HISTORIE Ihr Ansprechpartner Nico Wendt Tel. 03421 721052 [email protected] DONNERSTAG, 9. FEBRUAR 2017 | SEITE 16 Torgau – früher und heute Glückssternchen auf den Fingernägeln Erinnerungen an die 50 er Jahre: Schlittenfahrten etwas anders als heute TORGAU. Ein Spaziergang durch das Glacis, vom Rapitzweg kommend in Richtung Eilenburger Kreuzung, wird an der Hauptstraße unterbrochen. Hier muss man manches Mal lange warten, bis sich die doppelte Autoschlange für einen Augenblick lichtet und Platz für einen schnellen Übergang ins nächste Glacisviertel macht. So ist es heute wohl kaum noch vorstellbar, dass wir Kinder in den fünfziger Jahren ausgerechnet die Brücke an der Eilenburger Straße für unsere Schlittenpartien nutzten. Neben dem Brückengeländer ging es vom Fußgängerweg aus in Richtung Hafenbahnbrücke den Abhang hinunter. Die Straße war damals dort noch wenig befahren, sodass keine oder nur wenig Gefahr drohte. Nur mit den Fußgängern musste man sich arrangieren. Entweder gingen sie zur Seite oder wir mit den Schlitten. Da kam es schon mal vor, dass geschimpft wurde: „Habt ihr denn keinen besseren Platz?“ Doch, hatten wir. Am Hafen z. B., an der Seite zu den Feldern, aber da war die Abfahrt sehr kurz. Besser war es an der Elbe in der Nähe des Tennisplatzes. Hier hatte man tüchtig Schwung, musste aber am Elbufer enorm bremsen, um nicht in das Wasser zu rasen. So blieb noch der Bahnhofsgrund. Eigentlich ideal zum Schlittenfahren, wenn da nicht in der Mitte der kleinen Talsohle die Tannengruppe ste- hen würde. Da hieß es höllisch aufpassen, entweder durch oder neben die Baumgruppe zu kommen. Außerdem hatten diese Schlittenfahrten die besorgten Mütter nicht so gern, da die Abfahrt nur von der Seite der Dommitzscherstraße möglich war, welche zur Geschwister- Scholl /Zietenbrücke führte, die schon damals sehr belebt war. Sonst war der Bahnhofsgrund rundherum mit dichten Büschen bewachsen. Der Bahnhofsgrund. Junge Leute können sich diesen wahrscheinlich gar nicht mehr vorstellen. Rechts und links des Weges zum Bahnhofsgebäude gab es je ein Tal. Während die rechte Seite, wo es vor Jahren noch die Bushaltestellen gab, nur Wiese zeigte und einige, wahrscheinlich wild gewachsene Birken an einem winzigen Bachrinnsaal, das unter der Straße in den Schwarzen Graben mündete. Manchmal fand ich dort Birkenpilze. Das Tal auf der linken Seite war eine Welt für sich. Gärtnerisch so gut gestaltet, dass man dort gern auf einem der Bänke auf Bahnreisende wartete. Ein gepflegtes Rasenrondell inmitten des Tales wurde mit einem Kiesweg umrundet. Die Seiten des Bahnhofsgrundes waren mit dichten Büschen bewachsen, vor denen einige Sitzbänke für Wartende standen. Eine Treppe führte zum Bahnhofgebäude hinauf. Es könnte sein, dass die Tannen oberhalb der Treppe noch die alten von damals sind. Uns Kinder zog es auch im Sommer in den Bahnhofsgrund. Auf der kleinen Wiese konnte man vierblättrige Kleeblätter finden, die wir Mädchen in unsere Poesiealben als Glücksbringer klebten. Manchmal brachte solch ein Kleeblatt unserer Vorstellung nach echtes Glück; wir fanden an den Bänken oder Büschen etwas, meist ein Geldstück. Da Glücksklee aber nicht so reichlich vorhanden war, erfanden wir etwas anderes. Jeder aus unserer Truppe hatte kleine weiße Punkte auf den Fingernägeln. Wir wussten damals nicht, dass es Zeichen von KalziumMagnesiummangel waren. Wir nannten sie Glückssternchen und zählten sie. Je mehr, desto besser, denn dann konnte man pro Stern etwas finden. Oft war das wirklich so, denn bei den vielen Reisenden oder Besuchern, die hier saßen, ging doch manches verloren, und wir suchten intensiv. Groß war meine Freude, als ich einmal in den Büschen zwei Schlittschuhschlüssel vom letzten Winter fand. (Die Eisbahn war ja gleich in