DIP des Bundestages - Deutscher Bundestag

Deutscher Bundestag
Drucksache 18/11182
18. Wahlperiode
(zu Drucksache 18/11136)
15.02.2017
Unterrichtung
durch die Bundesregierung
Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung aufenthaltsrechtlicher Richtlinien der
Europäischen Union zur Arbeitsmigration
‒ Drucksache 18/11136 ‒
Gegenäußerung der Bundesregierung zu der Stellungnahme des Bundesrates
Die Bundesregierung äußert sich zu der Stellungnahme des Bundesrates wie folgt:
Zu Nummer 1 (zu § 16 Absatz 9 und § 20 Absatz 8 AufenthG-E)
Die Bundesregierung schließt sich dem Vorschlag nicht an.
Gemäß Artikel 2 Absatz 2 Buchstabe a der Richtlinie 2016/801/EU („REST-Richtlinie“) findet diese auf Personen, die in einem Mitgliedstaat internationalen Schutz im Sinne der Richtlinie 2011/95/EU genießen, keine Anwendung. Dies schließt laut Erwägungsgrund (29) der REST-Richtlinie das Recht der Mitgliedstaaten nicht aus,
diesen Drittstaatsangehörigen andere als durch die REST-Richtlinie geregelte, nationale Aufenthaltstitel zu Studien- oder Forschungszwecken ausstellen zu können. Die Bundesregierung hat von dieser Möglichkeit durch die
Regelung in § 16 Absatz 9 AufenthG-E Gebrauch gemacht und verschafft international Schutzberechtigten, die
in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union bereits ein Studium aufgenommen haben, die Möglichkeit, einen Teil ihres Studiums in Deutschland zu absolvieren. Gleiches gilt gemäß § 20 Absatz 8 AufenthG-E für
Forscher, die in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union internationalen Schutz genießen.
Die Unterscheidung zwischen international Schutzberechtigten, die bereits in einem anderen Mitgliedstaat der
Europäischen Union über einen Aufenthaltstitel verfügen, und anderen Drittstaatsangehörigen ist aus Sicht der
Bundesregierung in diesem Zusammenhang sachlich gerechtfertigt, weil die Verantwortung des für die Asylprüfung zuständigen Mitgliedstaats nicht mit Abschluss des Asylverfahrens endet. Vielmehr soll die Integrationsverantwortung im Grundsatz beim Anerkennungsstaat liegen.
Zu Nummer 2 (zu § 16a AufenthG-E)
Die Bundesregierung ist ebenso wie der Bundesrat der Auffassung, dass von der Kurzzeitmobilität für Studenten
nach § 16a AufenthG-E erst dann Gebrauch gemacht werden darf und soll, wenn die Ablehnungsfrist von 30 Tagen (§ 20c Absatz 3 AufenthG-E) ohne Ablehnung verstrichen ist.
Eine Änderung des Gesetzentwurfs ist jedoch aus Sicht der Bundesregierung entbehrlich. Dass auch in Fällen, in
denen eine Mitteilung nach § 16a Absatz 1 Satz 3 AufenthG-E erfolgt, vor der Einreise der Ablauf der Ablehnungsfrist abzuwarten ist, ergibt sich aus dem in § 16a Absatz 2 Satz 2 enthaltenen Halbsatz „und wurden die
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Einreise und der Aufenthalt nicht nach § 20c Absatz 3 abgelehnt“. Hieraus folgt, dass die 30-Tagesfrist des § 20c
Absatz 3 AufenthG-E auch in diesen Fällen abgewartet werden muss, bevor die Einreise erfolgen darf.
Die Regelung in § 16a Absatz 5 AufenthG-E ist nichtsdestotrotz notwendig, weil bei Bestehen eines Ausweisungsinteresses nach § 20c Absatz 3 Satz 1 Nummer 9 AufenthG-E eine Ablehnung nicht nur innerhalb der 30Tagesfrist erfolgen kann, sondern auch zu jedem späteren Zeitpunkt (§ 20c Absatz 3 Satz 2 AufenthG-E).
Die Regelungen in §§ 16a, 20c Absatz 3 AufenthG-E sind also bereits so konzipiert, dass eine Einreise vor Ablauf
der Ablehnungsfrist nicht erfolgen darf.
