münchen - Münchner Stadtmuseum

2017 | Heft 32
münchen
Deutsche Filme 2016
Andrzej Wajda
Universal Monsters
Film und Psychoanalyse
Bilder der Überwachung
Cate Blanchett
Architekturfilmtage
Thomas Mauch
Helmut Färber
Kafka geht ins Kino
Danielle Darrieux
Georg Stefan Troller
Kurt Eisner
Sterling Hayden
2. Juni 1967 und danach
Miranda Pennell
Jazz im Film
Eintrittspreise
4 € (3 € für MFZ-Mitglieder). Ab 120 Minuten Filmlänge oder mit Gästen: 1 € Aufschlag. Ab 180 Minuten,
mit Live-Musik oder bei 3D: 2 € Aufschlag. Die Kasse
öffnet jeweils 60 Minuten vor und schließt 30 Minuten nach Beginn der Vorstellung. Bei allen öffentlichen
Veranstaltungen verbleibt ein Kartenkontingent für den
freien Verkauf an der Abendkasse.
Kartenreservierung
Kartenreservierungen sind bis zu vier Wochen im Voraus möglich und können unter der Telefonnummer
089/23396450 auf Band gesprochen werden. Vorbestellte Karten müssen bis 20 Minuten vor Vorstellungsbeginn an der Kasse abgeholt worden sein, ansonsten
verfällt die Reservierung.
Kartenvorverkauf
Karten können bis zu vier Wochen im Voraus gekauft
werden. Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass unmittelbar vor Vorstellungsbeginn bei starkem Besucherandrang kein Kartenvorverkauf erfolgt. Karten
behalten ihre Gültigkeit nur bis Vorstellungsbeginn. An
der Abendkasse können vorverkaufte Karten bis 20 Minuten vor Vorstellungsbeginn gegen Kostenerstattung
wieder zurückgegeben werden.
Programmabonnement
Das Kinoprogrammheft und unseren Newsletter können Sie unter www.muenchner-stadtmuseum.de/film
kostenlos abbonnieren. Das Programmheft wird an
Mitglieder des MFZ auf Wunsch kostenlos versandt.
Ansonsten bitten wir um die Zusendung eines adres-
sierten und mit 1,45 € frankierten DIN A5-Briefumschlages an die Adresse des Filmmuseums. Den
täglich aktualisierten Spielplan finden Sie auch auf
Twitter: @filmmuseummuc.
Mitgliedschaft
Wer sich für die Arbeit des Filmmuseums interessiert,
kann Mitglied im Verein der Freunde des Filmmuseums
München, dem Münchner Filmzentrum e.V. (MFZ) werden. Mitgliedsanträge sind an der Kinokasse erhältlich.
Der Jahresbeitrag beträgt 20 € und berechtigt zum
ermäßigten Eintritt ins Filmmuseum sowie zur Teilnahme an den Mitgliederversammlungen des MFZ, in
denen die Programmplanungen des Filmmuseums
diskutiert und Projekte entwickelt werden. Weitere
Informationen erhalten Sie unter Tel. 089 / 2713354
und www.muenchner-filmzentrum.de.
Rollstuhlfahrer / Hörgeschädigte
Der Kinosaal im Untergeschoss ist über einen Aufzug
für Rollstuhlfahrer zugänglich. Die Behindertentoilette
befindet sich im Untergeschoss neben dem Kinoeingang. Das Kino ist mit einer Induktionsschleife für Hörgerätebesitzer ausgestattet.
Saalmikrofon
Das Kino verfügt über ein Saalmikrofon zur Kontrolle
des Kinotons durch die Filmvorführer.
Verkehrsverbindung
Sie erreichen das Filmmuseum in 5 Gehminuten vom
U/S-Bahnhof Marienplatz oder in 7 Gehminuten vom
U-Bahnhof und der Trambahnhaltestelle Sendlinger Tor.
Mitgliederversammlungen des Münchner Filmzentrums e. V. (MFZ)
Die für alle Interessierten öffentlichen Mitgliederversammlungen des Fördervereins des Filmmuseums finden
einmal im Monat montags um 19 Uhr im Gotischen Zimmer des Ignaz-Günther-Hauses (St.-Jakobs-Platz 20,
80331 München, 1. Stock) statt. Termine: 13. März 2017, 10. April 2017, 15. Mai 2017, 12. Juni 2017 und
10. Juli 2017. Informationen: [email protected].
Open Scene am Donnerstag
Die Termine am Donnerstag sind teilweise für aktuelle Veranstaltungen reserviert. Das Programm wird
etwa acht Tage vorher festgelegt und in den Schaukästen an der Kinokasse, im E-Mail-Newsletter, unter
www.muenchner-stadtmuseum.de/film/open-scene.html, auf Facebook, auf Twitter und durch Ankündigungen in
der Tagespresse bekannt gegeben.
Impressum
Landeshauptstadt München. Filmmuseum im Münchner Stadtmuseum, St.-Jakobs-Platz 1, 80331 München,
089/23320538, E-Mail: [email protected] · Redaktion: Stefan Drößler, Claudia Engelhardt, Christoph
Michel, Klaus Volkmer · Gestaltung: KOSCH Werbeagentur, München · Druck: Weber Offset GmbH, München
Technikpreis, Wajda, Kafka & Zischler, Willi Johanns & Jazz
Am 28. Oktober 2016 wurden Wolfgang Woehl und das Filmmuseum München auf dem 3D Korean International Film Festival in Seoul mit dem »Technical Contribution Award« für »cinematic excellence« ausgezeichnet. Tatsächlich
hat Wolfgang Woehl, der im Filmmuseum die Digitaltechnik betreut, ein Untertitelprogramm für 3D-Filme entwickelt, das heute weltweit eingesetzt wird.
Wir sind sehr stolz auf diese Anerkennung seiner Arbeit. Das Filmmuseum hat
schon früh auch auf digitale Techniken zurückgegriffen. Der Umgang mit digitalen Daten, ihre Archivierung und die Digitalisierung der analogen Bestände
sind komplexe Aufgaben. Wir sind froh, dass wir diesen Arbeitsbereich seit
Januar mit unserer neuen Mitarbeiterin Larissa Homuth verstärken konnten.
Am 8. Oktober 2016 ist Andrzej Wajda überraschend verstorben. Wie kein
anderer Regisseur hat er über 60 Jahre lang die politische Entwicklung seines
Landes begleitet, mit seinen Filmen polnische Geschichte aufgearbeitet, Diskussionen ausgelöst und ins politische Geschehen eingegriffen. Gleichzeitig
hat er über die Jahrzehnte immer wieder neue ästhetische Formen und Wege
gesucht, die in die Filmgeschichte eingegangen sind. Wir freuen uns, ihn mit
der umfassendsten Retrospektive zu würdigen, die es bisher gegeben hat,
und danken dem polnischen Generalkonsulat für die gute Zusammenarbeit.
Wajdas letzter Film POWIDOKI (NACHBILDER) wird im Rahmen des Filmfests
Münchens seine Deutsche Premiere erleben und im Filmmuseum die Retro­
spektive abschließen.
Am 9. März 2017 erscheint im Verlag Galiani Berlin die erweiterte Neuausgabe des Buchs »Kafka geht ins Kino« von Hanns Zischler, der über 30 Jahre
lang die Filme recherchiert hat, die Kafka in seinen Tagebüchern, Briefen und
Schriften erwähnt. Alle erhaltenen Titel hat das Filmmuseum in Zusammenarbeit mit internationalen Filmarchiven nun restauriert und wird sie als Dreifach-DVD in der Edition Filmmuseum veröffentlichen. Ermöglicht wurde dieses
sehr aufwändige Projekt durch eine finanzielle Förderung der Bundeskulturstiftung. Am 20. April wird Hanns Zischler im Filmmuseum zu Gast sein, in den
darauf folgenden Tagen feiern die restaurierten Filme ihre Premieren auf der
Kinoleinwand mit Live-Musikbegleitung.
Am 2. Juli 2017 findet im Filmmuseum erstmals ein Konzert ohne Film statt
(dem sich dann allerdings eine Filmvorführung anschließt). Wir freuen uns,
dass Willi Johanns, einer der weltbesten Scat-Sänger und leidenschaftlicher
Cineast, mit einer hochkarätig besetzten Band die Reihe »Jazz im Film« eröffnen wird. Die Auswahl der Filme hat er entscheidend mitbestimmt: Alte und
neue Klassiker, selten gezeigte Raritäten und spannende Neuentdeckungen, in
denen oder an denen die Größen des klassischen Jazz mitwirkten. Alle Filme
laufen in originalen 35mm-Kopien oder neuen digitalen Restaurierungen, ein
Fernsehfilm ist als 16mm-Kinescope-Filmkopie zu sehen.
Das Filmmuseum ist der letzte verbliebene Ort in München, der analog und
digital alle Film- und Tonformate vorführen kann. Nur so ist es möglich, vollständige Retrospektiven und Themenprogramme zu organisieren. Wir hoffen,
dass Sie unser Angebot nutzen, und freuen uns, wenn wir Sie als Gast bei
unseren Veranstaltungen begrüßen können!
Ihr Filmmuseum
2 Rückblick
3 Deutsche Filme 2016
8 Andrzej Wajda
19 Universal Monsters
26 Film und Psychoanalyse
28 Bilder der Überwachung
32 Cate Blanchett
37 Architekturfilmtage
42 Thomas Mauch
45 Helmut Färber
47 Kafka geht ins Kino
52 Danielle Darrieux
57 Georg Stefan Troller
58 Kurt Eisner
61 Sterling Hayden
67 2. Juni 1967 und danach
71 Zuschauerkino
72 Miranda Pennell
73 Jazz im Film
83 Kalenderübersicht
R = Regie · B = Drehbuch · K = Kamera · M = Musik · S = Schnitt · T =
Ton · D = Darsteller · P = Produktion
OF = Originalfassung · OmU = Originalfassung mit Untertiteln · OmeU
= Originalfassung mit englischen
Untertiteln · OmfU = Originalfassung
mit französischen Unter­titeln · OmÜ =
Originalfassung mit deutscher Übersetzung · dtF = deutsche Synchronfassung · \ = Live-Musik­begleitung
= Zu Gast
2 = Einführung ·
Rückblick
22. September 2016: Martina Müller diskutiert mit dem Direktor der
Städtischen Galerie im Lenbachhaus und des Kunstbaus Dr. Matthias
Mühling über ihren Film GELD MACHT KUNST.
21. Oktober 2016: Hubert Sauper, Werner Herzog und Paul Simon
Lokwang bei der Verleihung des ersten Werner-Herzog-Filmpreises für
Saupers Film WE COME AS FRIENDS im Filmmuseum.
7. November 2016: Oberbürgermeister Dieter Reiter überreicht Caroline Link die Urkunde zum Filmpreis der Landeshauptstadt München für
ihr herausragendes Gesamtwerk.
24. November 2016: Dragos, Bucur und Marcela Ursu stellen im
Filmmuseum den Film CÂINI (HUNDE) von Bogdan Mirica vor, der das
Rumänische Filmfestival 2016 eröffnet.
11. Dezember 2016: Isolde Barth berichtet in der Reihe »Film und Psychoanalyse« von ihrer Zusammenarbeit mit Rainer Werner Fassbinder
bei der Produktion von IN EINEM JAHR MIT 13 MONDEN.
18. Januar 2017: Klaus Wyborny beantwortet Fragen aus dem Publikum zu seinem Film IM IMAGINÄREN MUSEUM – STUDIEN ZU MONET
in der Filmreihe »Kino und Malerei«.
Deutsche Filme 2016
Deutsche Filme 2016
Toni Erdmann
3
Wir haben wieder drei Filmkritiker – Margret Köhler
aus München sowie Bert Rebhandl und Ralf Schenk
aus Berlin – gebeten, ihre persönlichen Bestenlisten
der deutschen Filme des Jahres 2016 zu erstellen. Es
fällt auf, dass in diesem Jahr Filme von Filmemacherinnen die Listen anführen: Maren Ades TONI ERDMANN,
Nicolette Krebitz’ WILD und Anne Zohra Berracheds
24 WOCHEN wurden drei Mal genannt, hinzu kommen mit zwei Nennungen Maria Schraders VOR DER
MORGENRÖTE und je einmal Ulrike Ottingers CHAMIS­
SOS SCHATTEN, Doris Dörries GRÜSSE AUS FUKU­
SHIMA sowie Sung-Hyung Chos MEINE BRÜDER UND
SCHWESTERN IM NORDEN.
Bemerkenswerterweise waren die meistgenannten Titel
nicht nur auf Filmfestivals erfolgreich, sondern konnten
auch bei ihrem Kinoeinsatz ansehnliche Besucherzahlen erzielen und sich in den deutschen Top Ten zwischen
den üblichen seichten Komödien wie WILLKOMMEN
BEI DEN HARTMANNS, DER GEILSTE TAG oder ICH BIN
DANN MAL WEG und Kinderfilmen wie BIBI UND TINA 3,
CONNIE & CO oder HILFE, ICH HABE MEINE LEHRERIN
GESCHRUMPFT durchaus behaupten. Dennoch ist die
Aufführung im Filmmuseum in vielen Fällen auf absehbare Zeit die letzte Gelegenheit, die ausgewählten
Filme (noch einmal) auf der großen Kinoleinwand zu
sehen. Und damit auch des Deutschen nicht mächtige
Zuschauer die Filme sehen können, laufen die meisten
mit englischen Untertiteln.
Stefan Drößler
Margret Köhler
Toni Erdmann (Maren Ade)
Wild (Nicolette Krebitz)
Nebel im August (Kai Wessel)
Junges Licht (Adolf Winkelmann)
Vor der Morgenröte (Maria Schrader)
Grüße aus Fukushima (Doris Dörrie)
24 Wochen (Anne Zohra Berrached)
Tschick (Fatih Akin)
Paula (Christian Schwochow)
Die Hände meiner Mutter (Florian Eichinger)
Bert Rebhandl
Toni Erdmann (Maren Ade)
Chamissos Schatten (Ulrike Ottinger)
Austerlitz (Sergei Loznitsa)
Dahlienfeuer (Stefan Hayn)
Havarie (Philip Scheffner)
And-Ek Ghes (Philip Schefner)
Tschick (Fatih Akin)
Landstück (Volker Koepp)
24 Wochen (Anne Zohra Berrached)
Wild (Nicolette Krebitz)
Ralf Schenk
Vor der Morgenröte (Maria Schrader)
Wild (Nicolette Krebitz)
Toni Erdmann (Maren Ade)
24 Wochen (Anne Zohra Berrached)
Deutsche Filme 2016
4
Landstück (Volker Koepp)
Parchim International (Stefan Eberlein)
Meine Brüder und Schwestern im Norden (Sung-Hyung Cho)
Die Hände meiner Mutter (Florian Eichinger)
Akt (Mario Schneider)
Havarie (Philip Scheffner)
Toni Erdmann | Deutschland 2016 | R+B: Maren Ade
| K: Patrick Orth | D: Sandra Hüller, Peter Simonischek,
Michael Wittenborn, Thomas Loibl, Trystan Pütter, Ingrid
Bisu | 162 min | OmeU | Ines arbeitet für eine Consultingfirma in Rumänien. Sie möchte Karriere machen,
und ordnet diesem Ziel vieles unter. Ein unerwarteter
Besuch ihres Vaters bringt ihre Pläne durcheinander –
er lässt sich nicht abwimmeln, sondern taucht als komische Figur »Toni Erdmann«, mit falschen Zähnen und
Perücke, immer wieder in den unmöglichsten Momenten auf. Maren Ade verbindet auf höchst überzeugende
Weise Strategien des sozialrealistischen Autorenfilms
mit Elementen der populären Komödie. Peinlichkeiten
erweisen sich als heilsam, in einem entscheidenden
Moment steht Ines buchstäblich ohne die »neuen Kleider« der Beratungsbranche da. Sandra Hüller und Peter
Simonischek in einer Sternstunde des deutschen Kinos.
(Bert Rebhandl)
 Donnerstag, 23. Februar 2017, 19.00 Uhr  Samstag, 25. Februar 2017, 21.00 Uhr
Junges Licht | Deutschland 2016 | R: Adolf Winkelmann | B: Nils & Till Beckmann, Adolf Winkelmann,
nach dem Roman von Ralf Rothmann | K: David Slama
| M: Tommy Finke | D: Charly Hübner, Oscar Brose, Lina
Beckmann, Magdalena Matz, Peter Lohmeyer, Nina
Petri | 122 min | Die 1960er Jahre in einer Bergarbeitersiedlung im Ruhrgebiet: Da malochen die Väter unter
Tage, streiten mit ihren Frauen, trinken am Feierabend
Bier und schauen Mädels hinterher. All das beobachtet der 12-jährige Julian durch seine Kamera. Immer
wieder gerät er in die Bredouille, ob mit älteren Nachbarsjungen, seinem aggressiven Vater oder dem dubiosen Vermieter. Und das Kribbeln der ersten Verliebtheit
macht ihm auch zu schaffen. Adolf Winkelmann bleibt
dem »Pott« nach Filmen wie DIE ABFAHRER oder JEDE
MENGE KOHLE treu und zeichnet nach Ralf Rothmanns
Titel gebendem Roman aus der Perspektive eines sen-­
siblen Heranwachsenden liebevoll-kritisch das Leben
in der Wirtschaftswunder-Zeit. Das Milieu-Porträt überzeugt durch strengen Realismus und zarte Poesie.
(Mar­gret Köhler)
 Freitag, 24. Februar 2017, 21.00 Uhr
Havarie | Deutschland 2016 | R: Philip Scheffner | B:
Merle Kröger, Philip Scheffner | K: Terry Diamond, Bernd
Meiners | 93 min | OmeU | Das Mittelmeer galt im Römischen Reich als »Mare Nostrum«, als »unser Meer«.
Diese alte Bezeichnung hat in den letzten Jahren eine
neue Bedeutung bekommen: Seit viele Menschen versuchen, auf dem Seeweg nach Europa zu kommen, ist
das Mittelmeer zu einem Ort der Gegensätze geworden
– zwischen Legalität und Illegalität, Innen und Außen,
Leben und Tod. Philip Scheffner geht in HAVARIE von
einem kurzen Videodokument aus. Der Passagier eines
Kreuzfahrtschiffs filmt ein Schlauchboot, das im Wasser
treibt. Diese Szene wird auf die Dauer des Films verlangsamt. Scheffner dringt förmlich in sie ein, während
auf der Tonspur ein Hörspiel zu vernehmen ist, in dem
sich das Geschehen auf viele Aspekte hin verzweigt. Ein
komplexer, experimenteller Film über ein Jahrhundertthema. (Bert Rebhandl)
 Sonntag, 26. Februar 2017, 21.00 Uhr
 1. März 2017, 19.00 Uhr (Alaska und die Aleutischen
Inseln)  8. März 2017, 19.00 Uhr (Tschukotka und die
Wrangelinsel 1)  15. März 2017, 19.00 Uhr (Tschukotka und die Wrangelinsel 2)  22. März 2017, 19.00 Uhr
(Kamtschatka und die Beringinsel)
Nebel im August | Deutschland 2016 | R: Kai Wessel | B: Holger Karsten Schmidt, nach dem Roman
von Robert Domes | K: Hagen Bogdanski | M: Martin
Todsharow | D: Ivo Pietzcker, Sebastian Koch, Thomas
Schubert, Fritzi Haberlandt, Henriette Confurius, David
Bennent | 126 min | Er wirkt sympathisch, dieser Dr.
Veitshausen, wie er 1943 mit den Kindern in der »Heil-
anstalt« scherzt, ihnen Mut macht, eine Art Vaterersatz.
Hinter der freundlichen Fassade versteckt sich ein harter Verfechter der Euthanasie. Ein 13-jähriger Junge
und eine engagierte Krankenschwester ahnen bald,
dass das Ende vieler Insassen durch »Lungenentzündung« nicht zufällig ist und der »süße« Tod auch durch
Gift im Himbeersaft verursacht wird. Aber beide sind
den Machenschaften des NS-Regimes ausgeliefert.
Kai Wessels berührendes Drama beruht lose auf dem
authentischen Fall des Ernst Lossa, zeigt am Schicksal eines Einzelnen die Perversität eines menschenverachtenden Systems und einer instrumentalisierten
Wissenschaft. Gefühlvoll, aber nie gefühlig und mit
Sebastian Koch wie dem jungen Ivo Pietzcker bestens
besetzt. (Margret Köhler)
 Freitag, 3. März 2017, 21.00 Uhr
Vor der Morgenröte | Deutschland 2016 | R: Maria
Schrader | B: Maria Schrader, Jan Schomburg | K:
Wolfgang Thaler | M: Tobias Wagner | D: Josef Hader,
Barbara Sukowa, Aenne Schwarz, Matthias Brandt,
Charly Hübner | 105 min | OmeU | 1936 bis 1942,
sechs Episoden aus den Exiljahren des jüdischen Wiener Schriftstellers Stefan Zweig. Seine Unfähigkeit, auf
einem PEN-Kongress Stellung gegen das NS-Regime
zu beziehen. Die Bitte seiner geschiedenen ersten Ehefrau in New York, sich für Einreisepapiere von Freunden
und Kollegen in die USA einzusetzen. Die Feier des 60.
Geburtstags in Brasilien. Sehnsucht nach einem »geistig-seelischen Zuhause in einer kriegerischen Epoche«
(Focus). Schließlich Abschiedsbrief und Selbstmord. Ein
Kaleidoskop von Triumph und Verfall, Melancholie und
Entwurzelung, versuchtem Neubeginn und schlussendlicher Verzweiflungstat. Kein Biopic im herkömmlichen
Sinne, sondern ein feinsinniges Puzzle, das den Seelen­
Deutsche Filme 2016
Chamissos Schatten | Deutschland 2016 | R+B+K:
Ulrike Ottinger, unter Verwendung von Texten von Adelbert von Chamisso | Sprecher: Hanns Zischler, Burghart Klaußner, Thomas Thieme | 193 min (Alaska und
die Aleutischen Inseln), 192 min (Tschukotka und die
Wrangelinsel 1), 156 min (Tschukotka und die Wrangelinsel 2), 177 min (Kamtschatka und die Beringinsel)
| Ulrike Ottinger hat immer schon weite Reisen unternommen und davon lange Filme wie TAIGA oder CHINA
– DIE KÜNSTE – DER ALLTAG zurückgebracht. Niemals
aber hat sie sich weiter hinausgewagt als in CHAMISSOS SCHATTEN, einer Expedition an die Ränder von
Sibirien und Amerika, mit der unbewohnten Wrangel­
insel in der Tschuktschensee als dem abgelegensten
Ziel, an dem man nur kurz bleiben kann, weil man
sonst die Eisbären stören würde. Ottinger findet eine
Naturlandschaft, in die sich gleichwohl die politische
Geschichte eingeschrieben hat: Von der Sowjetunion
sind vor allem Museen und Ruinen (und Giftmüll) zurückgeblieben, alte Kulturen versuchen, sich in einem
extremen Klima zu behaupten. Ein großer Film über die
Grenzen der Zivilisation. (Bert Rebhandl)
5
Deutsche Filme 2016
zustand des Helden zu eindringlichen Bildmotiven verdichtet. (Ralf Schenk)
6
 Samstag, 4. März 2017, 21.00 Uhr  Dienstag,
7. März 2017, 18.30 Uhr
Landstück | Deutschland 2016 | R: Volker Koepp | B:
Barbara Frankenstein, Volker Koepp | K: Lotta Kilian |
M: Ulrike Haage | 122 min | OmeU | Die Uckermark ist
eine dünn besiedelte, wald- und wasserreiche Gegend
nordöstlich von Berlin, ein Refugium für gestresste
Stadtmenschen. Auch der Dokumentarist Volker Koepp
hat hier eine Heimat gefunden und lässt in seinem Film
die Veränderungen der letzten zwanzig Jahre Revue
passieren: die Zerstörungswut der Moderne mit ihren Tiermastanlagen, Biogasanlagen, Windparks und
staatlich geförderten Golfplätzen. Zugleich sucht Koepp
nach Zeitgenossen, die sich mit Vernunft und Sachverstand bemühen, ein Stück Kulturlandschaft zu retten:
Alteingesessene und Zugezogene, Umweltschützer und
ökologische Landbauern. Ein polemischer Dokumentarfilm, gerichtet gegen Profitgier und den ihr innewohnenden Vertreibungs- und Vernichtungswahn. Kino, das
trotz schöner Landschaftsmotive keine falsche Harmonie beschwört. (Ralf Schenk)
 Sonntag, 5. März 2017, 21.00 Uhr
Die Hände meiner Mutter | Deutschland 2016 |
R+B: Florian Eichinger | K: Timo Schwarz | M: André
Feldhaus | D: Andreas Döhler, Jessica Schwarz, Katrin
Pollitt, Heiko Pinkowski, Katharina Behrens | 106 min
| OmeU | Nach BERGFEST (2008) und NORDSTRAND
(2013) der dritte Teil einer Trilogie über Gewalt in der
Familie, die psychologischen Untiefen einer scheinbar fest gefügten privaten Gemeinschaft. Das Thema:
sexueller Missbrauch von Eltern an ihren Kindern,
hier die Übergriffe einer Mutter auf ihren Sohn. Das
Schweigen der Beteiligten über Jahrzehnte, die im Unterbewusstsein wütenden Traumata, die Folgen für das
Verhalten der Opfer gegenüber ihren eigenen Familien,
das Weiterwirken des schrecklichen Geschehens bis
in die Gegenwart. Ein Film als Symphonie der Blicke,
mit sparsamen Dialogen und klugen, ungewöhnlichen
inszenatorischen Entscheidungen: Zum Beispiel spielt
der Darsteller, der den erwachsenen, einst missbrauchten Sohn verkörpert, auch sich selbst als Kind. Dichtes,
reifes Kino. (Ralf Schenk)
 Freitag, 10. März 2017, 21.00 Uhr
24 Wochen | Deutschland 2016 | R: Anna Zohra Berrached | B: Carl Gerber, Anna Zohra Berrached | K:
Friede Clausz | M: Jasmin Reuter | D: Julia Jentsch,
Bjarne Mädel, Johanna Gastdorf, Emilia Pieske, Maria-Victoria Dragus | 103 min | OmeU | Der zweite
Spielfilm der jungen Erfurter Regisseurin Anna Zohra
Berrached. Wie schon ihr Debüt ZWEI MÜTTER (2013)
ein ebenso spannender wie emotionaler Diskurs über
weibliche Lebensentwürfe – und wie das Schicksal in
biografische Planungen eingreift. Hauptfigur ist die Kabarettistin Astrid, erfolgreich auf Bühne und Bildschirm.
Ihr zweites Kind ist unterwegs, doch es wird mit dem
Down-Syndrom zur Welt kommen, und dazu noch mit
einem schweren Herzfehler. Astrid und ihr Mann müssen sich entscheiden, ob das Kind geboren werden soll.
Eine Achterbahnfahrt der Gefühle beginnt. Fiktion und
Realität verschmelzen zu einer intensiven existentiellen
Studie. Neben Schauspielern treten auch Ärzte und
Psychologen auf, die zur Authentizität des Films beitragen. (Ralf Schenk)
 Samstag, 11. März 2017, 21.00 Uhr  Dienstag,
14. März 2017, 18.30 Uhr
 Freitag, 17. März 2017, 21.00 Uhr  Dienstag, 21.
März 2017, 18.30 Uhr
Tschick | Deutschland 2016 | R: Fatih Akin | B: Lars
Hubrich, Hark Bohm, Fatik Akin, nach dem Roman von
Wolfgang Herrndorf | K: Rainer Klausmann | M: Vince
Pope | D: Tristan Göbel, Anand Batbileg, Mercedes
Müller, Anja Schneider, Uwe Bohm, Udo Samel, Claudia Geisler | 93 min | OmeU | Zu Beginn der Sommerferien klaut Tschick, wie der junge Russe bei seinen
Klassenkameraden heißt, einen Lada und überredet
seinen Kumpel Maik, heimlich mit ihm los zu düsen,
Liebeskummer und Familienärger hinter sich zu lassen. Ein paar Tage Freiheit und Abenteuer genießt das
gegensätzliche Duo, der eine schüchtern, der andere
draufgängerisch, in der Weite Brandenburgs. Eine
Reise ins Nirgendwo, klare Sternennächte und dicke
Freundschaft. Fatih Akin inszeniert nach Wolfgang
Herrndorfs Bestseller ein spannendes und entspanntes
Road-Movie ohne pädagogischen Impetus und ohne
große Worte in atmosphärisch dichter Atmosphäre. Die
beiden Hauptdarsteller Tristan Göbel und Anand Batbileg beeindrucken in ihrer Natürlichkeit. Coming of Age
auf die lässige Tour. (Margret Köhler)
 Samstag, 18. März 2017, 21.00 Uhr
Austerlitz | Deutschland 2016 | R+B: Sergei Loznitsa
| K: Sergei Loznitsa, Jesse Mazuch | 94 min | »Arbeit
macht frei« – diese zynische Parole stand am Eingang
der Konzentrationslager des NS-Regimes. Und sie steht
dort noch immer, am Eingang zu Gedenkstätten, in die
heute Menschen gehen, um sich einen Eindruck von
den Geschehnissen von damals zu verschaffen. Sergej
Loznitsa hat diesen Geschichtstourismus auf eine für
ihn typische Weise dokumentiert: mit einer Kamera,
die nach Möglichkeit so tut, als wäre sie unsichtbar,
und mit einem Mikrophon, das höchst empfindlich Töne
registriert, die dann in der Mischung zu einem präzise
akzentuierten Soundtrack werden. AUSTERLITZ handelt
von den Bedingungen der Freiheit: Die Menschen, die
im Tourismuslook die ehemaligen Lager besichtigen,
treffen auf eine Negation, eine Abwesenheit. Wie lassen
sie sich davon betreffen? (Bert Rebhandl)
 Sonntag, 19. März 2017, 21.00 Uhr
Deutsche Filme 2016
Wild | Deutschland 2016 | R+B: Nicolette Krebitz | K:
Reinhold Vorschneider | D: Lilith Stangenberg, Georg
Friedrich, Silke Bodenbender, Saskia Rosendahl, Pit
Bukowski | 93 min | Das Leben plätschert so dahin für
die Computerfachfrau Ania (brillant: Lilith Stangenberg),
die ihrem autoritären Chef ständig Kaffee kochen muss.
Alles ändert sich, als sie zufällig am Park einem Wolf
direkt in die Augen schaut. Beginn einer Beziehung
zwischen Mensch und Tier, wie sie das deutsche Kino
noch nicht gewagt hat. Irgendwann gelingt es ihr, den
Wolf mit Fleisch zu locken und betäubt in die Plattenbauwohnung zu bringen, wo sie sich ihm langsam annähert und angleicht, ihre bisherige Existenz wie eine
alte Haut abstreift. Ohne psychologische Explikationen
führt Schauspielerin und Regisseurin Nicolette Krebitz
in diesem verstörenden Fantasy-Märchen in die Welt
weiblichen Begehrens und setzt sich über Konventionen und Tabus hinweg. Das Glück der Heldin liegt in
einer ungewöhnlichen Befreiung von Zwang und Zivilisation. (Margret Köhler)
7
Andrzej Wajda und Krystyna Janda bei den Dreharbeiten zu DYRYGENT – DER DIRIGENT
Andrzej Wajda
Retrospektive Andrzej Wajda
8
Als Martin Scorsese 2014 in den USA und in England
das auf seine Initiative hin zustande gekommene Filmprogramm »Masterpieces of Polish Cinema« präsentierte, befanden sich unter den 24 Filmen der Jahre
1957 bis 1978 allein vier Filme von Andrzej Wajda.
Scorsese verwies auf den starken Eindruck, den die
von ihm ausgesuchten Filme während seines Filmstudiums an der New York University in den 1960er Jahren hinterlassen hatten und hob Wajdas ASCHE UND
DIAMANT besonders hervor: »When I first saw ASHES
AND DIAMONDS, one of the many highlights in this
series and arguably one of the greatest films ever made
– Polish or otherwise – I was overwhelmed by the film:
the masterful direction, the powerful story, the striking visual imagery, and the shocking performance by
Zbigniew Cybulski, considered the Polish James Dean,
for his electrifying presence. I was so struck by the film,
it affected me so deeply, that I paid small homage by
giving Charlie (Harvey Keitel) a pair of similar sunglasses
in MEAN STREETS.«
Es fällt auf, dass Scorsese die politische Dimension des Films nicht anspricht. Dabei hat sich Wajda
immer als politscher Filmkünstler verstanden, dessen
künstlerisches Selbstverständnis nicht von seinem
Selbstverständnis als polnischer Patriot zu trennen ist.
In unmissverständlichen Worten hat er das 2002 in der
Dankesrede bei der Verleihung des Oscar für sein Lebenswerk zum Ausdruck gebracht: »Ich werde meine
Rede auf Polnisch halten, da ich das sagen möchte,
was ich denke, und ich denke immer auf Polnisch.
Die Themen unserer Filme waren die Brutalität des
Faschismus und das Unglück, welches der Kommunismus mit sich brachte ...« In Filmen wie EINE GENERATION, DER KANAL, ASCHE UND DIAMANT, LOTNA oder
LANDSCHAFT NACH DER SCHLACHT spürt man die
autobiografischen Erfahrungen des 1926 geborenen
Wajda, der den deutschen Überfall auf Polen und die
Jahre der Besatzung ebenso bewusst miterlebt hatte
wie die »stalinistische Lähmung« der Nachkriegsjahre,
die er in DER MANN AUS MARMOR zum ersten Mal
ohne allegorische Verschlüsselungen ansprechen und
im Solidarność-Film DER MANN AUS EISEN vertiefen
konnte. Allem liegt ein Gefühl der Trauer über das historische Unglück der polnischen Geschichte zugrunde,
Andrzej Wajda
HOFFNUNG ein filmisches Denkmal setzte. Wajdas
letzter Film NACHBILDER erzählt die erschütternde
Lebensgeschichte des konstruktivistischen Künstlers
Władysław Strzemiński, der an seiner Kompromiss­
losigkeit und seinem Andersdenken zugrunde ging.