der Nähe). Wann und warum dieser Bahnhofsgrund entstand, habe ich in keiner historischen Quelle finden können. Leider ist mir auch entgangen, wann der Bahnhofsgrund in heutiger Zeit wieder zugeschüttet wurde. Neben dem Weg zum Bahnhofsgebäude hat man seit einigen Jahren hinter den Bänken auch wieder eine kleine Anlage gestaltet. Margot Weiß Alle verfügbaren Räume für die Soldaten Stadt Torgau verfügte über eine Vielzahl von Kasernen und Truppenunterkünften TORGAU. Im Dezember kam ein neues Torgau-Buch auf den Markt. Das Autorenduo Bernd Blume und Corinna Karl-Sander zeigt mit 55 eindrucksvollen Bildpaaren, wie sich die Stadt herausgeputzt hat. Hier die Häuserfront am Markt mit dem Hotel „ Goldener Anker“ früher und heute . Quelle: „Torgau. Früher und heute“ – ISBN: 978-3-95400-780-6 Das Schiff drohte zu zerbrechen 45 Kilometer Elbe fordern Einsatz / Aus der Chronik der Freiwilligen Feuerwehr Torgau TORGAU. Auf 45 Kilometer Länge teilt die Elbe den Altkreis Torgau. Sie erwies sich für uns als ständiges Einsatzgebiet. Seit Ende des Zweiten Weltkrieges hat die Feuerwehr 82 Schiffen in Notsituationen geholfen (Stand 2014). Sie brannten, waren havariert oder drohten zu sinken, nie blieb die Hilfe aus. Dafür einige Beispiele. Am 17. Juli 1954 lag bei 8 m Hochwasser ein 90 m langer Lastkahn, beladen mit 700 Tonnen Ölfrucht, quer vor dem Mittelpfeiler der Straßenbrücke. Der auf dem Schiff lastende Druck der anstürmenden Flut drohte das stark beschädigte Schiff zu zerbrechen. Schiff und Ladung schienen verloren. Die Besatzung, darunter eine Mutter mit Kleinkind, befand sich in äußerster Lebensgefahr. Das Rettungsboot hatte die Kollision mit dem Brückenpfeiler nicht überlebt. Die Brücke zitterte unter der Gewalt der anstürmenden Wassermassen. Zu dieser Zeit bestand unsere Ausrüstung für einen Einsatz auf der Elbe aus einem kleinen Schlauchboot. Unter den Umständen war damit kein Einsatz möglich. Mit ihren Rettungsleinen seilten sich unsere Männer von der Brücke auf das havarierte Schiff ab. So kamen nacheinander auch sieben Motorpumpen und das nötige Schlauchmaterial zum Schiff. Auch die Mutter und das Kind wurden mittels der Rettungsleinen in Sicherheit gebracht. Durch den Einsatz von sieben Pumpen konnten wir das Schiff über Wasser halten. Zwei herbeigeeilte Flussschlepper konnten schließlich das havarierte Schiff vom Brückenpfeiler lösen und sicher in den nahen Hafen bugsieren. Mit der Bergung der Ladung im Hafen wurde ein tollkühner Einsatz erfolgreich beendet. Im gleichen Jahr brannte der Kohlebunker vom Dampfer „Aussig“ und bei Hochwasser der Dampfer „Uhu“. Unsere Feuerwehrmänner waren oft auch Matrosen. Die Brückenpfeiler der Straßen- und Einsenbahnbrücke waren besonders bei Hochwasser Orte vieler Schiffshavarien. Havarieschwerpunkt war auch der Döbeltitzer Bogen. Hier kam es am 25. August 1967 nach einer Havarie zum Stau von 25 Schiffseinheiten und zwei Schleppern. Ein mit Steinen beladener Schleppkahn war auf das Motorschiff „Glauchau“ aufgelaufen. Auch nahe Großtreben, Dröschkau und Belgern kam es wiederholt zu Havarien. Am 20. 12. 1966 galt es, ein in das Hafenbecken gestürztes Pferdegespann einschließlich Wagen zu bergen. Die erschreckten Pferde waren in das Wasser gestürzt, die Last des Wagens hatte sie in die Tiefe gezogen. Sportbootunfälle, Ret- Am 17. April 1984 prallt dieses Schiff gegen den Brückenpfeiler. Foto: Archiv Rabe ten Ertrinkender, die Bergung von Wasserleichen gehörten zu unseren Aufgaben. Selbst ein vom Schlachthof ausgerissenes Schlachtschwein, welches seine Freiheit durch einen Sprung in die Elbe gesucht hatte, mussten unsere Männer in wilder Verfolgungsjagd mit Schlauchboot fangen. Oft waren es mangelnde Kenntnisse über die Fahrrinne oder der Strömungsverhältnisse der Elbe, die zu Havarien führten. So auch am 17. 