„Volkssport“ Fußball - Wenn etwas nicht sein kann, was nicht sein darf! Eine Gegenrede zum Kommentar: BVB-Fans gegen Raba Leipzig: Ein Protest wird zum Eigentor, Erschienen am 06.02.2017 auf schwatzgelb.de Ausschreitungen vor und nach dem Spiel von Rasenballsport Leipzig bei Borussia Dortmund erreichen eine neue Dimension unter dem Deckmantel angeblich gerechtfertigter Proteste gegen die Kommerzialisierung im Fußball. Grenzen zwischen friedlichem Protest und Hetze verschwimmen im überbordenden Mix aus Hass und Gewalt. Am Ende bleibt eine Zäsur, ein Innehalten im deutschen Fußball und die Chance der Fanszenen des BVBs klare Kante gegen Hass, Gewalt und Diskriminierung zu zeigen. Die erste große Chance wurde leider vertan. Fast jeder in Deutschland konnte mittlerweile über verschiedenste Kanäle, insbesondere in den Medien feststellen, was am Samstagabend im Rahmen des Bundesligaspiels zwischen dem BVB und RB Leipzig in Dortmund geschehen war. Als Fan von RB Leipzig war ich schon einiges gewöhnt. Aber Angst, um mein Leib und Leben zu haben, war bisher noch nicht dabei. Die, die sich an diesem Abend einem gewalttätigen Mob von Verbrechern gegenüberstanden, der sie bespuckt, beleidigt, mit allem greif- und werfbaren Gegenständen beschossen, verprügelt, verletzt und wie Vieh durch die Straßen getrieben hat, versuchen nun auf verschiedenste Weise die Geschehnisse zu verarbeiten. Manche Fans verdrängen, manche reden, manche trauern und einige schreiben. Kein Tag vergeht, an dem nicht ein weiterer offener Brief verschiedenster Fanclubs von RB Leipzig, vorrangig an die oberste Managementebene gerichtet, erscheint. Wer kann es ihnen in Anbetracht des Erlebten verdenken? Auch ich beschäftige mich intensiv mit dem Gedanken, meine Wut, meine Bestürzung, meine Erlebnisse aufzuschreiben, vielleicht sogar ebenfalls zu veröffentlichen, um es einer breiteren Öffentlichkeit bekannt zu machen. Natürlich vorrangig in der Hoffnung, vielleicht ein Umdenken, ein Aufrütteln, eine Veränderung zu erreichen. Generell halte ich es für richtig und wichtig, dass Auswüchse in solchen gewalttätigen Dimensionen nicht unter den Tisch gekehrt werden dürfen, sondern knallhart angesprochen und aufgearbeitet werden müssen. Das Fass ist übergelaufen. Da ich mir aber auch bewusst war, dass Emotionen nie ein guter Ratgeber sind, schlief ich eine Weile darüber. Außerdem wollte ich auch abwarten, um zu sehen, wie der Verein Borussia Dortmund selber die unfassbaren Geschehnisse aufarbeitet. Insbesondere war es für mich aber entscheidend, wie die Basis, das Herzstück, d.h. die Fanclubs des Vereins selber damit umgehen. Nutzen sie die Gelegenheit endlich klare Kante zu zeigen? Endlich Gewalt, Hetze und Diskriminierung nicht nur öffentlich ohne Wenn und Aber zu verurteilen, sondern auch erkennbar zu bekämpfen? Meines Erachtens kann dort und nur dort ein erfolgreiches Vorgehen gegen solche Auswüchse erfolgreich sein. Der Verein in Form seiner Führungskräfte kann, nein muss eine Linie vorgeben und Grenzen definieren, insbesondere vorleben. Dass dies im Fall von Borussia Dortmund ggf. nicht immer ausreichend geschehen ist, soll jetzt hier nicht Gegenstand sein. Das letztendliche Klima, indem sich der Verein als Ganzes nach innen und nach außen präsentieren möchte, kann nur vom Herzstück selber - den Fans kommen. Sie sind die Basis, die tragenden Säulen. Ihr Verhalten und ihren Umgang mit den Geschehnissen empfinde ich noch viel entscheidender. Ein erster öffentlicher Ansatzpunkt lieferte der o.g. Kommentar. Der Inhalt und die Darstellung sind für mich nur schwer zu ertragen. Er rief mich geradezu auf, nun auch meine Gedanken in Form einer Gegenrede zu Papier zu bringen. „Plumpe“ Spruchbänder? Ein kurzer Schritt zurück: Ich selber