neuen Ort angeschaut haben, muss ich Mama sagen, dass sie mir bitte neue Turnschuhe kaufen soll, welche, die man auch bei Frost anziehen kann. Es kann sein, dass wir schon im Winter umziehen, kommt darauf an, ob jetzt bei der ersten Reise alles gutgeht. Es geht gut, wenn Mama dort eine neue Stelle findet und auch gleich eine neue Wohnung. Das Nächste wären dann eine neue Schule für mich und neue Freunde. Auf einmal wäre alles neu. Mama spricht von einem neuen Anfang, aber für mich hört sich das schwierig an. Ich weiß nämlich, dass ein neuer Anfang noch mal mehr Erinnerungen bedeutet. Zum Beispiel müsste ich die Tafel in unserem Klassenzimmer in Erinnerung behalten und vieles andere genauso. Wenn ich die Erinnerungen alle in meinen Rucksack packen müsste, würde der ganz schön schwer. Ich werde Mama sagen, dass ich für eine Weile keine neuen Erinnerungen gebrauchen kann. Und wenn ich auch in den Himmel geholt würde? Wenn ich mal kurz zu Besuch hindürfte, würde ich es sehr gern machen. Aber man darf nicht einfach so in den Himmel. Erst muss man sterben, und wenn man gestorben ist, muss man für immer dort bleiben. Mein Vater wurde in der Erde begraben. Mama hat gesagt, dass nur der Körper ins Grab kommt, und dass der Körper das ist, was man mit der Hand berühren kann. Aber das Wichtigste an einem Menschen ist die Seele, hat sie gesagt, und die Seele kommt gar nicht ins Grab. Die Seele kann man nicht mit der Hand berühren. Mein Vater muss jetzt so eine Seele sein. IM BAUM IST EINE STIMME, DIE ICH KENNE Es ist still, wenn ich aus der Schule nach Hause komme. Wenn ich den Flur betrete, riecht es nach der Nacht, und oft ist es auch noch schummrig, weil die Vorhänge noch zugezogen sind. Mama sagt, ich soll immer gleich die Fenster in der Küche und im Schlafzimmer aufmachen, aber meistens tu ich's nicht gleich. Erst lege ich mich ein bisschen aufs Sofa und höre auf die Geräusche im Haus. Am deutlichsten hört man den Fahrstuhl, das Rauschen der Toiletten und wenn jemand schimpft. Die Geräusche wandern durch die Heizungsrohre. Bis Mama nach Hause kommt, hab ich viel Zeit. Manchmal singt die alte Frau, die unter uns wohnt. Sie hat eine andere Stimme als mein Vater, ganz schrill und hoch. Ich hab schon versucht, ihre Stimme nachzumachen und mit ihr mitzusingen, aber ich kann's nicht. Ich weiß nicht, ob es überhaupt jemand kann. Die alte Nachbarin klopft jeden Abend zur selben Zeit gegen den Heizkörper in ihrer Küche. Es ist das Zeichen, dass bei ihr alles in Ordnung ist. So hat sie es mit Mama und Papa ausgemacht. Ich würde gern mal sehen, wie sie klopft. Viel Kraft braucht man dafür wahrscheinlich nicht. Einmal hab ich gefragt, womit sie denn klopft, und Mama hat erzählt, dass sie denselben Stock dafür nimmt, mit dem sie morgens Gymnastik macht. Ich wollte eigentlich noch mehr wissen, aber ich hab nicht weitergefragt. Irgendwann gehe ich runter und gucke mir den Stock an. Vielleicht hat die Nachbarin sogar Lust, mir zu zeigen, wie man damit Gymnastik macht. Wieso hab ich eigentlich von der Nachbarin und ihrem Stock erzählt? Egal, jedenfalls steck ich gleich noch mal den Finger in das Loch im rostigen Baum. Vielleicht mag er da doch berührt werden. Er hat bestimmt