Dekarbonisierung: Nah am Wasser gebaut Keyfacts über Dekarbonisierung - Mobilitätsbranche verursacht einen Großteil der Emissionen - Marktreife für Brennstoffzellenautos noch nicht gegeben - Verkehrsbetriebe könnten Wandel anstoßen 06. Februar 2017 Bei einem sind sich die meisten Akteure in Wirtschaft, Wissenschaft und Politik mittlerweile weitgehend einig: Die Zukunft unserer Wirtschaft soll in der Dekarbonisierung liegen, der Umstellung hin zu weniger Kohlenstoffausstoß – je weniger, desto besser. Uneinigkeit besteht jedoch in praktisch allen daraus resultierenden Fragen: Wie schnell soll die Umstellung kommen, was darf sie kosten und wie soll sie funktionieren? Insbesondere die Energie- und die Mobilitätsbranche muss sich diesen Fragen stellen; ist sie doch für weite Teile der Kohlenstoff-Emissionen verantwortlich. Was für den Energiesektor die Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien ist, ist für den Mobilitätssektor häufig die Diskussion um Biokraftstoffe oder elektrische Antriebe mit Batterie oder Wasserstoff-SauerstoffBrennstoffzelle. Neuere Entwicklungen führen nun dazu, dass die Energie- und die Mobilitätsbranche mittelfristig enger miteinander vernetzt sein könnten: durch die Errichtung von Energieparks, die durch Kombination von Stromerzeugung und Wasserstoffproduktion sowohl 1/5 der Energie- als auch der Mobilitätsbranche dienen würden. Für perspektivisch handelnde Autohersteller stellt sich wie für Kunden und Investoren derzeit häufig dieselbe Frage: Brennstoffzelle oder Batterie oder beides? Bei batteriebetriebenen Fahrzeugen steigen die Gesamtkosten mit der Kapazität der Batterie – also im Wesentlichen der geforderten Reichweite und dem Energiebedarf des Fahrzeugs. Die Größe und Kosten von Brennstoffzellen hängen hingegen eher von der erforderlichen Maximalleistung ab als vom Energiebedarf. Gleichzeitig ist die Speicherung von Energie in Batterien aufgrund höherer Wirkungsgrade günstiger als die Speicherung von Energie in Form von Wasserstoff. Dadurch sind batteriebetriebene Fahrzeuge immer dann im Vorteil, wenn relativ niedrige Massen über kurze Strecken transportiert werden sollen und ausreichend Zeit für Ladevorgänge besteht. Brennstoffzellen hingegen sind effizienter, wenn große Massen über weite Strecken transportiert werden müssen. Anders gesagt: Der städtische Omnibus fährt in den meisten Fällen besser mit Brennstoffzellen, der einzelne Autofahrer mit Batterien. Vom Einzelfall zur Industrialisierung Die Fahrzeughersteller produzieren Brennstoffzellenfahrzeuge noch nicht in großen Stückzahlen. Die Folge: Jedes einzelne Fahrzeug hat relativ hohe Stückkosten im Vergleich zu den Volumenmodellen. Die Hersteller können erst mit der Skalierung beginnen, wenn ein ausreichender Absatzmarkt existiert. Den kann es aber ohne ausreichendes Tankstellennetz nicht geben. Ein ausreichendes Tankstellennetz ist aber erst dann profitabel, wenn ausreichend viele Autos mit dem entsprechenden Bedarf an Treibstoff auf den Straßen unterwegs sind. Kurzum: Das klassische Henne-Ei-Problem. Und nun? 511 Millionen Euro will der Bund in den kommenden Jahren für den Ausbau der Infrastruktur wasserstoffgetriebener Autos investieren Zusammenschlüsse von Verkehrsbetrieben beispielsweise könnten bedeutend schneller die erforderliche Marktgröße generieren, um in Form von Leuchtturmprojekten mit gutem Beispiel voranzugehen. Mit 511 Millionen Euro will auch der Bund in den kommenden Jahren den Ausbau der Brennstoffzellen-Infrastruktur für Autos unterstützen. Wenn die erste Omnibusflotte einer deutschen Großstadt komplett auf Brennstoffzellen umgerüstet hat, wäre die Strahlkraft eines solchen Projektes wohl groß genug, um bis in andere Städte und Kommunen zu leuchten. Davon ausgehend ist auch die Weiterentwicklung der Energieversorgung denkbar. Prämissen hierbei: dezentral, dekarbonisiert und so beschaffen, dass auch der Verbrauch vermehrt am Ort der Erzeugung stattfindet. 