Zu Nummer 3 (zu § 19c AufenthG-E)
Die Bundesregierung hat eingehend geprüft, welche Möglichkeiten die Richtlinie 2014/66/EU („ICT-Richtlinie“)
für die Fälle der Kurzzeitmobilität von unternehmensintern transferierten Arbeitnehmern vorsieht.
Ein Verzicht auf das Mitteilungsverfahren bei der Kurzzeitmobilität von unternehmensintern transferierten Arbeitnehmern ist aus Sicht der Bundesregierung nicht angezeigt und würde wesentlichen Interessen der Bundesrepublik Deutschland widersprechen.
Zum einen ist aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung erforderlich, auch in Fällen des unternehmensinternen Transfers ausländischer Arbeitnehmer zu wissen, welche Personen in das Bundesgebiet einreisen
und sich hier aufhalten. Es kann auch bei dieser Personengruppe nicht per se von einer Unbedenklichkeit ausgegangen werden. Gemäß Artikel 21 Absatz 9 der ICT-Richtlinie dürfen unternehmensintern transferierte Arbeitnehmer, die als Bedrohung für die öffentliche Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit betrachtet werden, nicht in
das Hoheitsgebiet des zweiten Mitgliedstaats einreisen oder sich dort aufhalten. Das Mitteilungsverfahren dient
einer effektiven Prüfung dieses durch die ICT-Richtlinie vorgegebenen Ablehnungsgrundes.
Zum anderen ist auch zur Verhinderung von Missbrauch und Ausbeutung im Bereich der Arbeitsmigration die
Durchführung des Mitteilungsverfahrens mit der Möglichkeit der Beteiligung der Bundesagentur für Arbeit angezeigt.
Eine Modifizierung der Regelungen zum Mitteilungsverfahren in dem Sinne, dass die Mitteilung auch Angaben
zur geplanten Dauer und die Daten der Inanspruchnahme der kurzfristigen Mobilität umfassen muss, ist aus Sicht
der Bundesregierung entbehrlich. Nach Auffassung der Bundesregierung beinhaltet § 19c Absatz 1 Satz 1 AufenthG-E bereits einen solchen Umfang der Mitteilung über die geplante Kurzzeitmobilität. § 19c Absatz 1 Satz 1
AufenthG-E regelt, dass ein Ausländer für einen Aufenthalt für eine Dauer von bis zu 90 Tagen innerhalb eines
Zeitraumes von 180 Tagen keines Aufenthaltstitels bedarf, wenn die aufnehmende Niederlassung in dem anderen
Mitgliedstaat dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge die geplante Mobilität des unternehmensintern transferierten Arbeitnehmers mitgeteilt und mit der Mitteilung bestimmte Nachweise und Dokumente vorgelegt hat.
Das Vorliegen der zeitlichen Voraussetzung eines auf die Dauer von bis zu 90 Tagen innerhalb eines Zeitraumes
von 180 Tagen beschränkten Kurzaufenthalts kann durch die zuständige Behörde nur geprüft werden, wenn mit
der Mitteilung auch Angaben zur geplanten Dauer des Aufenthalts gemacht werden. Dies umfasst notwendig auch
die avisierten Daten des Aufenthalts. Nach Sinn und Zweck der Regelung über die Mitteilung in § 19c Absatz 1
Satz 1 AufenthG-E umfasst diese daher auch Angaben zur Dauer und zu den Daten des Aufenthalts.
§ 19c Absatz 1 Satz 2 und Absatz 2 AufenthG-E enthalten weitere Regelungen zum Zeitpunkt der Mitteilung und
der Einreise. In § 19c Absatz 4 AufenthG-E ist geregelt, unter welchen Voraussetzungen die Ausländerbehörde
Einreise und Aufenthalt ablehnt.
Die Zusammenarbeit zwischen dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge und den Ausländerbehörden ist
zusätzlich in § 91g AufenthG-E geregelt.
Zu Nummer 4 (zu § 19c Absatz 4 AufenthG-E)
Die vorgeschlagene Einfügung in § 19c Absatz 4 AufenthG-E ist vor dem Hintergrund der Regelung in Artikel 1
Nummer 26 Buchstabe b (Ergänzung von § 72 Absatz 7 AufenthG) nicht erforderlich. Dort ist bereits vorgesehen,
dass die Ausländerbehörde die Bundesagentur für Arbeit bei der Prüfung der Ablehnungsgründe des § 19c AufenthG-E beteiligen kann.