»Ich muss diese Realität zeigen, diese tragischen Ereignisse – einfach zum Gedenken, und um sagen zu
können: So war es, passt auf, so war es. NACHBILDER
machte ich eigentlich als Film über die Vergangenheit.
Sollte er heute aktuell wirken, wäre das ein großer
Schlag gegenüber unseren Hoffnungen.«
Als Volker Schlöndorff 1958 in Paris ASCHE UND
DIAMANT zum ersten Mal sah, war er tief beeindruckt:
»Als junger Deutscher und Möchtegern-Regisseur war
ich zerschmettert. So etwas würden wir nie schaffen. Wir standen einfach auf der falschen Seite der
Geschichte. Wir würden nie so wahr sprechen können. So leise und doch mit solcher Wucht.« Wie in
einem Brennglas spiegeln sich in ASCHE UND DIAMANT
Wajdas stilistische und thematische Obsessionen, die
sich wie ein roter Faden durch sein gesamtes filmisches Werk ziehen: Hier wird zum ersten Mal seine Vorliebe für bildstarke Symbole deutlich, wie der mehrmals
gespensterhaft auftauchende Schimmel, dem Wajda
dann mit LOTNA einen ganzen Film gewidmet hat. Oder
die berühmte Trinkszene an der Theke einer Hotelbar
mit brennenden Wodkagläsern, die wie Grablichter wirken, die der Toten des Warschauer Aufstands gedenken. Oder die Polonaise im Morgengrauen mit den sich
in zeitlupenartiger Trance bewegenden Tänzern: Gespenster einer neuen Zeit, die nichts Gutes verheißt. In
DIE HOCHZEIT, einem der rätselhaftesten Filme Wajdas,
begegnen wir der Polonaise wieder: Diesmal entstammen die Gespenster einer polnischen Vergangenheit,
die damals, 1973, keine Zukunft zu haben schien. Ganz
9
KATYN – DAS MASSAKER VON KATYN
als Nation über Jahrhunderte hinweg, bis auf eine kurze
Phase zwischen den Weltkriegen, nicht in einem eigenen Staat leben zu können: Immer war man fremden
Mächten ausgeliefert, erst Preußen, Österreich und
Russland, später dann dem nationalsozialistischen
Deutschland und der Sowjetunion.
Die Nachrufe zu Wajdas Tod im Oktober 2016 würdigten ihn als einen der »Großen des Weltkinos«, als
»Regielegende« und »iconic film director« – um nur einige Überschriften der Nachrufe zu zitieren. Er gilt als einer
der bekanntesten Künstler seines Landes überhaupt,
als nationaler Chronist. Volker Schlöndorff schrieb in
seinem sehr persönlichen Nachruf in der Süddeutschen
Zeitung: »Arbeiter, Adelige, Offiziere, Revolutionäre und
immer wieder starke Frauen aus allen Klassen decken
das ganze Spektrum der polnischen Gesellschaft und
Geschichte ab. Aus der Summe seiner Filme ergibt sich
das vielleicht vollständigste, jedenfalls menschlichste
Bild, das man sich von Polen machen kann.« Für den
Film über DAS MASSAKER VON KATYN, der 2007 als
herausgehobenes Ereignis nationaler Gedenkkultur
eine prominente Rolle in der polnischen Öffentlichkeit
spielte, kam kein anderer polnischer Regisseur als
Wajda in Frage.
Wajda betonte stets: »Polnische Kinematografie als
die Kunst des Kinos wird in polnischer Sprache verfasst
und spiegelt eine Wirklichkeit, die nur in dieser Sprache gezeigt werden kann. Das bedeutet, dass wir viele
Filme auf Polnisch über polnische Themen brauchen.«
Wajda verteidigte die Unabhängigkeit der Kunst und
hielt an seinen Prinzipien fest. Dabei machte er sich
durchaus angreifbar als streitbarer Demokrat, so zum
Beispiel mit seiner durchaus nicht unumstrittenen Verehrung des Solidarność-Führers und späteren Staats­
präsidenten Lech Wałęsa, dem er 2013 mit MANN AUS
Andrzej Wajda
anders, viel optimistischer geht es dann 1999 in der
opulenten Verfilmung des polnischen Nationalepos PAN
TADEUSZ zu, wenn zum Schluss alles in eine glanzvolle
Polonaise des polnisch-litauischen Landadels mündet.
Die meisten Filme Wajdas zeichnet etwas Ruhe­
loses, Rastloses aus, ihre Protagonisten sind oft Getriebene, so wie die Filmhochschulstudentin Agnieszka im
MANN AUS MARMOR, der Krystyna Janda eine unvergessliche Präsenz verleiht, oder der Textilunternehmer
Karol in DAS GELOBTE LAND, verkörpert von Wajdas
langjährigem Hauptdarsteller Daniel Olbrychski, der
in ALLES ZU VERKAUFEN noch einmal die Erinnerung
an den charismatischen Zbigniew Cybulski aus ASCHE
UND DIAMANT beschwört. Es gibt in Wajdas Werk aber
auch Momente der Ruhe, der Ungezwungenheit jenseits
der bedrängenden nationalen Schicksalsfragen wie in
DIE UNSCHULDIGEN ZAUBERER und in DIE MÄDCHEN
VON WILKO, einem Meisterwerk lyrisch gestimmter
Melancholie. Und auch Komödiantisches wie DIE
RACHE, die Verfilmung eines in Polen viel gespielten
Theaterschwanks im Adelsmilieu von PAN TADEUSZ.
Die Hauptrolle des Hofnarren spielt, mit sichtlichem
Vergnügen, Roman Polański, der 1955 seine erste
kleine Rolle in Wajdas erstem Film EINE GENERATION
erhielt.
Ernst Schreckenberg
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In Zusammenarbeit mit dem Generalkonsulat der Republik Polen in
München, Cyfrowe Repozytorium Filmowe in Warschau, der Film­o­t­­eka Narodowa in Warschau und der Szkoła Filmowa in Łódź.
POKOLENIE – EINE GENERATION
Zły chłopiec (Der böse Knabe) | Polen 1951 | R+B:
Andrzej Wajda, nach der Novelle von Anton Čechov | K:
Zdzisław Parylak | D: Jan Łomnicki | 6 min | OF – Ceramika iłżecka (Die Keramik aus Ilza) | Polen 1951 |
R+B: Andrzej Wajda | K: Jerzy Lipman | 10 min | OmeU
– Kiedy ty śpisz (Während du schläfst) | Polen 1953
| R: Andrzej Wajda | B: Andrzej Wajda, Konrad Nałęcki,
Jerzy Lipman, nach Gedichten von Tadeusz Kubiak | K:
Jerzy Lipman | 11 min | OF – Erste Filmversuche an der
Filmhochschule in Łódź. – Pokolenie (Eine Generation)
| Polen 1955 | R: Andrzej Wajda | B: Bohdan Czeszko, nach seinem Roman | K: Jerzy Lipman | M: Andrzej
Markowski | D: Tadeusz Łomnicki, Urszula Modrzyńska,
Tadeusz Janczar, Roman Polański, Zbigniew Cybulski
| 91 min | OmeU | Warschau 1942. Junge Leute im
Widerstand gegen die deutschen Besatzer. »Wir wollten einen Film machen, der unsere Sprache spricht«
(Wajda), die Sprache einer lost generation.
 Freitag, 24. Februar 2017, 18.30 Uhr
Idę do słońca (Ich gehe zur Sonne) | Polen 1955 |
R+B: Andrzej Wajda | K: Stefan Matyjaszkiewicz | M:
Andrzej Markowski | Mit Xawery Dunikowski | 13 min
| OmeU – Porträt des 80-jährigen Bildhauers Xawery
Dunikowski. – Kanał (Der Kanal) | Polen 1957 | R:
Andrzej Wajda | B: Jerzy Stefan Stawiński, nach seiner
Erzählung | K: Jerzy Lipman | M: Jan Krenz | D: Tadeusz
Janczar, Teresa Iżewska, Wieńczysław Gliński, Tadeusz
Gwiazdowski, Stanisław Mikulski | 91 min | OmeU
| Herbst 1944. Die SS hat den Warschauer Aufstand
niedergeschlagen. Eine kleine Widerstandsgruppe versucht sich von einem Vorort ins Zentrum durchzuschlagen. Einziger Fluchtweg ist das Kanalisationssystem. Es
geht nur noch ums Überleben, Heldentum oder Pathos
sind nicht mehr gefragt. Im verordneten Geschichtsbild
der stalinistischen Ära war bis dahin für den »bürgerlichen« Aufstand kein Platz. In Cannes machte Wajdas
Film Furore.
 Samstag, 25. Februar 2017, 18.30 Uhr
Popiół i diament (Asche und Diamant) | Polen 1958
| R: Andrzej Wajda | B: Andrzej Wajda, Jerzy Andrzejewski, nach dem Roman von Jerzy Andrzejewski | K: Jerzy
Wójcik | M: Filip Nowak | D: Zbigniew Cybulski, Ewa
Krzyżewska, Wacław Zastrzeżyński, Adam Pawlikowski,
Bogumił Kobiela | 97 min | OmeU | Es ist der 8. Mai
1945. Der Krieg ist zu Ende, aber der Kampf um die
Macht im Nachkriegspolen zwischen Kommunisten und
Bürgerlichen hat schon begonnen. Der junge Maciek
soll auftragsgemäß einen kommunistischen Funktionär
liquidieren, doch ihm kommen Bedenken. Maciek ist
der eindringlichste aller zerrissenen Helden im Werk
von Wajda, vor allem dank der charismatischen schauspielerischen Performance von Zbigniew Cybulski, dem
»polnischen James Dean«. Die visuelle Stilisierung und
symbolische Aufladung verleiht dem Film auch heute
noch eine ungebrochene Faszination.
Sonntag, 26. Februar 2017, 18.30 Uhr
Andrzej Wajda
POPIÓŁ I DIAMENT – ASCHE UND DIAMANT
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Wajda – Une leçon de cinéma (Großes Kino aus
Polen) | Frankreich 2016 | R+B: Andrzej Wolski | Mit
Andrzej Wajda | 95 min | dtF | Kurz vor seinem 90.
Geburtstag am 6. März 2016 – und einige Monate vor
seinem Tod am 9. Oktober – sitzt Wajda in einem Studio vor einem Laptop. Zusammen mit dem Regisseur
Andrzej Wolski hat er zehn Ausschnitte aus seinen Filmen ausgesucht, die auf die Wand hinter ihm projiziert
werden. Er kommentiert die Ausschnitte, mal analytisch, mal anekdotisch. Es geht um die Art der Inszenierung und den historischen und politischen Kontext.
Immer wieder kommt Wajda auf seine Kämpfe mit den
Zensoren zu sprechen, dabei blitzt oft Schalk auf. Zum
Schluss bleibt als Standfoto die berühmte Einstellung
von der mit dem Kopf nach unten gehängten Christus-Figur am Kreuz aus ASCHE UND DIAMANT stehen.
 Freitag, 3. März 2017, 18.30 Uhr | Zu Gast: Andrzej
Wolski
Lotna | Polen 1959 | R: Andrzej Wajda | B: Andrzej
Wajda, Wojciech Żukrowski, nach der Erzählung von
Wojciech Żukrowski | K: Jerzy Lipman | M: Tadeusz
Baird | D: Jerzy Pichelski, Adam Pawlikowski, Jerzy
Moes, Mieczysław Łoza, Bożena Kurowska | 85 min |
OmeU | Polen im September 1939. Ein Trupp polnischer
Kavallerie reitet gegen anrollende deutsche Panzer. Ein
fast surreales Bild, das die Stimmung eines Films setzt,
der die Geschichte der Schimmelstute Lotna und ihrer
wechselnden Besitzer als Abgesang auf eine untergegangene Welt erzählt, die Wajda als Sohn eines Kavallerieoffiziers noch in seiner Kindheit kennengelernt
hat. Dieser »letzte Fiebertraum des polnischen Ulanen«
(Dominik Graf) ist ein Film von morbider Faszination
und wirkt wie aus der Zeit gefallen. Es ist Wajdas erster
Farbfilm, von seinem langjährigen Kameramann Jerzy
Lipman auf Agfacolor gedreht.
 Samstag, 4. März 2017, 18.30 Uhr
Niewinni czarodzieje (Die unschuldigen Zauberer) |
Polen 1960 | R: Andrzej Wajda | B: Jerzy Andrzejewski,
Jerzy Skolimowski | K: Krzystof Winiewicz | M: Krzysztof
Komeda | D: Tadeusz Łomnicki, Krystyna Stypułkowska,
Zbigniew Cybulski, Roman Polański, Jerzy Skolimowski
| 83 min | OmeU | Wajdas erster Gegenwartsfilm bringt
einen neuen Ton ins polnische Kino. Es passiert nichts
Spektakuläres: Arzt und Jazzfan trifft eigenwillige Studentin. Politik ist außen vor, dafür schwingt der Film im
Rhythmus des Soundtracks von Jazzmusiker Komeda. –
Andrzej Wajda
Przekładaniec (Organitäten) | Polen 1968 | R: Andrzej
Wajda | B: Stanisław Lem | K: Wiesław Zdort | M: Andrzej
Markowski | D: Bogumił Kobiela, Ryszard Filipski, Anna
Prucnal | 35 min | OmeU | Science-Fiction-Satire: Organtransplationen retten einem verunglückten Rennfahrer
das Leben, verändern aber seine Identität.
 Sonntag, 5. März 2017, 18.30 Uhr
Samson | Polen 1961 | R: Andrzej Wajda | B: Andrzej
Wajda, Kazimierz Brandys, nach dem Roman von Kazimierz Brandys | K: Jerzy Wójcik | M: Tadeusz Baird |
D: Serge Merlin, Alina Janowska, Jan Ciecierski, Elżbieta Kępińska, Beata Tyszkiewicz | 117 min | OmeU |
Jakub Gold bekommt es schon an der Universität von
Krakau mit massivem Antisemitismus zu tun. Nach dem
deutschen Einmarsch in Polen verschlägt es ihn ins
Warschauer Ghetto und in wechselnde Verstecke in der
Metropole, immer auf tätige Solidarität seiner polnischen
Mitbürger angewiesen, von denen einige ihn auch verraten. Der Film schildert eine mit biblischen Anspielungen
durchsetzte Odyssee. In den Zeiten des Kommunismus
wagt sich Wajda an die Thematik des zwiespältigen
Verhältnisses der Polen gegenüber ihren jüdischen Mit­
bürgern während des deutschen Vernichtungsfeldzugs.
POPIOŁY – LEGIONÄRE
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ums Leben kommt. »Was dem Film Faszination verleiht
und worin sich vor allem sein Thema artikuliert, das ist
die optische Gewalt seiner Bilder. Wajda offenbart sich
hier als ein Bildschöpfer, der mit der Kamera und dem
CinemaScope-Format raffiniert zu komponieren weiß.
Die furiose Bildsprache gibt dem Film ein opernhaftes
Pathos.« (Ulrich Gregor)
 Freitag, 17. März 2017, 18.30 Uhr
L’amour à 20 ans (Liebe mit 20) | Frankreich 1962
| R: François Truffaut, Renzo Rossellini, Shintarô Ishi­
hara, Marcel Ophüls, Andrzej Wajda | B: François Truffaut, Renzo Rossellini, Shintarô Ishihara, Marcel Ophüls,
Jerzy Stefan Stawiński | K: Raoul Coutard, Mario Montuori, Shigeo Murata, Wolf Wirth, Jerzy Lipman | M:
Georges Delerue, Tôru Takemitsu, Jerzy Matuszkiewicz
| D: Jean-Pierre Léaud, Marie-France Pisier, Geronimo Maynier, Eleonora Rossi Drago, Nami Tamura, Kôji
Furuhata, Barbara Frey, Christian Doermer, Zbigniew
Cybulski, Barbara Kwiatkowska-Lass | 126 min | OmU |
Fünf Episoden, die in Paris, Rom, Tokyo, München und
Warschau spielen. Wajda zeigt in seinem Beitrag einen
gealterten Zbigniew Cybulski, der sich auf einer Party
mit jüngeren Leuten ziemlich verloren vorkommt.
 Freitag, 10. März 2017, 18.30 Uhr
 Samstag, 11. März 2017, 18.30 Uhr
Sibirska ledi Magbet (Blut der Leidenschaft) | Jugoslawien 1962 | R: Andrzej Wajda | B: Sveta Lukić,
nach der Novelle »Lady Macbeth von Mzensk« von Nikolaj Leskov | K: Aleksandar Sekulović, Miomir Denić
| M: Dušan Radić | D: Olivera Marković, Ljuba Tadić,
Miodrag Lazarević, Bojan Stupica, Kapitalina Erić | 93
min | OmeU | Lady Macbeth als russische Gutsherrin,
die wegen einer Affäre mit ihrem Knecht zur Mörderin wird und während ihrer Deportation nach Sibirien
Popioły (Legionäre) | Polen 1965 | R: Andrzej Wajda
| B: Aleksander Ścibor-Rylski, nach dem Roman von
Stefan Żeromski | K: Jerzy Lipman | M: Andrzej Markowski | D: Daniel Olbrychski, Bogusław Kierc, Piotr
Wysocki, Beata Tyszkiewicz, Władysław Hańcz | 226
min | OmeU | Ein großes historisches Fresko als aufwändiges, fast dreistündiges Filmepos in CinemaScope
voller Schlachtenszenen über die Schicksale dreier polnischer Adliger, die als Legionäre an der Seite Napo-
 Sonntag, 12. März 2017, 18.30 Uhr
Gates to Paradise (Die Pforten des Paradieses) | GB
1968 | R: Andrzej Wajda | B: Donald Kravanth, Jerzy
Andrzejewski, nach dem Roman von Jerzy Andrzejewski | K: Mieczyslaw Jahoda | M: Ward Swingle | D:
John Fordyce, Lionel Stander, Mathieu Carrière, Pauline
Challoner, Ferdy Mayne | 79 min | dtF | Wajdas erster
in englischer Sprache gedrehter Film erzählt die Geschichte eines mittelalterlichen Kinderkreuzzugs nach
Palästina. Ein Mönch, der die Kinder begleitet, versucht
vergeblich, den Zug aufzuhalten, als er die wahren
Motive der Teilnehmer erkennt. Mit opulenten Bildern
beschwört Wajda eine düstere und unheilvolle Atmosphäre herauf und wendet sich gegen Fanatismus und
blinden Glauben an falsche Ideale, dem die Stimme der
Vernunft nicht beikommen kann. Nachdem der Film bei
der Berlinale 1968 von der Kritik verrissen wurde, kam
er nie in die Kinos.
 Samstag, 18. März 2017, 18.30 Uhr
Wszystko na sprzedaż (Alles zu verkaufen) | Polen
1968 | R+B: Andrzej Wajda | K: Witold Sobociński |
M: Andrzej Korzyński | D: Andrzej Łapicki, Daniel Olbrychski, Witold Holtz, Małgorzata Potocka, Elżbieta
Kępiński | 105 min | OmeU | Als Wajda wieder einen
Film mit Zbigniew Cybulski machen will, kommt der kurz
vor Drehbeginn unter die Räder eines Zuges. Stattdessen macht Wajda nun einen Film über die Suche nach
einem verschwundenen Hauptdarsteller, der dann zum
Schluss gefunden wird: Es ist Daniel Olbrychski. ALLES
ZU VERKAUFEN ist ein Film über einen Regisseur in der
Krise, durchaus vergleichbar mit Fellinis 8½. Ein souveränes Spiel mit Spiegelungen und Verschränkungen:
Das Leben spielt in den Film hinein, der Film in das
Leben aller am Dreh Beteiligten. Ein sehr persönlicher
Film Wajdas. Der Darsteller des Regisseurs, Andrzej
Lapicki, sieht Wajda verblüffend ähnlich.
 Freitag, 24. März 2017, 18.30 Uhr
Polowanie na muchy (Fliegenjagd) | Polen 1969 |
R: Andrzej Wajda | B: Janusz Glowacki, nach seiner
Erzählung | K: Zygmunt Samosiuk | M: Andrzej Korzyński | D: Zygmunt Malanowicz, Małgorzata Braunek,
Hanna Skarżanka, Ewa Skarżanka, Daniel Olbrychski
| 108 min | OmeU | Eine Satire auf den Warschauer
Kultur- und Literaturbetrieb. Die grotesk anmutende
Geschichte eines Mannes, der permanent bevormundet wird, von seiner Frau, seiner Schwiegermutter, seiner kurzzeitigen Geliebten. Alle wollen sie aus ihm ein
schriftstellerisches Genie machen, um die Privilegien
des Schriftstellerverbandes genießen zu können. »Małgorzata Braunek war perfekt in ihrer Rolle. Ihr breites
Grinsen und die erschreckenden Augen, die sich hinter
überdimensionalen Brillengläsern weiteten, verliehen
ihr das Aussehen einer fleischfressenden Fliegenjägerin, so wie es Glowackis Script vorsah.« (Wajda)
 Samstag, 25. März 2017, 18.30 Uhr
Krajobraz po bitwie (Landschaft nach der Schlacht)
| Polen 1970 | R: Andrzej Wajda | B: Andrzej Wajda,
Andrzej Brzozowski, nach Erzählungen von Tadeusz Borowski | K: Zygmunt Samosiuk | M: Zygmunt Konieczny
| D: Daniel Olbrychski, Stanisława Celińska, Jerzy Zelnik, Stefan Friedmann, Małgorzata Braunek | 108 min
| OmeU | 1945 von den Amerikanern aus einem deutschen Konzentrationslager befreite Polen finden sich
in einem neuen Lager, einem Flüchtlingslager, wieder.
Dort klammern sich die meisten an das, was sie für ihre
vaterländische Pflicht halten: Tägliche Gebete, sinnlose
Militärparaden und feierliche patriotische Spektakel.
Nur ein Schriftsteller verweigert sich dem fast zwanghaften kollektiven Mitmachen und wird damit zum Außenseiter. Wajda wurde damals vorgeworfen, er karikiere hier auf Kosten von traumatisierten Lagerinsassen
einen für ihn überholten Begriff von Polentum.
 Sonntag, 26. März 2017, 18.30 Uhr
Brzeżina (Das Birkenwäldchen) | Polen 1970 | R:
Andrzej Wajda | B: Jarosław Iwaszkiewicz, nach seiner
Erzählung | K: Zygmunt Samosiuk | M: Andrzej Korzyński
| D: Daniel Olbrychski, Emilia Krakowska, Olgierd Łukaszewicz, Marek Perepeczko, Jan Domański | 99 min | OmeU
| Eine neue Seite bei Wajda: Ein Kammerspiel in freier
Natur, dem titelgebenden Birkenwäldchen. Im Mittelpunkt zwei ungleiche Brüder (einer von ihnen Olbrychski)
– der eine um den Tod seiner Frau trauernd, der andere
todkrank, aber das Leben noch auskostend. Zwischen
ihnen eine junge Frau, die Verkörperung des blühenden
Lebens. Ein elegischer, schwermütiger Film, mit dem
Birkenwald als emotionalem Resonanzboden. »Noch
weniger als sonst bei Wajda ist in diesem Film die Thematik ablösbar von ihrer filmischen Erscheinungsform,
ihrer Artikulation in Farben und Bildern.« (Ulrich Gregor)
 Freitag, 7. April 2017, 18.30 Uhr
Andrzej Wajda
leons um die polnische Unabhängigkeit kämpfen. Einer
von ihnen kämpft dafür sogar auf spanischem Boden.
Am Ende steht die Vergeblichkeit ihres Tuns, die sich
in der eindrucks­vollen Schluss-Szene des Films in der
russischen Schneewüste manifestiert. Es war der Beginn einer lang andauernden Zusammenarbeit mit dem
Schauspieler Daniel Olbrychski.
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Andrzej Wajda
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Pilatus und andere | BRD 1972 | R+B: Andrzej Wajda,
nach Motiven des Romans »Der Meister und Margerita«
von Michail Bulgakov | K: Igor Luther | D: Jan Kreczmar,
Wojciech Pszoniak, Daniel Olbrychski, Andrzej Łapicki,
Marek Perepeczko | 94 min | »Ein Film für Karfreitag«
heißt es im Untertitel dieses Fernsehfilms, den Wajda
in der Bundesrepublik für das ZDF drehte. Diese Neuerzählung der Passionsgeschichte im zeitgenössischen
Setting, in der das Verhör von Jesus auf das Reichsparteitagsgelände in Nürnberg und die Kreuzigung
auf Golgatha auf einen Schuttberg am Wiesbadener
Autobahnkreuz verlegt wird, ist eine ziemlich wüste
und drastische Collage. »Mich hat eine Bewegung, ein
Trend unter westlichen Jugendlichen sehr interessiert:
dass sie angefangen haben, sich wie Jesus zu kleiden,
Zeichen des Christentums zu tragen und überall das
Kreuz zu zeigen.« (Wajda)
 Freitag, 14. April 2017, 18.30 Uhr
Wesele (Die Hochzeit) | Polen 1973 | R: Andrzej
Wajda | B: Andrzej Kijowski, nach dem Stück von Stanisław Wyspiański | K: Witold Sobociński | M: Stanisław
Radwan | D: Daniel Olbrychski, Ewa Ziętek, Andrzej
Łapicki, Wojciech Pszoniak, Franciszek Pieczka | 110
min | OmeU | Stanisław Wyspiańskis Drama von 1901
ist ein Schlüsselwerk der polnischen Literatur, eine allegorisch und symbolisch verschlüsselte Parabel über
die Traumata der polnischen Teilung. Aus der Vorlage
des Versdramas über die Hochzeit eines Künstlers aus
der Krakauer Bohème und einer Bauerntochter macht
Wajda in suggestiven und rauschhaften Bildern einen
atmosphärisch ungemein dichten Film, der auch ohne
Kenntnis des historischen Anspielungshorizonts den
Zuschauer mit seinen virtuosen Kamerabewegungen
und Montagesequenzen wie in einem hypnotischen
Wirbel in seinen Bann zieht.
nur in den Film gelangt waren, weil sie »unter großem
Arbeitsaufwand gedreht wurden« (Wajda), und veränderte den Anfang des Films. Im Filmmuseum läuft die
ungekürzte Originalfassung.
 Samstag, 15. April 2017, 19.00 Uhr
The Shadow Line (Die Schattenlinie) | GB 1976 | R:
Andrzej Wajda | B: Andrzej Wajda, Bogusław Sulik, nach
der Erzählung von Joseph Conrad | K: Witold Sobociński
| M: Wojciech Kilar, Lech Brański | D: Marek Kondrat,
Graham Lines, Tom Wilkinson, Berhard Archard, Martin Wyldeck | 100 min | engl. OF | Die Erzählung des
polnischstämmigen Autors Joseph Conrad schildert
die durch Flaute und Krankheiten geprägte Fahrt eines
Segelschiffs in südostasiatischen Gewässern. Meisterhaft beschreibt Conrad die Atmosphäre des Stillstands,
der Lethargie an Bord. Wajda verzichtete darauf, eigene
Ideen in den Film einzuarbeiten und Daniel Olbrychski
für die Hauptrolle auszuwählen. Stattdessen drehte er
mit englischen Schauspielern. »Ich bin dem Original
treu geblieben. Es war unglaublich, das Material hat die
filmischen Lösungen quasi selbst diktiert.« (Wajda)
 Sonntag, 9. April 2017, 18.30 Uhr
Człowiek z marmuru (Der Mann aus Marmor) | Polen 1976 | R: Andrzej Wajda | B: Aleksander ŚciborRylski | K: Edward Kłosiński | M: Andrzej Korzyński | D:
Jerzy Radziwiłowicz, Krystyna Janda, Jacek Domański,
Leonard Zajączkowski, Tadeusz Łomnicki | 161 min |
OmeU | Mehr als zehn Jahre lang lag das Drehbuch
auf Eis. Erst 1976 kann der Film in Produktion gehen
und stößt auf überragende Resonanz beim polnischen
Publi­kum. Mit der Geschichte der jungen Filmemacherin Agnieszka, die das Schicksal des vergessenen
 Samstag, 8. April 2017, 18.30 Uhr
Ziema obiecana (Das gelobte Land) | Polen 1975 |
R+B: Andrzej Wajda | K: Witold Sobociński | M: Wojciech
Kilar | D: Daniel Olbrychski, Wojciech Pszoniak, Andrzej
Seweryn, Anna Nehrebecka, Franciszek Pieczka | 170
min | OmeU | Łódź um 1880, Zentrum der polnischen
Textilindustrie. Was für die Unternehmer das gelobte
Land ist, in dem riesige Vermögen angehäuft werden,
ist für die Arbeiter die Hölle auf Erden. Mit großer inszenatorischer Geste und in fiebrigem Rhythmus entwirft
Wajda ein apokalyptisches Bild. Zwischen protzig zur
Schau gestelltem Reichtum und erbärmlichem Massen­
elend gibt es kaum Abstufungen. 2000 überarbeitete
Wajda seinen Film, kürzte ganze Szenen, die seinerzeit
Arbeiterhelden Birkut für ihren Film recherchiert und
dafür durch ganz Polen reist, hat Wajda offensichtlich
einen Nerv getroffen. Sein Film konfrontiert die stalinistische Aufbau-Ära mit der Gegenwart des Films, die
 Sonntag, 16. April 2017, 19.00 Uhr
Bez znieczulenia (Ohne Betäubung) | Polen 1978 |
R: Andrzej Wajda | B: Andrzej Wajda, Agnieszka Holland
| K: Edward Kłosiński | M: Wojciech Młynarski | D: Zbigniew Zapasiewicz, Ewa Dałkowska, Andrzej Seweryn,
Krystyna Janda, Emilia Krakowska | 125 min | OmeU |
Ganz analytisch und sachlich erzählt Wajda vom beruflichen, sozialen und privaten Abstieg eines prominenten Auslandskorrespondenten, der im Warschau der
1970er Jahre unter die Räder kommt. Wegen eines
kritischen Fernsehkommentars fällt er in Ungnade, und
Schritt für Schritt werden seine Privilegien von dem
System abgebaut, das ihm seine berufliche Karriere
erst ermöglicht hat. So offen systemkritisch kann sich
Wajda erst äußern, seit er durch den internationalen Erfolg des MANN AUS MARMOR zu einer internationalen
Größe geworden ist, der die politische Führung einen
gewissen Spielraum zugestehen muss.
dem örtlichen Orchester ein. Hier in Polen hat der von
John Gielgud gespielte Stardirigent Jan Lomicki seine
Karriere begonnen, und für ein Gastkonzert kehrt er als
gefeierter Sohn der Stadt zurück. Mit seiner Liebe zur
Musik vermittelt er auch dem Orchester Begeisterung
– sehr zum Missfallen des karrierefixierten, aber talentlosen heimischen Dirigenten. Wajdas Botschaft: Ohne
wahre Liebe zur Kunst gibt es nur Kunstbetrieb.
 Freitag, 19. Mai 2017, 18.30 Uhr
Człowiek z żelaza (Der Mann aus Eisen) | Polen
1981 | R: Andrzej Wajda | B: Aleksander Ścibor-Rylski
| K: Edward Kłosiński | M: Andrzej Korzyński | D: Jerzy
Radziwiłowicz, Krystyna Janda, Marian Opania, Irena
Byrska, Wiesława Kosmalska | 147 min | OmeU | Der
erzählerische Faden aus DER MANN AUS MARMOR
 Freitag, 28. April 2017, 18.30 Uhr
Panny ze Wilka (Die Mädchen von Wilko) | Polen
1979 | R: Andrzej Wajda | B: Zbigniew Kamiński, nach
der Erzählung von Jarosław Iwaszkiewicz | K: Edward
Kłosiński | M: Karol Szymanowski | D: Daniel Olbrychski,
Anna Seniuk, Christine Pascal, Maja Komorowska,
Stanisława Celińska | 116 min | OmeU | Wajda kehrt
immer wieder in die polnische Vergangenheit zurück,
dieses Mal auf ein Landgut im Polen der 1930er Jahre.
Fünf Schwestern leben dort, die in ihrer Jugend alle
in den Nachbarsjungen verliebt waren. Der kommt
nach langen Jahren in der Fremde zu Besuch, und die
Vergangenheit meldet sich zurück. Wie im BIRKENWÄLDCHEN liefert der von Wajda so geliebte Jarosław
Iwaszkiewicz die literarische Vorlage: Wieder dieselbe
elegische, melancholische Stimmung, von der Kamera
Edward Kłosińskis meisterhaft in lichtdurchflutete Bilder gefasst.