war einer jener Fans, die am Samstag mit dem Fanzug nach Dortmund gefahren sind, um einen wundervollen, unvergesslichen Fußballabend in einer der schönsten und größten Fußballarenen in Europa erleben zu dürfen. Ich bin gebürtiger Leipziger und RB-Fan. Als ebenfalls langjähriger, bekennender Dortmund-Sympathisant war es mir bisher verwehrt geblieben, ihr Stadion live zu sehen. Ich war voller Vorfreude auf das Erlebnis und das Spiel. Das Ende ist bekannt. Ich musste es in vorderster Front und als Augenzeuge miterleben. „Front“ habe ich hier bewusst gewählt. Nicht, weil ich polemisch oder absichtlich pathetisch sein möchte. Nein, weil es sich auch genauso, d.h. teilweise wie im Bürgerkrieg, anfühlte. Noch völlig schockiert und traumatisiert von den Geschehnissen saß ich im organisierten Fanzug zurück nach Leipzig. Ich war froh, zumindest körperlich unversehrt, wieder auf dem Weg zurück nach Leipzig zu sein. Leider hatten einige von den Mitfahrern nicht ganz so viel Glück. 22:30 Uhr durfte ich über den offiziellen Twitter-Account von schwatzgelb.de: @schwatzgeld.de folgende Nachricht lesen: „Lust auf Protestspruchbänder der Südtribüne?“ Gezeigt wurde ein Foto, aufgenommen von einer Gegengerade, auf dem sämtliche, der ca. 60 Banner, die am Anfang des Spieles auf der berüchtigten Südtribüne von den, lt. eigener Aussage, treuesten und besten Fans der Welt hochgehalten worden sind. „Lust“ auf „Protestspruchbänder“ also! Ich, der Stunden zuvor noch Angst um sein Leib und Leben hatte, weil er umherfliegenden Gegenständen, darunter Glasflaschen ausweichen musste. Ich, der sich beschimpfen, bespucken, mit Bier beschütten, aufs übelste beleidigen und bedrohen lassen musste. Ich, der in die verweinten Gesichter total verängstigter Frauen und Kinder, um sich herum, schauen musste, die von ihren verzweifelten Männern bzw. Vätern, hinter Stromkästen geschubst worden sind, um sie halbwegs vor Wurfgeschossen zu schützen. Ich, der mit ansehen musste, wie Menschen von völlig enthemmten, hasserfüllten Verbrechern (und nur das sind sie) getreten, geschlagen und bestohlen worden sind. Ich musste also lesen, wie öffentlich, für jeden zugänglich von Lust oder anders formuliert von Verlangen oder Wunsch auf Protestspruchbänder verwiesen wird. Im Ernst? Wohlwissend, dass einige der propagierten „Protestspruchbänder“ von ihrem Inhalt her nicht im Geringsten mit Protest oder freier Meinungsäußerung zu tun hatten. Spruchbänder auf denen eindeutig und für alle sichtbar Gewalt verherrlicht wurde: „Bullen schlachten“. Spruchbänder auf denen haargenau beschrieben wurde, was draußen vor dem Stadion in die Tat umgesetzt worden ist: „Pflastersteine auf die Bullen“, Ralf Rangnick (in Anspielung auf eine frühere Krankheit) zum Selbstmord animiert wird: „Burnout Ralle: Häng dich auf“ und auf denen diskriminierend gegenüber Behinderten hergezogen wird: „Richtig Behindert“. Wissen die oder der Verantwortliche(n) wie sich das für einen Betroffenen anfühlt? Wie ein Schlag ins Gesicht. Wie eine Verhöhnung, Verharmlosung und Relativierung. Wohlgemerkt von dem öffentlichen Account eines Online-Magazins, die (nach eigenen Angaben) „das Geschehen rund um Borussia Dortmund aus Fansicht“ betrachten und als „Sprachrohr für ihre Interessen“ fungieren möchten (Quelle: Internetauftritt, Rubrik: „Die Idee“). Einem Fan-Magazin, was sich auch als solches öffentlich präsentiert, von dem man nun wirklich erwarten sollte, dass es sich klar gegen Gewalt und Hass positioniert. In dem o.g. Kommentar, der zwei Tage danach online auf schwatzgeb.de verfügbar gestellt worden ist, klingt das dann so: „Als die Südtribüne sich am Samstagabend gegen 18.29 Uhr in ein Gewand aus Tapeten und Stoffbahnen kleidete, war der Anblick beeindruckend.