Fraunhofer IVV Dresden

Ausrüstung
Jürgen Hofmann
Keine ist vollkommen
Testmethoden zur Überprüfung der hygienegerechten
Gestaltung von Apparaten
Produktsicherheit stellt heute unter
mikrobiologischen Gesichtspunkten ein
existentielles Problem der Lebensmittelindustrie dar. Bedingt durch die
Adaption der Mikroorganismen treten
immer wieder Probleme bei der Sterilisation und Desinfektion von Produkt
und Maschinen auf. Ein wesentlicher,
früher vernachlässigter Aspekt betrifft
die hygiene- und reinigungsgerechte
Gestaltung von Bauteilen und Anlagen, die aufgrund der EU-Maschinenrichtlinie vom Hersteller garantiert
werden muss. Ziel ist der einwandfreie
hygienische Zustand der Produktionsanlagen nach der Reinigung unter
möglichst minimiertem Aufwand. Um
die reinigungsgerechte Gestaltung der
Komponenten beurteilen zu können,
sind verschiedene Testverfahren entwickelt worden.
D
as wichtigste Ziel bei der Anwendung der hygienegerechten Gestaltung von Apparaten ist die Sicherung der
Produktqualität. Da die Verantwortung
für den Verbraucherschutz beim Lebensmittelproduzenten liegt, steht die mikrobiologische Sicherheit der Lebensmittel
im Vordergrund. Mikroorganismen adaptieren sich an immer neuere Reinigungsund Desinfektionsverfahren. Deshalb
kann durch eine reinigungsgerechte Konstruktion der Produktionsanlagen eine
Anhäufung des Restschutzes in den Maschinen während ihrer langen Laufzeit
vermieden werden. Darüber hinaus wird
eine Verminderung der Reinigung bezüglich der eingesetzten Reinigungsmittelmengen angestrebt.
Die beiden Begriffe Reinigbarkeit und
Reinigungserfolg haben unterschiedliche
Bedeutung und müssen deshalb voneinander abgegrenzt werden. Die Überprüfung der Reinigbarkeit beinhaltet die
Detektion von hygienisch schlecht konstruierten Stellen in Bauteilen und Anlagen und entspricht daher einer Beurteilung der leichten Reinigbarkeit. Die Reinigbarkeit ist unabhängig vom herzustellenden Produkt und vom angewendeten
Reinigungsverfahren.
Das Überprüfen des Reinigungserfolges stellt eine Restschmutzdetektion nach
erfolgter CIP (cleaning in place)-Reinigung
dar. Hierbei wird die Effektivität eines bestimmten Reinigungsverfahrens überprüft. Der Reinigungserfolg ist abhängig
vom geförderten Produkt und vom angewendeten Reinigungsschema.
EHEDG-Methode überprüft die
Reinigbarkeit
Die EHEDG-Methode basiert auf einem
Vergleich der Reinigbarkeit zwischen einem definierten Referenzrohr und dem
Testobjekt. Die Verschmutzungsmatrix
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aus Sauermilch beinhaltet Sporen des
Stammes Bacillus stearothermophilus var.
calidolactis, die auf modifiziertem Shapton-Hindes-Agar (SHA) bei Wachstum eine Gelbfärbung hervorrufen.
Bei diesem Test wird das Testobjekt mit
einem Referenzrohr bekannter innerer
Oberflächenrauigkeit (Ra = 0,5 µm) verbunden. Die gesamte innere Oberfläche
der Teststrecke wird mit der kontaminierten Sauermilch benetzt und anschließend
getrocknet. Zur Reinigung wird die ver-
fplakette
EHEDG-Prü
schmutzte Teststrecke in einen Reinigungskreislauf eingebaut und durch eine milde alkalische Heißreinigung gesäubert. Die Reinigungsgeschwindigkeit wird
auf 1,5 m/s bezüglich des Referenzrohres
eingestellt. Danach werden das Referenzrohr und das Testobjekt voneinander getrennt mit flüssigem SHA ausgegossen
und für einen Tag bei 58 °C in einem Brutschrank inkubiert. Anschließend werden
die Bauteile auf gelbe Verfärbungen im
violetten Agar überprüft. Zu diesem
Zweck wird der Agar aus dem Bauteil herauspräpariert und eine dünne Schicht
der Oberfläche abgeschnitten.
Bei dieser Testmethode sind drei Resultate möglich.
Anwesenheit von Milchrückständen:
Sind Milchrückstände beim Betrachten
des Testbauteils nach dem Reinigungsschritt noch vorhanden, so ist es nicht notwendig, mikrobiologische Untersuchungen durchzuführen, da Sporen sicherlich
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vorhanden sind. Hierbei handelt es sich
um gravierende hygienische Gestaltungsfehler im Bauteil.
Vorhandensein von gelben Bereichen:
Hier werden zwei Fälle unterschieden.