 Samstag, 29. April 2017, 18.30 Uhr
Dyrygent (Der Dirigent) | Polen 1979 | R: Andrzej
Wajda | B: Andrzej Kijowski | K: Sławomir Idziak | M:
Ludwig van Beethoven | D: John Gielgud, Krystyna Janda,
Andrzej Seweryn, Jan Ciecierski, Tadeusz Czechowski
| 102 min | OmeU | Beethovens 5. Symphonie und
zwei Dirigenten: Der eine feiert mit ihr Triumphe in der
Carnegie Hall in New York, der andere übt sie in einer
polnischen Provinzstadt mehr schlecht als recht mit
wird wieder aufgenommen: Birkuts Sohn bricht sein
Studium ab und schließt sich der Gewerkschaft Solidarność an, genauso wie die Filmstudentin Agnieszka,
die mit ihm nach Danzig geht. Sie werden ein Paar und
engagieren sich im monatelang andauernden Streik auf
der Lenin-Werft, der ganz Polen in Atem hält. Vor Ort
von Wajda gedrehtes dokumentarisches Material und
echte Personen spielen in den Film hinein, bis hin zu
Lech Wałęsa als Trauzeuge der beiden. Das polnische
Publikum strömt in die Kinos, und der Auslandsresonanz mit der Goldenen Palme in Cannes und einer
Oscar-Nominierung können die Machthaber nur zähneknirschend zusehen.
 Montag, 17. April 2017, 19.00 Uhr
Danton | Frankreich 1983 | R: Andrzej Wajda | B:
Jean-Claude Carrière, Andrzej Wajda, Agnieszka Holland, Bolesław Michałek, Jacek Gąsiorowski | K: Igor
Luther | M: Jean Prodromides | D: Gérard Depardieu,
Wojciech Pszoniak, Patrice Chéreau, Angela Winkler,
Bogusław Linda | 136 min | OmU | Wenige Tage vor
Ausrufung des Kriegsrechts am 13. Dezember 1981
Andrzej Wajda
diese Zeit am liebsten verdrängen möchte. Krystyna
Janda als ruhe- und rastlose Rechercheurin ist das
emotionale Kraftzentrum des MANN AUS MARMOR.
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Andrzej Wajda
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führt Wajda den als Danton verpflichteten Darsteller
Gérard Depardieu noch über die Leninwerft. Dann
kommt die Filmproduktion in Polen zum Erliegen, so
dass die Dreharbeiten komplett nach Paris verlegt
werden. Zwei Schlüsselfiguren der Revolution werden
gegenübergestellt: Depardieu als Danton, der den
Blutrausch stoppen will, und Wojciech Pszoniak als Robespierre, Befürworter des anhaltenden Terrors durch
die Guillotine. Unterschwellig steht Danton für Lech
Wałęsa und Robespierre für General Jaruzelski.
 Samstag, 20. Mai 2017, 18.30 Uhr
Eine Liebe in Deutschland | BRD 1983 | R: Andrzej
Wajda | B: Andrzej Wajda, Agnieszka Holland, Boleslav
Michalek, nach dem Roman von Rolf Hochhuth | K: Igor
Luther | M: Michel Legrand | D: Hanna Schygulla, Marie-Christine Barrault, Armin Mueller-Stahl, Piotr Łysak,
Daniel Olbrychski | 107 min | Ein Fremder kommt mit
seinem Sohn in ein süddeutsches Dorf. Gegen den
Widerstand der Dorfbewohner recherchiert er die verbotene Liebesgeschichte zwischen einer deutschen
Gemüsehändlerin und einem polnischen Zwangs­
arbeiter, die denunziert werden. Wajdas Film wurde
von der deutschen Kritik verrissen. »Ich war nicht in
der Lage, das tatsächliche Leben während des Krieges in einer deutschen Kleinstadt zu rekonstruieren. Ich
kannte die Wirklichkeit nicht, und musste auf Fiktionen
zurückgreifen. Das deutsche Publikum fühlte diese fehlende Realität sofort, was ihm die Möglichkeit bot, die
im Film angesprochenen Probleme erleichtert zurückweisen zu können.« (Wajda)
Schuld und Sühne | BRD 1987 | R+B: Andrzej Wajda,
nach dem Roman von Fëdor Dostoevskij | K: Kurt Oskar
Herting, Martin Herden, Horst Thomas, Frank Tilk | M:
Zygmunt Konieczny | D: Udo Samel, Jutta Lampe, Dirk
Nawrocki, Stephan Bissmeier, Bernd Ludwig | 118 min
| Dem leidenschaftlichen Theatermann Wajda, der in
Warschau und Krakau die wichtigsten Theater-Klassiker
auf die Bühne gebracht hat, ist das Kunststück gelungen,
aus Dostoevskijs 800-Seiten-Wälzer »Schuld und Sühne« eine spielbare Bühnenfassung zu machen. Für Peter
Stein hat er sie an der Berliner Schaubühne 1986 inszeniert und für das ZDF eine filmische Version hergestellt.
In Wajdas Bühnenversion wird die Geschichte um den
Doppelmörder Raskolnikov auch heute noch oft gespielt.
 Sonntag, 28. Mai 2017, 18.30 Uhr
Les possédés (Die Dämonen) | Frankreich 1988 | R:
Andrzej Wajda | B: Andrzej Wajda, Jean-Claude Carrière, nach dem Roman von Fëdor Dostoevskij | K: Witold
Adamek | M: Zygmunt Konieczny | D: Isabelle Huppert,
Jutta Lampe, Lambert Wilson, Jerzy Radziwiłowicz,
Omar Sharif | 114 min | OmU | Noch einmal Dostoevskij.
Es ist das letzte Mal, dass Wajda einen Film im Ausland
drehen wird. DIE DÄMONEN ist eine rein französische
Produktion. Als einziger Pole spielt Jerzy Radziwiłowicz,
der Hauptdarsteller von DER MANN AUS MARMOR und
DER MANN AUS EISEN, die Rolle des abtrünnigen Verschwörers Šatov, der einer abgefeimten Intrige seiner
Mitverschwörer zum Opfer fällt. Sein Schicksal steht,
anders als bei Dostoevskij, im Mittelpunkt: Wajda sieht
ihn als Opfer totalitärer Denkstrukturen.
 Freitag, 26. Mai 2017, 18.30 Uhr
 Freitag, 2. Juni 2017, 18.30 Uhr
Kronika wypadków miłosnych (Eine Chronik von
Liebesunfällen) | Polen 1986 | R: Andrzej Wajda | B:
Andrzej Wajda, Tadeusz Konwicki, nach dem Roman
von Tadeusz Konwicki | K: Edward Kłosiński | M: Wojciech Kilar | D: Paulina Młynarska, Piotr Wawrzyńczak,
Magdalena Wójcik, Dariusz Dobkowski, Bernadetta
Machała-Krzemiński | 114 min | OmeU | Eine Geschichte aus dem Jahr 1939, als Litauens Hauptstadt
Wilna noch zu Polen gehört. Witek lässt sich ziellos treiben, bis er sich Hals über Kopf in die schöne Alina aus
besseren Kreisen verliebt. Er fällt zwar durchs Abitur,
erlebt aber eine Liebesnacht in freier Natur mit ihr. Am
nächsten Morgen kommen die ersten Nachrichten vom
deutschen Einmarsch in Polen. Edward Kłosińskis Kamera zaubert betörend schöne Bilder, aber die Ahnung
kommenden Unheils liegt wie ein Schatten über dem
Geschehen des Films.
Korczak | Polen 1990 | R: Andrzej Wajda | B: Agniesz­
ka Holland | K: Robby Müller | M: Wojciech Kilar | D:
Wojciech Pszoniak, Ewa Dałkowska, Teresa BudziszKrzyżanowska, Marzena Trybała, Piotr Kozłowski | 117
min | OmU | Der angesehene Kinderarzt und Pädagoge
Janusz Korczak, der 1942 das jüdische Kinderhaus im
Warschauer Ghetto geleitet hatte, wurde 1942 zusammen mit 200 Kindern nach Treblinka deportiert und dort
ermordet. Seine Person und auch seine Rolle im Ghetto
waren von den kommunistischen Machthabern lange
totgeschwiegen worden. Wajdas erste polnische Produktion nach der demokratischen Wende 1989, mit einem eindringlichen Wojciech Pszoniak in der Tite­lrolle.
Nach einer umjubelten Premiere in Cannes werfen
allerdings große Teile der französischen Presse dem
Film die Ausblendung des polnischen Antisemitismus
vor. Wajda ist tief getroffen.
 Samstag, 27. Mai 2017, 18.30 Uhr
 Samstag, 3. Juni 2017, 18.30 Uhr
 Sonntag, 4. Juni 2017, 18.30 Uhr
Panna Nikt (Fräulein Niemand) | Polen 1996 | R:
Andrzej Wajda | B: Radosław Piwowarski, nach dem Roman von Tomasz Tryzna | K: Krzysztof Ptak | M: Andrzej
Korzyński | D: Anna Wielgucka, Anna Mucha, Anna Powierza, Stanisława Celińska, Jan Janga-Tomaszewski
| 98 min | OmU | Verfilmung eines Schlüsselromans
über den Werteverlust der polnischen Gesellschaft im
Konsumrausch. Im Mittelpunkt steht die 15-jährige
Marysia, die beim Umzug in die Stadt nur ein wenig
beachtetes »Fräulein Niemand« ist und durch vermeintliche Freundinnen die materiellen und physischen Freuden entdeckt. »Den Kindern von DIE UNSCHULDIGEN
ZAUBERER scheint die verspielte intellektuelle Ironie
der jungen Generation aus den 1960er Jahren im
hektischen Lebensrhythmus der Gegenwart abhanden
gekommen zu sein.« (Helmut Pflügl)
 Montag, 5. Juni 2017, 18.30 Uhr
Andrzej Wajda
Pan Tadeusz | Polen 1999 | R: Andrzej Wajda | B:
Andrzej Wajda, Jan Nowina Zarzycki, Piotr Wereśniak,
nach dem Versepos von Adam Mickiewicz | K: Paweł
Edelman | M: Wojciech Kilar, Grzegorz Turnau | D:
Michał Żebrowski, Bogusław Linda, Daniel Olbrychski,
Alicja Bachleda-Curuś, Grażyna Szapołowska | 125
min | OmU | Das 1834 erschienene romantische Vers­
epos von Adam Mickiewicz, das vor dem Hintergrund
von Napoleons Russlandfeldzug von der Hoffnung auf
die nationale Wiedergeburt Polens beseelt ist, gilt als
polnisches Nationalheiligtum und zählt zur schulischen Pflichtlektüre. Zwei verfeindete Familien des
polnisch-litauischen Landadels versöhnen sich bei der
Hochzeit ihrer Kinder, die in einer glanzvollen Polonaise gipfelt, während polnische Truppen sich Napoleons
Armee anschließen. Ein opulentes, farbenprächtiges
Spektakel mit einer illustren Besetzung. Es läuft die
Schnittfassung für den internationalen Markt, die Wajda
im Jahr 2000 auf der Berlinale vorstellte.
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 Freitag, 9. Juni 2017, 18.30 Uhr
Zemsta (Die Rache) | Polen 2002 | R: Andrzej Wajda |
B: Andrzej Wajda, Maciej Karpiński, Jan Prochyra, nach
dem Stück von Aleksander Fredro | K: Paweł Edelman
| M: Wojciech Kilar | D: Janusz Gajos, Andrzej Seweryn,
Roman Polański, Agata Buzek, Cezary Żak, Daniel Olbrychski | 100 min | OmeU | Die Typen- und Charakterkomödie »Die Rache« von Alexander Fredro ist seit
mehr als 170 Jahren ein Dauerbrenner auf polnischen
Bühnen. Wie in »Pan Tadeusz« geht es um Stärken
und Schwächen des polnischen Nationalcharakters,
auch hier streiten sich zwei Adelsfamilien, gibt es eine
Romeo-und-Julia-Geschichte. Die Attraktion von DIE
RACHE ist sicherlich Roman Polański als alternder Höfling, der die Rolle eines Hofnarren kultiviert. Es ist seit
ZEMSTA – DIE RACHE
Wielki tydzień (Die Karwoche) | Polen 1995 | R+B:
Andrzej Wajda | K: Wit Dąbal | D: Wojciech Malajkat,
Magdalena Warzecha, Beata Fudalej, Cezary Pazura,
Wojciech Pszoniak | 90 min | OmU | Fünf Jahre nach
KORCZAK kommt Wajda wie schon in SAMSON noch
einmal auf das Thema des polnischen Antisemitismus
zurück. DIE KARWOCHE wirkt wie eine Antwort auf die
erhobenen Vorwürfe gegen KORCZAK. Für Wajda ist
der nicht zu leugnende Anti­semitismus nur eine von
mehreren Facetten im Verhalten der Polen gegenüber
ihren jüdischen Mitbürgern gewesen. Deren sehr unterschiedliche Verhaltensweisen zeigt er am Beispiel einer
polnischen Jüdin, die in der Karwoche 1943 während
des jüdischen Aufstands im Ghetto von dort fliehen und
sich in einem Warschauer Mietshaus bei Bekannten
verstecken kann.
EINE GENERATION von 1955 das fünfte Mal, dass der
Weggefährte aus der Filmhochschule in Łódź eine Rolle
bei Wajda übernommen hat.
Andrzej Wajda
 Samstag, 10. Juni 2017, 18.30 Uhr
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Katyń (Das Massaker von Katyn) | Polen 2007 | R:
Andrzej Wajda | B: Andrzej Wajda, Przemysław Nowakowski, Władysław Pasikowski | K: Paweł Edelman |
D: Andrzej Chyra, Artur Żmijewski, Maja Ostaszewska,
Władysław Kowalski, Maja Komorowska | 122 min |
OmU | Es hat eine zwingende Logik, dass Wajda, der
filmische Chronist polnischer Geschichte, in hohem
Alter eine noch offene Wunde zum Thema macht: das
Massaker von Katyn, bei dem im Frühjahr 1940 mehr
als 20.000 Angehörige der polnischen Intelligenz,
darunter viele Offiziere, auf Stalins Befehl vom sowjetischen Geheimdienst liquidiert wurden. Darunter
war auch Wajdas Vater. Mit großem Aufwand produziert, ist DAS MASSAKER VON KATYN wie ASCHE UND
DIAMANT ein symbolisch hochgradig aufgeladener
Film, ein filmisches Requiem: Das letzte Bild zeigt eine
Hand mit Rosenkranz, die aus dem Massengrab ragt.
 Sonntag, 11. Juni 2017, 18.30 Uhr
Tatarak (Der Kalmus) | Polen 2009 | R+B: Andrzej
Wajda, nach einer Erzählung von Jarosław Iwaszkiewicz
| K: Paweł Edelman | M: Paweł Mykietyn | D: Krystyna Janda, Paweł Szajda, Jakub Mazurek, Jan Englert,
Jadwiga Jankowska-Cieślak | 85 min | OmeU | DER
KALMUS beginnt mit einem autobiografischen Mono­log
der Hauptdarstellerin Krystyna Janda, die das Sterben
ihres Mannes, des Kameramanns Edward Kłosiński,
betrauert. Dann springt der Film um in die fiktive Geschichte einer Frau, die sich leidenschaftlich in einen
wesentlich jüngeren Mann verliebt. Als es zu einem Unglück kommt, kippt die Perspektive abermals. »Wenn
schließlich die gespielte Erschütterung der Frauenfigur
nahtlos zurückführt zu Jandas Trauer in der Realität,
sind Leben und Kunst schlichtweg ein und dasselbe
geworden.« (Daniel Kothenschulte)
 Freitag, 16. Juni 2017, 18.30 Uhr
Wałęsa – Człowiek z nadziei (Wałęsa – Mann aus
Hoffnung) | Polen 2013 | R: Andrzej Wajda | B: Janusz
Głowacki | K: Paweł Edelman | D: Robert Więckiewicz,
Agnieszka Grochowska, Iwona Bielska, Zbigniew Zama­
chowski, Mirosław Baka | 127 min | OmeU | Wajda hat
aus seiner Bewunderung für Lech Wałęsa und die Solidarność nie einen Hehl gemacht. Dennoch ist sein Film
keine Hagiografie geworden, sondern ein lebendiges
Porträt, nicht zuletzt auch durch die brillante Verkörperung Wałęsas durch Robert Więckiewicz. Der Film endet
1989 mit Wałęsas berühmter Rede vor dem amerikanischen Kongress. Seine bis heute umstrittene Zeit als
polnischer Staatspräsident klammert Wajda aus. Ihm
geht es um nationale Anerkennung: »Polen braucht diesen Film. Das Land ist so zerstritten. Dabei gibt es eine
Geschichte, auf die alle Polen stolz sein können.«
 Samstag, 17. Juni 2017, 18.30 Uhr
Powidoki (Nachbilder) | Polen 2016 | R: Andrzej
Wajda | B: Andrzej Mularczyk | K: Paweł Edelman | M:
Andrzej Panufnik | D: Bogusław Linda, Zofia Wichłacz,
Bronisława Zamachowska, Andrzej Konopka, Krzysztof
Pieczyński | 98 min | OmU | »In seinem letzten Film
NACHBILDER erzählt Wajda von dem Maler und Kunsttheoretiker Władysław Strzemiński, der eine Theorie
des Sehens schrieb, und den er in dem Moment zeigt,
in dem eine riesige rote Stalin-Fahne sein Atelier verfinstert. Ein Mann, der in der Stunde der härtesten Vereinnahmung der Kunst durch eine totalitäre Ideologie
mutig sein Wort erhebt, das ist nun das Vermächtnis
von Andrzej Wajda. Unter den jungen Leuten, die in
NACHBILDER an den Lippen von Strzemiński hängen
und die dessen Vorlesungen mit der Schreibmaschine
abtippen, um sie zu bewahren, kann man sich gut den
angehenden Filmemacher Andrzej Wajda vorstellen.«
(Bert Rebhandl)
 Im Programm des Münchner Filmfests, 23. Juni bis
1. Juli 2017
Universal Monsters
Universal Monsters
THE BRIDE OF FRANKENSTEIN
19
1931 brachten die Universal Studios mit DRACULA und
FRANKENSTEIN zwei Filme heraus, die in einen zentralen Zyklus von Horrorfilmen mündeten und prägend für
das amerikanische Horrorkino wurden. Ihre Monster­
geschichten schockierten die Hüter der öffentlichen
Moral und ergötzten das blutrünstige Publikum.
Für den Kontext ist es wichtig sich zu vergegenwärtigen, inwiefern das ursprüngliche Kinopublikum die
klassischen Monsterfilme der Universal Studios anders
erlebte als das heutige. An erster Stelle steht hier die
Vertrautheit. Wenige Filme sind in der Kultur so allgemein präsent wie diese. Nach 80 Jahren Hommagen
und Parodien ist der Vampir im Abendanzug ein fast
allgegenwärtiger Archetyp geworden, der uns von Kinofilmen über Fernsehwerbung bis in die Sesamstraße
begegnet – doch stets aus demselben Ursprung: Bela
Lugosi in Universals DRACULA. Ebenso die Silhouette
mit dem flachen Schädeldach, die ganz selbstverständlich Frankensteins Monster kennzeichnet: Auch die
wurde bei der Universal erdacht. Rasende Dörfler mit
Fackeln und Heugabeln vor einer Spinnweben-verhangenen Burg: Die Ikonographie des Horrors kommt aus
Universal City. Diese Vertrautheit hat freilich ihren Preis.
Während zeitgenössische Zuschauer zu zitternden
Nervenbündeln wurden, hat sich der Schockwert über
die Jahre vermindert und die Filme wirken heutzutage
ausgesprochen zahm. Im Kontext des Jahres 1931 dagegen boten sie nie Gesehenes – eine Kreatur, die der
Todesruhe entrann, indem sie sich parasitisch vom Blut
der Lebenden ernährte; ein Etwas, künstlich zum Leben
erweckt, gefertigt aus Kadavern vom Friedhof und vom
Galgen … Kein Wunder, dass das Publikum dafür neue
Begriffe brauchte: Erst der doppelte Erfolg von DRACULA und FRANKENSTEIN brachte den Terminus »Horror«
in den allgemeinen Sprachgebrauch.
Um den Kontext zu begreifen, müssen wir weiter zurückgehen, noch vor die Entstehung dieser Filme. Die
Universal Studios wurden 1912 gegründet. Bis Ende
der 1920er Jahre standen sie unter der Leitung ihres
Gründers, des vormaligen Kinobetreibers und Filmverleihers Carl Laemmle, der seit 1909 auch Filme
produzierte. Er wurde allerseits »Uncle Carl« genannt,
was nicht nur der liebenswürdigen Persönlichkeit des
gebürtigen Schwaben Rechnung trug, sondern auch
Universal Monsters
seinem Hang zum Nepotismus: Sein Unternehmen beschäftigte zahllose Verwandte.
Der ganz überwiegende Teil der Produktion der Universal war standardisierte Kinoware – Western, Serials,
Komödien. Gelegentlich brachte man Eigenwilligeres
heraus. Bei der Universal wurde Lon Chaney ein Star
dank masochistisch-grotesker Rollen in THE HUNCHBACK OF NOTRE DAME (1923) und besonders THE
PHANTOM OF THE OPERA (1925). Unter allen Studios
bewies die Universal die größte Bereitschaft zu solchen
Melodramen in der Tradition des Grand Guignol: Hier
drehte der Regisseur Paul Leni beispielsweise die Gruselkomödie THE CAT AND THE CANARY (1927). Dass
das Studio mit dem stärksten Hang zu grotesken und
makaberen Schauergeschichten (wie THE MAN WHO
LAUGHS, ein weiterer Paul-Leni-Film von 1928 mit
Conrad Veidt als ein entstellter Held) letztlich das amerikanische Horrorkino entwickeln sollte, war dennoch
alles andere als unausweichlich.
1928, in der Zeit der Umwälzung der gesamten Filmindustrie durch den Tonfilm, übergab Uncle Carl die Leitung an seinen Sohn Julius, der sich »Carl Laemmle Jr.«
nannte und in Hollywood kurz »Junior« hieß. Der Name
Universal stand bis dahin nie für Glamour oder Prestige,
James Whale und Ernest Thesiger
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nicht einmal für besondere Kassenerfolge. Junior wollte größere Filme drehen, er produzierte ALL QUIET ON
THE WESTERN FRONT (1930) und verdiente sich damit
einen der ersten Oscars. Er brachte auch DRACULA zur
Universal, gegen den Widerstand seines Vaters: Uncle
Carl fand den Stoff entsetzlich und ließ sich nur durch
Juniors Begeisterung umstimmen.
Zu den größten Stärken dieser Verfilmung zählt die
gänzlich un-ironische Verbindung von Pracht und
Verfall – das grandiose Production Design (welches
düstere Gemäuer war je so spektakulär wie Draculas
Schloss?) harmoniert wie von selbst mit den zahlreichen schaurigen Elementen. Besonders die erste Hälfte beschwört eine Atmosphäre, die so dicht ist wie im
deutschen Kino der 1920er Jahre. Wohl kein Zufall, da
der Kameramann Karl Freund war, der in Deutschland
unter anderem DER GOLEM, WIE ER IN DIE WELT KAM
(1920) und DER LETZTE MANN (1924) fotografiert hatte. Auch die trägere zweite Hälfte entwickelt Momente
albtraumhafter Kraft, wenn um Minas Seele gerungen
wird.
Wie von Junior prophezeit, wurde der Film ein Hit. Dass
das Publikum in der Weltwirtschaftskrise auf Horror nur
gewartet hatte, bewies der noch größere Erfolg von
als die betont farblosen Helden, und sicher einprägsamer. Das Horrorgenre wurde so zum Zuhause für alle,
die sich als Außenseiter empfinden.
Oft kann man die Ausgrenzung spezifischer deuten,
wenn die Filme schwule Subtexte anbieten. Whale
selbst lebte offen schwul, besonders THE BRIDE OF
FRANKENSTEIN wird gerne in diesem Licht betrachtet,
mit dem einsamen, gejagten, ungeliebten Monster und
Ernest Thesigers beispiellos aufgedreht-exaltiertem
Spiel als Professor Praetorius, einem unerreichbaren Gipfel des camp. Auch in DRACULA’S DAUGHTER
(1936) sind gleichgeschlechtliche Sehnsüchte ganz
unverstellt und direkt präsent. Interessant ist, dass diese vermeintlichen Tabubrüche ausgerechnet unter der
1934 verschärften Zensur geschahen, die die Anständigen vor der Verderbtheit Hollywoods schützen sollte.
Auch wenn es manchen Filmemachern wie Whale gelang, die Sittenwächter auszumanövrieren, hatte der
oberste Zensor Joseph Breen ein besonders scharfes
Augenmerk auf Horrorfilme. Universal hatte darunter
stark zu leiden, und als 1936 die Falschmeldung kursierte, Großbritannien habe Horrorfilme rundweg verboten, beschloss das Studio, dieses Genre fallenzulassen.
Aber dann kamen DRACULA und FRANKENSTEIN
1938 als Doppelprogramm zur Wiederaufführung in
die Kinos – frisch gekürzt und nach aktuellen Vorgaben zensiert. Der Erfolg war sensationell und ein neues
Anschlussprojekt wurde prompt in Angriff genommen:
SON OF FRANKENSTEIN (1939) wurde der längste (99
Minuten) und am großzügigsten ausgestattete Horrorfilm der Universal. Es war kein Laemmle mehr beteiligt
(die Familie hatte das Studio 1936 verloren), ebensowenig James Whale (Rowland V. Lee inszenierte mit Stil
und Biss), doch Karloff war ein letztes Mal in der Rolle
des Monsters dabei.
Der erneute Kassenerfolg löste eine zweite Horrorfilmwelle aus, die sich insofern deutlich von der ersten absetzte, als sie keine Prestigeproduktionen mehr
umfasste, sondern B-Filme für Doppelprogramme
– Qualität, aber günstig, und immer ein besonderes Vergnügen. Bevorzugte Hauptfigur der Filme der
zweiten Welle war der Wolfsmensch Larry Talbot (Lon
Chaney Jr.). Dieser tragische Held wurde in THE WOLF
MAN (1941) eingeführt, an dessen Ende er starb, was
aber kein Problem war: Durch Grabräuber versehentlich wiederbelebt, konnte er in weiteren Filmen seine
Suche nach einem friedlichen Tod fortsetzen, wobei er
einmal sogar auf Heilung hoffen durfte und unterwegs
des öfteren auf andere Universal-Monster traf: Bei der
Universal gab es ein shared universe Jahrzehnte vor
Marvels Superheldenfilmen.
Universal Monsters
FRANKENSTEIN, den das Studio unverzüglich in Angriff
nahm, als sich abzeichnete, dass man mit DRACULA
einen Nerv getroffen hatte. Der Franzose Robert Florey,
der das Filmprojekt entwickelte und ursprünglich inszenieren sollte, wurde durch den Briten James Whale
abgelöst. Die unverwechselbare Gestaltung der Kreatur
reklamierte der Make-up-Künstler Jack Pierce später
ganz für sich, doch in Wahrheit war das Design in enger Zusammenarbeit mit James Whale entstanden und
basierte auf Whales Skizzen von Boris Karloffs Physiognomie.
James Whale hielt sich bei FRANKENSTEIN ein wenig
zurück; seine Filme sind sonst zumeist deutlich subversiver. Doch sein charakteristischer visueller Einfallsreichtum ist ungebremst, angereichert mit pointierten
kunsthistorischen Bezügen (so zu Johann Heinrich
Füsslis Gemälde »Nachtmahr«) und direkten Verweisen
auf deutsche Stummfilme. »Deutsch« waren auch die
Sets des Dorfes, die aus ALL QUIET ON THE WESTERN
FRONT stammten.
Obwohl das Geschöpf am Ende des Filmes augenscheinlich umkam, dachte man angesichts des phänomenalen Einspiels von FRANKENSTEIN umgehend
an eine Fortsetzung. Whale war aber nicht interessiert
und verfolgte andere Projekte, darunter THE INVISIBLE
MAN (1933), eine meisterliche, hellsichtige Studie in
Terrorismus und Massenparanoia, an deren hintergründigem Humor ein ungenannter Autor Anteil hatte: Preston Sturges. Whale gab seinen Widerstand gegen THE
BRIDE OF FRANKENSTEIN (1935) erst auf, als ihm das
Studio außergewöhnliche Gestaltungsbefugnisse zugestand. Anstatt des vom Studio erhofften Schockers, der
das Blut gefrieren ließ, lieferte Whale ›a hoot‹ (einen
Heidenspaß), er konterkarierte die schaurigen Elemente
mit schwarzem Humor.
Das Monster ist die sympathischste Figur, es wird gehetzt und verfolgt, dabei sucht es nur Freundschaft.
Das äußerlich Fremde, »Missgestaltete«, verweist auf
ein bedeutendes Element im historischen Kontext:
die entstellten Kriegsveteranen. In seinem Buch »The
Monster Show« führt David J. Skal den Horrorfilm-Boom
der 1930er Jahre darauf zurück, dass die physischen
Verletzungen des Ersten Weltkriegs unleugbar im Alltag
präsent waren. Auf der metaphorischen Ebene erkennt
man darin einen entscheidenden Faktor für den anhaltenden Erfolg und die bleibende Relevanz der Monsterfilme der Universal: Die Monster sind Figuren am Rande
der Gesellschaft, körperlich-seelisch Versehrte, Unvollkommene und Unfertige, ganz anders als die Sieger, die
das US-Kino sonst gerne bevorzugt. Auch wenn sie am
Ende sterben, sind die Monster wesentlich anziehender
21
Universal Monsters
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Dieser zweite Boom hielt während des Zweiten Weltkrieges an und endete 1945 mit HOUSE OF DRACULA,
ein zeitliches Zusammentreffen, das einen Zusammenhang zwischen filmischen Trends und Weltereignissen
nahelegt. Das wäre zumindest eine mögliche Erklärung
für die nächste Monsterfilmwelle unter den atomaren
Bedrohungen der 1950er Jahre. Ein Beitrag der Universal war Jack Arnolds poetischer Schocker CREATURE
FROM THE BLACK LAGOON (1954), dessen Kiemenmensch mittlerweile zum klassischen Monsterpersonal
zählt. Er bildet auch das Bindeglied zu einer späteren
Universal-Kreatur: Steven Spielberg klaute etliche Ein­­stellungen von CREATURE FROM THE BLACK LAGOON,
als er JAWS (DER WEISSE HAI, 1975) für die Universal
drehte.
Bei Universal weiß man, was man an seinen Monstern
hat: Elf Filme dieser Reihe wurden mit großem Aufwand
digital restauriert und liegen nun in brillanter Bild- und
Tonqualität wieder komplett unzensiert vor. Das Studio
bleibt weiter im Monstergeschäft, derzeit entsteht ein
neuer Zyklus zusammenhängender Filme rund um
die alten Monster. Alles im neuen Kontext, aktualisierte Blockbuster mit Lizenzgeschäft, die nicht allzu viel
mit den Filmen von Junior & Co. gemein haben sollen.
Immerhin belegt diese Wiederbelebung die anhaltende
Beliebtheit dieser Figuren – sie weigern sich wieder
mal, tot zu bleiben.
James Oliver / Christoph Michel
Universal Horror (Horror ohne Ende) | R: Kevin
Brownlow | B: Patrick Stanbury | K: Gerald Saldo, John
Ames | M: James Bernard | Mit Ray Bradbury, Carla
Laemmle, Gloria Stuart, Fay Wray, David J. Skal | 95
min | OmU | Wie entstand der Horror-Boom und was
wurde daraus? Kevin Brownlows facettenreicher Überblick über das »Goldene Zeitalter« der Universal-Horrorfilme beginnt in der Stummfilmzeit und legt dar, wie
die Gruselfilme das Studio über die Weltwirtschafts­
krise retteten. Ungewöhnlich ist dabei, dass er auch die
Filme anderer Studios ausführlich behandelt, wie DR.
JEKYLL AND MR. HYDE (1931), MYSTERY OF THE WAX
MUSEUM (1932) oder KING KONG (1933), und dass
auch die Wechselwirkungen mit Filmen jenseits der
Genregrenzen wie BEN-HUR (1925) beleuchtet werden.
Einflüsse der bildenden Kunst erhalten ebenso Raum
wie der Kult um die Universal-Klassiker.
 Dienstag, 7. März 2017, 21.00 Uhr
Dracula | USA 1931 | R: Tod Browning | B: Garret Fort,
Dudley Murphy, nach dem Roman von Bram Stoker und
den Bühnenbearbeitungen von Hamilton Deane und
John L. Balderston | K: Karl Freund | D: Bela Lugosi,
Helen Chandler, David Manners, Dwight Frye, Edward
Van Sloan | 75 min | OmU | Lon Chaney, ursprünglich
für die Titelrolle vorgesehen, starb, und der Bühnenschauspieler Bela Lugosi stürzte sich mit einem Eifer
in die Rolle, die an späteres method acting denken
lässt. DRACULA war ein überwältigender Kassenerfolg
und übt bis heute immensen Einfluss aus, nicht nur als
Ideenlieferant zahlloser späterer Filme, sondern auch
im vermeintlichen »Volksglauben« in Sachen Vampirismus. DRACULA verwendet Musik noch ausschließlich
über den Anfangs- und Schlusstiteln. Da wir heute
gruselige Szenen und gruselige Musik zwingend miteinander verbinden, wirkt dieser Verzicht auf Filmmusik
sogar besonders unheimlich.
Dienstag, 14. März 2017, 21.00 Uhr
Drácula | USA 1931 | R: George Melford, Enrique
Tovar Ávalos | B: Baltasar Fernández Cué, nach dem
Drehbuch der englischen Version von Garrett Fort und
Dudley Murphy | K: George Robinson | D: Carlos Villarías, Lupita Tovar, Barry Norton, Pablo Álvarez Rubio,
Eduardo Arozamena | 104 min | span. OmU | Ehe sich
Nachvertonung und Untertitelung durchsetzten, drehten
die Studios wichtige Filme in mehreren Sprachversionen mit unterschiedlicher Besetzung. Der spanischsprachige DRÁCULA wurde jeweils nachts in denselben
Dekors gedreht. Da der Regisseur George Melford kein
Wort Spanisch sprach, kam dem damals ungenannten
Dialogregisseur Ávalos besondere Bedeutung zu. Der
Vergleich zwischen den beiden sehr unterschiedlichen
Filmen ist faszinierend, viele Filmhistoriker geben der
spanischen Version in Rhythmus und Atmosphäre den
Vorzug. Auch das erotische Element ist in der spanischen Version wesentlich expliziter.