“ Im genauen Wissen über die oben skizzierten Inhalte, lautet es weiter: „Allein die Masse der Spruchbänder verdeutlichte die Macht, die eine solche Tribüne entfalten kann. Und die Botschaft […] war eindeutig: „Für den Volkssport Fußball – gegen die, die ihn zerstören“.“ Es ist also für die Fans von Borussia Dortmund, für die der Redakteur zu sprechen glaubt, beeindruckend, solche zum Teil gewaltverherrlichende Hetze zu lesen? Da kann man sich also als FanGemeinschaft schon einmal feiern lassen! Kann man das wirklich? Natürlich steht dabei für ihn zu aller erst nur eine Botschaft von all den gezeigten im Mittelpunkt, der Volkssport, den es gegen „die“ (gemeint ist seiner Meinung nach der Red Bull-Konzern) zu verteidigen gilt. Das Plakat selbst bleibt diesen Verweis aber leider schuldig. Warum nur? Vielleicht, weil für „die“ der geneigte Leser auch alles Mögliche einsetzen könnte? Bspw. auch die Leipziger Fans? Erst im nächsten Absatz wird auf andere Spruchbänder Bezug genommen. Sie werden aber lediglich als „plumper Protest“ und „geschmacklose Anspielung“ (gemeint sind Ralf Rangnicks BurnoutErkrankung und die Pflastersteine) relativiert und verniedlicht, die im „Fussballsprech“ auch gern als „Stilmittel“ verwendet werden und etwas „rauer“ sein dürfen, solange sie nicht „rassistisch, antisemitisch, [..] anderweitig diskriminierend oder allzu persönlich sind.“ Die klare Einordnung, dass die o.g. Beispiele aber genau das waren, bleibt er leider schuldig. Es ist für mich hier unfassbar, wie ein Kommentator und Fan von Borussia Dortmund öffentlich eindeutig rechtsverletzende Inhalte relativierend darstellt und sich nicht klar und unmissverständlich von Hetze und gewaltverherrlichenden Inhalten abgrenzt und distanziert. Das Ganze im vollen Bewusstsein, welche Gewalt vor und nach dem Spiel an Menschen um das Stadion herum verübt worden ist. Eine Schande. Fußball-Frust als Antrieb? „Mit der Erkenntnis, dass es menschlich ist, im Frust auch mal über die Stränge zu schlagen, könnte man den Samstag abhaken und sich als BVB-Fanszene fürs nächste Mal Besserung auf die Fahnen schreiben. Wir Dortmunder haben, […], schließlich schon oft gezeigt, dass wir das können.“ Entschieden nein!!! Es waren eben nicht nur Taten, die man mal eben mit „über die Stränge“ geschlagen oder Überschreitung der „Grenze des guten Geschmacks“ beschreiben kann. Was denkt sich der Kommentator dabei, wenn er so etwas schreibt? Noch einmal: Es waren hasserfüllte Gewalttaten, die bitte auch als solches bezeichnet werden dürfen, ja gar müssen. Auch das Hochhalten von beleidigenden, gewaltverherrlichenden Spruchbändern werden in keiner Weise ausreichend mit den gewählten Formulierungen beschrieben. Außerdem, wo kommen wir denn hin, wenn jeder auf diese Art und Weise seine Frustrationen äußert? Schlägt oder beleidigt dann der Steuerzahler den Finanzbeamten, weil er über Jahre die Entwicklung der immer stärker steigenden Steuern nicht tolerieren kann? Auch hier wird nur der Versuch unternommen, Gewalttaten zu relativieren oder gar um Verständnis zu bitten. Entschuldigen sie, Verständnis für ihre offensichtlich entschuldbaren und verniedlicht dargestellten „Rückzugsgefechte“ dürfen sie von mir nun wirklich nicht erwarten. Wurfgeschosse und Schilderungen der Polizei „Zumindest im Bereich vor der Roten Erde waren Dortmunder und Leipziger stets durch eine Polizeikette getrennt.