Sind die gelben Zonen im Teststück statistisch verteilt, wird der Grad der Reinigung
mit dem Referenzrohr verglichen. Treten
bei drei verschiedenen Versuchen immer
an der gleichen Stelle im Teststück Verschmutzungsrückstände auf, d. h. die gelben Zonen sind systematisch verteilt,
weist dies auf Zonen hin, die schwierig zu
reinigen sind. Diese Zonen sollten bezüglich ihres Hygienic Designs verbessert werden. Eine konstruktive Überarbeitung des
Bauteils muss die Folge sein. Ist dies aus
technischen Gründen nicht mehr möglich, muss das Reinigungsverfahren entsprechend angepasst werden.
Keine gelben Zonen: Treten in drei aufeinanderfolgenden Versuchen keine gelben Zonen auf, sind keine weiteren Versuche nötig, und das Teststück kann als
„besonders gut reinigbar“ bezeichnet
werden.
QHD-Prüfsystem und
MAK-01-Reinigbarkeit
Das Qualified Hygienic Design (QHD)Prüfsystem ist ein zweiteiliges Prüfsystem
für die Reinigbarkeit von Komponenten.
Die Stufe 1 beinhaltet den theoretischen
Nachweis der hygienegerechten Kon-
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QHD-Prüfplakette
struktion anhand der geltenden Regelwerke. Jedes zu testende Bauteil wird anhand einer Checkliste auf Gestaltung,
Werkstoffauswahl, Fertigung, Montage
und Oberflächen überprüft. Somit kann
für das Bauteil bescheinigt werden, dass
es nach dem jetzigen Stand der Technik
konstruiert ist.
Der praktische Nachweis des Hygienic
Designs erfolgt in Stufe 2. Hierbei wird als
Schnellmethode der ATP (Adenosintriphosphat)-Test eingesetzt. Die Verschmutzungsmatrix besteht aus verkleisterter Speisestärke, Molkenprotein und
Bäckerhefe, die als wässrige Lösung angerührt wird. Das gesäuberte Testbauteil
wird mit der Matrix gefüllt, so dass eine
gleichmäßige Benetzung der Oberfläche
erfolgt. Der Schmutzfilm wird getrocknet
und anschließend mit einer alkalischen
Heißreinigung abgereinigt. Die Detektion
des Restschmutzes erfolgt durch Abstrichtests mit Hilfe spezieller ATP-TupferKits. Hygienisch bedenkliche Stellen werden anhand der Konstruktionszeichnung
festgelegt und nach Durchführung der
Reinigung abgestrichen.
Bei der MAK-01-Methode handelt es
sich um einen mikrobiologischen Nachweis der In-place-Reinigbarkeit von Anlagenbauteilen mittels Abstrichtests. Das
Testbauteil wird mit einer obergärigen Hefesuspension (Saccharomyces cerevisiae)
verschmutzt. Nach Trocknung dieses
Schmutzfilms folgt eine alkalische Reinigung. Anschließend werden an den
Stellen der Testeinheit, die hinsichtlich der
Reinigbarkeit kritisch erscheinen, Abstriche mit sterilen Tupfern genommen. Diese werden drei Tage lang bebrütet. Stellt
sich eine Trübung ein, wird diese Probe
auf Hefen mikroskopiert. Befinden sich in
der Probe Hefen, gilt diese Probennahmestelle als kontaminiert und somit als nicht
ausreichend reinigbar. Sind keine Hefen in
der Probe nachweisbar, gilt diese Stelle als
gut reinigbar und entspricht somit einem
guten hygienischen Design.
EHEDG-Test zur Sterilisierbarkeit
und Durchdringungsfestigkeit
Bei der Sterilisation von Apparaten ist von
entscheidender Bedeutung, dass sämtliche produktberührten inneren Oberflä-
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Schema eines
CIP-Reinigungsstandes
chen des Bauteils die erforderliche Sterilisationstemperatur
während der Sterilisationszeit erreichen.
Wird die Temperatur nicht erreicht oder ist
die Erhitzungszeit zu kurz, können Mikroorganismen oder Sporen überleben.
Prinzip dieser Testmethode ist der Nachweis von überlebenden Mikroorganismen nach einer Standardsterilisation. Auf
die gereinigten Oberflächen des Testobjekts wird eine Sporenlösung von Bacillus subtilis aufgebracht, getrocknet und
anschließend mit Sattdampf sterilisiert.
Damit eventuell überlebende Sporen nun
auskeimen können, wird fünf Tage lang
eine Nährlösung im Kreislauf durch das
sterilisierte Testobjekt gepumpt. Tritt nach
dieser Zeit keine Trübung des Nährbouillons auf, kann eine Sterilisierbarkeit des
Bauteils bescheinigt werden.
Die EHEDG-Definition für aseptische
Anlagen fordert zusätzlich zur Reinigbarkeit noch die Durchdringungsfestigkeit
der Bauteile gegenüber Mikroorganismen, d. h. also, die Apparate dürfen von
Mikroorganismen nicht von außen nach
innen durchdrungen werden.
Zum Nachweis der Durchdringungsfestigkeit wird der hochmobile und anaerobe Stamm Serratia marcescens verwendet. Diese mobilen Mikroorganismen
werden mehrfach von außen auf „verdächtige“ Stellen des Testbauteils aufgebracht. Im Bauteil wird eine entsprechende Nährlösung umgepumpt. Tritt
nach fünf Tagen eine Trübung der Nährbouillon auf, so besitzt das Testbauteil keine Durchdringungsfestigkeit gegenüber
Mikroorganismen und ist somit auf keinen Fall für den aseptischen Einsatz in der
Lebensmittelindustrie geeignet.