 Dienstag, 21. März 2017, 21.00 Uhr
Frankenstein | USA 1931 | R: James Whale | B: Garrett
Fort, Francis Edwards Faragoh, nach dem Bühnenstück
von Peggy Webling auf der Grundlage von Mary Shelleys Roman | K: Arthur Edeson, Paul Ivano | M: Bernhard
Kaun | D: Colin Clive, Mae Clarke, Boris Karloff, Edward
Van Sloan, Dwight Frye | 71 min | OmU | Universals
zweiter großer Monster-Hit des Jahres 1931 übergeht
die metaphysischen Exkurse von Mary Shelleys Roman
und verspricht zunächst Sensationalismus, steht aber
letztlich ganz auf der Seite des Monsters. Ursprünglich
sollte Bela Lugosi das Monster spielen, doch er lehnte die dialoglose Rolle unter schwerem Make-up ab.
Carl Laemmle Junior erklärte, weshalb die Wahl auf
Boris Karloff fiel: »His eyes mirrored the suffering we
The Mummy (Die Mumie) | USA 1932 | R: Karl Freund
| B: John L. Balderston | K: Charles Stumar | M: James
Dietrich | D: Boris Karloff, Zita Johann, David Manners,
Arthur Byron, Edward Van Sloan, Bramwell Fletcher |
74 min | OmU | Universals Beitrag zur damaligen Faszination durch das alte Ägypten hatte einen ganz konkreten, handfesten Hintergrund: Der Drehbuchautor,
einmal mehr John L. Balderston, war 1923 als Journalist bei der Öffnung des Grabs von Tutanchamun dabei
ge­wesen. Karl Freund inszeniert mit Stil und Virtuosität
eine Geschichte vom Verlangen, das die Jahrtausende
überdauert hat. Die Mumie selber ist kaum zu sehen,
doch die Szene der »Auferstehung« jagt einem noch
heute Schauer über den Rücken, obwohl sie ganz
ohne schockierende Bilder auskommt. Dem Forscher,
der eine Inschrift murmelte und dadurch die Mumie
weckte, bleibt nur noch hysterisches Gelächter: »He …
he went for a little walk!«
 Dienstag, 4. April 2017, 21.00 Uhr
Universal Monsters
 Dienstag, 28. März 2017, 21.00 Uhr
The Invisible Man (Der Unsichtbare) | USA 1933 |
R: James Whale | B: R.C. Sheriff | K: Arthur Edeson |
M: Heinz Roemheld | D: Claude Rains, Gloria Stuart,
William Harrigan, Una O‘Connor, Henry Travers | 71
min | OmU | John Fultons Effekteteam entwickelte ein
ganzes Bündel unterschiedlicher optischer und realer
Tricks mit Drähten, Orthesen, Wandermasken, schwarzem Samt und Animationselementen, um Claude Rains
verschwinden zu lassen. Die technische Virtuosität tritt
bald in den Hintergrund, und das Thema der Massenhysterie angesichts einer unsichtbaren Bedrohung
aus der Mitte der Gesellschaft ist heute aktueller denn
je. James Whales Inszenierung macht den zerrissenen
Menschen im größenwahnsinnigen Wissenschaftler
spürbar. Der britische Bühnenschauspieler Claude
Rains ist in seiner ersten richtigen Filmrolle im Grunde
in nur einer Szene wirklich zu sehen und verleiht seiner Figur nur mit seiner Stimme eine ungewöhnliche
Präsenz.
23
 Dienstag, 11. April 2017, 21.00 Uhr
The Bride of Frankenstein (Frankensteins Braut)
| USA 1935 | R: James Whale | B: William Hurlbut |
K: John Mescall | M: Franz Waxman | D: Boris Karloff,
THE BRIDE OF FRANKENSTEIN
need­ed«. Karloff fand es nicht schlimm, für alle Zeit mit
dem Monster identifiziert zu werden: »The monster was
the best friend I ever had.«
Universal Monsters
24
Colin Clive, Valerie Hobson, Ernest Thesiger, Elsa
Lanchester, O.P. Heggie | 75 min | OmU | Nach den
Schocks im ersten FRANKENSTEIN trotzte James Whale dem Studio weitreichende Freiheiten ab, um eine Geschichte mit Augenzwinkern, sarkastischem Witz und
etwas genüsslichem Grusel zu erzählen. Sie beginnt
mit Mary Shelley, die von Lord Byron im literarischen
Wettstreit zur Fortsetzung ihres ursprünglichen Plots
herausgefordert wird, und geht flugs in einen doppelten
Erzählstrang über, der einerseits die fortgesetzte Anstrengung Frankensteins schildert, Leben zu schaffen
(Fortpflanzung ohne Frauen), andererseits die Sehnsucht des Monsters, das nun sprechen kann, nach Zuneigung und Liebe, dem jedoch überall Vorurteile und
Ablehnung entgegenschlagen.
 Dienstag, 18. April 2017, 21.00 Uhr
Dracula’s Daughter (Draculas Tochter) | USA 1936 |
R: Lambert Hillyer | B: Garret Fort | K: George Robinson
| M: Heinz Roemheld | D: Gloria Holden, Otto Kruger,
Marguerite Churchill, Edward Van Sloan, Nan Grey,
Irving Pichel | 71 min | OF | Als Vorlage für die Fortsetzung
des ersten voll entwickelten Horrorfilms der Universal,
oder vielmehr als ferne Inspiration, diente »Dracula’s
Guest«, ein aus Stokers Romanmanuskript gestrichenes
Kapitel, das dessen Witwe separat als Kurzgeschichte
veröffentlichte. Draculas Tochter nennt sich Gräfin
Zaleska und kommt nach London, um das Treiben ihres
Vaters nicht fortzusetzen, sondern dem Vampirismus
ein Ende zu bereiten. Sie stiehlt Draculas Leichnam
und verbrennt ihn, und sucht professionelle Hilfe.
DRACULA’S DAUGHTER ist einer der ersten Hollywoodfilme, die die Psychoanalyse thematisieren: Gräfin
Zaleska begibt sich in Behandlung, um ihre schwierige
Vaterbeziehung aufzuarbeiten.
 Dienstag, 25. April 2017, 21.00 Uhr
Son of Frankenstein (Frankensteins Sohn) | USA
1939 | R: Rowland V. Lee | B: Willis Cooper | K: George
Robinson | M: Frank Skinner | D: Basil Rathbone, Josephine Hutchinson, Boris Karloff, Bela Lugosi, Lionel
Atwill | 99 min | OF | Die nominelle Hauptrolle mag
Basil Rathbone innehaben, spielt er doch den titelgebenden Sohn, der eigentliche Star ist jedoch Bela Lugosi als Diener Ygor, der schon einmal am Galgen hing,
aber überlebte und seither einige Rechnungen mit den
Würdenträgern des Ortes offen hat. Er will den heimgekehrten Sohn dazu bewegen, die Arbeit des Vaters
fortzusetzen. Unter allen Horrorfilmen der Universal hat
SON OF FRANKENSTEIN eine Besetzungsliste, die fast
nur aus Stars besteht und die extravagantesten Bauten
mit beinahe abstrakt anmutenden Sets. Boris Karloff
trägt ein letztes Mal das Monster-Make-up, nach ihm
übernahmen wechselnde Darsteller die Figur.
 Dienstag, 2. Mai 2017, 21.00 Uhr
The Invisible Man Returns (Der Unsichtbare kehrt
zurück) | USA 1940 | R: Joe May | B: Lester Cole,
Curt Siodmak | K: Milton Krasner | M: Hans J. Salter,
Frank Skinner | D: Vincent Price, Sir Cedric Hardwicke, Nan Grey, John Sutton, Cecil Kellaway | 81 min |
OmU | Die Filme um den Unsichtbaren motivierten ihre
Filmemacher stets zu außerordentlichen Arbeiten. THE
INVISIBLE MAN RETURNS ist ein Musterbeispiel für
eine gelungene Fortsetzung, da er die Prämisse des
ursprünglichen Films erweitert, anstatt sie nur wiederzukäuen. Ein zu Unrecht wegen Mordes Verurteilter
flieht mithilfe des Unsichtbarkeitsserums; er weiß, dass
die Droge wahnsinnig macht, aber er will den wahren
Täter um jeden Preis entlarven. An der zweiten Horrorfilmwelle während des Zweiten Weltkrieges waren
zahlreiche Emigranten beteiligt, die am eigenen Leibe
Ausgrenzung und Verfolgung erlebt hatten.
 Dienstag, 16. Mai 2017, 21.00 Uhr
The Wolf Man (Der Wolfsmensch) | USA 1941 | R:
George Waggner | B: Curt Siodmak | K: Joseph Valentine | M: Charles Previn, Hans J. Salter, Frank Skinner
| D: Claude Rains, Lon Chaney Jr., Evelyn Ankers,
Warren William, Bela Lugosi, Maria Ouspenskaya | 71
nisvoller Graf Alucard aus Budapest besucht ein altes
Anwesen auf einer Plantage in den Sümpfen Louisianas
– die Besitzerin lud ihn ein, sie hat ein morbides Faible
fürs Okkulte. Die bodenständigen Südstaatler glauben
nicht an solchen Unfug wie Vampirismus. Die separate
Fortsetzung von DRACULA (ohne Bezug zu DRACULA’S
DAUGHTER) erweist sich beim näheren Hinsehen als
eine kühne Paraphrase des ursprünglichen Romans
mit hoch interessanten Aktualisierungen. Die Brüder Siodmak gaben dem Blutsauger eine Ideologie von »Blut
und Boden«, die Bildgestaltung überwindet den »Gothic
Look« vorheriger Universal-Horrorfilme.
 Dienstag, 23. Mai 2017, 21.00 Uhr
 Dienstag, 6. Juni 2017, 21.00 Uhr
Frankenstein Meets the Wolf Man (Frankenstein
trifft den Wolfsmenschen) | USA 1943 | R: Roy William Neill | B: Curt Siodmak | K: George Robinson | M:
Hans J. Salter | D: Bela Lugosi, Lon Chaney Jr., Ilona
Massey, Lionel Atwill, Maria Ouspenskaya | 74 min |
OF | FRANKENSTEIN MEETS THE WOLF MAN ist eine
doppelte Fortsetzung. Larry Talbot wird aus dem Grab
geholt, in dem er nach THE WOLF MAN zur ewigen
Ruhe gebettet war. Aber auch THE GHOST OF FRANKENSTEIN wird fortgeschrieben, an dessen Ende das
Gehirn Ygors (Bela Lugosi) in den Körper von Frankensteins Monster transplantiert worden war. Somit ist es
im Grunde nur logisch, dass nun endlich Lugosi das
Creature from the Black Lagoon (Der Schrecken
vom Amazonas) | USA 1954 | R: Jack Arnold, unter
Wasser: James C. Havens | B: Harry Essex, Arthur Ross
| K: William E. Snyder | M: Henry Mancini, Hans J. Salter, Herman Stein | D: Richard Carlson, Julia Adams,
Richard Denning, Nestor Paiva, Antonio Moreno | 79
min | OF | 3D | Aus der Legende um einen Fischmenschen in Lateinamerika, die dem Produzenten zu Ohren
gekommen war, entstand einer der gelungensten,
spannendsten und zugleich romantischsten Monsterfilme der 1950er Jahre. Eine amerikanische Expedition
entdeckt in einem entlegenen Zufluss des Amazonas
ein Wesen aus einer verblüffenden Seitenlinie der Evolution. Jack Arnold bringt 3D in einen neuen Kontext:
Der oft beklemmenden und bedrohlichen Dschungel­
atmosphäre setzen die Unterwassersequenzen eine
weitere, traumhafte Dimension entgegen.
 Dienstag, 13. Juni 2017, 21.00 Uhr
Monster spielt. FRANKENSTEIN MEETS THE WOLF MAN
brachte Elemente ein, die dem Monsterkino zuvor fehlten: packende, präzise Action, mitreißendes Tempo und
einen geradezu apokalyptischen Schluss.
 Dienstag, 30. Mai 2017, 21.00 Uhr
Son of Dracula (Draculas Sohn) | USA 1943 | R: Robert Siodmak | B: Eric Taylor, nach einer Story von Curt
Siodmak | K: George Robinson | M: Hans J. Salter | D:
Lon Chaney Jr., Louise Albritton, Robert Paige, Evelyn
Ankers, J. Edward Bromberg | 81 min | OF | Ein geheim-
Young Frankenstein (Frankenstein Junior) | USA
1974 | R: Mel Brooks | B: Mel Brooks, Gene Wilder |
K: Gerald Hirschfeld | M: John Morris | D: Gene Wilder, Peter Boyle, Marty Feldman, Madeline Kahn, Cloris
Leachman | 106 min | OmU | Der Neurologe Frederick
Frankenstein versucht, die Last seines Familiennamens
abzuschütteln, doch eine schicksalhafte Erbschaft führt
ihn zurück in das Labor seines Großvaters. YOUNG
FRANKENSTEIN ist von so tiefer Liebe und Bewunderung für die Universal-Horrorfilme durchdrungen, dass
der Film wirkt, als entstammte er selber jener Hochphase, obwohl er gar nicht bei der Universal entstand. Gene
Wilder und Mel Brooks haben den Geist dieser Werke
so weit destilliert, dass es nicht einmal nötig ist, die
einzelnen Filme zu kennen, um die Gags zu genießen
(und YOUNG FRANKENSTEIN ist einer der lustigsten
amerikanischen Filme der 1970er Jahre).
 Dienstag, 20. Juni 2017, 21.00 Uhr
Universal Monsters
min | OmU | Larry Talbot (Lon Chaney Jr.) kehrt aus
den USA heim nach England auf den Landsitz seiner
Familie, wird von einem Werwolf gebissen und selber
zum Werwolf, gegen seinen Willen und bei jedem Vollmond; einzig eine Silberkugel kann ihn töten. All diese
angeblich uralte Folklore stammt weder aus europäischen Werwolfmythen, noch aus den totemistischen
Legenden Nordamerikas. Es handelt sich gänzlich um
Erfindungen des Autors Curt Siodmak. Die Verwandlung
führte der Make-up-Künstler Jack Pierce mit Hilfe von
John Fultons Tricks durch. Bela Lugosi hat eine schöne
Rolle als der Wolfsmensch, der Larry »ansteckt«.
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26
GRAVITY
Film und Psychoanalyse
Film und Psychoanalyse – »Räume«
In einem Alltagsverständnis haben auch wir Menschen
des 21. Jahrhunderts eine naive, »absolute« Raumauffassung, d.h. der Raum ist für uns nur eine unhinterfragte Randbedingung des Inhaltes, den er umfasst.
Doch schon die philosophische Phänomenologie analysiert Formen des Erlebens von »Raum«.
Was macht dieses Thema für eine Filmbetrachtung interessant? Was zunächst banal erscheint, dass sich im
Film meist Personen durch Räume bewegen, sich darin
treffen, Umgebungen unterschiedlich erleben und auf
sie reagieren, erweist sich in den Filmen dieser Reihe
als in besonderer Weise mit Bedeutung aufgeladen.
Der vorgeführte Raum ist hier eine Bedingung für die
Entwicklungen der Filmfiguren, Ausdruck einer psychischen Verfassung oder Metapher für einen Seelenzustand. Räume können z.B. Geborgenheit vermitteln,
versprechen, repräsentieren – oder für Verlorenheit,
Vergeblichkeit und Bedrängnis stehen.
Die enge Verbindung, das Abbildungsverhältnis und
die wechselseitige Beeinflussung zwischen Räumen
der Außenwelt, wie sie der Film konstituiert, und den
seelischen Innenräumen der Protagonisten wollen wir
in dieser Reihe näher untersuchen. Corinna Wernz
Gravity | USA 2013 | R: Alfonso Cuarón | B: Alfonso
Cuarón, Jonás Cuarón | K: Emmanuel Lubezki | M: Steven Price | D: Sandra Bullock, George Clooney | 90 min
| OF | 3D | Wegen der Zerstörung einer Satellitenstation
durch Weltraumschrott gerät eine Wissenschaftlerin in
eine ausweglos erscheinende »Schiffbruchsituation« im
All. Tatkräftig wie auch psychologisch unterstützt vom
einzigen überlebenden Astronauten muss sie in die-
sem kosmischen Kammerspiel traumatische Erlebnisse überwinden lernen, die sie auf der wie zum Greifen
nahen, doch nun so gut wie unerreichbaren Erde hatte
zurücklassen wollen. Die mehrfach Oscar-prämierte
visuelle Choreografie vermittelt etwa mit Hilfe raffinierter Kamerarotationen in allen Achsen den krisenhaften Orientierungsverlust der Protagonistin und
veranschaulicht auch auf verhältnismäßig realistische
Weise physikalische Bewegungsgesetze, was so nur in
der 3D-Projektion erfahrbar wird. Die Verbindung einer
zum Schluss doch konventionellen Heldengeschichte
mit einer ungewöhnlich sinnreichen und spektakulären Montage macht nachvollziehbar, wie hier ein
Arthouse-Avantgardefilm zum Blockbuster werden
konnte.
 Sonntag, 19. März 2017, 17.30 Uhr | Einführung: Salek Kutschinski, Mathias Lohmer, Corinna Wernz
Birdman or The Unexpected Virtue of Ignorance
(Birdman oder Die unverhoffte Macht der Ahnungslosigkeit) | USA 2014 | R: Alejandro González Iñárritu
| B: Alejandro González Iñárritu, Nicolás Giacobone,
Alexander Dilenaris, Armando Bó, nach einem Stück
von Raymond Carver | K: Emmanuel Lubezki | M: Antonio Sánchez | D: Michael Keaton, Emma Stone, Kenny
Chin, Jamahl Garrison-Lowe, Zach Galifianakis, Edward
Norton | 119 min | OmU | Riggan Thomson, Darsteller
der Fantasyfigur »Birdman«, will mit einer BroadwayTheater­inszenierung endlich als ernsthafter Schauspieler wahrgenommen werden und raus aus den Fesseln
des Starruhms. Wir Zuschauer sehen ihn aber – im
Wortsinne – meistens drinnen, er hastet durch die
Katakomben des Theaters, im übertragenen Sinn auch
Ultimo tango a Parigi (Der letzte Tango in Paris) |
Italien 1973 | R: Bernardo Bertolucci | B: Bernardo Bertolucci, Franco Arcalli | K: Vittorio Storaro | M: Gato Barbieri | D: Maria Schneider, Marlon Brando, Jean-Pierre
Léaud, Massimo Girotti, Marie-Hélène Breillat, Catherine
Breillat | 129 min | engl. OmU | Im Post-1968er-Klima,
die Revolution ist passé, stoßen die junge Jeanne und
der verbittert und verzweifelt durch Paris streunende
Amerikaner Paul aufeinander. Er ist 45, sie 20. Paul ist
gerade Witwer geworden, weil seine Frau Rosa sich die
Pulsadern aufgeschnitten hat, Jeanne heiratet in zwei
Wochen den avantgardistischen Filmregisseur Tom.
Ohne auch nur nach ihren Namen zu fragen, beginnen
sie einen amour fou in der magischen Zwischenwelt
einer leerstehenden Pariser Art-Deco-Wohnung. Die
Sexualität ist grob, stark und mit einer verzweifelten
Intensität, als ob es um Leben und Tod ginge. Die Bildsprache des Films inszeniert den geschlossenen Raum
der Wohnung als Bacon-Gemälde im warmen orangen
 Sonntag, 21. Mai 2017, 17.30 Uhr | Einführung:
Andreas Hamburger, Vivian Pramataroff-Hamburger
The Age of Innocence (Zeit der Unschuld) | USA
1993 | R: Martin Scorsese | B: Jay Cocks, Martin Scorsese, nach dem Roman von Edith Wharton | K: Michael
Ballhaus | M: Elmer Bernstein | D: Daniel Day-Lewis,
Michelle Pfeiffer, Winona Ryder, Richard E. Grant, Geraldine Chaplin, Norman Lloyd | 138 min | OmU | New
York in den 1870er Jahren. Der aufstrebende junge
Anwalt Newland Archer hat alle Voraussetzungen, ein
erfolgreiches Leben zu führen, scheitert aber an den
Konventionen seiner unnachgiebig »kultivierten« gesellschaftlichen Klasse, deren Grausamkeit von Scorsese
demaskiert wird. Die Melancholie einer großen ungelebten Liebe durchzieht den Film. Fast ausschließlich
Innenräume, »ein semiotisches Gefängnis« (Georg
Seeßlen) voller Pomp und Plüsch, in denen die Menschen wie eingemauert in das Dekor wirken, reflektieren die Vorgänge im Inneren der Protagonisten. »Mein
grausamster Film«: Dieses Zitat von Scorsese macht
klar, dass er keinen grundlegenden Unterschied sieht,
welchen Zwängen das Individuum ausgeliefert ist, sei
es nun in einer Mafiaorganisation oder in der besseren
Gesellschaft, am wehrlosesten allerdings durch deren
Verinnerlichung.
Film und Psychoanalyse
 Sonntag, 30. April 2017, 17.30 Uhr | Einführung: Eva
Friedrich, Matthias Baumgart
Halblicht, als regressiven Innenraum. Das Publikum
wird verführt zur Teilhabe an einer Flucht in Anonymität, die sich zur reinen Liebe stilisiert und schließlich
scheitert.
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 Sonntag, 18. Juni 2017, 17.30 Uhr | Einführung: Ka­
tharina Leube-Sonnleitner, Irmgard Nagel
ULTIMO TANGO A PARIGI – DER LETZTE TANGO IN PARIS
durch das Labyrinth seines kaum mehr zu ordnenden
beruflichen und privaten Lebens. Die Kamera folgt ihm
auf Schritt und Tritt, Schnitte sind durch raffinierte
Digitaltechnik nicht wahrnehmbar. Die klaustrophobische Bildwelt der Innenräume wird verstörend auf­
gelockert durch von Riggan halluzinierte, ausbruchsartige Schwebe- und Flugvisionen, also durch Fragmente seiner Birdman-Rollenidentität. Virtuos kommentiert Iñárritu auf bildlicher Ebene psychische Dilemmata von Begrenztheit und Entgrenzung.
Bilder der Überwachung
LOW DEFINITION CONTROL – MALFUNCTIONS #0
No secrets! – Bilder der Überwachung
28
Die im Münchner Stadtmuseum und in der ERES-Stiftung ab dem 24. März 2017 stattfindende Ausstellung
»No secrets! – Bilder der Überwachung« nimmt sich
eines emotional und kontrovers diskutierten und unseren Alltag zunehmend prägenden Themas an. Seien
es die unter dem Mantra der »Sicherheit« Daten generierenden Geheimdienste, die KI-Algorithmen neuer
»Big-Data«-Technologien oder die simple Datennutzung in unserem virtuellen Alltag – die Grenzenlosigkeit
der Möglichkeiten scheint wie die Datenströme selbst
kaum mehr fassbar. Gleichzeitig wird jedoch auch die
zunehmende Grenzenlosigkeit möglichen Missbrauchs
durch Überwachung immer deutlicher. Fokussiert die
Ausstellung diese Problematik über zeitgenössische
Arbeiten aus den Bereichen Fotografie, Video, Malerei, Plakat und Installation, bietet das Filmmuseum
über eine die Ausstellung begleitende Filmreihe eine
zusätzliche Option an, sich diesem brisanten Komplex
anzunähern. Eine Option, die umso wichtiger ist, als
die Beziehung zwischen dem Kino und der Thematik »Überwachung« so alt ist wie das Kino selbst und
mit einem historischen Blick auch deutlich wird, dass
unsere gegenwartszentrierten Ängste alles andere als
originär sind.
Von Beginn an war es das Ziel des Kinos Bewegung aufzuzeichnen, beliebig wiederholbar und damit
analysierbar zu machen. Die Filme der Brüder Lumière
sind dafür exemplarisch. Sie hielten das »Alltägliche«
und »Gewöhnliche« fest; das bisher »Unbeachtete« er-
langte plötzlich Bedeutung. In LA SORTIE DES USINES
LUMIÈRE (1895) beobachtet Louis Lumière durch seine
Kamera nicht nur als Filmemacher, sondern auch aus
der Position des Fabrikbesitzers Arbeiter beim Verlassen seiner Fabrik. Sein Interesse, über seine Arbeitnehmer Bescheid zu wissen, scheint in unseren mediengeschulten Augen vielleicht banal und alltäglich, kann
aber durchaus als frühes Beispiel für Überwachung am
Arbeitsplatz interpretiert werden.
Mit der Erweiterung narrativer Elemente im Film
wird auch bezüglich der Überwachungs-Thematik immer deutlicher, dass Film, wie Alphons Silbermann es
betont hat, immer auch »eine Art von Mikrokosmos« ist,
in dem sich »das Bild einer Kultur wiederfinden lässt,
und zwar derjenigen selbst, deren Produkt er ist.« In
den ersten Mikrodramen der Überwachung setzen
sich diese Bilder hauptsächlich aus Geschichten um
unschuldig Verdächtigte (FALSELY ACCUSED, 1908)
und unfreiwillige Enthüllungen von vertraulichen und
peinlichen Momenten (THE EVIDENCE OF FILM, 1913)
zusammen. Das Kino spielt hier mit der Angst, bei
etwas nicht für die Öffentlichkeit Bestimmtem nicht
nur entdeckt, sondern »abgebildet« worden zu sein.
Eine durchaus reale Angst, denn die ersten kompakten
»Geheimkameras« existierten tatsächlich bereits.
Mit der zunehmenden Konfrontation zwischen Besitzenden und Besitzlosen und der legalen Politisierung
des Alltags erhalten auch die visuellen Umsetzungen
dieser Verhältnisse neue Nahrung. Der vielleicht erste
des Action-, Thriller- und Spionage-Franchises THE
BOURNE IDENTITY (2004-2016).
Gleichzeitig und gewissermaßen auf die An­fänge
der symbiotischen Beziehung zwischen Kino und Über-­
wachung rekurrierend nehmen Dokumentarfilme verstärkt Coppolas und Kliers Ansatz der strukturellen
Überwachung an, ohne dabei die Bedeutung biografischer Elemente zu vergessen: Es werden Mikrokosmen
der Überwachung wie Mailands Flughafen Malpensa (IL
CASTELLO, 2011) gezeigt, die zunehmende Überwachung durch das Sammeln von Daten im öffentlichen
Raum und in der Medizin verfolgt (LOW DEFINITION
CONTROL – MALFUNCTIONS # 0, 2011), aber auch
Lebenslinien durchleuchtet – Blogger und Kryptologen
(ALLES UNTER KONTROLLE, 2015), langjährige Geheimdienstmitarbeiter (THE GOOD AMERICAN, 2015)
oder ein Whistleblower wie Edward Snowden (CITIZENFOUR, 2014).
Axel Timo Purr
Ucho (Das Ohr) | ČSSR 1970 | R: Karel Kachyňa |
B: Jan Procházka, Karel Kachyňa | K: Josef Illík | M:
Svatopluk Havelka | D: Jirina Bohdalová, Radoslav
Brzobohaty, Gustav Opocensky, Miloslav Holub, Lubor
Tokos | 94 min | OmeU | Prag 1952: Ein hoher Beamter und seine Frau haben den Verdacht, dass ihr
Haus durchsucht worden ist und sie abgehört werden
– vom staatlichen »Ohr«. Der Minister war in letzter
Zeit scharfen Angriffen durch die Partei ausgesetzt und
glaubt nun, dass seine Verhaftung bevorsteht. Die aufkommende Panik lässt auch die zwischen dem Ehepaar
schwelenden Gegensätze losbrechen. Verbale Angriffe,
versuchte Verletzungen und ausschweifender Alkoholkonsum erinnern an das Paar aus »Wer hat Angst vor
Virginia Woolf?«, doch schwebt hier über allem noch
eine diffuse Angst und Beklemmung. Der Film wurde
im »Prager Frühling« begonnen und nach Fertigstellung
verboten.
 Freitag, 24. März 2017, 21.00 Uhr
Nineteen Eighty-Four (1984) | GB 1984 | R+B: Michael Radford, nach dem Roman von George Orwell |
K: Roger Deakins | M: Dominic Muldowney | D: John
Hurt, Suzanna Hamilton, Richard Burton, Cyril Cusack,
Phyllis Logan | 108 min | OF | Werkgetreue Adaption
des dystopischen Romans von George Orwell aus dem
Jahr 1948. Im Land Ozeanien werden alle Bürger auf
ihre Treue zum System überwacht, beherrscht wird
das Reich von der »Partei«, geleitet vom »Big Brother«.
Winston Smith, der für das »Ministerium für Wahrheit«
arbeitet, begeht eines Tages ein Gedankenverbrechen,
Bilder der Überwachung
Spielfilm, in dem visuelle Überwachung Thema ist,
entsteht. Jakov Protasanovs AELITA (1924) erzählt von
einer Apparatur, die Leben auf anderen Planeten ausspionieren soll. Dann geht es Schlag auf Schlag. Fritz
Lang stellt in METROPOLIS (1926) ein visuelles Inter­face
vor, mit dem die Arbeiter kontrolliert werden können.
Charlie Chaplin zitiert und erweitert diese Apparatur in
MODERN TIMES (1936) noch einmal. Den dystopischen
Charakter von Überwachung darzustellen erlaubt sich
– zumindest anfänglich – sogar noch die Filmproduktion im »Dritten Reich«: In Harry Piels DIE WELT OHNE
MASKE (1934) gelingt es gerade noch so, eine eben
erfundene »Allsicht-Apparatur« auch wieder zu vernichten.
Mit den 1950ern taucht erstmals der voyeuristische Blick der Überwachung im Film auf, der gleichzeitig zur Obsession wird. In Filmen wie Alfred Hitchcocks REAR WINDOW (1954) oder Michael Powells
PEEPING TOM (1960) findet darüber hinaus jedoch
auch eine Hinwendung zu komplexen Erzählstrukturen und ein verunsicherndes Reflektieren über das
Medium und den Moment der Überwachung an sich
statt. Diese »privatistische« Phase der Überwachung
im Film wird jedoch schon bald von der zunehmenden
Politisierung der Überwachung im öffentlichen Leben
verdrängt. Versucht Karel Kachyňa in UCHO (1970) die
Auswirkungen stalinistischen Überwachungsterrors bis
ins intimste Privatleben zu verdeutlichen, reflektiert
Francis Ford Coppola in THE CONVERSATION (1974)
die staatlichen Abhörmaßnahmen und deren Missbrauch, die durch die Watergate-Affäre publik geworden sind. Coppola gelingt zudem ein echter Paradigmenwechsel – »Die Überwachung ist«, wie es Thomas
Y. Levin 2004 formulierte, »zur Bedingung der Narration
selbst geworden«; während etwa bei PEEPING TOM
noch eindeutige Merkmale wie eingeblendete Sucherrahmen den »überwachenden Blick« innerhalb der
Erzählung von der erzählenden Instanz trennen, findet
bei Coppola »ein Übergang von einer ›thematischen‹ zu
einer ›strukturellen‹ Indienstnahme der Überwachung
statt«. Michael Klier führt diesen Ansatz in seinem völlig aus Videoaufnahmen von Überwachungskameras
montierten Film DER RIESE (1983) ins theoretische
Extrem. Dystopische und narrative Verortungen dieser
neuen Realität folgen in den nächsten Jahrzehnten mit
immer wieder erweiterten Arsenalen von technologischen Mitteln. Dezent eingebettet in Michael Radfords
Orwell-Umsetzung von NINETEEN EIGHTY-FOUR (1984)
oder Peter Weirs THE TRUMAN SHOW (1998), dann
wieder aggressiv betont in den inzwischen fast schon
ikonografisch für die Thematik geltenden Einstellungen
29
als er beginnt am System zu zweifeln, was der Staat
mit Gehirnwäsche zu bekämpfen weiß. Die Vision eines
totalitären Überwachungsstaates zeigt sich in ausgebleichten Farben und grobkörnigen Bildern, die sich
nur in der originalen 35mm-Kopie wiederfinden, die zur
Vorführung gelangt.
 Samstag, 25. März 2017, 21.00 Uhr
Bilder der Überwachung
The Conversation (Der Dialog) | USA 1974 | R+B:
Francis Ford Coppola | K: Bill Butler | M: David Shire |
D: Gene Hackman, John Cazale, Allen Garfield, Frederic
Forrest, Cindy Williams | 109 min | OmU | Ein erfahrener Abhörspezialist in San Francisco hört das Gespräch
eines jungen Paares mit an und gerät mit seinem Gewissen in Konflikt. Die Geschichte ist allein aus der
Sicht dieses Abhörtechnikers erzählt. »Da das Publikum
aber nur weiß, was er weiß, erfährt es nie, was wirklich
passiert ist. Man hat bloß Vermutungen. Und weil er
ein Tontechniker ist, fängt das Publikum natürlich an,
die Welt so zu hören, wie er sie hört. In dem Handwerk
liegt so viel Genugtuung – das spürt man in der Szene,
wo Harrys vier Kollegen nach der Konferenz zu elektronischer Überwachungstechnik über ihr Handwerk und
über Harry als einen der großen Meister ihres Fachs
reden. Es ist das Porträt eines Künstlerclans.« (Walter
Murch)
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 Sonntag, 26. März 2017, 21.00 Uhr
THE CONVERSATION
Alles unter Kontrolle | Österreich 2015 | R+B: Werner Boote | K: Dominik Spritzendorfer, Mario Hötschl |
M: Marcus Nigsch | 93 min | Aus Taten werden Da-
ten. Facebook, Amazon und Google liefern uns rund
um die Uhr den Zugang zur bequemen digitalen Welt.