2/5 Nachhaltige Mobilität und dezentrale Energieversorgung Denkt man die Überlegungen rund um die Brennstoffzelle weiter, dann könnte es mittelfristig eine direkte Verbindung von Stromerzeugungsanlagen (Windkraftanlagen und Solarparks) mit Wasserstofferzeugungsanlagen geben. Das gilt umso mehr vor dem Hintergrund, dass das im Sommer 2016 reformierte Erneuerbare-Energien-Gesetz („Gesetz zur Einführung von Ausschreibungen für Strom aus erneuerbaren Energien und zu weiteren Änderungen des Rechts der erneuerbaren Energien“ vom 13. Oktober 2016) dazu führen wird, dass viele der heutigen Akteure aus der Windenergiebranche künftig keine Projekte mehr realisieren werden können. Wenn das neue Ausschreibungsverfahren und der Ausbaukorridor für Photovoltaik und Onshorewind vielen kleinen Projektentwicklern und Investoren die Förderung durch das EEG in Deutschland unmöglich machen, könnten autonome Energieparks in sogenannten Inselnetzen für diese Akteure ein alternatives Betätigungsfeld sein. Der Ausweg also: Weg vom „Bürgerwindpark mit Förderung“, hin zum „Bürgerwindpark mit Elektrolyseur“. Der Vorteil dabei: Man schafft sich seinen eigenen Absatzmarkt gleich mit. Bleiben zwei offene Fragen: Wie gewährleistet man – erstens – bei naturgemäß schwankend verfügbarer Wind- und Sonnenenergie die durchgehende Auslastung der Elektrolyseure? Eben diese durchgehende Auslastung ist die Voraussetzung dafür, dass die Produktion von Wasserstoff zu den annähernd ähnlichen Preisen möglich ist wie die Produktion von fossilen Brennstoffen wie Diesel und Benzin. Wie sorgt man schließlich – zweitens – dafür, dass Brennstoffzellenfahrzeuge nicht wie bisher auch weiterhin etwa doppelt so viel kosten in der Anschaffung wie ein Auto mit herkömmlichen Antrieb? Die Antwort hierauf könnte in Prämien liegen, wie sie schon heute in vielen anderen Bereichen eingesetzt werden. Zahlt am Ende also der Steuerzahler, könnte man fragen? „Ja, das tut er“, ist darauf die ehrliche Antwort. Aber nur solange, bis eine solche Technologie die entsprechende Marktreife hat, um zum globalen Erfolgsmodell zu werden. Dass eine solche Technologie global erfolgversprechend sein kann, daran – siehe Anfang – wiederum besteht mittlerweile kaum noch ein Zweifel. Zusammengefasst »Wenn die erste Omnibusflotte einer deutschen Großstadt komplett auf Brennstoffzellen umgerüstet hat, wäre die Strahlkraft eines solchen Projektes wohl groß genug, um bis in andere Städte und Kommunen zu leuchten.« Derzeit kosten Brennstoffzellen-Autos etwa doppelt so viel wie herkömmlich angetriebene Autos. Um günstiger zu produzieren, müssten die Stückzahlen deutlich erhöht werden. Das wiederum ist schwer ohne einen entsprechenden Absatzmarkt – den es aber ohne ein ausreichendes Tankstellennetz nicht geben kann. Staatliche Impulse könnten hier helfen. 3/5 Niels P. E. Buck Partner, Advisory ÄHNLICHER ARTIKEL BLOG Klimaschutz: Zeit zum Handeln Das Pariser Abkommen ist von besonderer Bedeutung, weil es einen verbindlichen Rahmen absteckt, der vor allem wirtschaftlichen Akteuren notwendige Orientierung bietet. 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