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Zu Nummer 5 (zu § 77 Absatz 1a AufenthG-E)
Aus Sicht der Bundesregierung entspricht § 77 Absatz 1a AufenthG-E den Vorgaben der ICT-Richtlinie.
Die vorgeschlagene Änderung hingegen scheint der Bundesregierung zum einen nicht zielführend; zum anderen
widerspricht sie aus Sicht der Bundesregierung in Teilen der ICT-Richtlinie.
Der Vorschlag schränkt zum einen die Mitteilungspflichten der Ausländerbehörden ein, indem die Versagung der
Verlängerung einer ICT-Karte oder einer Mobiler-ICT-Karte nicht der aufnehmenden Niederlassung oder dem
aufnehmenden Unternehmen mitgeteilt werden soll.
Dies ist aus Sicht der Bundesregierung nicht sachgerecht. Sowohl im Falle der Rücknahme und des Widerrufs
eines Aufenthaltstitels als auch bei dessen Nicht-Verlängerung wurde ursprünglich ein Aufenthaltstitel erteilt.
Das Interesse der aufnehmenden Niederlassung bzw. des aufnehmenden Unternehmens, davon zu erfahren, dass
ihr Arbeitnehmer zukünftig keinen gültigen Aufenthaltstitel mehr besitzt, ist in den drei Konstellationen vergleichbar. Vor diesem Hintergrund sollten die drei Konstellationen, wie in § 77 Absatz 1a AufenthG-E vorgesehen, auch im Hinblick auf die Mitteilungspflichten gleich behandelt werden.
Zum anderen erweitert der Vorschlag die Mitteilungspflichten der Ausländerbehörde in Bezug auf Rücknahme
und Widerruf eines Aufenthaltstitels für Familienangehörige im Rahmen eines Familiennachzugs zum Inhaber
einer ICT-Karte oder Mobiler-ICT-Karte insoweit, als auch die Gründe für diese Entscheidung der aufnehmenden
Niederlassung bzw. dem aufnehmenden Unternehmen mitgeteilt werden sollen. Aus Sicht der Bundesregierung
widerspricht dieser Mitteilungsumfang der ICT-Richtlinie. In der die Familienangehörigen betreffenden Norm
des Artikel 19 Absatz 4 Satz 3 der ICT-Richtlinie wird nur auf die „Verfahrensgarantien“ des Artikel 15 verwiesen; hierzu zählen nach Auffassung der Bundesregierung nicht die Übermittlungspflichten an die aufnehmende
Niederlassung bzw. das aufnehmende Unternehmen in Artikel 15 Absatz 3 Satz 2 der ICT-Richtlinie zu den
Gründen der Entscheidung in Bezug auf die Familienangehörigen. Schon aus datenschutzrechtlichen Gründen
sollten die betreffenden Normen aus Sicht der Bundesregierung zudem eng ausgelegt werden.
Zu Nummer 6 (zu § 78a AufenthG)
Eine Ergänzung des § 78a Absatz Satz 1 AufenthG ist aus Sicht der Bundesregierung nicht erforderlich.
In den Fällen der Kurzzeitmobilität von unternehmensintern transferierten Arbeitnehmern (§ 19c AufenthG-E)
wird ohnehin kein Aufenthaltstitel erteilt.
Die anderen Aufenthalte im Rahmen des unternehmensinternen Transfers (§§ 19b und 19d AufenthG-E) dauern
mindestens 91 Tage (bis zu 3 Jahre) und überschreiten damit deutlich die Aufenthaltsdauer, bei der ein Verzicht
auf die Ausstellung eines elektronischen Aufenthaltstitels, der auch biometrische Daten seines Inhabers enthält,
erwogen werden könnte. Dies beinhaltet auch keinen Nachteil für die Betroffenen, da in dieser Zeit eine Fiktionsbescheinigung ausgestellt wird. Darüber hinaus verfügt der Ausländer in Fällen der Langzeitmobilität zusätzlich
über einen gültigen Aufenthaltstitel eines anderen europäischen Mitgliedstaats (vgl. § 19d Absatz 1 AufenthGE).