Überwachungskameras auf der Straße sorgen für unsere Sicherheit. Aber wer sammelt eigentlich unsere
Fingerprints, Iris-Scans, unsere Vorlieben beim Online-Shopping und was wir in den sozialen Netzwerken
teilen? Was ist mit unserem Recht auf Privatsphäre?
Der Filmemacher Werner Boote macht sich mit gespielter Naivität auf den Weg rund um den Globus, um die
»schöne neue Welt« der totalen Kontrolle zu erkunden.
»Wir haben die Entscheidungsmacht über unsere Daten abgegeben. Das sollte uns Sorgen machen«, sagt
Internet-Aktivist Jacob Applebaum. Selbst Banken,
Regierungen und ein iranisches Atomkraftwerk wurden
schon gehackt.
 Dienstag, 28. März 2017, 18.30 Uhr
Der Riese | BRD 1983 | R+B+K: Michael Klier | 82
min | »Ein unkonventionell montiertes Essayvideo über
die Videoüberwachung im öffentlichen Raum. Das Video verwendet dokumentarisches Material aus ferngesteuerten Überwachungskameras von öffentlichen
Straßen, Plätzen, Einkaufspassagen und Transiträumen
wie Flughäfen und Bahnhöfen sowie Aufnahmen aus
Banken, Kaufhäusern, Supermärkten und privaten
Geländen und Gebäuden. Durch die Verknüpfung verschiedener Aufnahmen im realistischen Stil entsteht
der Eindruck eines zentralen Überwachungsapparates
als anonymes, mächtiges Subjekt, das allgegenwärtig
alles sieht, aber selbst nicht gesehen werden kann.«
(Reinhard Wolf) »Eine unheimliche Sinfonie der gegen-
 Mittwoch, 29. März 2017, 18.30 Uhr
Citizenfour | USA 2014 | R+B: Laura Poitras | K: Kirsten Johnson, Trevor Paglen, Laura Poitras, Katy Scoggin
| 114 min | OmU | Im Juni 2013 treffen sich die Filme-
auch von Abweichungen, Auffälligkeiten und verborgenen Risiken. Im Zeichen von Terrorangst, Risikoprävention und umfassenden Kontrollphantasmen lenken
diese Bilder den Blick auf eine mögliche Zukunft. Man
könnte LOW DEFINITION CONTROL auch einen dokumentarischen Science Fiction-Film nennen. In einer Gesellschaft, die Öffentlichkeit primär als Ort von Risiken
denkt, hängt von der ständigen Beobachtung nahezu
alles ab. Sind wir vom eugenischen, technisch abgespeicherten, verhaltensnormierten Menschen nur mehr
einen Schritt entfernt? Sind wir auf dem Weg in einen
Polizeistaat?
 Mittwoch, 5. April 2017, 18.30 Uhr
macherin Laura Poitras und der Journalist Glenn Greenwald in Hongkong mit Edward Snowden, dem Whistle­
blower des US-Geheimdienstes, der ihnen Beweise
für die Massenüberwachung und Massenausspähung
normaler Bürger durch die NSA in Aussicht gestellt hat.
Poitras dokumentierte die Treffen mit der Kamera. »Von
pseudo-demokratischen Beteuerungen amerikanischer
Politiker und den ersten Whistleblowern über die Pano­
ramen riesiger Geheimdienstzentralen führt der Film
in die klaustrophobische Enge des Hotelzimmers in
Hongkong, wo Snowden auf den Moment der Enttarnung wartet. CITIZENFOUR macht geradezu physisch
erfahrbar, was ein autoritärer Überwachungsstaat ist,
und dass auch wir mittendrin sitzen.« (Grit Lemke)
 Dienstag, 4. April 2017, 18.30 Uhr
Low Definition Control – Malfunctions # 0 | Österreich 2011 | R+B+K: Michael Palm | 95 min | Überwachungskameras, medizinische Ultraschalldetektoren
und Computertomographen produzieren Vorstellungen
von konformem Verhalten und gesunden Körpern, aber
A Good American | Österreich 2015 | R+B+K: Friedrich Moser | M: Christopher Slaski, Guy Farley | 104 min
| OmU | Das mathematische Genie Bill Binney nimmt
nach Ende des Kalten Krieges die Herausforderungen
des digitalen Zeitalters an und entwickelt ein Überwachungstool, das jedes elektronische Signal auf der
ganzen Welt erfassen, es nach Zielobjekten filtern, Ergebnisse in Echtzeit liefern kann und dabei auch noch
die Privatsphäre der BürgerInnen schützt, wie von der
US-Verfassung verlangt. Doch sein algorithmenbasiertes Observierungsprogramm ThinThread, das aus dem
Wust selbst anonymisierter Daten Bewegungs- und Gefährdungsprofile von Terroristen zu extrahieren wusste,
scheiterte an Eigeninteressen und Cliquenwirtschaft
innerhalb der NSA. Die investigative Analyse fördert erstaunliche Fakten zutage, welche die NSA als ein von
Korruption geleitetes Unternehmen zeigen.
 Dienstag, 11. April 2017, 18.30 Uhr
Il Castello (Die Festung) | Italien 2011 | R+B: Massimo D’Anolfi & Martina Parenti | 90 min | OmeU | Eine
Langzeitbeobachtung auf dem Flughafen von Mailand.
»Wir entschlossen uns, einen Film auf einem internationalen Flughafen zu drehen, weil sich heutzutage
nirgendwo sonst unsere Besessenheit mit Sicherheit,
unsere Furcht vor allem Fremdem und unser Wille nach
totaler Kontrolle besser festmachen lässt. Zwei Personengruppen bewegen sich auf jedem Airport: Einerseits
die Reisenden, die hin und her hasten, andererseits das
Flughafenpersonal, das seine Arbeit versieht. Unsere
Kamera blickt in Räume, die man sonst nicht zu sehen
bekommt, registriert das ewige Wechselspiel zwischen
Kontrolleuren und Kontrollierten, zwischen geplanten
Aktionen und zufälligen Ereignissen. Wir haben die Sicherheitskräfte bei ihrer Arbeit beobachtet, nicht aber
deren Blick zu unserem gemacht.« (D’Anolfi & Parenti)
 Mittwoch, 12. April 2017, 18.30 Uhr
Bilder der Überwachung
wärtigen Großstadt, überwacht vom unsichtbaren Auge
einer allumfassenden Kontrollinstanz, die der Filmtitel
suggerierte.« (Die Presse)
31
Cate Blanchett
Die Vieldeutige – Porträt Cate Blanchett
MANIFESTO © (Julian Rosefeldt) VG Bild-Kunst Bonn, 2017
32
Am Ende war ihr Aufenthalt in Berlin also doch für etwas gut. Zwar spielt Cate Blanchett in MONUMENTS
MEN eine der ganz wenigen undankbaren Rollen ihrer
Karriere. Aber die Drehpausen nutzte sie fabelhaft: Sie
nahm das Angebot des Berliner Künstlers Julian Rosefeldt an, in seiner Installation MANIFESTO mitzuwirken.
Blanchett leiht darin ihre darstellerische Intensität an
ein einzigartig ambitioniertes Projekt aus: Sie zitiert aus
zentralen revolutionären künstlerischen Manifesten des
20. Jahrhunderts. Zwölf unterschiedliche Rollen erweckt sie dabei zu filmischem Leben und zeigt ebenso
viele Facetten ihrer Schauspielkunst. Blanchetts Gesicht ist keine Projektionsfläche, sondern ein Spielfeld
von Aufruhr und Widerspruch. Nicht immer trägt sie ein
weibliches Antlitz. Sie verkörpert eine Immobilienma-
klerin, eine Managerin, eine russische Choreografin,
auch einen Obdachlosen.
Zweifellos hat sich Rosefeldt daran erinnert, wie bravourös sie sich bereits in Todd Haynes’ I’M NOT THERE
in eine männliche Figur eingefühlt hat: Dort ist sie eine
der sechs Inkarnationen von Bob Dylan. Die Installation profitiert nicht nur von der Wandlungsfähigkeit der
australischen Schauspielerin, sondern auch von der
Bereitschaft, sich von ihrer außerordentlichen, leuch­
tenden Schönheit nicht auf bestimmte Rollen festlegen
zu lassen. Die Neugierde und Empfindsamkeit dieser
Künstlerin, die ursprünglich Wirtschaft und Kunst studierte und zeitweilig gern Architektin geworden wäre,
will sich nicht beschränken. Gemeinsam mit ihrem
Mann nahm sie die Herausforderung an, in Sydney ein
Ein glaubwürdiger Anachronismus
Das gilt bereits für ihre erste große Kinorolle in OSCAR
AND LUCINDA, der Chronik einer sanften Liebesverrücktheit, einer wunderlichen Anziehung. In Gillian
Armstrongs leichtfüßiger Romanadaption, die im 19.
Jahrhundert spielt, bildet Blanchett das robuste Gegenbild zu Ralph Fiennes als englischem Pastorensohn
Oscar, dem der religiöse Eifer des Vaters Schuldgefühle
eingeflößt hat, an denen er sein Leben lang zu tragen
hat. Ihr Körperspiel, entschlossener Gang und wacher
Blick wirken ungemein modern: Lucinda ist eine Vorbotin weiblicher Selbstbestimmung. Durch den Tod ihrer
Mutter erbt sie ein Vermögen. Ihre erste Liebe gilt dem
Glasspielzeug, weshalb sie kurzerhand eine marode
Glashütte in Sydney aufkauft und zu einer mutigen und
geschäftstüchtigen Unternehmerin wird. Auch im Privatleben entwickelt sie sich zu einer Hasardeurin, die
sich arglos über die moralischen Verschnürungen ihrer
Zeit hinwegsetzt. Gemeinsam mit Oscar entdeckt sie
die Begeisterung fürs Glücksspiel, was für eine Dame
der Gesellschaft ein höchst anrüchiger Zeitvertreib ist.
Blanchett deutet ihn nicht als selbstzerstörerische Passion, sondern als Spielfeld der Komplizenschaft.
Auch Queen Elizabeth I. legt sie als eine Frau an, deren
Eigensinn in ihrer Epoche Anstoß erregt. Die Thronfolgerin ist sprunghaft und launisch. Der Tanz ist ein Leitmotiv, das Shekhar Kapur in seinem Biopic regelmäßig
anklingen lässt, um ihren spielerischen Zugriff aufs
Leben vor Augen zu führen. Elizabeth fühlt sich nicht
an die Moralvorstellungen ihrer Zeit gebunden, unterhält eine skandalöse Liebschaft zu einem verheirateten
Adligen und schlägt jede Eheschließung aus, die ihrem
Land dringend nötige Bündnispartner bescheren könnte. Blanchetts sinnliche Darstellung bricht mit dem Bild
der jungfräulichen Königin, das im Kino zuvorderst Bette
Davis und Jean Simmons prägten. Jedoch wird ihr die
Zweideutigkeit ihres Körpers bewusst, der ihr nun nicht
mehr allein, sondern dem Staat gehört. Das Geschäft
des Regierens muss sie wie eine Rolle einstudieren,
die Selbstbewusstsein und Souveränität verlangt. Blanchett spielt dies als eine Tragödie des Verlustes; nicht
nur an Spontaneität und Freiheit. Ihre Figuren müssen
stets einen Preis dafür zahlen, so zu sein, wie sie sind.
Die Härte und Grausamkeit, mit der sie sich gegen ihre
zahlreiche Widersacher zur Wehr setzen muss, lassen
ihr Gesicht zu einer bleichen Maske versteinern.
Noble Herausforderungen
Blanchetts natürliche Anmutung von Adel kommt einer
amerikanischen Sehnsucht nach Aristokratie entgegen. In THE AVIATOR verkörpert sie Katharine Hepburn,
Hollywoods Inbegriff der höheren Tochter. Ihre Eigenständigkeit stellt eine verlockende Herausforderung für
Howard Hughes dar, die Titelfigur von Scorseses Film.
Sie ist die einzige ebenbürtige, ernsthafte Gefährtin,
die der Industrielle während seiner Eskapade nach
Hollywood findet. In THE CURIOUS CASE OF BENJAMIN
BUTTON verleiht sie einer anderen amerikanischen
Vorstellung von Adel Gestalt: Sie variiert die Figur der
unerreichbaren Südstaaten-Prinzessin, die zumal das
Frühwerk von F. Scott Fitzgerald heimsucht. In dessen Vorlage gibt es kein wirkliches Vorbild für Daisy,
die indes im Film als archetypische Fitzgerald-Heldin
gezeichnet ist: Sie lebt den Traum von dessen Ehefrau
Zelda aus, eine gefeierte Balletttänzerin zu werden und
trägt den Vornamen der verlorenen Liebe Jay Gatsbys
aus dessen berühmtestem Roman. Dass Daisy für Benjamin durchaus erreichbar ist, entzaubert sie letztlich
nicht.
Die Protagonistin von Woody Allens Tragikomödie BLUE
JASMINE wiederum muss eingangs ihre Träume von
der Zugehörigkeit zur besseren Gesellschaft begraben.
Nachdem die dubiosen Geschäfte ihres Ehemannes
aufgeflogen sind und dieser in der Haft Selbstmord
begangen hat, versucht die egozentrische, verwöhnte
Jasmine an der Seite ihrer ungleichen Schwester einen
Neuanfang. Es fällt ihr schwer, sich vom Luxusleben zu
verabschieden; ihr ungebrochen mondänes Auftreten
jedoch könnte ihr womöglich erneut Zutritt zur High
Society verschaffen. Jasmine erscheint arglos, bis eine
böse Schlusspointe dies entlarvt.
Auch Sheba, die idealistische, überforderte Lehrerin
in NOTES ON A SCANDAL, zeichnet Blanchett als eine
Figur, die man auf den ersten Blick unterschätzt. Ihre
ältere Kollegin Barbara, die ihr mit abschätzigem, begehrlichem Blick nachstellt, rätselt anfangs, ob sie nun
eine Sphinx ist oder einfach nur dumm. Erneut wird
eine innige Beziehung zum Spielfeld sozialer Gegensätze: Barbara stammt aus einfachen Verhältnissen,
Sheba hingegen gehört der Mittelklasse an. Blanchett
gelingt es, einer oberflächlichen Figur unerwartete Tiefe
zu verleihen. Sheba verliebt sich in einen minderjährigen Schüler und wird dadurch erpressbar. Es fehlt ihr
an Willensstärke, sie ist ihren Gefühlen hilflos ausgeliefert. Blanchett weckt eine Ahnung davon, wie unerfüllt ihre bürgerliche Existenz bis dahin war, spürt aber
zugleich plausibel der Möglichkeit ihrer moralischen
Genesung nach.
Cate Blanchett
Theater zu leiten, das weltweit gefeierte Gastspiele gibt.
Cate Blanchett traut man den gleichen Mut zu, sich auf
verwegene Abenteuer einzulassen, der auch ihre Figuren auszeichnet.
33
Cate Blanchett
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Preis und Mehrwert
Richard Eyre, der NOTES ON A SCANDAL inszeniert
hat, rühmte ihre methodische Vorbereitung auf die Rolle, hob aber auch hervor, dass sie und ihre Regisseure
sich unbedingt auf ihren Instinkt verlassen können. So
bereichert sie ihre Rollen um ungekannte Nuancen.
Beispielsweise bestand sie darauf, dass Sheba ihr
Hobby, das Töpfern, mit großer Begabung ausübt. Sie
bereichert ihre Rollen um kleine, kaum merkliche Details. Die Aufmerksamkeit, die sie Requisiten schenkt,
ist enorm. Man achte nur einmal darauf, wie sie als
TV-Produzentin Mary Mapes in TRUTH beim Telefonieren mit einem Baseball spielt oder in entscheidenden
Momenten ihre Brille aufsetzt. In der ersten Szene
überrascht sie einen Anwalt, der sie für eine reinrassige
Feministin hält, damit, dass sie strickt. Blanchett befreit
ihre Charaktere aus Kategorien, die ihnen in Hollywood
traditionell zugeschrieben werden. Zwar muss sich
Mary Mapes in TRUTH insgeheim dafür rechtfertigen,
eine abwesende Mutter und Ehefrau zu sein. Aber
dieser Vorbehalt schmälert nicht das gesellschaftliche
Mandat, das sie hier als Enthüllungsjournalistin mit Professionalität und Überzeugungskraft ausübt.
Blanchett ist auch neugierig auf Charaktere, die von den
Filmen nicht in traditionelle romantische Verhältnisse
verstrickt werden. Ihre Weiblichkeit ist vielschichtiger,
als dass sie sich nur in Liebesbeziehungen erweisen
müsste. In HEAVEN, den Tom Tykwer nach einem nachgelassenen Drehbuch Krzysztof Kiesłowskis gedreht
hat, gelingt ihr ein erstaunlicher Spagat. Sie spielt die
englische Lehrerin Philippa, die ein Attentat auf einen
Geschäftsmann verüben will, der den Heroinhandel in
Turin kontrolliert; weniger aus Rache für den Tod ihres
Mannes, sondern vielmehr, um ihre Schüler zu schützen. Beim Verhör erfährt sie dann jedoch, dass die
Bombe statt des Dealers vier Unschuldige getötet hat.
Ein junger Carabiniere, der für sie dolmetscht, verliebt
sich in die tugendhafte Mörderin, verhilft ihr zur Flucht.
In Tykwers Film schiebt sich vor die ethischen Konflikte
zwar langsam das Melodram eines ungleichen Paares,
das sich gegen die Welt verschwören muss. Aber ihre
Gefährtenschaft ist eine moralische, keine rein erotische. Gefühle will diese Schauspielerin stets in ihrer
Mehrdeutigkeit kenntlich werden lassen. Sie weiß, dass
sie es ihrer Kunst schuldig ist, so facettenreich und rätselhaft wie das Leben zu sein.
Gerhard Midding
Das Filmprogramm ist eine Kooperation mit dem Museum Villa
Stuck und der Sammlung Goetz und begleitet die Ausstellung »Manifesto. Julian Rosefeldt«, die bis zum 21. Mai 2017 im Museum
Villa Stuck zu sehen ist.
Oscar and Lucinda (Oscar und Lucinda) | Australien
1997 | R: Gillian Armstrong | B: Laura Jones, nach
dem Roman von Peter Carey | K: Geoffrey Simpson |
M: Thomas Newman | D: Cate Blanchett, Ralph Fiennes, Ciarán Hinds, Tom Wilkinson, Richard Roxburgh |
132 min | OF | Mitte des 19. Jahrhunderts lässt sich
der junge englische Theologiestudent Oscar Hopkins
als Missionar nach Australien entsenden, um so seiner Leidenschaft fürs Glücksspiel zu entfliehen. Während der Überfahrt verliebt er sich in eine nicht minder
passionierte Spielerin, was fatale Folgen für beide hat.
Jahre später soll eine Wette um den Bau einer Kirche
aus Glas mitten im australischen Urwald die Erlösung
bringen. Das opulente epische Melodram bedeutete
den internationalen Durchbruch für Cate Blanchett.
Schon hier spielt sie eine Frau jenseits der Konventionen, die ihr Glück im Risiko sucht und das Schicksal in
die eigene Hand nimmt.
 Mittwoch, 29. März 2017, 21.00 Uhr
Elizabeth | GB 1998 | R: Shekhar Kapur | B: Michael
Hirst | K: Remi Adefarasin | M: David Hirsch­felder | D:
Cate Blanchett, Geoffrey Rush, Christopher Eccle­ston,
Joseph Fiennes, Richard Attenborough, Fanny Ardant |
124 min | OmU | Als Elizabeth I., die illegitime Tochter
Heinrichs VIII., 1559 als junge Frau den englischen
Königsthron besteigt, beendet sie die blutige »Rekatholisierung« ihrer Vorgängerin Mary I. und setzt die protestantische Konfession wieder ein. Einer immer wieder
beschworenen Verheiratung entkommt sie, indem sie
weiß geschminkt dem versammelten Hofstaat erklärt:
»Ich bin mit England verheiratet.« Sie ist intelligent, entschieden, unnahbar – und faszinierend. Cate Blanchett
definierte ihre Rolle als die Geschichte einer Frau, »die
in Zeiten, als die Frauen nichts zählten, zwischen Liebe
und Pflicht segeln musste, und die Heirat verweigerte,
um niemandem verpflichtet zu sein und allein regieren
zu können.«
 Mittwoch, 5. April 2017, 21.00 Uhr
Heaven | Deutschland 2002 | R: Tom Tykwer | B:
Krzysztof Kiesłowski, Krzysztof Piesiewicz | K: Frank
Griebe | D: Cate Blanchett, Giovanni Ribisi, Remo
Girone, Stefania Rocca, Alessandro Sperduti | 97 min |
OmU | Der junge Carabiniere Filippo verliebt sich in eine
Attentäterin, die den Boss des Turiner Drogensyndikats
ermorden wollte und durch eine Verkettung unglücklicher Umstände vier unschuldige Menschen tötete. Er
verhilft ihr zur Flucht. Tom Tykwer schafft aus der Vor­
lage ein eindringliches Drama über Schuld und Kraft
der Liebe in einer für Kieslowski typischen Mischung
The Aviator | USA 2004 | R: Martin Scorsese | B: John
Logan | K: Robert Richardson | M: Howard Shore | D:
Leonardo DiCaprio, Cate Blanchett, Kate Beckin­sale,
John C. Reilly, Alec Baldwin, Alan Alda, Jude Law
| 178 min | OmU | Das Leben des amerikanischen
Tycoons Howard Hughes (1905–1976) als Monumentalfilm. »Man kann in den Massenszenen ›baden‹
und an der keimfreien Heroisierung des jungen Exzentrikers Howard Hughes das Staunen neu lernen.
Doch den Gipfel seiner Kunst erklimmt Scorsese nur
in einer Nebenhandlung, die Cate Blanchett als Katharine Hepburn einführt. Was als ironisch überdrehte
Karikatur beginnt, mit der Gestus, Stimme und Diktion der eigenwilligen Komödiendarstellerin bereits
zu einer wunderschönen Hommage zugefeilt werden, verdichtet sich alsbald zu einem intimen Drama, das die Dimension eines so opernhaften Films
wie THE AVIATOR sprengt.« (Franz Everschor) Cate
Blanchett gewann für ihre Darstellung von Katharine
Hepburn 2005 den Oscar als beste Nebendarstellerin.
 Mittwoch, 19. April 2017, 19.00 Uhr
The Life Aquatic with Steve Zissou (Die Tiefsee­
taucher) | USA 2004 | R: Wes Anderson | B: Wes Anderson, Noah Baumbach | K: Robert D. Yeoman | M:
Mark Mothersbaugh | D: Bill Murray, Owen Wilson,
Cate Blanchett, Angelica Huston, Willem Dafoe, Jeff
 Mittwoch, 3. Mai 2017, 21.00 Uhr
Cate Blanchett
 Mittwoch, 12. April 2017, 21.00 Uhr
Goldblum | 119 min | OF | Eine artifizielle Abenteuerkomödie über den in die Jahre gekommenen Meeresforscher und Dokumentarfilmer Steve Zissou, der aus
Rache einen Hai töten will, weil dieser seinen langjährigen Partner gefressen hat. So beginnt ein seltsames
Meeresabenteuer an Deck eines uralten Forschungsschiffes, das von einigen sehr ungewöhnlichen und
exzentrischen Charakteren bevölkert wird. Cate Blanchetts Rolle der hochschwangeren Reporterin Jane
Winslett-Richardson, die ihrem ungeborenen Kind laut
aus »Auf der Suche nach der verlorenen Zeit« von Marcel Proust vorliest, wurde der Primatenforscherin und
Anthropologin Jane Goodall nachempfunden.
Notes on a Scandal (Tagebuch eines Skandals)
| GB 2006 | R: Richard Eyre | B: Patrick Marber | K:
Chris Menges | M: Philip Glass | D: Judi Dench, Cate
Blanchett, Bill Nighy, Andrew Simpson, Philip Davis | 92
min | OmU | Die junge Lehrerin Sheba Hart lässt sich
auf ein Verhältnis mit einem minderjährigen Schüler
ein und wird erpressbar für die ältere Kollegin Barbara.
»Diese ist die eigentliche Hauptfigur in Richard Eyres
beklemmendem Psycho-Drama, die Agierende und Intrigierende, während sich die schöne, ätherische Sheba
mit ihrer unbestimmten Traurigkeit und ihrem Lebenshunger zum Spielball fremder Sehnsüchte machen
lässt. Es ist Barbara, deren Perspektive der Zuschauer
teilt – durch die Kamera, die zärtlich Cate Blanchetts
Körper und Gesicht abtastet und damit das lesbische,
nie ausgesprochene Begehren Barbaras für die jüngere
Kollegin vermittelt: Sheba erscheint als Lichtgestalt, die
Farbe und Schönheit in eine triste Lebenswelt bringt.«
(Felicitas Kleiner)
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 Mittwoch, 17. Mai 2017, 21.00 Uhr
THE AVIATOR
aus Thriller, Melodram und Psychogramm. »Blanchett
bestätigt wieder einmal ihr Können. Sie sucht weder
den Effekt noch hält sie sich zurück, sie spielt ganz
direkt und überzeugend eine Frau, die durch Trauer
und Wut unbesonnen handelt und dann mit den Konsequenzen leben muss.« (Roger Ebert)
Cate Blanchett
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I’m Not There | USA 2007 | R: Todd Haynes | B: Todd
Haynes, Oren Moverman | K: Ed Lachman | D: Christian Bale, Cate Blanchett, Marcus Carl Franklin, Richard
Gere, Heath Ledger, Ben Whishaw | 130 min | OmU |
Ohne dass dessen Name auch nur einmal fällt, kreiert
Todd Haynes eine Art filmische Biografie des künstlerischen Multitalents Bob Dylan. Der Film nähert sich
mit gleich sechs verschiedenen Darstellern dieser
enigmatischen Persönlichkeit an – eine davon ist Cate
Blanchett in der Rolle des Jude Quinn. »Der Film führt
über biografische Sprünge und inszenatorische Klippen
hinweg von einer Figur zur anderen, von Jack Rollins
zu Cate Blanchetts elektrifiziertem Superstar, der mit
der Maschinenpistole symbolisch auf das entsetzte
Folk-Publikum anlegt und zur Strafe dafür von einem
snobistischen BBC-Reporter mit Fragen zur gesellschaftlichen Verpflichtung des Künstlergenies verfolgt
wird.« (Michael Kohler)
 Mittwoch, 26. April 2017, 21.00 Uhr | Zu Gast: Ed
Lachman
The Curious Case of Benjamin Button (Der seltsame Fall des Benjamin Button) | USA 2008 | R: David
Fincher | B: Eric Roth, nach der Kurzgeschichte von F.
Scott Fitzgerald | K: Claudio Miranda | M: Alexandre
Desplat | D: Brad Pitt, Cate Blanchett, Taraji P. Henson, Julia Ormond, Jason Flemyng | 166 min | OmU
| Ein Kind wird geboren, das alle Merkmale eines alten
Mannes trägt und fortan immer jünger wird, während
seine Umgebung langsam dem Tod entgegengeht.
Ein melancholisch gefärbtes Epos über Sterblichkeit,
Liebe und die Zufälligkeiten des Lebens, anekdotisch
verknüpft mit wichtigen US-Ereignissen des 20. Jahrhunderts. Cate Blanchett spielt Daisy, die große Liebe
des Protagonisten. Sie mimt eine knapp 20-Jährige
und altert dann zur Sterbenden. Brad Pitt leiht seine
Züge einem greisenhaften Gnom und verjüngt sich, bis
seine Rolle in den letzten Minuten von Kinderdarstellern
übernommen wird.
 Mittwoch, 24. Mai 2017, 19.00 Uhr
Blue Jasmine | USA 2013 | R+B: Woody Allen | K:
Javier Aguirresarobe | D: Cate Blanchett, Alec Baldwin,
Sally Hawkins, Peter Sarsgaard, Louis C.K., Bobby Cannavale | 98 min | OmU | Nachdem ihr Mann wegen
windiger Finanzgeschäfte verhaftet wurde und im Gefängnis Selbstmord beging, sucht Jasmine, eine Frau
aus der New Yorker High Society, Zuflucht bei ihrer
Schwester im Arbeitermilieu von San Francisco. Alte
Konflikte um Werte und Ansprüche brechen wieder auf.
Woody Allen zeichnet in seinem visuell eleganten und in
Rückblenden erzählten Film nicht nur ein erbarmungsloses Porträt einer Frau, die der Finanzcrash weder von
ihrer Oberflächlichkeit noch von übersteigerten Ansprüchen kurieren konnte, sondern offenbart eine Abrechnung mit einer ganzen Gesellschaftsschicht. Die Kunst
von Cate Blanchetts Oscar-prämierter Darstellung lag
darin, Jasmines Unfähigkeit zu zeigen, ihren tiefen Fall
überhaupt zu begreifen.
 Mittwoch, 31. Mai 2017, 21.00 Uhr
Truth (Der Moment der Wahrheit) | USA 2015 | R+B:
James Vanderbilt, nach dem Buch »Truth and Duty« von
Mary Mapes | K: Mandy Walker | M: Brian Tyler | D: Cate
Blanchett, Robert Redford, Topher Grace, Dennis Quaid,
Stacy Keach | 126 min | OmU | Ein Fernsehsender gerät unter Druck nach einer Enthüllungsgeschichte über
George W. Bush. »Alles, was wir im Kino haben, ist die
Evidenz eines Gesichts, einer Stimme, eines Körpers,
eines Blicks, deren Spiel die Asche der Fakten zur
Flamme erweckt. Und deshalb liegt die entscheidende Qualität des Films TRUTH nicht darin, dass er einen
Fernsehskandal von 2004 mit der dramaturgischen
Präzision und berechenbaren Mechanik einer mittleren
Hollywoodproduktion nacherzählt, sondern dass er die
Hauptrolle, die Rolle der Mary Mapes, mit Cate Blanchett besetzt hat. Dies ist Cate Blanchetts Film, und
wenn es darin einen Moment der Wahrheit gibt, dann
liegt er in ihrem Spiel.« (Andreas Kilb)
 Mittwoch, 7. Juni 2017, 21.00 Uhr
Manifesto | Deutschland 2015 | R: Julian Rosefeldt | B:
Julian Rosefeldt, Cate Blanchett, unter Verwendung von
Texten von Filippo Tommaso Marinetti, Tristan Tzara,
Kazimir Malevich, André Breton, Claes Oldenburg,
Yvonne Rainer, Sturtevant, Adrian Piper, Sol LeWitt, Jim
Jarmusch | K: Christoph Krauss | D: Cate Blanchett |
90 min | OF | Julian Rosefeldts Installation »Manifesto«
besteht aus 13 miteinander in Beziehung stehenden
Einzelfilmen, in denen Cate Blanchett in verschiedenen
Masken als Grundschullehrerin, Fernsehmoderatorin,
Witwe, Mutter, Bänkerin, Choreografin, Fabrikarbeiterin,
Kunsthistorikerin, Puppenspielerin, Wissenschaftlerin,
Obdachloser und Punk kulturelle und politische Manifeste des 20. und 21. Jahrhunderts vorträgt. Die lineare
Variante vereint die poetischen Monologe, die »voller
Lebensfreude, Energie und absoluter Überzeugung (...)
nicht nur die Kunst sondern die ganze Welt verändern«
wollen. (Julian Rosefeldt)
 Mittwoch, 14. Juni 2017, 21.00 Uhr
Let’s meet in St. Louis ... Lasst uns zusammenkommen
am Mississippi, beim Gateway Arch, jener freischwingenden Stahlfigur, die ein Glücksmoment menschlichen
Bauens und Konstruierens ist. Entworfen Ende der Vierziger vom genialen Eero Saarinen, 1961 war Baubeginn, 1968 die Einweihung.
Der Arch ist, wie auch die anderen Bauten von Saarinen, Inbegriff dessen, wie Architektur eine Vorstellung
von Freiheit geben kann, in ihm ist ein weites, offenes,
zukunftsorientiertes Amerika zu spüren, das der Fünfziger, zu dem in tristem Kontrast das Heute mit seiner
Parole America first steht. Der Arch ist Pioniergeist pur,
ein Impetus, der an der Küste nicht endete, sondern
immer weiter zielte in die Welt und über die Welt hinaus. Er meint Aufbruch und Expansion und Eroberung
des Raumes, aber ohne jeden Beiklang von Herrschaft
und Unterdrückung. Der Parabelbogen schwingt sich
empor und dann wieder zurück, er scheint in immerwährender Bewegung. Er steht für den Aufschwung der
Postmoderne.
Der Architekt Eero Saarinen, das ist finnische Lässig­
keit, die mit amerikanischer Unternehmungslust zur
Exaltation kommt. Seine Flughafenbauten sollen erleb­
bar machen, sagt Saarinen, was Fliegen, Schweben,
Schwerelosigkeit ist. Dass Fliegen mehr als ein Transport- und Verkehrsmittel ist – ein American dream.
Der Film EERO SAARINEN – THE ARCHITECT WHO
SAW THE FUTURE erzählt vom Werden dieses Traums,
dieses Werks. Es ist ein Architekturfilm, aber auch ein
Liebesfilm – eine Liebe von Mann und Frau, Sohn und
Vater, Architektur und Kino. Eric Saarinen, der Sohn des
Architekten, hat die Bauten seines Vaters als Kameramann gefilmt, im Off hören wir Dialoge von Eero und
Aline Saarinen. Es ist diese Liebe, die diesen Bauten
ihre bescheidene Dynamik gibt, ihre Menschenfreundlichkeit.