4. 1984. Der tschechische Schiffsführer eines Motorschiffes hatte die Leistungsfähigkeit seines Motors überschätzt und wurde nach Passieren der alten Elbebrücke durch die Strömungsverhältnisse zurück gegen den mittleren Pfeiler dieser Brücke gedrückt. Von Gründonnerstag bis Ostersonnabend reichten die Bemühungen, das Schiff wieder flott zu bekommen. Der 4. Advent 1996 war ein Wintertag wie aus dem Bilderbuch. Temperaturen von -15 °C haben die Natur mit einer zentimeterdicken Reifschicht überzogen. Dafür hatten die Kameraden, die morgens gegen halb zehn über Weßnig in Richtung Elbe fuhren, kaum einen Blick übrig. Hier hatte ein Schubkahn Grundberührung und ist leck gegangen. Mühsam haben die Kameraden den Wasserspiegel im Kahn gesenkt, um das Leck abdichten zu können. Kai, ein Kamerad, den man mit allem beauftragen konnte und der sich auch praktische Erfahrungen beim Abdichten von Schiffen bei der Marine angeeignet hatte, stieg in das eiskalte Wasser und stopfte das Leck mit allem, was wir am Ufer finden konnten. Als dann das Wasser zum Stehen gebracht und der Kahn ausgepumpt war, hat die Besatzung unser Werk vollendet und ihren Weg bis zum nächsten Hafen fortgesetzt. Nach der Wende wurde der Lastverkehr und damit auch die Schiffshavarien immer weniger. Trotzdem sind die Einsätze an unserem Heimatfluss immer noch etwas Besonderes. So suchten bzw. bargen wir durch Leichtsinn in der Elbe verschwundene Pkw oder havarierte Yachten. Und wir sind uns sicher, auch in Zukunft wird die Elbe die eine oder andere Überraschung bereithalten. H.-J. Füssel (†) TORGAU. Der ständige Aufenthalt von Militär in unserer Stadt geht auf das Ende des 17. Jahrhunderts zurück. Unser sächsischer Kurfürst Johann Georg III. trennte sich vom Söldnerheer, angeblich waren die Kosten zu hoch und ließ ein stehendes Heer aufstellen. Nach und nach wurden alle sächsischen Städte mit Militär belegt und auch Torgau bekam seinen Teil ab. So wurde 1713 das neu gegründete Infanterie-Regiment von Wilk mit Regimentsstab und fünf Kompanien nach hier verlegt. Die annähernd 650 Soldaten wurden mit ihren Familien in Bürgerhäuser der Stadt und in umliegende Dörfer untergebracht. Zum Festungsbau 1811 versammelte sich fast die gesamte sächsische Infanterie in den Mauern unserer Stadt. Alle verfügbaren Räumlichkeiten wurden zur Unterbringung der Soldaten genutzt. Französische Truppen verstärkten ab 10. Mai 1813 die sächsischen Einheiten ab. Die preußischen Belagerer der Stadt und Festung Torgau zogen am 10. Februar 1814 als Sieger in Torgau ein und verblieben bis 1945 hier. Nachfolgend ein Überblick über Standorte: sches Areal. Es erstreckte sich von der Exerzierhalle (ehemals Glaubrecht) bis zum Körnermagazin (ehemals Kraftverkehr). Reithalle, Militärgefängnis, Militärwaschanstalt, Werkstätten, Pferdeställe und Schuppen waren hier untergebracht. Hier standen auch die 1850 bis 1855 erbauten Kasernen 3 und 4. Kaserne Nr. 5 am Brückenkopf Fotos: Repro TZ Mit dem Ausbau des Brückenk- Seydlitzkaserne. opfes zu einer neupreußischen Fortanlage in den Jahren 1850 bis 1855 zog 1910 die neu erbaute Kaserne an der entstand auch die Kaserne innerhalb des ehemaligen Schulstraße (Straße der JuBrückenkopfes als Verteidigungskaserne. gend). Heute ist es das Gebäude der KatMeterdicke gemauerte Wände an der harina- von- Bora- Oberschule Torgau. Frontseite mit eingelassenen Schießscharten schützten die hier Kasernierten. Sie Kaserne Nr. 9 Infanteriekaserne am „Grüwar Unterkunft und Verteidigungswerk nen Hain“ zugleich. Auch das Gelände an der damaligen Grabenstraße, heute Friedrich-Naumann-StraKaserne Nr. 6 Batteriekaserne in der ße, blieb vom Kasernenbau nicht verSchützenstraße (Puschkinstraße) schont. 