“ Ich weiß nicht, woher hier ihre Informationen stammen? Offensichtlich wurden sie von der beschriebenen „vorübergehenden Beobachterposition am Eingangstor der Roten Erde gemacht“. Vor dem Fanzug liefen lediglich ein Duzend Polizisten. Erst als die Gewalt im Bereich der Roten Erde eskalierte, trafen eiligst mehr Polizeibeamte ein. Niemals konnte ich aber davon sprechen, dass eine Fantrennung in irgendeiner Weise stattgefunden hat. Es gibt mehrere Augenzeugenberichte und mittlerweile auch einige Videos, die genau das belegen. Auch ihre Behauptung, dass Polizei- und Leipziger Fanberichte weit auseinanderliegen, konnte ich bisher nicht feststellen. Die beiden Polizeiberichte, die ich lesen durfte, treffen mit meinen Erlebnissen genauso wie geschildert zu. Ich verstehe ebenfalls nicht ihre Relativierungen hinsichtlich der Anzahl der gewaltbereiten Personen. Sie stellten doch selber fest, dass „der Vorplatz der Roten Erde sehr voll war“. Was heißt denn sehr voll in ihrer Wahrnehmung? 100, 400, 800 Menschen? Natürlich war es so, dass aus dieser Masse heraus die o.g. Gewalttaten verübt worden sind. Und wenn sie, wie die Polizei, hunderte andere Leipziger Fans und ich mit diesen Verbrechern von Angesicht zu Angesicht direkt konfrontiert, ihren Gewalttaten direkt ausgesetzt und in der Lage gewesen wären, ihnen direkt in die Gesichter zu schauen, dann würden sie vielleicht verstehen, warum die Formulierungen „völlig enthemmt“ und „hasserfüllte Fratzen“ von der Polizei gewählt worden sind. Hier deckt sich die Formulierung (auch in ihrer Deutlichkeit) ebenfalls mit den von mir gemachten Erlebnissen. Ich bin mir nicht sicher, ob dies aus einer „vorübergehenden Position am Eingangstor“ im Rücken jener Gruppen überhaupt zu beurteilen wäre. Aber offensichtlich hilft es auch hier wieder ihrer Argumentation der Relativierung: „einzelne und kleine Gruppen“ (auch viele einzelne und kleine Gruppen sind in ihrer Gesamtheit ein Mob von 300-400 Leuten) und Verniedlichung: „teilweise aggressive Stimmung“. Letztendlich sollte richtigerweise wohl eher festgestellt werden, dass es offensichtlich nur Unterschiede in der Wahrnehmung zwischen den Polizeiberichten und der des Kommentators und einiger nicht namentlich genannter Dortmund-Fans in ihrem Beitrag gibt. Die Frage nach dem Warum, kann ich ihnen leider nicht beantworten, da es spekulativ wäre. Bärendienst für die BVB-Fanszene „Der BVB wurde von seinen eigenen Anhängern gezwungen, sich öffentlich für deren Fehlverhalten zu entschuldigen. Die wahrscheinlich größte Genugtuung für den Verein aus Leipzig, der das Benehmen der eigenen Fans stets gerne als Positiv-Beispiel hervorhebt, auch um Diskussionen über mögliche Verstöße gegen die 50+1-Regel etwas entgegen zu setzen. Die Opferrolle, die wir ihnen am Samstag per Steilvorlage zugespielt haben, werden sie dankend annehmen.“ Der letzte Teil des Kommentars spottet wirklich jeder Beschreibung und setzt dem Ganzen im negativen Sinne noch die Krone auf. Mal abgesehen davon, dass jeder Verein bestrebt ist, seine eigenen (richtigen) Fans als besonderes Merkmal hervorzuheben und Borussia Dortmund sogar als Sperrspitze dessen ihre „Echte Liebe“ als Marke im In- und Ausland promotet, wird hier auf wirklich indiskutable und ungeheurere Art und Weise unterstellt, dass RB Leipzig, die wirklich kaum in Worte zu fassenden Gewalttaten auf seine Fans und die darauffolgende Entschuldigung des Vereins Borussia Dortmund als Genugtuung empfinden könnte, um sich schließlich noch öffentlich wirksam und gewinnbringend in seiner Opferrolle zu präsentieren? Meinen sie das tatsächlich ernst? Was folgt als nächstes? Am Ende wurden wir Leipziger Fans noch dafür bezahlt, nach Dortmund zu fahren, um uns zum Wohle des Vereins beleidigen, bewerfen und verprügeln zu lassen? Müssen wir uns als nächstes noch dafür entschuldigen, dass wir überhaupt gekommen sind? Nach dem Motto, wenn wir nicht gekommen wären, hätte uns keiner verprügeln können und der BVB sich nicht entschuldigen müssen? Welche Ideologien vertritt jemand, der solche unverschämten Behauptungen aufstellt? Es wurden Menschen beleidigt, bedroht und Gewalt angetan. In diesem Zusammenhang von Genugtuung zu sprechen, ist schlicht und einfach skandalös. Verpasste Chance Am Ende stellt der Kommentator, der in seinen Ausführungen teilweise im „wir“ der Dortmund Fans spricht, als Fazit richtigerweise heraus: „Vielleicht schlägt sich die Dortmunder Fanszene nun wenigstens beim selbstkritischen Umgang mit den Geschehnissen am Samstag besser als beim kritischen Umgang mit Raba Leipzig.