Der Architekt kennt das Chanson
Stärker als in den vergangenen Jahren schauen die
Architekturfilmtage diesmal auf seltsame Häuser und
ihre Bewohner, auf die Menschen, für die konzipiert
und konstruiert, gedacht und gebaut wird. Es geht um
Wohnen, Leben, Existieren. Die performativen Momente überwiegen, die spielerischen. Manchmal spielt eine
ganze Stadt mit.
»Die Architektur«, sagt Mehdi Zannad, »ist eine Praxis,
die Demut erfordert, gegenüber den Kunden, den Bewohnern, den Geldgebern, den Vorschriften, und vor allem der Natur.« Mehdi Zannad ist DER ARCHITEKT VON
SAINT-GAUDENS im Film von Julie Desprairies & Serge
Bozon, der die Plätze und Häuser aneinanderhängt, die
er im Ort errichtet hat. Menschen spielen und singen
vor und in diesen Bauten und bringen sie zum Schweben wie in den Filmen von Jacques Demy und Alain
Resnais, und der Architekt Mehdi Zannad hat auch die
Musik geschrieben. »Gewöhnlich ist es die Erzählung,
die einem Film die Einheit gibt«, sagt der Filmemacher
Serge Bozon. »Vielleicht gibt hier die Einfachheit, die
Architekturfilmtage
EERO SAARINEN – THE ARCHITECT WHO SAW THE FUTURE
17. Architekturfilmtage
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Architekturfilmtage
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Nacktheit der mise en scène, dem Film eine Einheit ...
Die süßesten Träume, sind das nicht, definitionsgemäß,
die unspektakulärsten?«
Allen Klischees zum Trotz ist auch die Postmoderne
alles andere als spektkulär. Die einfachste Sache der
Welt, in der Architektur zumal. Man muss nur mitspielen. Ende der Achtziger, ein paar Jahre vor der Wende,
ist die Postmoderne sogar in der DDR angekommen.
1987 wurde der Bowlingtreff in Leipzig eröffnet, ein
stilistisch kühnes und kompaktes Sportcenter mit 14
Bowlingbahnen, Billard, Fitnessstudio. Viel Glas und
Marmor und Parkett, mehr Fitness als Leibesertüchtigung, ein bisschen Luxus und absolut mondän. Dieser
Bau war nicht bilanziert, heißt es, ein Schwarzbau also.
Ein Moment der Verführung – haben die Baumeister
von Las Vegas gelernt? Denise Scott Brown, die große
amerikanische Architektin der Postmoderne, äußert
sich beeindruckt in dem Film von Thomas Beyer &
Adrian Dorschner.
Die mit der Liebe spielen
Eine andere Liebe, fern von Amerika, in Italien, Monica
Vitti und Michelangelo Antonioni. Vier Filme hatten der
Filmemacher und sein Star in den Sechzigern gemacht,
darunter L’AVVENTURA und L’ECLISSE. Und eine Liebe hatte sich gestaltet während der Dreharbeiten, eine
geheime, die dann einen eigenen Bau bekam, an der
Nordwestküste Sardiniens, eine kuppelige Betonschale, in die Erde hineingebaut. Eine sogenannte Binishell,
patentiert vom Architekten Dante Bini. Ein Haus, in dem
die verschiedenen Wohn- und Lebens- und Liebesbereiche ineinander übergingen, das roh und kultiviert zugleich wirkt. Volker Sattel stellt in dem Film LA CUPOLA
den inzwischen heruntergekommenen Liebes-Bau vor;
er widmet sich gern Bauten, die außer Funktion gesetzt
sind – in UNTER KONTROLLE hatte er die Aura stillgelegter Atomkraftwerke dokumentiert.
Der Architekturkritiker Niklas Maak hat die Cupola entdeckt und erzählt von einem Gespräch mit Bini, der sich
an das Paar erinnert: »Sie sagten, sie wollten kein Haus,
sondern einen Raum, sie wollten im Raum leben, nicht
zwischen Wänden. Antonioni sagte mir, er hasse gerade
Wände und glatte Böden, er wolle mitten im Stein leben. Architektur sei nicht nur Licht, Schatten, sondern
auch Geruch. Sein Haus solle nach der Natur riechen,
die es umgibt.«
Das Kernstück ist eine gewundene grobe Treppe aus
Felsplatten, Monica sollte sie vor Antonionis Augen
immer wieder auf- und absteigen. Ein vertikaler Laufsteg, ein Defilée der Lust, bei dem die Architektur zum
Schauplatz wird. In seinem Film interessiert sich Volker
Sattel mehr als für die Formen und ihre möglichen Bedeutungen – für die Geschichte des Paares Vitti/Antonioni – für die Materie, das Material, im Zustand seiner
Zersetzung.
Noch eine Liebe, vielfach verschränkt, unerklärlich, DIE
MUTTER, DER SOHN UND DER ARCHITEKT von Petra
Noordkamp. Am Rande, aber direkt ins Zentrum weisend, eine Kirche, die Chiesa Madre in Gibellina auf
Sizilien, gebaut von Ludovico Quaroni, deren freischwebende Formen den Glauben atmen lassen, in Gelassenheit und Transzendenz. Quaronis Sohn Emilio war
einst der Geliebte der Filmemacherin und hat 2001 seine Mutter umgebracht. Diese verstörende Geschichte
hat auch die Filmemacherin erschüttert, ihre Reaktion
auf die und ihre Beziehung zu der Kirche verändert, sie
zum Spiel mit der Identität verleitet: »In Rom zögerte
ich nicht, mich zu verhalten wie eine Frau in Antonionis L’AVVENTURA, ich war ich selbst, aber ich war
auch Claudia, ich war auch Anna. Ich konnte sein, wer
ich wollte. Es war als sähe ich mich in verschiedenen
Kameraperspektiven. Ich hatte nicht das Gefühl, dass
ich mich verloren hätte, jemand anderes trat aus mir
hervor.«
Funktionalismus heute
Wie wohnen Architekten? Haben sie etwas, das sie
Heim nennen? Gibt es ein Haus, eine Wohnung, die
ihnen entspricht? Die ihnen passt, ihr Wesen zum
Ausdruck bringt? Haben sie diese Wohnungen selbst
gebaut und eingerichtet? Haben die Wohnungen Stil?
Und was ist ein Stil?
Architekten arbeiten nicht in der Ich-, sondern in der
Möglichkeitsform, auf der Suche nach neuen Formen,
in der Schleife zwischen Sinn und Zweck. Ihre Arbeit
ist mehr Adaption als freie Schöpfung. Sie kommen
ohne Inhalt aus, darin ist die Architektur anders als die
übrigen Künste. »In produktivem Raumgefühl«, merkt
Adorno an, »wird in weitem Maß der Zweck, gegenüber den Formkonstituenten, die der Architekt aus dem
Raum schöpft, die Rolle des Inhalts übernehmen.« Die
Architektur, besonders die Neusachlichkeit, war ihm
sehr recht in seinem Bemühen, der Kunst jeden Inhalt,
jede Message auszutreiben.
Der Film WHERE ARCHITECTS LIVE von Francesca Molteni zeigt acht Architekten in ihren Wohnungen, und er
zeigt darin die Schwierigkeit, dieses Wohnen zu beschreiben und zu erklären. Da ist viel Selbstdarstellung
im Spiel, und Prestige.
Einen angenehmen Ton setzt gleich zu Beginn Shigeru
Ban, der sich zeigt wie der Anti-Architekt: Ein einfaches
Apartment, viel Weiß, helles Holz. Ein Handwerker. Ich
Architekturfilmtage
Eine feste Burg baut unser Herr
Das Gegenstück zum eleganten, geschwungenen Gate-­
way Arch ist BATUSHAS HAUS. Batushas Haus ist
Bauen nach Bedarf. Es ist illegal, also ein Konglomerat. Kadri Batusha hat es zunächst für sich gebaut, in
Priština im Kosovo, wo die Wohnungsnot extrem groß
war, dann kamen Leute zu ihm, und Batusha hat für sie
weitergebaut, so ist das Haus gewachsen, ist unübersehbar geworden und schaut nun aus wie der Turm von
Babel auf den klassischen Gemälden oder wie Kafkas
Schloss. Stein für Stein wurde zusammengetragen, es
gab keine großen Baumaschinen, illegal wurden die
Wohnungen ans städtische Wasser- und Elektrizitätsnetz angeschlossen. Wenn Leute vom Amt kamen, hat
Batusha schon mal zu seiner Kalaschnikow gegriffen.
Meine Burg, sagt er. Der Film ist auch eine kleine Studie
in feudalem Bauen.
Man kann dieses Projekt nicht unter einem einzigen
Gesichtspunkt sehen. Das Haus ist ganz und gar bodenständig, es hat eine wilde Schönheit und eine unglaubliche Dynamik, die den Film von Tino Glimmann
& Jan Gollob wunderbar inspiriert. »Die Stadt im Film
ist nie Kulisse«, schreibt Frieda Grafe, »Reflex, Spiegelung und Bühne, das ist die Ästhetik des neunzehnten
Jahrhunderts, und das ist nicht Kino. Die Multiplikation
der Blickwinkel, die das Verständnis der Stadt herausfordern, ist überhaupt erst da, seitdem man mit der
Kamera alle Seiten eines Objekts aufnimmt.«
Was besonders stimulierend ist an Batushas Haus –
dass in einer Zeit, da die avancierte Computertechnik
mit ihrem Alleskönnertum totalitär Kino und Architektur
beherrscht, das Handgreifliche im Häuserbau immer
noch existiert. Da gäb’s dann doch einen Bezug zum
luftig kühnen Saarinen – der all seine Entwürfe immer
erst als Modelle fertigte.
Eero Saarinen
bin ein Zimmermann, sagt er, ich liebe es, mit Holz zu
arbeiten. Sein Haus ist zwischen und um Bäume herum
gebaut. Marco Bellini hat sich die Wände mit Büchern
zutapeziert. Marcio Kogan hat einen Flügel mitten im
Raum stehen, der mit griffbereiten Erinnerungs- und
Inspirationsstücken belegt ist. In kleinen, spielerischen
Filmen hat er einige seiner Bauten zum Spielen und
Erzählen gebracht. Und zum Erinnern, wie es auch in
Elizabeth Lennards Film TALKING HOUSE passiert, in
der legendären Villa E.1027 von Eileen Gray & Jean
Badovici. Mit Bildern und Dialogen durchquert das Haus
die Zeiten. »Ich glaube, ›zukunftssicher‹ gibt es nicht,
sagt Marcio Kogan, »und es ist vielleicht nicht nötig für
ein gutes Projekt. Wenn ich mir Filme anschaue, denke
ich, alle enden damit, dass sie eine gewisse Zeit repräsentieren, und das gleiche passiert mit Mode, Kunst,
Literatur und Architektur. Ich mag diese Identifikation
mit einer Zeit. Wenn ich Brasilia besuche, fühle ich
mich, als wäre ich zurück in den Sechzigern. Und ich
liebe dieses Gefühl.«
Jeder Bau ist in diesen Filmen auch Modell. Modell für
ein Wohnen und Leben, einen Glauben an die Zukunft,
in der man, peu à peu, sich zurechtfinden muss. Ein
Gespenst geht um in der modernen Architektur, ein
fröhliches: »Ich kann mich nicht freimachen«, sagt
Marcio Kogan zu den Filmen über seine eigenen Bauten, »von dem Phantom von Jacques Tati – das erklärt
alles.«
Fritz Göttler
Ein Programm der Bayerischen Architektenkammer in Zusammenarbeit mit dem Filmmuseum München. Konzeption: Stephanie
Hausmann, Klaus Volkmer.
Where Architects Live | Italien 2014 | R+B: Francesca
Molteni | K: Mario Flandoli, Massimo Pozzoli, Alvise
Tedesco, Nicola Tranquillino | 78 min | OmeU | Acht
Interpretationen des Wohnraums »für sich« – Ein­blicke
in das persönliche Lebens- und Arbeitsumfeld von
Shigeru Ban (Tokyo), Mario Bellini (Milano) David Chipperfield (Berlin), Massimiliano & Doriana Fuksas (Paris),
Zaha Hadid (London), Marcio Kogan (São Paulo), Daniel
Libeskind (New York) Bijoy Jain (Mumbai). Reflexionen
über mannigfaltige Lebensformen: persönliche, intime
Erzählungen, Geschichten von Räumen und Objekten,
neuen Bildern und versteckten Schlüsseln. – Peep
| Cat | Modern Living | Casa Cubo | This Was Not
My Dream (Casa Redux) | Brasilien 2012-14 | R+B:
Marcio Kogan u.a. | K: Cleisson Vidal | 20 min | engl. OF
39
BATUSHAS HAUS
Architekturfilmtage
40
| Marcio Kogan baut monumentale postmoderne Villen
für die Superreichen. In diesen filmischen Miniaturen
porträtiert er einige davon – mal monumental, mal liebe­voll-spöttisch und selbstironisch.
 Freitag, 31. März 2017, 18.30 Uhr | Einführung:
Mathieu Wellner
Atlas der seltsamen Häuser und ihrer Bewohner
| Buchvorstellung und Einführungsvortrag von Niklas
Maak | Plötzlich steht da ein Haus: Eine gigantische
Burg aus weißem Holz, errichtet von einem New
Yorker Kunstspekulanten. Eine Halbkugel aus Beton,
die ein Filmregisseur für sich und seine Geliebte auf
einer Steilküste in Sardinien aufgestellt hat. Eine Hütte
in Mexiko, in die sich ein amerikanischer Ex-Banker
zurückgezogen hat. Exzentrische Bauherren gönnen
sich bisweilen eigentümliche Häuser, denen Niklas
Maak, Architekturkritiker der FAZ, auf der Spur war. –
La Cupola | Deutschland 2016 | B+R: Volker Sattel |
K: Volker Sattel, Thilo Schmidt | 40 min | OmU | Porträt
eines Hauses ohne tragende Wände. Eine kühne Kuppel aus Beton, ein Open Space – inmitten bizarrer Fels­
formationen einer schroffen Küste. Das Haus gehörte
der Schauspielerin Monica Vitti und dem Regisseur
Michelangelo Antonioni. Die Leere der Cupola und die
Verlassenheit des Ortes werden zum Ausgangspunkt
für Spekulationen. Über der Kuppel schwebt noch
heute die Utopie eines alternativen Wohn- und Lebenskonzepts.
 Freitag, 31. März 2017, 21.00 Uhr | Zu Gast: Niklas
Maak, Volker Sattel
Für den Schwung sind Sie zuständig | Deutschland
2003 | R+B: Margarete Fuchs | K: Andreas Faigle | 58
min | Ulrich Müthers Häuser wirken, als kämen sie aus
der Zukunft in unsere Gegenwart geflogen. In Wirklichkeit kommen sie aus der DDR. Der Ingenieur aus Binz/
Rügen zauberte Gebäude aus Beton, die sich zwischen
den Einheitsplattenbauten ausnahmen wie Schmetterlinge. Sein Credo: »Der rechte Winkel ist böse«.
– Bowlingtreff | Deutschland 2016 | R+B: Thomas
Beyer & Adrian Dorschner | K: Simone Friedel, Anna
Baranowski, Adrian Dorschner | 60 min | Leipzig Ende
der 1980er Jahre. Die Altbauten der Innenstadt verfallen, die Plattenbausiedlungen am Stadtrand wachsen
nicht schnell genug, um dringend benötigten Wohnraum zu schaffen. Kurz vor dem Ende der DDR gibt es
für öffentliche Bauten keine Mittel mehr. Doch dann
wird 1987 überraschend ein luxuriöses Bowling-Center eröffnet: der Bowlingtreff – ein außergewöhnliches
Zeichen postmoderner Architektur, das mit der üblichen
DDR-Formsprache nichts mehr zu tun hat.
 Samstag, 1. April 2017, 18.30 Uhr | Zu Gast: Margarete Fuchs, Thomas Beyer & Adrian Dorschner
Mies van der Rohe | BRD 1968 | R+B: Georgia van
der Rohe & Sam Ventura | K: Gus Papajohn | 40 min
| Porträt Mies van der Rohes (1886–1969) von seiner
Tochter, mit ausführlichen Interview-Passagen zur Theorie der Architektur und einem kursorischen Überblick
über die Hauptwerke – vom Barcelona-Pavillon bis
zur Neuen Nationalgalerie in Berlin. – Eero Saarinen
– The Architect Who Saw the Future | USA 2016 |
Il Girasole - Una casa vicino a Verona (Ein Haus in
der Nähe von Verona) | Schweiz 1995 | R+B: Christoph Schaub & Marcel Meili | K: Matthias Kälin | 15
min | OmU | Ein Haus, das sich nach der Sonne richten
kann: Die Villa Girasole, 1935 erbaut, kann sich mittels
eines Motors 360 Grad um ihre eigene Achse drehen.
Der Film evoziert die Zeit, in der dieser Bau entstanden
ist. Man spürt die Faszination an der Technik und eine
Verklärung der Neuen Welt, den Optimismus des späten
italienischen Futurismus. – Batushas Haus | Schweiz
2016 | R+B: Tino Glimmann & Jan Gollob | K: Royald
Elezaj | 70 min | OmeU | Seit fünfzehn Jahren baut
Kadri Batusha an einem wuchernden schlossartigen
Haus in den Hügeln von Priština im Kosovo. Über 300
Menschen leben in den bisher fertiggestellten Wohnungen. Mit all den Türmen, Treppen und Gängen bildet die
ewige Baustelle die Komplexität des Zusammenlebens
 Sonntag, 2. April 2017, 18.30 Uhr | Zu Gast: Tino Glimmann & Jan Gollob
La madre, il figlio e l’architetto (Die Mutter, der
Sohn und der Architekt | Niederlande 2012 | R+K:
Petra Noordkamp | B: Maria Barnas | 16 min | engl.
OF | Eine Untersuchung der Verbindungen zwischen
metaphysischem Raum und der Alchemie einer Liebesbeziehung. – L’architecte de Saint-Gaudens (Der
Architekt von Saint-Gaudens) | Frankreich 2015 | R:
Julie Desprairies & Serge Bozon | B: Julie Desprairies |
K: Céline Bozon | M+D: Mehdi Zannad | 28 min | OmeU
| Ein Architektur-Musical. – A Man in Space No. 1 –
Days of Zucco | Frankreich 2016 | R+B: Lucas Bacle,
nach dem Stück »Roberto Zucco« von Bernard-Marie
Koltès | K: Vincent Toujas | D: Thomas Barraud | 6 min
| OmeU | Ein neuartiger Versuch der filmischen Visualisierung eines Gebäudes. Das Vertou Kulturzentrum, ein
Beton-Massiv in einem dörflichen Vorort von Nantes.
– Talking House | Frankreich 2016 | R+B: Elizabeth
Lennard, nach dem Dialog »Maison en bord de mer«
in »L’architecture vivante« von Eileen Gray & Jean
Bado­vici | K: Christophe Espenan | 42 min | engl. OF
| Die Kamera führt uns durch die Villa E.1027, erbaut
1926/29 an der Côte d’Azur von Eileen Gray & Jean
Badovici.
Architekturfilmtage
 Samstag, 1. April 2017, 21.00 Uhr
ab, aber auch Batushas Biografie – geprägt von Unabhängigkeitskampf, Gefängnis, Exil in der Schweiz und
dem Krieg im Kosovo.
41
 Sonntag, 2. April 2017, 21.00 Uhr
A MAN IN SPACE NO. 1 – DAYS OF ZUCCO
R+B: Peter Rosen | K: Eric Saarinen | 54 min | OF | Eero
Saarinen (1910–1961) war einer der berühmtesten Architekten im Amerika der 1950er Jahre. Er orientierte
sich zunächst stark an den streng kubischen Formen
von Mies van der Rohe, ehe er im Lauf der Zeit zu einer
ganz eigenen, expressiven Formsprache fand, zu einem
»funktionalen Expressionismus«, der die Funktion eines
Bauwerks durch seine Konstruktion zum Ausdruck
bringen sollte. Saarinen modellierte seine Bauten wie
Skulpturen. Saarinens Sohn, der Kameramann Eric
Saarinen, porträtiert sie in atemberaubenden Bildern.
Thomas Mauch, Edgar Reitz
Thomas Mauch
Thomas Mauch zum 80. Geburtstag
42
Ein Pferd und ein Pflug und ein weites Feld, Bauernhäuser mit alten Balken, Stühle, aufgeschichtet im
Innenraum eines Klosters, Treppenhaus eines Klosters,
darin ein verschüchterter alter Mann und eine Frau,
die vor der Kamera in eine Ecke flüchten, während die
Kamera sie gar nicht mehr beachtet, eine Stiege hinaufsteigt, weiter, dann der Innenraum eines barocken
Gotteshauses, Prunk, gemalter Himmel, der sich öffnet,
schließlich ein Flughafen, von dem gerade ein Jet aufsteigt, frontal in die Kamera hinein und über sie hinweg, und eine Rollbahn übrig lässt, von der man erfährt,
dass auf ihr aufständische Bauern gestraft und getötet
wurden, Untertanen des Klosters Roggenburg, vor 450
Jahren. Was ich da beschreibe, ist aber nur die Hälfte
der Bilder, die obere, denn die untere wird eingenommen von der Akte, die die Strafung und Tötung jener
Bauern beschreibt, rechtfertigt, ihre Namen nennt, den
ihrer Anführer, immer wieder darauf hinweist, dass sie
Verbrecher waren, Aufrührerische, Kirchenschänder,
Gotteslästerliche, schlechte Untertanen.
STRAFPROTOKOLL ALLER UND JEDER UNTERTANEN DES ALLHIESIGEN REICHSGOTTESHAUSES ROGGENBURG – der Titel ist noch länger, aber so habe ich
ihn noch gerade behalten können – ist ein Film von
10 Minuten Länge, den Thomas Mauch jetzt fertiggestellt hat. Schwarzweiß, 35mm. Thomas Mauch ist, wie
manch einer weiß, der Kameramann von UNTER DEM
PFLASTER IST DER STRAND und SHIRINS HOCHZEIT.
Seit ich mit ihm zusammenarbeite, bin ich, sind meine Filme erfolgreicher. Der erste Spielfilm von Werner
Herzog, LEBENSZEICHEN, ist von Thomas Mauch gedreht worden, und auch der erste große internationale
Erfolg von Werner Herzog, AGUIRRE, DER ZORN GOTTES, Kluges ARTISTEN IN DER ZIRKUSKUPPEL, seine
GELEGENHEITSARBEIT und sein STARKER FERDINAND.
Thomas Mauch ist, zumindest für Herzog, Kluge und
mich, ein Kameramann, dem wir einen Teil unserer
Identität als Filmmacher verdanken. Er macht so viele
Filme für andere, und er macht sie mit so viel Einfühlung und Intensität, dass er gar nicht oder nur selten
dazu kommt, selbst und sozusagen für sich einen Film
zu machen. Und wenn er dann mal einen macht, hastig
zwischen zwei Produktionen von Leuten, die mit Recht
annehmen, dass sie ohne ihn nicht zurecht kommen,
und man sieht dann als einer seiner Regisseure diesen
Film eines Kameramannes, der jeden Film eines anderen mit gleicher Leidenschaftlichkeit, Sensibilität und
mitunter auch Angst betreibt wie einen eigenen – dann
Thomas Mauch ist in dieser Gegend geboren. Und
in dem Dialekt dieser Gegend, der auch die Sprache
jenes vierhundertfünfzig Jahre alten Strafprotokolls ist,
liest er selbst, zum Teil mit leidenschaftlicher Anteilnahme, dieses beständig ins Bild hineinragende Protokoll
vor. Aber es ist zu spüren, dass seine Anteilnahme nicht
den Anklagen des Klosters, sondern den Angeklagten
gehört: Mitgefühl, Empörung, Aufsässigkeit bestimmen
den Klang und den Rhythmus des Sprechens. Es ist aus
diesem Film zu lernen, wie man in einer sehr kurzen
Form ein großes Geschehnis darstellen kann, ohne eine
seiner vielen Facetten außer Acht zu lassen. Es ist auch
technisch etwas zu lernen: Vordergrund und Hintergrund haben die gleiche Schärfe, also sowohl die Akte
als auch der Acker weit hinten, ein Verfahren, wie es
sich Schüfftan, der große Kameramann der deutschen
Stummfilmzeit, hätte ausgeknobelt haben können. Helma Sanders-Brahms (1976)
Die Lebenszeit des Kameramannes und Filmemachers
Thomas Mauch deckt zwei Drittel der Filmgeschichte
ab: So jung ist der Film. Thomas Mauch war Kameramann von Werner Herzog, Edgar Reitz, Werner Schroeter
und vielen anderen Regisseuren des Jungen Deutschen
Films. Seine eigenen Arbeiten bilden ein unverwechselbares Werk. Kameramänner wie Michael Ballhaus und
Thomas Mauch sind für die Filme ihrer Ära genauso
wichtig wie die Regisseure, die üblicherweise in Zusammenhang mit berühmten Filmen genannt werden. Das
Auge der Kamera ist unbestechlich und korrigiert immer
wieder das menschliche Auge, das keine Brennweiten
kennt und je nach Phantasie die Bilder, die es sieht, verändert. Noch unbestechlicher als die zahlreichen Optiken
der elektronischen und der traditionellen Kameras ist
aber das Auge jener Künstler, die die Kamera beherrschen. Wie Goya sagen sie: »Io lo vi«, »das habe ich gesehen«.
Alexander Kluge (2017)
Strafprotokoll aller und jeder Untertanen des all­
hiesigen Reichsgotteshauses Roggenburg | BRD
1976 | R+B+K: Thomas Mauch | 11 min | Preisgekrönter Kurzfilm über die Geschichte eines Bauernaufstands, der 1525 von den Truppen des schwäbischen
Bundes niedergeschlagen wurde. – Die Macht der Gefühle | BRD 1983 | R+B: Alexander Kluge | K: Thomas
Mauch | D: Hannelore Hoger, Alexandra Kluge, Edgar M.
Böhlke, Klaus Wennemann, Beate Holle, Paulus Manker,
Barbara Auer | 115 min | »In DIE MACHT DER GEFÜHLE
geht es um die subjektive Seite: den Antirealismus des
Gefühls. Dies ist die Schatzkiste, aus der Menschen
ihre Waffen holen, wenn sie sich wehren. Wenn eine
Thomas Mauch
möchte man ihn eigentlich bitten, nicht mehr so viel
für die andern und mehr für sich selbst zu arbeiten.
(Den Film, den man selbst gerade demnächst vorhat,
möchte man da natürlich ausschließen, den müsste er
doch noch machen!)
Denn Thomas Mauchs Film STRAFPROTOKOLL
ALLER UND JEDER UNTERTANEN… ist, je öfter man
ihn sieht, je länger man über ihn nachdenkt, ein Meisterwerk an Konzentration und Genauigkeit, und obendrein spielerisch. Was sich anfänglich ansieht wie
ästhetisierende Effekthascherei, nämlich die Bilder von
Landschaft, Höfen, Kloster mit der flatternden Akte im
Vordergrund, erweist sich immer mehr als äußerste
Verknappung dessen, was geschehen ist, an welchem
Ort, unter welchen Bedingungen und mit welchen Folgen, mit einem gleichzeitigen Bezug auf die jetzige
Situation des Ortes. Da sind keine Menschen außer
diesen beiden flüchtenden Alten im Klostergang und
der Silhouette des pflügenden Bauern auf dem weiten
Feld zu Beginn, aber da sind Namen, die Namen des
Strafprotokolls, und da ist der Ort des Geschehens, wie
er heute da ist: also das, was uns von der Geschichte,
deren Kinder wir sind, zurückbleibt.
Gerade das Fehlen aber von Gesichtern zu den
Namen lässt den Betrachter nach Gesichtern in seiner Phantasie suchen, während diese Namen verlesen
werden: längst Gestorbene, die ersten Revolutionäre in
Deutschland, Untertanen des Klosters Roggenburg, das
dann von dem, was sie zahlen mussten an Geld und
beweglichen Gütern und auch an Blut, sich satt fraß
und ein schönes Gotteshaus davon baute.
Da wird, in dieser äußerst kurzen Form, unendlich viel
klar: ein Acker, der bebaut wird, und vor den eine Akte
gehalten wird mit Namen derer, die diesen Acker bebaut haben, und dann das Kloster, dem sie sich widersetzten und das sie bestrafte und sich an ihrer Bestrafung bereicherte, und der Beton des Flughafens, der
heute die Stelle überzieht, wo ihr Anführer getötet wurde, und immer davor die im Wind bewegte, sich entrollende Akte, Namen, Beschimpfungen der Aufrührer,
Zeugnis der gefräßigen Verwaltung und Beherrschung
von Menschen, die danach sich nie wieder aufgelehnt
haben, die gerade hier, in der Gegend des Ulmer Horns,
verdämmert sind bis heute, unfähig, einen zweiten Versuch der Gerechtigkeit zu machen.
Einmal flattert Wäsche auf der Leine wie die Akte, die
den ganzen Film über den Vordergrund des Bildes flatternd bedeckt: Spiel mit den Bildelementen, die so für
Sekunden ihre Bedeutsamkeit aufheben, zu denen der
Autor einen Augenblick lächelnde Distanz einnimmt und
so den Vorwurf der Ästhetisierung ad absurdum führt.
43
Thomas Mauch
44
Wirklichkeit mich als Menschen nicht achtet, wehre
ich mich, indem ich sie leugne. Die Geschichten dieses
Films, die ich besonders liebe, verbinden u.a. die Oper
des 19. Jahrhunderts und das Kino, das man die Oper
des 20. Jahrhunderts nennen kann.« (Alexander Kluge)
Mit keinem anderen Filmemacher hat Thomas Mauch
über die Jahrzehnte seines Schaffens als Kameramann
so oft zusammengearbeitet wie mit Alexander Kluge,
dessen Kino- und Kurzfilme er nahezu allesamt stilistisch entscheidend geprägt hat.
Film ist aggressiv. Seine geholperten Dialoge, keine
glatten Wortwechsel, erzwingen Zeit zum Nachdenken;
das originale Türkisch, in Untertiteln übersetzt, macht die
Sprachbarrieren auch sichtbar. Der Film ist aber auch
weich. In seinem altmodischen Schwarzweiß, das die
Kontraste, erstaunlich genug, mehr mildert als schärft,
in seiner kargen Kameraführung ohne die Mätzchen der
Routiniers, mit seinen vielen in der Türkei aufgenommenen Standfotos beansprucht und erfüllt er die Schmucklosigkeit eines Dokumentarberichts.« (Klaus Umbach)
 Donnerstag, 6. April 2017, 19.00 Uhr | Zu Gast: Thomas
Mauch, Alexander Kluge
 Samstag, 8. April 2017, 21.00 Uhr | Zu Gast: Thomas
Mauch
Nel regno di Napoli (Neapolitanische Geschwister) |
BRD 1978 | R: Werner Schroeter | B: Werner Schroeter,
Wolf Wondratschek | K: Thomas Mauch | M: Roberto
Predagio | D: Romeo Giro, Tiziana Ambretti, Antonio
Orlando, Maria Antonietta Riegel, Cristina Donaldio,
Dino Melé, Renata Zamengo | 136 min | ital. OmU |
»Über dreißig Jahre, von Kriegsende 1944 bis in die
unmittelbare Gegenwart, verfolgt Schroeter in NEL
REGNO DI NAPOLI die verschiedenen Schicksale einer
Hausgemeinschaft aus dem Armenviertel Neapels. Wie
selbstverständlich rundet sich da die Beschreibung dieser seltsamen, faszinierenden Stadt zu einem großen,
sehr präzisen, ganz eigentümlichen und doch allgemeingültigen Lebensbogen. Ganz mühelos werden hier
Geburt und Tod, Überlebenskampf und der Verlust von
Liebe und Würde, Politik und Privatleben miteinander
verknüpft zu einer Geschichte von großem Atem. Das
Herrlichste aber an diesem Film, der sich gewiss nicht
um die Schattenseiten herumdrückt, ist die ungeheuerliche, fast einmalige Zärtlichkeit der Bilder.« (Peter
Buchka) Thomas Mauch erhielt für seine Kameraarbeit
1979 den Bundesfilmpreis.
Letzte Worte | BRD 1968 | R+B: Werner Herzog | K:
Thomas Mauch | 13 min | griech. OmU | Zwei Polizeibeamte erzählen von einem alten Mann, der jahrelang
auf einer einsamen griechischen Insel gelebt hat und
schweigt: »Ich rede nicht, das ist mein letztes Wort!«
– Die Achse | BRD 1985 | R+B+K: Thomas Mauch |
D: Michael Weber | 32 min | Ein Erlass des Reichspro­pa­gan­daministeriums schreibt vor, deutsche Truppen­
bewegungen nur von links nach rechts zu filmen, damit eine Vorwärtsbewegung suggeriert wird. Thomas
Mauchs Satire zeigt die Probleme eines PK-Kamera-
 Freitag, 7. April 2017, 21.00 Uhr | Zu Gast: Thomas
Mauch
Shirins Hochzeit | BRD 1976 | R+B: Helma Sanders-Brahms | K: Thomas Mauch | M: Zülfü Livaneli
| D: Ayten Erten, Jürgen Prochnow, Aras Ören, Aliki
Georgoulis, Jannis Kyriakidis | 120 min | Shirin, eine
junge Türkin aus Anatolien, flieht vor einer Zwangs­
heirat ins unbekannte Deutschland, nach Köln. »Verbündete findet die Verlorene im gelobten, verlogenen
Land nur bei ihresgleichen: Die Türkinnen im Heim erklären ihr Fließwasser und Lippenstift, eine schwangere
Griechin streichelt sie, ihre einzige Vertraute ist Helma
Sanders. Denn die Autorin spricht leitmotivisch durch
den ganzen Film mit ihrer Heldin und spricht ihr zu –
Berichterstatter, Seelsorger, Ankläger in einem. Der
manns, der in der endlosen russischen Landschaft
vergeblich den richtigen Standpunkt für seine Kamera
sucht, um einen Großangriff zu filmen. – Tod eines Vaters | BRD 1978 | R+B: Thomas Mauch | K: Wolfgang
Knigge | D: Marianne Hoppe, Miguel Herz-Kestranek |
47 min | An Heiligabend besucht der erwachsene Sohn,
ein Fotograf, seine Mutter in ihrem großbürgerlichen
Heim. Der kürzlich verstorbene Vater ist omnipräsent,
es kommt zu Vorwürfen und gegenseitigen Verletzungen. Von dem beklemmenden, in Schwarzweiß gefilmten Mutter-Sohn-Kammerspiel hat nur eine Arbeits­
kopie überlebt, die für die Vorführung digitalisiert wird.