1894/95 konnte das 2. Bataillon des Die Batteriekaserne befand sich in der In- Infanterie-Regimentes Nr. 72 die Kasernenstadt und umfasste anfangs das Ter- nen beziehen. Batteriekaserne. Kaserne Nr. 1 (Schlosskaserne) Für das hier stationierte 20. preußische Inf.-Regiment machte sich nun der Bau eines Kasernenkomplexes notwendig (Unterbringung der gesamten Einheit in einem Gebäude). Das Schloss Hartenfels bot sich hierfür an. Von 1817 bis 1819 wurde der Umbau des Schlosses zu einer Defensionskaserne (Verteidigungskaserne) vollzogen. Die Mauern des Schlosses nach der Elbseite hin wurden verstärkt, Schießscharten für die Artillerie eingerichtet und Räume geteilt. 1860 löste das neu gebildete Inf.-Reg. Nr. 72 das ehemals hier stationierte Regiment ab und verblieb bis zum Anfang des vergangenes Jahrhunderts hier. Ungefähr 1500 Soldaten nahmen hier Quartier. Kaserne Nr. 2 (Artillerie-Kaserne Nr. 2) Die Gebäude unmittelbar links vor dem Schlosseingang, das Amtshaus oder Schösserei, die Amtsverwaltung, die Amtsfronfeste mit der Amtsmaurermeisterwohnung wurden 1818 bis 1820 durch Ing. Capitän Heise zur Artillerie-Kaserne umgebaut. Die Artilleristen verblieben bis zur Fertigstellung der neuen Artilleriekaserne in der Schützenstraße, heute Puschkinstraße (1883) dort. Kasernen Nr. 3 und 4 (ehemaliger Schirrhof im Fischerdörfchen) Vor dem Betriebsgelände der Firma Villeroy und Boch befand sich im vergangenen Jahrhundert ein ausgedehntes militäri- rain zwischen der Wittenberger, der Marstall (Fritz-Reuter-Str.) und der Schützenstraße. Das Hauptgebäude wurde 1883 gebaut, Nebengebäude, wie der Marstall, wurden bis 1894 fertiggestellt. Nach der Entfestigung wurde der Kasernenkomplex erweitert. Nun bildeten die Wolffersdorffer Straße, der Nordring, die Logenstraße (Goethestraße) und Wittenberger Straße die Objektbegrenzungen. In der Kaserne war ein Teil des Torgauer Feldartillerie-Regiementes Nr. 74 untergebracht. Kaserne Nr. 10 Maschinengewehrkaserne am „Grünen Hain“ Da die Unterbringung der Maschinengewehrschützen im ehemaligen Laboratorium nur ein Provisorium darstellte, wurde der Kasernenkomplex an der Grabenstraße (Fr.-Naumann-Str.) erweitert und 1912 zog die Maschinengewehrkompanie mit ihren sechs Maschinengewehren dort ein. Kaserne Nr. 11 Seydlitzkaserne an der Dommitzscher Straße Am 22. Februar 1894 hatte die Budgetkommission des deutschen Reichstages 220 000 Reichsmark für den Bau einer Kavalleriekaserne im Nordwesten der Stadt Torgau bewilligt. Am 2. April 1901 zog das Thüringische Husaren-Regiment Nr. 12 Kaserne Nr. 7 Kaserne der Maschinengewehrkompanie Wo heute die Damen und Herren von Heizungs- und Lüftungsbau Torgau arbeiten (Straße der Ju- Infanteriekaserne, heute K.v.B.-Oberschule. gend, ehemals Schulstraße), wurden im vergangenen Jahrhundert Salpe- hier ein. 1920 bezog das neu gegründete ter und Schwefel gemischt (Laboratorium). Reichswehrregiment, Reiterregiment Nr. Als am Ende des Jahrhunderts die Festung 10, dieses Objekt. geschleift wurde, verlor auch diese gefährliche Bude ihre Bedeutung. Die Maschi- Kaserne Nr. 12 Zietenkaserne an der Zinnengewehrabteilung, eine neue Waffeng- naer Straße attung, wurde 1906 in die Räumlichkeiten Mit der Erweiterung des Reiterregiments verlegt. auf elf Schwadronen machte sich eine Erweiterung der Kaserne notwendig. BauKaserne Nr. 8 Infanteriekaserne in der gelände fand man rechts der Zinnaer StraStraße der Jugend, (früher Schulstraße) ße. Noch vor Ausbruch des 2. Weltkrieges Die bautechnischen Unzulänglichkeiten waren die Gebäude bezugsfertig. Auf diein der Schlosskaserne machte um 1900 sem Gelände ist später das Wohngebiet eine Verlegung des Regimentes notwen- Nordwest entstanden. dig. Das 1. Bataillon des Regimentes be- Müller/Witte (†)
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