“ Ich weiß nicht, ob er selbst noch einmal über seine eigenen Worte gelesen hat. Ich kann es mir kaum vorstellen. Er hätte sonst erkennen müssen, dass er selbst an dieser richtigen und wichtigen Selbstkritik völlig gescheitert ist und sprichwörtlich selbst den Bock zum Gärtner gemacht hat. Am 29.10.2016 äußert sich Herr Watzke in einem Interview von schwatzgelb.de (Quelle: Das Allesaußer-Fußball-Interview mit Hans-Joachim Watzke) zu seiner öffentlichen Verantwortung. Zu der Frage, warum er früher schon einmal härter mit Fällen wie RB Leipzig ins Gericht gegangen ist: „Ich habe persönlich auch aus dem lernen müssen, was ich damals zu Hoffenheim gesagt habe. Das war zwar meine ehrliche Meinung, aber wenn die dazu führt, dass man das Konterfei von Dietmar Hopp ins Fadenkreuz nimmt, dann ist das für mich ein Problem. Weil ich das nicht will, und weil manche Medien das auch so in den Kontext stellen, als ob ich dazu aufgerufen hätte. Das hat meinem Ansehen geschadet, und es hat mich auch persönlich belastet. Wenn wirklich einmal etwas passiert, und ich kann mir das in der heutigen Zeit im Fall von Einzelpersonen durchaus vorstellen, dann fällt das nämlich auch auf mich und den BVB zurück. Diese Verantwortung will ich nicht tragen.“ Nun ist tatsächlich „wirklich einmal etwas passiert“. Etwas passiert, dass aus meiner Sicht, dass bisher, auch bei anderen Sportveranstaltungen, Geschehene übersteigt. Grenzen wurden eingerissen, die ich bisher nicht für möglich gehalten hätte. Dass nicht mehr passiert ist, war einfach nur dem Glück und lag insbesondere an dem beherzten und mutigen Eingreifen der wenigen Polizisten und Polizistinnen, bei denen ich mich in aller Form bedanken möchte. Was denken ein Kommentator oder ein Online-Magazin selbst, welche Verantwortung sie haben, wenn sie so einen verharmlosenden, relativierenden Artikel online stellen, ihn einer breiten Öffentlichkeit (in dem Fall insbesondere Fans von Borussia Dortmund, die sich nicht selten damit identifizieren) zugänglich machen und in dem Zusammenhang von „wir“ (gemeint sind Dortmunder Fanszene) sprechen? Wenn sich sogar ein normaler Fan bzw. Kommentator von einem Fan-Magazin, der nur auf Einzeltäter oder -gruppen verweist, sich (sicherlich zurecht) gegen eine Verallgemeinerung stellt und sich gern abgrenzt von Hooligans und gewaltbereiten „Fans“, es öffentlich nicht schafft, sich seiner publizierenden Verantwortung bewusst zu sein und sich klar gegen Gewalt, Hetze und Diskriminierung abzugrenzen und zu distanzieren. Wenn er es nicht schafft, klare Kante zu zeigen. Dann muss ich leider, auch in Anbetracht des Erlebten, zu dem Schluss kommen, dass es sich eben nicht nur um kleine Minderheiten handelt, sondern ein größeres Problem in der Fankultur von Borussia Dortmund vorherrscht. Ohne despektierlich zu sein, aber wenn sie, lieber Kommentator, diese massiven Probleme selbst in Anbetracht der schockierenden Grenzüberschreitungen nicht erkennen und benennen, dann sind sie leider Teil des Problems. Diese Tatsache stimmt mich im Besonderen traurig und lässt mich für die Zukunft zweifeln, dass solchen Eskapaden und Gewalt im Allgemeinen in und um das Stadion Einhalt geboten wird. Mir steht es fern zu pauschalisieren und alle BVB-Fans zu verurteilen oder in Sippenhaft zu nehmen. In Anbetracht der