 Samstag, 9. April 2017, 21.00 Uhr | Zu Gast: Thomas
Mauch
Aufmerksamkeit
Es gibt heutzutage sicherlich keinen Autor bei uns, dem
es wie Helmut Färber gelingt, beim Schreiben über Kino
einen unverwechselbaren eigenen Blick und eine ebensolche Sprache zu kreieren. »Es ist eigentlich maßlos
erstaunlich«, schrieb Färber im Jahre 1965, »dass die
deutsche Filmkritik es noch immer für ihre wichtigste
Aufgabe hält, die jeweils neuesten Filme zu beurteilen.
Denn: sofern sie sich mehr zutraut und abverlangt, als
den Betrieb mit einer wirren Folge von Seufzern und
Juchzern zu begleiten, Sonderform der Reklame, die
gegenwärtig noch beliebte kulturelle Note – sofern sie
anderes sein will als ihre Parodie, ist dies Verfahren
völlig ungenügend.« Und in der Tat hat Färber diesen
seinen Einwand gegen die Aktualitätsfokussierung und
deren Kurzatmigkeit stets berücksichtigt. Im Gegensatz
dazu ist sein Filmschreiben immer auch Erinnerungsarbeit gewesen, Bewusstmachung des Gespräches, das
Filme und Menschen über Zeiten hinweg miteinander
führen.
Einer größeren Öffentlichkeit dürfte Färber erstmals
als Autor der Filmkritik aufgefallen sein. Diese Zeitschrift, Ende der 1950er Jahre von einem Kreis junger
Intellektueller gegründet, war wichtig in jener Zeit, als
Westdeutschland von der in jeglicher Hinsicht miefig
provinziellen Kulturpolitik unter dem Bundeskanzler
Konrad Adenauer und seinen Nachfolgern geprägt wurde. Dagegen schrieb die Filmkritik an, war widerständig, horizonterweiternd, Vorreiter bei der Vermittlung
des internationalen Kinos der Autoren. So etwa stellte
man sich früh und entschieden auf die Seite der damals
noch heftig umstrittenen französischen Nouvelle vague
– und setzte sich somit auch für ein Kino ein, das seine
Geschichte und seine Mittel reflektierte.
Sorgfalt
Die Filmkritik musste ihr Erscheinen im Jahre 1984
einstellen. Als geraume Zeit später ein Essay Färbers in
der Frankfurter Rundschau erschien, hieß es in dem von
einem ihrer Redakteure verfassten Vorspann, Färber
lebe im Verborgenen und schwiege. Was ganz falsch
war und ist, denn Färber hat bis heute stetig und vernehmlich weitergewirkt in Sachen Film. Zu seinen Gebieten gehören: Das Edieren von Büchern (wunderbar
erhellend etwa der 1977 erschienene Band über den
Zusammenhang zwischen der jahrhundertealten Baukunst und dem noch jungen Film – immer aufs neue
unsere Kinowahrnehmung erweiternd seine Bücher
über einzelne Werke – oder auch einzelne Sequenzen
– von Regisseuren wie D.W. Griffith, Mizoguchi Kenji,
Ozu Yasujirō).
Unbedingt erwähnt werden muss Helmut Färbers zuletzt erschienenes Buch über Jean Renoirs UNE PARTIE
DE CAMPAGNE (1937), worin sein schauendes Eindringen in das Herz von Filmen zur vollen Entfaltung kommt.
Das beginnt damit, dass im ersten Kapitel Renoirs Film
Einstellung für Einstellung, Dialogsatz für Dialogsatz
nacherzählt wird (dazu sind zahlreiche Einstellungen
abgebildet). So lässt Färber einen Film für sich selbst
sprechen, und erzeugt beim Leser jene Aufmerksamkeit, die hilft, die Künste des Regisseurs, aber eben
auch die der Schauspieler, des Kameramanns, des
Drehbuchschreibers, ja sogar der Beleuchter, besser
in den Blick zu bekommen. Ferner sind Färbers Sätze
präzise, aber niemals pedantisch. Stets lässt er einen
Frei- und Denkraum, wissend, dass selbst die allergrößte Wortkunst nicht vollends zu fassen vermag, was
das Faszinierende eines visuellen Werkes ausmacht
(bzw. sogar in Gefahr ist, das Eigene des Visuellen zuzuschütten).
Oftmals vergehen zwischen den Erscheinungsdaten
dieser Bücher etliche Jahre. Wesentlicher Grund dafür:
Färber verwendet derart viel Sorgfalt sowohl auf textliche als auch gestalterische Details, dass die Verlage
abwinken und der Filmforscher sie selbst zur Erscheinung bringen muss.
Freundschaft
Färbers zweites Gebiet: das Lehren an den Filmhochschulen von Berlin, München und Wien (in einem seiner Bücher dankt er explizit allen Teilnehmern seiner
Seminare, mehr noch: Er macht das Buch als Resultat
der Erfahrungen gemeinsamen Sehens, Entdeckens,
Lebens mit den Filmen kenntlich).
Und schließlich ist da die Literatur. Als man Färber
1994 den Petrarca-Preis, eine literarische Auszeichnung, verlieh, bemerkte der Laudator Peter Handke:
»Färbers Sprache handelt vor allem in Paris, in einer
ganz neuartigen Gemeinsamkeit von Innen- und Außenräumen, Erde und Unterirdischem, Jetzt und den
Jahrtausenden.« Was Handke mit diesen Worten lobte,
sind Skizzen, die ab 1988 fortlaufend unter dem Titel
»Das Grau und das Jetzt« in Akzente und anderen Zeitschriften erschienen waren. Darin hielt Färber, inspiriert
wohl von schreibenden Flaneuren wie Walter Benjamin,
Franz Hessel, Siegfried Kracauer, seine Erkundungen
der Stadtlandschaften von Berlin, Paris, München oder
Rom fest. Texte, die weit über das Gebiet des Films
Helmut Färber
Carte blanche à Helmut Färber
45
Helmut Färber
TOUTE RÉVOLUTION EST UN COUP DE DÉS
hinausdrängen, in denen dieser aber dennoch stets
präsent ist. Einmal in der Art, wie Färber die Oberflächenerscheinungen der Dinge gleichsam wie mit einem
Kameraauge ertastet. Zum anderen ist seine Sprache
von Cuts durchsetzt, macht auf diese Weise beständig
ungesehene, unvermutete Zusammenhänge sichtbar.
46
te die Dreharbeiten, das Filmteam und Szenen aus dem
dörflichen Alltag ins Spiel. »Die Passion ist hier unmittelbare Repräsentanz. Es ist eine Welt, in der Biblisches
unverstellte Wirklichkeit ist. Der leidende Mensch ist
tatsächlich Christus und das Brot, das gebrochen wird,
sein Leib, denn er hat ihn aufgezehrt bei der Mühsal
seiner Gewinnung. Der Film ist ein Lehrstück über Religion. Und auch ein ethnographischer Film, von dem
alle etwas lernen können. Auch diese Armen-Passion
zehrt vom Matthäus-Evangelium. Jahrhunderte der
Elendserfahrung sind in die weltliche Seite der Passion
eingeflossen. Vom Krieg ist gleich zu Anfang die Rede.
Geld und die Ränke der Mächtigen, von weltlicher und
geistlicher Macht, geben dieser Passion eine Sprengkraft, die Oliveira genau erfasst, wenn er den Film mit
Guernica und Hiroshima enden lässt: Krieg und Zerstörung als ultima ratio der Macht.« (Thomas Brandlmeier)
 Freitag, 14. April 2017, 21.00 Uhr | Einführung: Thomas
Brandlmeier
Für Helmut Färber gibt es eine kleine Riege Filme­
macher, die in jeder Hinsicht unzweifelhaft sind, an
die man sich halten kann. Ozu Yasujirō gehört dazu,
Danièle Huillet & Jean-Marie Straub, Jean Renoir. Und
auch die in der von ihm nun erstellten kleinen Reihe:
Erich von Stroheim, Manoel de Oliveira und Gerhard
Benedikt Friedl. Doch Färber findet kein Genügen darin, irgendwelche Meister, Stars oder gar Ruhm anzu­
beten. Worum es ihm geht, hat er einmal in die folgenden Worte gekleidet: mehrere Filme von Jean Renoir
kurz hintereinander zu sehen, sei gleichbedeutend mit
einem Besuch bei ihm und seinen Freunden; man sitze
in einem weiten, hellen Raum zusammen, wo der Regisseur bei Rotwein, frischem Brot und Trauben erzähle.
Filme als Freunde, die uns auf unserem Weg begleiten,
uns im Miteinander beseelen, klüger machen, die Sinne
erfreuen. Es mag noch viele andere Auffassungen der
Wesenszüge des Kinos geben, eine schönere als bei
Helmut Färber findet man indes nicht.
Michael Girke
Acto da Primavera (Der Leidensweg Jesu in
Curalha) | Portugal 1963 | R+B: Manoel de Oliveira,
nach dem Passionsstück »Auto da Paixão« von Francisco Vaz de Guimarães | K: Manoel de Oliveira | D:
Nicolau Nunes da Silva, Ermelinda Pires, Maria Madalena, Amélia Chaves, Luís de Sousa | 94 min | OmeU |
Jedes Jahr führen die Bauern aus dem Dorf Curalha in
der Region Trás-os-Montes in der Karwoche den Leidensweg Jesu auf. Oliveira stellte die Aufführung der
Passionsgeschichte für seinen Film nach und integrier-
Queen Kelly | USA 1928 | R+B: Erich von Stroheim,
nach seiner Erzählung »The Swamp« | K: Gordon Pollock, Paul Ivano | M: Adolf Tandler | D: Gloria Swanson, Walter Byron, Seena Owen, Wilhelm von Brincken,
Wildon Benge | 96 min | OF | »Ein geniales Fragment
von 100 Minuten, ein Drittel des geplanten Ganzen. Auf
Betreiben Gloria Swansons, des schockierten Stars, der
den zweiten Teil des Films im afrikanischen Bordell als
›widerwärtige, apokalyptische Vision der Hölle auf Erden‹ befindet, werden die Dreharbeiten abgebrochen.
Was verbleibt, ist Akt eins. Der kranke Kosmos des
europäischen Adels, dessen sexuelle Dekadenz und
perversen Luxus Stroheim mit rücksichtslos kaltem
Auge gleichsam durchs Vergrößerungsglas betrachtet:
exakt, isoliert, grotesk und funkelnd im Glanz eines
phantastischen Hyperrealismus.« (Harry Tomicek) –
Hat Wolff von Amerongen Konkursdelikte begangen? | Deutschland 2004 | R+B+K: Gerhard Benedikt
Friedl | 73 min | »Ein hypnotisches Vexierspiel an der
Schnittstelle von Dokument, Essay und pulp fiction
facts. Auf der Tonspur: eine in gnadenlos ›objektivem‹
Duktus vorgetragene Erzählung von den labyrinthischen Genea­logien, verbrecherischen Verstrickungen
und Gebrechen deutscher Wirtschaftsdynastien im 20.
Jahrhundert. Im Bild: bestechend kadrierte Aufnahmen, meist Schwenks und Fahrten durch europäische
Finanzzentren, Produktionsstätten und Landschaften.
Manchmal kommen Bild und Ton zur Deckung, manchmal verfehlen sie sich knapp. Stets legen sie Zusammenhänge nahe.« (Christoph Huber)
 Donnerstag, 27. April 2017, 19.00 Uhr
Kafka geht ins Kino
DEN HVIDE SLAVEHANDELS SIDSTE OFFER – DIE WEISSE SKLAVIN
Mit Kafka im Kino
Über Geschichtsbilder und Bildergeschichten
Es gibt viele Wege, sich Kafkas Welt zu nähern. Es ist
die Welt eines niedergehenden Kaiserreichs und der
Entstehung neuer Nationalstaaten in Mitteleuropa, die
Welt folgenschwerer mechanischer und chemischer
Ingenieursleistungen – produktiver wie destruktiver Art
(Maschinenbau, Baukultur, Vernichtungswaffen) – und
zahlloser Patente, die Welt der elektrischen Jahrzehnte und der mit ihnen verschwisterten Massenmedien
(Telefonie, Telegrafie, Audiografie, Kinematografie), die
Welt wachsender Unfallrisiken und neuer Unfalltypen im
zivilen und von Massenvernichtungen im militärischen
Bereich – in einem Ausmaß, dass der Grundgedanke
gegenseitiger Hilfe, also von Versicherung und Rückversicherung zum ersten Mal prekär ins Wanken gerät.
In dieser Welt zählte Franz Kafka zu den führenden Versicherungsjuristen seiner Zeit. Wer auf diese Welt unter
dem Gesichtspunkt einer potentiellen Gefahrenquelle
blickt, in der Menschen mit Menschen und zunehmend
mit Maschinen kollidieren, wird das Kino, das traumwandlerisch aus dieser Sphäre nicht nur seine Stoffe
holt, sondern selbst ein Spektakel von (mechanischen
wie psychischen) Kollisionen ist, mit ganz anderen Augen sehen als ein weniger mit Versehrungen, Unfällen
und irreparablen Schäden befasster Beobachter.
Das Bild oder die Bilder aber, die uns diese gewesene
Welt hereinspiegeln und nach denen unsere Phantasie
geformt ist, verdanken wir neben amtlichen, literarischen, diaristischen und brieflichen Quellen vor allem
der Fotografie und nicht zuletzt dem Film. Das Kino besitzt die schwer zu beschreibende, aber unabweisbare
Macht eines Orakels. Meist erkennen wir die Tiefenwirkung seiner Bilder nur bruchstückhaft; wir überlassen
uns ihnen, werden von ihnen, ganz individuell, mitgenommen und ergriffen: wie in Trance. Doch wenn man
auf eine ganze Epoche, wie den frühen Stummfilm der
späten Zehnerjahre zurückblickt – oder auf das, was
wir davon noch mittel- oder unmittelbar davon besitzen
–, taucht die Physiognomie eines Zeitalters auf, das
sich hinter unserem Rücken zu einem Geschichtsbild
geformt hat.
»Filmlückengeschichte«
Es kann nicht schaden, daran zu erinnern, wie wenig
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Kafka geht ins Kino
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vom historischen Filmbestand überliefert und erhalten ist, weil dessen Wahrung und Sicherung gerade
in Deutschland ganz offenbar keine kulturpolitische
Priorität besitzt – wie dies beispielsweise in Frankreich
seit langem der Fall ist. Das Fehlen einer umfassenden
und finanziell gesicherten Perspektive – das Zelluloid
wartet nicht auf Rettung, es zerfällt einfach nach einer
gewissen Zeit – ist umso paradoxer, als die technischen
Möglichkeiten der digitalen Erfassung und Konservierung in den letzten Jahrzehnten sprunghaft angewachsen sind, während eine entsprechende Entschließung,
die dringlich gebotene Rettung umfassend in Angriff zu
nehmen, weit hinterher hinkt. Klaus Kreimeier bringt es
auf den Punkt: »Über Werke der Literatur oder der bildenden Kunst lässt sich, wenn auch mit Verlusten, kontextfrei reden, über Filme nicht. Wie und warum Filme
entstehen, warum sie bejubelt oder geschmäht werden
– all dies ist subtil vernetzt mit dem gesellschaftlichen
Nervensystem. Kommerz und Profitgier sind der Treibstoff, der die faszinierende Maschine in Gang hält, und
nicht selten sind es Skandale, die das Selbstbild und
die Verfassung des Kollektivs grell beleuchten... Es gibt
nichts wegzuwerfen. Eine Selektion darf nicht stattfinden, von unserer frühen Filmgeschichte ist ohnehin nur
ein kleiner Bruchteil erhalten.«
Wenn Fritz Güttinger in den siebziger Jahren von einer
»Filmlückengeschichte« gesprochen hat, so ist diese
resignative Feststellung – vor allem im Hinblick auf den
Stummfilm – heute mehr denn je als eine Aufforderung
zu verstehen, diese Lücke nicht noch größer werden
zu lassen, indem man beispielsweise aufgrund sehr
zweifelhafter Bewertungen zwischen erhaltenswerten
und weniger erhaltenswerten Filmen unterscheidet. Die
›Schundfilms‹ von 1913 sind nicht minder aufschlussreich als vermeintlich höher zu bewertenden ›Kunstfilme‹. Und warum sollte man Peter Altenberg und Franz
Kafka, deren Literatur bis heute geschätzt werden, auf
einmal der Naivität zeihen, wenn es ums Kino geht?
»Ich ruhe mich vor den Plakaten aus«
Die alltägliche Wahrnehmung vordem vertrauter Räume
veränderte sich vor allem in den Städten mit der Mechanisierung des Verkehrs rapide. Die Stadt verwandelt
sich zum Resonanzkörper vielfältiger Synästhesien.
»Die Pneumatiks rauschen auf dem nassen Asphalt
wie der Apparat im Kinematographen«, notieren die
Reisenden Franz Kafka und Max Brod. Der Wechsel von
dem anthropologischen Medium des Gehens in das
motorisch-mechanische des Transports (der ja auch
einer vom Land in die Stadt ist) zeitigt eine ganz eigene, neue Form wahrnehmungsaktiver Passivität, für die
es kein Vorbild gab. Mit der Mechanisierung ist auch
die Typographie in den Stadtkörper eingedrungen, sie
oszilliert zwischen Litfaßsäule, riesiger Plakatwand und
Mauerinschrift und schiebt ihre lettristische Fläche wie
eine Großprojektion vor die historischen Attraktionen.
Franz Kafka, der für maschinengesteuerte Prozesse ein
sehr aufmerksames Sensorium und über eine ungemein
austarierte Sprache gebot, beschreibt – in einem Brief
an seine Berliner Verlobte Felice Bauer – die Fahrt mit
der Tram durch seine Stadt als einen Flug. Er blättert
förmlich durch das Buch der an ihm vorübergleitenden
Stadt: »Meine Zerstreutheit, mein Vergnügungsbedürfnis
sättigt sich an den Plakaten von meinem gewöhnlichsten innerlichsten Unbehagen, von diesem ewigen Gefühl
des Provisorischen ruhe ich mich vor den Plakaten aus,
wenn ich von den Sommerfrischen, die ja schließlich
doch unbefriedigend ausgegangen sind, in die Stadt
zurückkam, hatte ich eine Gier nach Plakaten und von
der Elektrischen, mit der ich nachhause fuhr, las ich im
Fluge, bruchstückweise, angestrengt die Plakate ab, an
denen wir vorüberfuhren.« Ein erstaunliches Stück unverhüllten Genusses (der auf die habituelle Enttäuschung
des Wochenendurlaubs folgt!) wird hier entfaltet. Dieser
im Zustand angestrengter Passivität erreichte Genuss
ist doppelt, und diese Verdoppelung kann nur durch den
»Flug« der Tram erreicht werden. Die Elektrische, wie
sie genannt wurde, erfüllt die Funktion eines traveling
Der erstarrte Zuschauer
Vieles an Kafkas verstreuten Notizen zum Kino(gehn)
ist ein heftiger Abdruck, ein Echo des meist unmittelbar
Erlebten und Gesehenen. In ihrer elliptischen Knappheit
sind sie Traumresten vergleichbar. Die einzige ausführlichere und zusammenhängende Betrachtung – ein
Wort, das auch seinem ersten Prosaband vorangestellt
ist – gilt weniger dem Kino als dem Kaiserpanorama.
Kafka schätzt dieses schon aus der Mode gekommene
Medium der plastischen Fotografie, weil hier die Bilder
»lebendiger als im Kinematographen« seien, hingegen
herrsche bei diesem »die Unruhe der Bewegung«;
schließlich phantasiert er – wie schon vor ihm Peter
Rosegger und auch aus rein kommerziellen Gründen
der Erfinder des Kaiserpanoramas selbst – eine »Vereinigung von Kinema und Stereoskop«, mithin eine noch
sehr viel weiter gehende Entrückung ins noktambule
Abenteuer.
Kafka registriert sehr genau die paradoxe Macht des
Kinos: Ungeachtet des unbestreitbar trivialen Realismus, der leicht durchschaubaren Machart des Ganzen
– Kafka spricht einmal von »alten Filmerfindungen« –,
gelingt dem Kino mithilfe der überlebensgroßen Projektion im künstlich verdunkelten Raum eine bis dahin
ungeahnte Überwältigung; diese ist so stark, dass sie,
wie Kafka schreibt, die Zuschauer erstarren lässt. Die
Ähnlichkeit mit Traumgesichten ist naheliegend und
gleichzeitig irreführend, naheliegend weil das onirische
Moment, der Tagtraum, sich ähnlich schwer resümieren und ›festhalten‹ lässt wie der Film, irreführend, weil
der Tagtraum ein extrem individualisiertes, inneres Erlebnis ist, das ich mit anderen, im Gegensatz zum Film,
nie werde teilen können. Ähnlich wie eine plötzlich hereinbrechende Naturerscheinung ist das Kino imstande,
zu rühren, zu verwirren und zu überwältigen. Eine erste
Demonstration dieser Überwältigungsmacht hat in Prag
Rabbi Löw geliefert, als er Kaiser Rudolf II. und seinen
Hof mit einer machtvollen Projektion der Laterna magica
in Angst und Schrecken versetzte.
Gegen diese flüchtigen Bilder, die ähnlich wie die Tageszeitungen eine rasch vergängliche Ware waren,
mobilisiert Kafka den Depeschen- und des Telegrammstil, eine Rhetorik, die versierten Briefstellern im letzten
Jahrhundert durchaus geläufig, ja gewissermaßen zur
zweiten Sprachnatur geworden war. Mit stenografischer Ökonomie und mit einem untrüglichen Gespür für
die Pointe – »Street full of water. Please Advise«, so das
Telegramm von Robert Benchley bei seinem ersten Venedigbesuch – werden das flüchtige, das fliehende Bild
und dessen unmittelbare affektive Wirkung »festgehalten«: »Im Kino gewesen. Geweint. Lolotte. Der gute
Pfarrer. Das kleine Fahrrad. Die Versöhnung der Eltern.
Maßlose Unterhaltung.« Das Wechselbad der Gefühle
setzt sich sogleich fort: »Vorher trauriger Film DAS UNGLÜCK IM DOCK, nachher lustiger ENDLICH ALLEIN.«
Das Gelobte Land – aus der Ferne
Doch der Film hört mit beendeter Projektion nicht auf
und so wird auch noch das unfreiwillige und mitunter
schmerzhafte Erwachen aus einem Tagtraum beim
Verlassen des Kinos festgehalten: Bin ganz leer und
sinnlos, die vorüberfahrende Elektrische hat mehr
lebendigen Sinn. (Roland Barthes hat diesem langen
Kafka geht ins Kino
im Film: Wie eine Kamerafahrt auf Schienen mutet das
Wiedereintauchen in die Stadt an.
Diese Plakate sind potenzierte Schaufenster, sie senden
ebenso triviale wie verheißungsvolle Signale aus, heißen
sie nun DER ANDERE oder TREFF-BUBE oder SKLAVEN
DES GOLDES oder KATASTROPHE IM DOCK. Sie sind
plakative und extrem attraktive, zu Titeln komprimierte
Verdichtungen von faits divers, – dem Stoff, aus dem das
Kino gemacht ist und die von süchtigen »Zeitungsfressern« wie Kafka und Joyce besonders geschätzt werden.
Diese Appelle aufzuschnappen, auswendig zu lernen und
für sich weiter zu spinnen, entschädigt für die Enttäuschung der Sommerfrische.
Es war nicht Kafka allein, der die Fahrt mit der Elektrischen oder mit dem nächtlichen Taxi in den besonderen
Rang einer potenzierten Wahrnehmung erhoben hat.
In seiner ersten erhaltenen Notiz zum Kino und zum
Kinogehn – Kino hieß und heißt (?) immer Kinogehn,
das sollte nicht vergessen werden –, einer Rohrpost-Karte an Max Brod vom Oktober 1908, ist diese
rasante Fahrt gewissermaßen kinematografisch objektiviert. Er beschwört den Freund, dass wir lang und
oft den Kinema, die Maschinenhalle und die Geishas
zusammen ansehen müssen. Die Rede ist von der Prager Ausstellung für Gewerbe und Industrie anlässlich
des 60-jährigen Jubiläums der Thronbesteigung von
Kaiser Franz Joseph. Der tschechische Filmpionier Jan
Kříženecký zeigte dort unter anderem in einem eigenen Messe-Palast die Fahrt einer Tram, die über die
Czech-Brücke nach Prag hineinfährt. Und noch heute
kann man sich der unmittelbar einsetzenden Trance,
welche dieser kurze Film »im Fluge« auslöst, nicht entziehen. Man könnte von Kafkas brieflicher Erwähnung
der »Elektrischen« (1913) auf eine fünf Jahre zurückliegende Erinnerung zu dem Film Kříženeckýs schließen
– als sei er durch dessen unbeschwertes, gleitendes
traveling zur Formulierung seiner eigenen Wahrnehmung inspiriert worden.
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Kafka geht ins Kino
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Augenblick der Trance ein schönes Denkbild gesetzt.)
Was einmal dem enttäuschten Sommerfrischler »im
Fluge« gelungen war, mit Hilfe der »Elektrischen« die
Zeichen der Stadt wie eine Kamera (in sich) aufzunehmen und diese Fahrt als ein euphorisches Kino und
einen spontan entstehenden und vergehenden Film
zu erleben oder im bloßen Geräusch der Autoreifen zu
halluzinieren, schlägt in tiefe Niedergeschlagenheit um.
Kafka verharrt und resigniert vor der vorüberfahrenden
Elektrischen – so wie Jahre zuvor die Zuschauer angesichts des vorbeifahrenden Zugs erstarrt sind.
Oder er steigert diese Verknappung zu einem Dramolett, nicht unähnlich den Nachrichten zu drei Zeilen des
Kunstkritikers und Journalisten Félix Fénéon. Kafka:
»Heute abend mich vom Schreiben weggerissen. Kinematograf im Landestheater. Loge. Frl. Oplatka, welche
einmal ein Geistlicher verfolgte. Sie kam ganz naß von
Angstschweiß nachhause. Danzig. Körners Leben. Die
Pferde. Das weiße Pferd. Der Pulverrauch. Lützows wilde Jagd.« Dicht gedrängt hasten die Nomina hintereinander her und werden allein durch die Interpunktion
arretiert – und beschleunigt, ganz im Stil expressionistischen Staccatos. Kafka parodiert diese Rhetorik.
Es liest sich wie ein Gedächtnisprotokoll von Zwischentiteln.
Zu äußerster Knappheit verdichtet und ex negativo als
Kommentar zu lesen, ist eine der letzten Erwähnungen eines Kinobesuchs: »Nachmittags Palästinafilm«
schreibt er am 23. Oktober 1921. Bezeichnenderweise
notiert er nicht den eigentlichen Titel dieses zionistischen Propagandafilms – SHIWAT ZION – der auf
Betreiben der Zeitschrift Selbstwehr – aus berechtigter
Angst vor antisemitischen Störern – nur in geschlossenen Vorführungen gezeigt wurde. Er blickt auf diesen
Film wie Moses auf das Gelobte Land. Er wird es nicht
betreten, sondern in ›sein‹ Jerusalem, nach Berlin zu
seiner Verlobten Dora Diamant ziehen. Und von dort
schreibt er an sein früheres Hausmädchen nach Prag,
das zur Zeit einzige Sehenswerte in Berlin sei THE KID
von Chaplin. Hanns Zischler
In Zusammenarbeit mit dem Tschechischen Zentrum in München
und dem Galiani-Verlag in Berlin. Ermöglicht durch die Unterstützung der Kulturstiftung des Bundes.
Kafka | USA 1991 | R: Steven Soderbergh | B: Lem
Dobbs | K: Walt Lloyd | M: Cliff Martinez | D: Jeremy
Irons, Theresa Russell, Joel Grey, Ian Holm, Jeroen
Krabbé, Armin Mueller-Stahl, Alec Guiness | 98 min |
OmU | »Die expressionistische Ästhetik des Stummfilms wird Material, mit dessen Hilfe Soderbergh eine
Geschichte erzählt, die Kafka hätte erfunden haben
können. Denn Soderberghs Film ist zunächst ein ganz
simpler Krimi. Menschen verschwinden und werden ermordet. Und Kafka, alles andere als ein Detektiv, findet
in unschuldiger Anteilnahme ein Terrorsystem, dessen
Herren im Schloss sitzen, im Hradschin, der sich wie
ein ferner Gott über den Gassen erhebt. Soderberghs
Collage aus Historie, Realfiktion und Kafkas Personal
dient dazu, diesem Krimi eine Bühne zu verschaffen,
wie sie artifizieller wohl kaum ein Krimi je gehabt
hat. Alec Guinness als Abteilungsdirektor und Armin
Mueller-Stahl als Inspektor: Selbst in den Nebenrollen
ist Soderberghs Film perfekt.« (Ulrich Greiner)
 Dienstag, 18. April 2017, 18.30 Uhr  Sonntag,
23. April 2017, 21.00 Uhr
Kafka geht ins Kino | 120 min | Hanns Zischler spricht
anlässlich der erweiterten Neuauflage seines Buches
»Kafka geht ins Kino« (Verlag Galiani Berlin, 2017) und
der in Zusammenarbeit mit dem Filmmuseum München entwickelten DVD-Edition »Kafka geht ins Kino«
(Edition Filmmuseum 95) über Franz Kafkas Beziehungen zum Medium Film und den Einfluss des Kinos
auf sein Schreiben. Er liest Passagen aus den Texten
von Kafka, Stefan Drößler zeigt und kommentiert dazu
Filmausschnitte aus den neu restaurierten Filmen und
Bilddokumente aus dem Buch. Ralph Eue schrieb über
die Erstausgabe von Zischlers Buch: »So legt ›Kafka
geht ins Kino‹ verschiedene Spuren frei, ›wildert‹ zwischen biografischer Forschung, Wahrnehmungspsychologie, Kulturgeschichtsschreibung, Filmarchäologie
und Literaturwissenschaft. Angereichert ist das Buch
mit wunderbaren Abbildungen, die den Text, gleichsam
nach musikalischen Gesichtspunkten ausgewählt, wie
Obertonfrequenzen umspielen.«
 Donnerstag, 20. April 2017, 19.00 Uhr | Zu Gast: Hanns
Zischler
Primo Circuito Aereo Internazionale di Aeroplane
in Brescia (Erster Internationaler Wettbewerb für
Luftschiffe und Flugmaschinen, Brescia) | Italien
1909 | P: Adolfo Croce | 13 min | OmU | Kafka schrieb
einen langen Artikel über genau den Tag der Flugschau,
den der Film dokumentiert. – Nick Winter et le vol
de la Joconde (Nick Winter und der Diebstahl der
Mona Lisa) | Frankreich 1911 | R: Paul Garbagni | D:
Paul Viner | 10 min | OmU | Detektivfilmkomödie, die
Franz Kafka und Max Brod in einem Pariser Kino sahen.
– Den hvide slavehandels sidste offer (Die weiße
Sklavin) | Dänemark 1911 | R: August Blom | B: Peter
Christensen | K: Axel Grattjær | D: Clara Wieth, Lauritz
Olsen, Thora Meincke, Otto Langoni, Frederik Jacobsen
| 55 min | dtF | Ein Sensationsfilm, angeblich initiiert
vom »Verein zur Bekämpfung des Menschenhandels«,
auf den sich Kafka in seinen Briefen mehrfach bezieht.
 Freitag, 21. April 2017, 18.30 Uhr | Live-Musik:
Richard Siedhoff | Einführung: Hanns Zischler
zu reden als gerade nur von diesem herrlichen Film.«
»DADDY-LONG-LEGS war der archetypische MaryPickford-Film, der alle Erwartungen des Publikums erfüllte: Ein ausgesetztes Baby wird gerettet, ein Waisenhaus wie eine Strafanstalt, komische und berührende
Szenen, viel Pathos, und ein Liebhaber, der wartet, bis
die Protagonistin erwachsen wird.« (Kevin Brownlow)
Theodor Körner | Deutschland 1912 | R+B: Gerhard
Dammann, Franz Porten | K: Werner Brandes | D: Friedrich Feher, Hermann Seldeneck, Thea Sandten | 41 min
| Den »vaterländischen Großfilm« zum 100. Geburtstag
des »Freiheitsdichters« Theodor Körner (1791–1813)
sah Kafka in Prag zusammen mit Fräulein Oplatka, die
sich von dem Film mitreißen ließ. – Peschiera / Lago
Maggiore et Lago di Como / Liguria (Italienische
Reisebilder) | IT 1907-1913 | Anonima Ambrosia,
Cines | 12 min, viragiert | engl.Titel | Aufnahmen von
Städten und Landschaften, durch die Kafka reiste. – La
broyeuse de coeurs (Die Herzensbrecherin) | Frankreich 1913 | R+B: Camille de Morlhon | D: Léontine
Massart, Pierre Magnier, Camille Licenay, Jenne Brindeau | 47 min | OmU | Kafkas Schwester sah das zum
Teil in Spanien aufgenommene, »herrlich kolorierte«
Melodram und berichtete ihrem Bruder, der darüber an
seine Freundin Felice schrieb.