gehört, was ich die ganze Zeit denke, ich stehe ja genau neben ihm. Der Baum weiß, wie es ist, jemanden zu vermissen. Er weiß es genauso gut wie ein Vater oder eine Mutter. Ich bin mir sicher, dass Bäume auch Erinnerungen haben. Der rostige Baum erinnert sich an mich, und alle Bäume vorm Bahnhof erinnern sich an die Dohlen. Aber die Dohlen müssen sich auch an die Bäume erinnern. Ich darf neben Mama schlafen, wann immer ich will. Vaters Hälfte vom Bett ist jetzt meine. In der Kuhle in der Mitte war es wärmer, als Vater noch auf der anderen Seite war. Früher hab ich Papa gesagt, aber jetzt sag ich Vater. Das ist der Unterschied. Zu Mama sag ich Mama. In unserer Klasse ist sonst von niemand der Vater gestorben, nur meiner. Trotzdem haben nicht alle einen Vater zu Hause. Ich könnte ins Haus gegenüber gehen und nachschauen, ob dort jemand wohnt, der meinem Vater ähnlich sieht. Aber vielleicht hab ich ihn mir auch nur eingebildet. Wenn man einen Menschen zu sehr vermisst, kann man sich plötzlich einbilden, dass man ihn sieht. Mama sagt das. Der Fliegerbär schläft mit mir auf Vaters Seite, aber er rutscht immer in die Kuhle in der Mitte. Es geht ihm wie mir früher. Der Bär hat immer nur eine Mama gehabt. Er ist zu uns geflo
ogen. Er ist a
auf unserem Balkon gelandet, dort hab ich ihn daann gefunde
en. Ich würd
de ihn nie heergeben, nich
ht mal für huundert Pupp
pen. Der Flieg
gerbär ist deer Einzige, der auf mich
h wartet, w
wenn ich von der Schu
ule nach Haause komme
e. Ich geb ihn ganz besstimmt nie h
her. Mein Vater ist t gestorben,, weil sein Herz nicht mehr gesch
hlagen hat. Ich erinnerre mich noch
h, wie Vate
ers Herz gesschlagen ha
at. Ich hab auf seinem
m Schoß gessessen und es gehört. Wenn
n man sich gganz dicht an den rostiggen Baum stellt und horcht, kann m an was höre
en. Im Baum
m ist eine Stim
mme, die ich
h kenne. Ich mache die A
Augen zu, damit ich sie bbesser höre. Es ist, als wäre mein Vater ganz nah
h. In deem Baum sch
hlägt ein Herrz, und meinn Vater kann
n es bis in de
en Himmel hhören. Er saggt den Dohleen, dass sie zum Bahnhof zurückflieegen müssen
n, weil dort ein Mädcheen und die Bäume B
auf siie warten. Ich m
mache die Au
ugen wieder auf und schhaue durch d
die Baum
mwipfel in den d Himmel.. Ich weiß j etzt, dass die d
Vögel bald wiedeer hier sind. Ich gebe dem
m Baum eine
en eflogen komm
men, höre ich Klapss, und als diee Krähen ge
sie ggleichzeitig: die Vögel und u
die Bäuume. Ich geh
he ganz leise weg, daamit ich niem
manden erscchrecke. Mam
ma steht auf der Treppe des Bahnhoffs und warte
et. Sie w
winkt mit irgendwas. Bestimmt sind es die d
Fahrkkarten an den neuen Ort. Wenn
n wir abfahren, kann ich die Bäume und Vögel aus dem Zugfenster sehen. Und wenn ich ssie unterwegs vermisse, leg ich den Kopf in Mutters Sch oß und erinn
nere mich an
n sie. Ich h
hüpfe auf ein
nem Bein zu
u Mama. Einns, zwei, drei – wenn ich's mit weeniger als zw
wanzig Hüpfeern bis zur Treppe scha
affe, finde icch an dem neuen Ort schnell s
Freunnde. Mama muss lacheen. Sie zählt mit und win
nkt im Takt m
mit den Fahrkarten. Zwö
ölf, dreizehnn, vierzehn –
– dann bin icch schon da. Riitta Jaalonen: Das M
Mädchen unteer dem Dohlen
nbaum. München [[u.a.] : Hanserr, 2007