bisherigen Aufarbeitung (insbesondere des erwähnten Kommentars) und der hautnah erlebten Vorkommnisse, wehre ich mich aber auch entschieden dagegen, dass dieses Problem verharmlost, verniedlicht, relativiert und als Tat von Einzelnen abgetan wird. Nein, das war es nicht. Liebe BVB-Fans Ich danke den vielen Fans von Borussia Dortmund und den vielen Menschen, die sich öffentlich, bspw. in sozialen Netzwerken klar gegen Gewalt, Diskriminierung und Hass geäußert haben. Ich danke denen, die laut eigenen Angaben auch teilweise Leipziger am Stadion beschützt oder verteidigt haben. Ich hoffe, dass sich noch mehrere, insbesondere alle Fanvertretungen von Borussia Dortmund dazu entschließen, offen, entschlossen und nicht relativierend gegen jegliche Form von Gewalt vorzugehen und zumindest zu verurteilen. Der Artikel schafft dies leider in keiner Weise. Im Gegenteil, er spottet jeglicher Beschreibung. Er trägt (bis auf den letzten Satz) absolut nichts zur Aufarbeitung und Bekämpfung solcher Taten bei. Er verhöhnt am Ende sogar die Opfer. Eine Chance ist vertan. Ich wünschte, es wäre die letzte, die vertan worden ist. Allein mir fehlt der Glaube. Liebe Fans von RB Leipzig Trotz der Vorfälle in Dortmund überwiegt bei mir immer noch die Freude über die Entwicklung unserer Fankultur im Zuge des Wachsens und der vielen Erfolge aber auch Niederlagen unseres Vereins. Ich lasse mir das nicht einfach so kaputtmachen. Mit diesen Worten habe ich meinen Frieden gefunden. Das Teilen und Erleben gemeinsamer Erfahrungen, insbesondere auch bei Auswärtsfahrten, hat mich nachhaltig und immer wieder beeindruckt. Sie überdecken alles Negative. Es ist einmalig, Teil dieser Fangemeinde und seiner vergangenen und zukünftigen Entwicklungen zu sein. Gern möchte ich jetzt die Chance nutzen, euch noch einmal zu sagen, wie dankbar ich bin. Ich bin dankbar für die vielen einmaligen Erlebnisse und Emotionen an eurer Seite. Da muss ich nur an das Coltorti-Tor in 90 min gegen Darmstadt denken oder den Heimspielsieg gegen Borussia Dortmund. Wer dabei war, weiß was ich meine. Unser Stadiondach flog sprichwörtlich in die Luft. Wildfremde Menschen lagen sich plötzlich in den Armen und freuten sich gemeinsam. Es bereitet mir immer wieder erneut Gänsehaut, wenn ich nur daran denke. Ich möchte diese Erfahrungen nicht missen. Und es werden noch viele weitere kommen. Ich freue mich darauf. Ich hoffe ihr auch. Die Reise nach Dortmund war meine erste Fahrt in einem Fanzug. Es ist wundervoll gewesen, wie unkompliziert man mit fremden Menschen, ob jung oder alt, weiblich oder männlich, inländisch oder ausländisch ins Gespräch kommen und über vielerlei Themen austauschen konnte. Ich möchte jeden Anhalten es auch einfach mal zu versuchen. Lasst uns aber auch generell versuchen, gerade in Anbracht der Geschehnisse, die negativen Erlebnisse in den Hintergrund zu schieben und den Hass und die Gewalt nicht an uns ranzulassen. Wir alle wissen, es überwiegen die schönen Momente der letzten Jahre. Lasst uns gemeinsam voran gehen. Lasst uns weiter an unserer familiären, freundlichen und weltoffenen Fankultur arbeiten. Lasst uns unsere Mannschaft weiter unterstützen, zu Hause wie auch auswärts. Lasst uns über Siege freuen und nach Niederlagen zusammenhalten. Lasst uns weiter kreative Choreografien erfinden und durchführen. Lasst uns frohen Mutes nach vorn schauen. Lasst uns weiter unseren ganz eigenen Weg gehen, fernab von Gewalt und Hass. Ganz im Sinne von: Wir sind Leipzig, rotweiß sind unsere Farben, wir werden niemals untergehen. Wir sehen uns, hoffentlich gleich wieder am Samstag. RB Leipzig empfängt zum ersten Mal den Hamburger SV. Es ist angerichtet, und es wird großartig. Justgroovy
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