Zu Nummer 7 (zu §§ 91d, 91g AufenthG-E)
Eine Prüfung der Frage, ob die Bundesagentur für Arbeit als nationale Kontaktstelle für die Durchführung der
ICT-Richtlinie und der REST-Richtlinie vorgesehen werden sollte, hat ergeben, dass dies aus verschiedenen fachlichen Gründen nicht sinnvoll wäre.
Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge fungiert bereits nach dem geltenden Recht als Nationale Kontaktstelle zur Durchführung verschiedener Richtlinien der Europäischen Union. Dies betrifft sowohl den Bereich der
Arbeitsmigration (§ 91f AufenthG – Blaue Karte EU) und als auch den Bereich der Ausbildung (§ 91d AufenthG
a. F. – Studenten). Aus Sicht der Bundesregierung ist es sinnvoll, die in dieser Hinsicht bereits vorhandene Fachkompetenz für die Durchführung der REST- und ICT-Richtlinie nutzbar zu machen.
Darüber hinaus betrifft die Durchführung der Richtlinien gerade nicht nur arbeitsmarktbezogene Fragen, sondern
vor allem auch aufenthaltsrechtliche Fragestellungen. Hierfür ist das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge
die sachnächste Behörde auf Bundesebene.
Den Ausländerbehörden bleibt nach dem Gesetzentwurf die Möglichkeit unbenommen, bei der Durchführung der
jeweiligen Verfahren zur Erteilung eines Aufenthaltstitels bzw. zur Prüfung von Ablehnungsgründen die Bundesagentur für Arbeit zu beteiligen (vgl. § 72 Absatz 7 AufenthG-E).
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Zu Nummer 8 (zur Zuständigkeit der Ausländerbehörden)
Die Einrichtung der nationalen Kontaktstelle als allein zuständige Behörde für die Mobilitätsverfahren für Forscher, Studenten und unternehmensintern transferierte Arbeitnehmer ist aus Sicht der Bundesregierung nicht zielführend. Der Vorschlag ist aus fachlichen Gründen nicht zu befürworten.
Da die Regelungen zur Erteilung eines Aufenthaltstitels dieselben Personengruppen betreffen wie die Mobilitätsregelungen (Studenten, unternehmensintern transferierte Arbeitnehmer, Forscher), sollte vermieden werden, dass
die Verfahren zur originären Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 16, § 19b und § 20 AufenthG-E durch andere
Behörden durchgeführt werden als die Verfahren in Mobilitätsfällen.
Bei der Langzeitmobilität (§ 19d und § 20b AufenthG-E) wird nach den Regelungen des Gesetzentwurfs ein
Aufenthaltstitel (Mobiler-ICT-Karte oder Aufenthaltserlaubnis) erteilt. Die Erteilung von Aufenthaltstiteln ist typischerweise eine Aufgabe der Ausländerbehörden, die über die hierfür nötigen Fachkenntnisse verfügen. Diese
Zuständigkeit sollte aus strukturellen und systematischen Gründen beibehalten werden.
Bei der Kurzzeitmobilität (§ 16a, § 19c und § 20a AufenthG-E) werden keine Aufenthaltstitel erteilt, sondern
nach Verstreichen der Ablehnungsfrist kann die Einreise ohne weiteres erfolgen. Das Mitteilungsverfahren eröffnet somit den Ausländerbehörden lediglich die Möglichkeit einer Prüfung. Diese Prüfung sollte jedoch aus Gründen des Sachzusammenhangs durch die Behörden durchgeführt werden, die auch die Aufenthaltstitel an die entsprechenden Personengruppen erteilen (Studenten, unternehmensintern transferierte Arbeitnehmer, Forscher).
Darüber hinaus verfügen die Ausländerbehörden über Kenntnisse der örtlichen Gegebenheiten sowie der aufnehmenden Einrichtungen, die einer zentralen Behörde so nicht zur Verfügung stehen. Auch aus diesem Grund ist
eine zentrale Bearbeitung der Mobilitätsverfahren durch eine zentrale Behörde aus Sicht der Bundesregierung
nicht sinnvoll.
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