Es gibt keinen Universaltest
Als eine der ersten Organisationen entwickelte und veröffentlichte die EHEDG
Testmethoden zur Beurteilung der Reinigbarkeit, Sterilisierbarkeit und Durchdrin-
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gungsfestigkeit. Diese Methoden sind
mittlerweile in der Lebensmittelindustrie
bekannt und werden zur Überprüfung
des Hygienic Designs von Anlagenkomponenten herangezogen. Vor allem der
Reinigbarkeitstest ist hochempfindlich
und detektiert hygienische Schwachstellen sehr gut. Es lassen sich sogar Schweißnähte reproduzierbar nachweisen. Der
Vergleich des Reinigungsergebnisses mit
einem Referenzrohr bietet den Vorteil,
dass geringe Unterschiede in der Versuchsdurchführung und die daraus
schwankenden Ergebnisse egalisiert werden. Nachteilig ist die aufwendige mikrobiologische Laborarbeit, die einen großen
Anteil der Kosten dieses Tests ausmacht.
Das QHD-Prüfsystem in Verbindung mit
dem ATP-Test ist eine kostengünstige
Schnellmethode zur Beurteilung der Reinigbarkeit von Anlagenbauteilen. Die Versuchsdurchführung des Tests ist einfach
und kann somit auch vom Hersteller
selbst durchgeführt werden. Im Rahmen
des Prüfsystems wird ein Qualitätshandbuch zur Dokumentation der hygienege-
Testmethoden zur Überprüfung
der hygienegerechten Gestaltung
Produktsicherheit ist nur bei einem
einwandfreien hygienischen Zustand
der Produktionsanlagen gewährleistet. Zur Beurteilung der Komponenten gibt es verschiedene Testmethoden: Die EHEDG-Methode ist hoch
empfindlich und detektiert hygienische Schwachstellen ganz genau;
nachteilig sind die hohen Kosten
durch aufwändige Laborarbeit. Das
QHD-Prüfsystem in Verbindung mit
dem ATP-Test ist schnell und kostengünstig, allerdings recht ungenau. Bei
der MAK-01-Reinigbarkeitsmethode
liegt der größte Nachteil in der langen
Bebrütungszeit der Tupfer.
rechten Konstruktion angelegt, welches
zusätzlich mit einem QHD-Gütesiegel belegt wird. Da der ATP-Test ein Screening
Test ist, dessen Empfindlichkeit bei weitem nicht die der EHEDG-Methode erreicht, müssen die gemessenen RLU-Werte entsprechend interpretiert werden. Bedingt durch die Tupfermethode, erzielt
man hier nur lokale Aussagen an vorher
genau definierten Stellen.
Die MAK-01-Reinigbarkeitsmethode ist
ebenfalls ein einfach durchzuführender
Test, der ohne spezielle mikrobiologische
Laborarbeit auskommt. Der größte Nachteil dieser Methode liegt in der langen Bebrütungszeit der Tupferproben von drei
Tagen. Dies bedingt einen hohen Zeitaufwand, bis gesicherte Ergebnisse eines
Testobjekts erreicht werden können.
Einen Universaltest gibt es nicht. Es
muss je nach Art des Bauteils und der jeweiligen Prüfintension entschieden werden, welcher Test am geeignetsten ist. Der
Nachteil aller Testmethoden ist beschränkter Einsatz auf einzelne zerlegbare Bauteile, da entweder der Agar herauspräpariert werden muss oder bei Abstrichtests entsprechende Stellen im Bauteil erreicht werden müssen. Wichtig ist
darüber hinaus, dass sowohl die Maschinenhersteller als auch deren Kunden, also
Lebensmittelproduzenten, über die Inhalte der verschiedenen Testmethoden informiert sind, da sonst nicht haltbare Forderungen seitens der Kunden gestellt werden. Es ist nicht sinnvoll, alle Testmethoden gleichzeitig anzuwenden, da einerseits die Ergebnisse nur bedingt vergleichbar sind und andererseits die Einsatzmöglichkeiten der verschiedenen Verfahren
sich unterscheiden.
Empfehlenswert ist, dass bereits bei der
Idee zu einem neuen Bauteil hygienische
Aspekte berücksichtigt werden. Wenn
von vorneherein bei der Konstruktion an
die Kriterien des Hygienic Designs gedacht wird, vermeidet man kostspielige
Nachbesserungen am Endprodukt. Aus
diesem Grund liefert eine entwicklungsbegleitende Untersuchung auf Reinigbarkeit wertvolle Ergebnisse.
Die Schemazeichnung zeigt einen CIPReinigungsstand, wie er bei den meisten
Testmethoden zum Einsatz kommt. Er besteht in der Regel aus zwei Behältern, von
denen einer beheizbar ist, einem Rohrkreislauf, in den die Teststrecke integriert
wird, sowie einer Pumpe.
Weitere Infos
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