 Freitag, 21. April 2017, 21.00 Uhr | Live-Musik:
Richard Siedhoff | Einführung: Hanns Zischler
Daddy-Long-Legs (Vater Langbein) | USA 1919 | R:
Marshall Neilan | B: Agnes Johnson, nach dem Briefroman von Jean Webster | K: Charles Rosher | D: Mary
Pickford, Milla Davenport, Percy Haswell, Fay Lemport,
Marshall Neilan | 97 min | OF | Max Brod schreibt in
seiner Autobiografie über Kafka: »Besonders entzückte ihn ein Film, der tschechisch TÁTA DLOUHÁN hieß,
was wohl mit VATER LANGBEIN zu übersetzen wäre.
Er schleppte seine Schwestern zu diesem Film, später
mich, immer mit großer Begeisterung, und war stundenlang nicht dazu zu bringen, von etwas anderem
Prazdnovanie 300-letija Doma Romanovych (300
Jahrfeier des Hauses Romanoff) | Russland 1913 |
16 min | OmU | »Der Zar, die Prinzessinnen verdrießlich in der Sonne stehend, nur eine zart, ältlich, schlaff,
auf den Sonnenschirm gestützt, blickt vor sich hin. Der
Thronfolger auf dem Arm des ungeheueren barhäuptigen Kosaken.« (Kafka) – Der Andere | Deutschland
1913 | R: Max Mack | B: Paul Lindau, nach seinem
Theaterstück | K: Hermann Böttger | D: Albert Bassermann, Emmerich Hanus, Nelly Ridou, Hanni Weisse,
Léon Resemann, Otto Collet | 75 min | Der erste deutsche »Künstlerfilm«, für den ein bekannter Schriftsteller eines seiner Werke selber adaptierte und in dem
Theaterstar Albert Bassermann die Hauptrolle des
Rechtsanwalts übernahm, der unbewusst ein Doppelleben führt. Kafka schrieb an Felice: »Von Bassermann
könnte ich Dir sehr viel erzählen, so elend das Stück ist,
und so sehr Bassermann darin mißbraucht wird und
sich selbst mißbraucht.«
 Samstag, 22. April 2017, 21.00 Uhr | Live-Musik:
Richard Siedhoff | Einführung: Stefan Drößler
Jízda Prahou otevřenou tramvají (Straßenbahnfahrt
durch Prag) | Tschechien 1908 | R+B+K: Jan Kříženecký | 2 min | Filmdokument, das im Kinematografentheater der großen Jubiläumsausstellung 1908 in Prag
zu sehen war. Franz Kafka und Max Brod besuchten
die Ausstellung und die Filmvorführungen gemeinsam.
Kafka war von dem neuen Medium fasziniert. – Shiwat
Zion (Rückkehr nach Zion) | Palästina 1921 | R+B+K:
Ya’akov Ben-Dov | 74 min | OmU | Ein zionistischer Dokumentarfilm über den Aufbau eines »jüdischen Palästina«, der um Unterstützung warb und im Oktober 1921
in Prag gezeigt wurde. Kafka räsonierte einige Wochen
später in einem Brief an Robert Klopstock: »Hauptsächlich gilt es ja nur für die Durchschnittsmasse der
Juristen, daß sie erst zu Staub zerrieben werden müssen, ehe sie nach Palästina dürfen, denn Erde braucht
Palästina, aber Juristen nicht.«
 Sonntag, 23. April 2017, 18.30 Uhr | Live-Musik:
Günter A. Buchwald | Einführung: Stewart Tryster
Kafka geht ins Kino
 Samstag, 22. April 2017, 18.30 Uhr | Live-Musik:
Richard Siedhoff | Einführung: Stefan Drößler
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MADAME DE …
Danielle Darrieux
Danielle Darrieux zum 100. Geburtstag
Madame de ... Danielle Darrieux
François Truffaut wusste, dass Film eine Frauen-, eine
Schauspielerinnenkunst ist, die Kunst, hübsche Frauen
hübsche Dinge machen zu lassen. Filme ohne Frauen
sind unendlich langweilig. Paul Vecchiali, der Kriegsfilme hasst – es sei denn ein Soldat zieht das Foto einer
Frau aus seiner Uniform –, war ein Kind, als er Danielle
Darrieux zum ersten Mal sah: 1936 in einer Zeitschrift
und dann im Kino. Der 6-jährige Vecchiali wollte sofort
Filmregisseur werden, um ihr zu begegnen. Das hat geklappt, 1961 bei seinem ersten Film.
Paul Vecchiali, Jacques Demy, später François Ozon,
sie bewundern die Grande Dame des französischen
Kinos, die mit 14 loslegte und es mit 17 geschafft hatte.
Entdeckt wurde sie von Wilhelm Thiele: Er brauchte eine
Schauspielerin für die französische Fassung seines deutschen Films DER BALL. Das war 1931. Die 14-jährige
Darrieux singt und sie tanzt, nicht nur so nebenbei. Singen und tanzen wird ihre Art des Spiels vor der Kamera.
Auch wenn sie spricht, geht, sich bewegt. Ihr Sprechen
ist Melodie, ihre Bewegungen sind eine unverwechselbare Choreografie. In acht Jahrzehnten in über 100 Filmen.
Internationalen Erfolg hat sie 1936 mit dem Film
MAYERLING von Anatole Litvak. Danielle Darrieux und
Charles Boyer: Er ist österreichischer Thronfolger, sie
seine verbotene Geliebte. Sie tanzen Walzer, dann gehen sie zusammen in den Tod. Der Film wird ein Kassenerfolg und für beide die Fahrkarte nach Hollywood.
Das amerikanische Debüt der Darrieux: THE RAGE OF
PARIS (DIE FLOTTE PARISERIN) von Henry Koster. Eine
Französin in New York, die am Ende nur noch einen
Wunsch hat: zurück nach Frankreich.
1950. Max Ophüls und Danielle Darrieux. Beide
sind seit den 1930er Jahren im Filmgeschäft, haben
in Deutschland, in Frankreich, in den USA gearbeitet.
Die Darrieux mit Billy Wilder, Henri Decoin, Robert
Siodmak. Die erste Zusammenarbeit mit Ophüls: LA
RONDE (DER REIGEN). Die gesamte Besetzung des
Films: ein Starpaket. Lauter Nebenrollen, und die Darrieux ist mit das Teuerste, was das französische Kino zu
bieten hat. Bei Ophüls’ nächstem Film macht sie wieder
mit, wieder ist es ein Film ohne Hauptrolle: LE PLAISIR
(PLÄSIER), drei Episoden nach Erzählungen von Maupassant.
Darrieux hilft nach, mit einem kleinen Schwächeanfall.
Allein Charles Boyer, in der Rolle ihres Gatten, lässt sich
von ihren Unpässlichkeiten nicht beeindrucken und
ermahnt sie, drei Minuten nicht zu überschreiten.
Strenge, Sarkasmus, auch Hilflosigkeit eines Gatten,
dessen Frau tatsächlich einen Anderen liebt.
Je ne vous aime pas, je ne vous aime pas, flüstert die Darrieux zwischen Tür und Angel und weiß es
besser. Beim ersten Walzer warnt sie lachend vor ihrer
Koketterie. Immer wieder treffen sie sich, tanzen einen
endlosen Walzer, die Leichtigkeit schwindet – von frivoler Konversation zum sprachlosen Ende. Sie, die
Generalsgattin, flüchtet, weiß keinen Ausweg mehr und
betrügt schließlich beide, den Liebhaber und den Ehemann, mit immer neuen Lügen, die sie seit dem Verkauf
der Ohrringe begleiten.
Sie habe die Ohrringe in der Oper verloren, lässt die
Darrieux ihren Gatten wissen, der umgehend nach dem
Hochzeitsgeschenk fahndet, um es dann beim Juwelier
zu finden und erneut zu kaufen – ein Abschiedsgeschenk für seine Maitresse, die den Schmuck im Ausland zu Bargeld macht. Aus dem Ausland taucht er auf,
Vittorio De Sica, Diplomat auf Reisen und im Gepäck
die Ohrringe, die er als Liebesgabe der Darrieux reicht.
Um sie öffentlich tragen zu können, erfindet sie neue
Geschichten: eine für den geliebten Diplomaten, eine
andere für ihren Gatten. Während De Sica an ihren Lügen verzweifelt, lässt sich Boyer nicht beirren. Er nimmt
der Darrieux die Juwelen ab, gibt sie seinem Rivalen
De Sica mit der Auflage zurück, sie zum Juwelier zu
bringen, bei dem Boyer die Ohrringe zum dritten Mal
kauft. Die Darrieux ergreift die Schmuckstücke wie eine
Süchtige, küsst die Diamanten – nicht ihren Mann. Der
zwingt sie nun, das von ihr so Begehrte einer verarmten Nichte zu schenken, die den Schmuck beim Juwelier versetzt, der diesmal nicht mit Boyer ins Geschäft
kommt, aber mit Madame: Sie kauft die Ohrringe und
stiftet sie der Kirche, als das Duell zwischen Gatte und
Liebhaber bevorsteht. Ein von Geld und Lügen dirigierter Kreislauf endet in einem menschenleeren Kirchenraum, die Kamera gleitet über Säulen hin zum Altar
und zu den unter Glas verschlossenen Juwelen der
Madame de ... . Ophüls dachte an die Konstruktion des
»Bolero« von Maurice Ravel: »Auch da dreht und entwickelt und kompliziert sich eine Aktion – oder genauer:
das harmonische Material – ständig um eine winzige
melodische Achse.«
In LA RONDE dreht sich alles: das Karussell, die
Musik, die Darsteller, die Dialoge – ein delirierender
Kreislauf von Paarungen und Paarwechseln. Dirne,
Soldat, Stubenmädchen, Dichter, Schauspielerin und
Danielle Darrieux
1953 MADAME DE ..., für Andrew Sarris »the great­
est film of all time«, in der Hauptrolle die Darrieux.
»Wegen ihr habe ich den Film gemacht. Nach REIGEN
und PLÄSIER suchte ich für sie eine Rolle. Es war mir
dabei klar, dass, wenn ich eine fände, es automatisch
ein Thema für mich sein würde. Denn um die Darrieux
herum liegen Leichtsinn und Glaube, Frivolität und
Ernsthaftigkeit, Grazie und Grausamkeit, Lebensfreude
und Tod. Alles das reflektiert aus ihr heraus in ihr Spiel,
das zur Wahrheit wird, ehe man sich umdreht – und
sicher, sobald man dreht.«
Die Vorlage zu MADAME DE ..., eine Erzählung von
Louise de Vilmorin, findet Ophüls »un peu maigre ...
Madame de ... bien vide ... Die einzige Sache, die mich
an diesem eigentlich schmalen Roman berührt, ist seine Konstruktion. Es ist immer die gleiche Achse: ein
Paar Ohrringe. Aber dieses Detail der weiblichen Toilette vergrößert sich, erscheint in Großaufnahme, drängt
sich auf, beherrscht das Schicksal der Helden des Buches und führt sie schließlich in die Tragödie. Wenn ich
›Madame de ...‹ nicht für einen großen Roman halte, so
sehe ich ihn doch als eine schöne literarische Verschlagenheit an. Und diese Verschlagenheit ist die Form.«
Ophüls plant, den Film so zu drehen, dass die Schauspieler nie direkt zu sehen sind. Die Kamera soll die Figuren umkreisen, sie nur in Spiegeln oder eng begrenzten
Ausschnitten zeigen. Mit dieser tollkühnen Idee beginnt
MADAME DE ...: ein Schmuckkasten voller Juwelen und
ruhelos suchende Hände. Wir hören nur die Stimme
der Darrieux, ein trällernder Singsang, hingetupfte Worte: Je ne tirerai pas vingt mille francs de tous ça, ah,
ah ... 20.000 Francs muss Madame auftreiben, um
heimliche Schulden zu begleichen. Was könnte sie versetzen? Ihre Hand streift Spiegeltüren, öffnet Schränke,
streichelt Kleider und Pelze – soll sie sich davon trennen?
Auf keinen Fall. Nicht aus Sentimentalität, sondern aus
Liebe zu den Dingen selbst. Ein einziges Objekt ist mit
privaten Erinnerungen verbunden: ein Paar Ohrringe,
herzförmige Diamanten, das Hochzeitsgeschenk ihres
Mannes – davon kann sie sich trennen. Und jetzt sehen
wir sie: Danielle Darrieux im kleinen Oval des pompös
gerahmten Spiegels, ihr vanity table, wo Eitelkeit und Vergänglichkeit zusammenfinden. Die Darrieux als Baronin
und Generalsgattin, Gefangene und Handelnde in einem
überquellenden Boudoir.
Sie ist die elegante Französin par excellence mit
dem Talent, dann und wann mühelos leicht in Ohnmacht zu fallen. Wenn der Darrieux die Sinne schwinden, weiß niemand, wie ernst es ist, oder ob Madame
nur ihren Wünschen ein wenig Nachdruck verleiht.
Beim Verkauf der Ohrringe zögert der Juwelier ... die
53
Danielle Darrieux
Graf, sie alle begegnen und trennen sich, das Ehepaar
trennt sich nicht. Auf dem Kamin das Gleichmaß des
Uhrpendels und im Schlafzimmer getrennte Betten.
Die Darrieux liest Stendhal, ihr Gatte die Rechnungsbücher. Er vergnügt sich mit einem hübschen Mädel im
Séparée, sie verführt einen Jungen: Daniel Gélin, der
beim Liebesakt versagt. »Die Szene im Bett, in der ich
etwas beschämt bin, mich entschuldige, haben Danielle
und ich in ihrer Garderobe mit französischem Humor
geprobt: ein bisschen Feydeau, ein bisschen Sacha
Guitry mit der Absicht, lustig zu sein, und so haben wir
es Ophüls vorgespielt. Aber diese Komik à la française
wollte er überhaupt nicht, und ich erinnere mich noch,
wie er mit seinem deutschen Akzent sagte: ›Zeigt die
Melancholie der Impotenz‹.« (Gélin)
Die einzige Großaufnahme des Films: das erstaunte
Gesicht Simone Signorets, für einen Moment von den
Schultern Gérard Philipes verdeckt, der in der Rolle des
Grafen die Dirne zum Abschied auf die Augen küsst – in
Erinnerung an eine andere.
LE PLAISIR, 2. Episode: LA MAISON TELLIER. Hat je
ein Film in einem Bordell gespielt, das die Kamera nicht
betritt? Ophüls’ Kommentar: »Pardon, mais c’est une
LE PLAISIR
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›maison close‹!« Wie ein Fassadenkletterer turnt die
Kamera an Erkern, Mansarden und Fenstern entlang,
beobachtet zwischen den Lamellen der Jalousie die
Damen und die Gäste im Haus Tellier.
Danielle Darrieux ist Rosa, zuständig für die Honoratioren der Stadt – den Reeder, den Fischhändler, den
Holzhändler, den Handelsgerichtsrat. Wenn Rosa mal
nicht trinkt oder singt, dann träumt sie, erzählt von ihrem Ehemann, dem Vicomte de ..., von den Kleidern,
vom Schmuck, von den Blumen, die er ihr schenkt; sie
schwärmt von Berührungen, von Champagner und all
den Dingen, die der Vicomte ihr zuflüstert; langsam
nähert sich die Kamera, verweilt in Großaufnahme auf
dem Gesicht der Darrieux: ein Augenblick voller Lügen
und wahrer Träume: merveilleuse, haucht Rosa.
Jean Gabin, Madame Telliers Bruder und trunkener
Schreiner, versteht seinen Versuch, sich gewaltsam
und gratis bei Rosa zu bedienen als Familienangelegenheit. Er wolle sich ja nur bedanken. Das geht schief.
Beschämt sitzt er neben der Darrieux auf der Wiese, sie
pflückt Blumen und macht, was sie immer macht: Sie
trällert vor sich hin: Combien je regrette mon bras si
dodu, ma jambe bien faite et le temps perdu ...
monde, cela ne veut pas dire que nous ne puissions
pas être amis ... Guilbaud wechselt das Hemd, und
Madame genießt es, einen Mann im Haus zu haben.
Die Schroffheit des selbstbewussten Arbeiters und die
Darrieux in Rot und Schwarz, perfekt frisiert, Baronin einer untergegangenen Epoche, dem Weißwein sehr zugetan, gleichwohl Contenance bewahrend. Vor die Tür
geht sie nie, beschwert sich über Einsamkeit und zieht
alle in ihre Wohnung – die Lebenden und die Toten.
Die Darrieux war ein Geschenk, erzählt Demy,
sie habe mal etwas Wunderbares zu ihm gesagt:
»Ich bin ein Instrument, man muss mit mir spielen
können, man kann es oder man kann es nicht.« Die
Darrieux eine Stradivari, bereit für alles und ein Wunder an Ausgeglichenheit, Gesundheit und guter Laune.
À votre santé, Madame!
Martina Müller
Mayerling | Frankreich 1936 | R: Anatole Litvak | B:
Irma von Cube, Joseph Kessel, nach dem Roman von
Claude Anet | K: Jean Isnard, Armand Thirard | M:
Arthur Honegger | D: Charles Boyer, Danielle Darrieux,
Marthe Régnier, Yolande Laffon, Suzy Prim | 92 min |
OmU | Die tragische Liebesgeschichte zwischen Rudolf von Österreich-Ungarn und der 17-jährigen Mary
Danielle Darrieux
Wenn Danielle Darrieux gar nicht mehr spricht
und alles, was sie zu sagen hat, einfach singt, dann
ist das den Filmen von Jacques Demy zu verdanken.
Da hört sie nur auf zu singen, wenn sie raucht oder
trinkt, und sie trinkt und raucht, um weiter zu singen.
Dafür brauchte Demy keine Synchronstimme: »Sie hat
ein nahezu absolutes Gehör. Sie hatte das feinste Ohr
des gesamten Teams, sie hört sogar Vierteltöne, das
können die wenigsten.«
Mit acht sah Jacques Demy die Darrieux auf der
Leinwand, mit vierzehn malte er sie, mit fünfzehn hingen
ihre Fotos in seinem Zimmer. 1963 sollte sein Idol, der
Kino- und Theaterstar, die Rolle der Mutter in LES PARAPLUIES DE CHERBOURG (DIE REGENSCHIRME VON
CHERBOURG) spielen und singen, aber ihr Marktwert
und sein Produktionsbudget waren meilenweit voneinander entfernt. Drei Jahre später LES DEMOISELLES
DE ROCHEFORT (DIE MÄDCHEN VON ROCHEFORT), ein
Pop-Musical mit Gene Kelly, Catherine Deneuve und
Françoise Dorléac. Sie singen, tanzen, träumen von der
großen Liebe; ein Reigen voller Sehnsucht, Hoffnungen
und Begegnungen. Alle Glückssuchenden kommen in
das Bistro von Danielle Darrieux, sie ist die Anlaufstelle
für gesungene Wünsche und Träume – die Paare selbst
treffen sich nicht. Lauter verpasste Gelegenheiten, auch
für die Darrieux. Sie weiß nicht, dass der Mann, den sie
vor zehn Jahren abgewiesen hat, wieder in der Stadt
ist: Michel Piccoli, der Musikalienhändler Simon Dame,
musste auf seine große Liebe verzichten – Madame
wollte einfach nicht Dame heißen.
Vouloir le bonheur, c‘est déjà un peu le bonheur, heißt
es in LOLA, Jacques Demys Debütfilm, dem er Pleure
qui peut, rit qui veut vorangestellt hat und eine
Wid­mung: »à Max Ophüls«, dazu die Musik aus LE
PLAISIR.
In den 1950er Jahren schreibt Demy die Geschichte zu UNE CHAMBRE EN VILLE (EIN ZIMMER IN DER
STADT), 1982 kann er den Film drehen, alle Dialoge
werden gesungen – ein Film für die Darrieux. Dreißig
Jahre nach MADAME DE ... ist sie Baronin ohne Besitz
und Titel. J‘ai perdu ma particule et mes illusions en
épousant le colonel Langlois. Der Gatte ist tot, das Geld
reicht nicht, Madame Langlois hat einen Untermieter:
Guilbaud, Werftarbeiter. Er knallt die Türen, trinkt nicht
mal ein Glas mit ihr, streikt und demonstriert, stellt sich
gegen die Polizei. Das geht zu weit – einen Anarchisten möchte sie nicht beherbergen. Guilbaud droht mit
Auszug, die Darrieux bittet um eine Zigarette in seinem
Zimmer, raucht auf seinem Bett sitzend. Sie traue sich
nicht auf die Straße, der Menschenauflauf mache sie
nervös. Voyez-vous, nous ne sommes pas du même
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Vetsera im kaiserlichen Wien von 1888/1889 als
großes Melodram, das seinerzeit in Amerika zum besten
französischen Film aller Zeiten gewählt wurde.
 Dienstag, 25. April 2017, 18.30 Uhr
8 femmes (8 Frauen) | Frankreich 2002 | R: François
Ozon | B: Marina de Van, François Ozon, nach dem
Stück von Robert Thomas | K: Jeanne Lapoirie | M:
Krishna Levy | D: Danielle Darrieux, Catherine Deneuve,
Isabelle Huppert, Emmanuelle Béart, Fanny Ardant, Virginie Ledoyen, Ludivine Sagnier | 111 min | OmU | Originelle bonbonfarbene Kriminalkomödie mit Gesangs­
einlagen, die den Diven des französischen Kinos große
Auftritte bietet und zahlreiche Anspielungen auf die
Filmgeschichte aufweist.
Mittwoch, 26. April 2017, 18.30 Uhr
La ronde (Der Reigen) | Frankreich 1950 | R: Max
Ophüls | B: Max Ophüls, Jacques Natanson, nach dem
Stück von Arthur Schnitzler | K: Christian Matras | M:
Oscar Straus | D: Anton Walbrook, Simone Signoret,
Serge Reggiani, Danielle Darrieux, Jean-Louis Barrault,
Gérard Philipe | 109 min | OmU | Wie eine Nummernrevue, aber kunstvoll miteinander verknüpft, rollen die
Liebesgeschichten und Affären im Wien der Jahrhundertwende ab, bei denen immer einer der jeweiligen
Partner sozusagen »von Hand zu Hand« geht.
 Freitag, 28. April 2017, 21.00 Uhr
Danielle Darrieux
Le plaisir (Pläsier) | Frankreich 1952 | R: Max Ophüls
| B: Max Ophüls, Jacques Natanson, nach Geschichten
von Guy de Maupassant | K: Christian Matras, Philippe
Agostini | M: Joe Hayos | D: Danielle Darrieux, Pierre
Brasseur, Jean Gabin, Claude Dauphin, Gaby Morlay,
Daniel Gélin, Simone Simon | 97 min | OmeU | Drei
Geschichten von Guy de Maupassant: »Französischer
Impressionismus im Spiegel Wiens.« (Jean-Luc Godard). In der englisch untertitelten Version des Films
spricht Peter Ustinov den Text von Maupassant.
 Samstag, 29. April 2017, 21.00 Uhr
Madame de … | Frankreich 1953 | R: Max Ophüls
| B: Max Ophüls, Marcel Archard, Annette Wademant,
nach dem Roman von Louise de Vilmorin | K: Chris-
8 FEMMES
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tian Matras | M: Oscar Straus, Georges Van Parys |
D: Charles Boyer, Danielle Darrieux, Vittorio De Sica,
Jean Debucourt, Jean Galland, Mireille Perrey | 99 min
| OmU | Zwei Ohrringe bilden die Achse, um die sich
Liebesbeziehungen, Komplikationen, Versteckspiele
und Eifersucht drehen, in deren Mittelpunkt die Gattin
eines unflexiblen, hartherzigen Offiziers steht.
 Sonntag, 30. April 2017, 21.00 Uhr
Les demoiselles de Rochefort (Die Mädchen von
Rochefort) | Frankreich 1967 | R+B: Jacques Demy |
K: Ghislain Cloquet | M: Michel Legrand | D: Catherine
Deneuve, Françoise Dorléac, Georges Chakiris, Michel
Piccoli, Danielle Darrieux, Gene Kelly | 122 min | OmeU
| Bonbonfarbenes Musical über zwei Zwillingsschwestern, die bei der 300-Jahr-Feier der Hafenstadt Rochefort den Männern ihres Lebens begegnen. Mit Ausnahme von Danielle Darrieux wurden alle Darsteller in den
Gesangsszenen synchronisiert.
 Dienstag, 2. Mai 2017, 18.30 Uhr
Une chambre en ville (Ein Zimmer in der Stadt)
| Frankreich 1982 | R+B: Jacques Demy | K: Jean
Penzer | M: Michel Colombier | D: Dominique Sanda,
Danielle Darrieux, Richard Berry, Michel Piccoli, Fabienne Guyon, Jean-François Stévenin | 90 min | OmeU |
Eine »musikalische Tragikomödie«: Während des Werft­
arbeiterstreik in Nantes 1955 verlieben sich ein junger
Arbeiter und die verheiratete Tochter einer von Danielle
Darrieux gespielten mittellosen Baronin ineinander.
 Mittwoch, 3. Mai 2017, 18.30 Uhr
Der Interviewer als Menschenfresser
Erst spät richtet Georg Stefan Troller, der für das Fernsehen unzählige Menschen vor die Kamera holte, den
Blick auf seine eigene – von ironischen Zufällen durchzogene – Geschichte. In Österreich als Kind jüdischer
Eltern geboren, entgeht er mit 17 Jahren nur knapp der
Deportation. Kurz vor Kriegsende kehrt er als Soldat aus
Amerika zurück und erhält die erste Gelegenheit, seine
Menschenkenntnis zu schulen – bei der Vernehmung
deutscher Kriegsgefangener, die in ihm den Besatzer
sehen.
Ab den 1960er Jahren berichtet Troller im PARISER
JOURNAL aus der »einzigen Metropole« und bringt
im Anschluss für das ZDF über zwanzig Jahre lang
die berühmten PERSONENBESCHREIBUNGEN heraus.
Sein radikal subjektiver Interviewstil und ein Interesse
an widersprüchlichen Charakteren sind erst umstritten,
dann stilprägend für das junge Medium Fernsehen. Im
Mittelpunkt der Porträts und Reportagen steht dabei bis
zuletzt: das Individuum als Selbstdarsteller, Masken­
träger, leidvoll Verstrickter und Glücksuchender.
Mit messerscharfen Fragen seziert der Interviewer seine Protagonisten und schält Schicht um Schicht ihre
Wahrheit heraus, ohne jemals das innerste Geheimnis
der Person, ihre Würde, preiszugeben. Dabei ist dem
Beobachter bewusst: Es ist das eigene Gesicht, das
das Gegenüber vor der Kamera zurückspiegelt. In seinen besten Momenten verwandelt sich das Frage-Antwort-Spiel zum tiefempfundenen »Beichtgespräch« und
zur »Selbsttherapie«. Als »Menschenfresser« hat sich
Troller selbst einmal bezeichnet und damit doch immer
auch den Liebenden gemeint.
Unter seinen Protagonisten finden sich radikale Einzelkämpfer (MUHAMMAD ALI – DER LANGE WEG ZURÜCK),
Menschen, die von der Gesellschaft zu Außen­seitern gemacht wurden (RON KOVIC – WARUM VERSCHWINDEST
DU NICHT?) oder solche, die sich selbst ins Abseits
katapultiert haben (AMOK!). Der Hunger nach Geschichten führt den Journalisten auf die Straßen seiner Pariser Wahlheimat (TAGE UND NÄCHTE IN PARIS) und zu
den Mördern und Schwererziehbaren ins Gefängnis
(MORD AUS LIEBE, BEGEGNUNGEN IM KNAST). Erst im
Jahr 2001 konfrontiert sich der knapp 80-Jährige in
seinem Film SELBSTBESCHREIBUNG vor der Kamera
mit der eigenen Vergangenheit, der Kindheit in Wien
und dem Trauma der Migration. Troller legt dem Zuschauer das eigene Schicksal so offen, dass der vor
dem Bildschirm nicht umhin kommt, auszurufen: »Das
bin ja ich!« Anne Thomé / Daniel Sponsel
www.dokfest-muenchen.de
 Donnerstag, 4. Mai bis Sonntag, 14. Mai 2017 | Zu
Gast: Georg Stefan Troller
Georg Stefan Troller
© Norbert Schmidt, Gießen/Wettenberg
DOK.fest: Georg Stefan Troller
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Kurt Eisner
Kurt-Eisner-Ausstellung im Stadtmuseum
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Revolutionär und Ministerpräsident
Vor 150 Jahren, am 14. Mai 1867 in Berlin geboren,
wächst Kurt Eisner in einer bürgerlich-jüdischen Familie auf. Sein Studium muss er aus finanziellen Gründen aufgeben und beginnt eine journalistische Laufbahn beim Depeschenbüro Herold in der Hauptstadt
des Deutschen Kaiserreichs. Über Frankfurt gelangt
er nach Marburg und wird Redakteur der Hessischen
Landeszeitung. Als Verfasser von Zeitschriftenbeiträgen
kommentiert er mit spitzer Feder die gesellschaftlichen
und politischen Kämpfe unter dem »Neuen Kurs« der
Regierung Kaiser Wilhelm II. Das bringt ihm einen Gefängnisaufenthalt in Plötzensee wegen Majestätsbeleidigung ein. Danach – zum 1. Dezember 1898 – tritt
Eisner in die Sozialdemokratische Partei ein und geht
nach Berlin in die Vorwärts-Redaktion. Der radikalliberale, an Kant geschulte »Gefühls-Sozialist« Eisner
erarbeitet sich schrittweise eine sozialistische Welt­
anschauung, die sich sowohl von dem an Marx orientierten, als auch vom sogenannten revisionistischen
Parteiflügel unterscheidet: Ersteren hält er ihre »Politik
des demonstrativen Nichtstuns vor«, weil sie auf die
Revolution warten, die ihrer Auffassung nach auf Grund
der sich zuspitzenden Klassengegensätze zwangsläufig
kommen wird; letzteren wirft er vor, nicht konsequent
mit dem herrschenden System brechen zu wollen.
Schon früh schrieb er: »Wir müssen uns zur Socialdemokratie flüchten, selbst wenn wir ihre wirtschaftlichen
und taktischen Grundanschauungen nicht teilen. Sie
ist die einzige Zuflucht aller Idealisten, um sie kreisen
die Sympathien der Gesund-Gebliebenen...Und wenn
sie selbst kein anderes Verdienst hätten, diese Socialdemokraten, als daß sie die Massen organisieren, sie
zu bestimmten Gedanken erziehen und dergestalt aus
dem dunklen Chaos mit seinen unberechenbaren Explosionen eine in gesetzlichen Bahnen sich bewegende
geordnete Welt schaffen, deren Ideen man kennt und
mit deren Handlungen daher die Cultur rechnen kann,
wenn sie nichts besäßen als dieses Glück rücksichtsloser Ansprache und diesen opferwilligen Mut der Ueberzeugung, es genügte, mit ihnen zu sympathisieren,
selbst wenn man ihre Grundanschauungen nicht teilte.
Man wird nie das Bedürfnis haben, sie zu bekämpfen,
höchsten sie zu reformieren.«
1910 gelangt Kurt Eisner über ein zirka dreijähriges
Engagement bei der Fränkischen Tagespost nach München an das dortige SPD-Blatt Münchner Post. Kurz vor
Ausbruch des Krieges 1914 ändert der Internationalist
Eisner seine Überzeugung: Bis zur Balkankrise hatte er
unermüdlich die Expansionsgelüste und Kriegstreiberei
des deutschen Kaiserreichs angeprangert, jetzt, Ende
Juli 1914, warnt er eindringlich: »Der Zarismus muss
gebändigt werden durch die Einmütigkeit der Kulturvölker Europas, dann ist der Frieden für immer gesichert.« Er hat offiziösen Informationen seiner Münchner
SPD-Genossen vertraut, die bereits 1912 kolportieren,
der Angriff des zaristischen Russland stünde bevor.
Doch für Kurt Eisner dürfen und können die Kriegsziele der deutschen Reichsregierung nicht die der
Sozialdemokratischen Partei sein. Die Parteiführung,
die Mehrheit der Reichstagsabgeordneten in Berlin
und der Landtagsabgeordneten in München, sehen
das anders. Schon zum Ende des Jahres 1914 wird
er zum erklärten Kriegsgegner und sucht Kontakt zur
Antikriegsopposition innerhalb und außerhalb der SPD.
Im April 1917 wird er Mitglied der neu gegründeten Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei Deutschlands
(USPD), die sich für den sofortigen Frieden ohne Annexionen einsetzt.
In München wirkt er bereits seit 1916 als Integrationsfigur an die Seite junger Sozialisten und Sozialistinnen. Die jungen Arbeiterinnen und Arbeiter, darunter
viele verwundete junge Kriegsheimkehrer, lehnen sich
gegen die Bevormundung der sozialdemokratischen
Mutter-Partei auf. Sie wollten diesen Krieg nicht. So
Die Münchner Räterepublik | BRD 1971 | R: Helmuth
Ashley | B: Hellmut Andics | K: Manfred Ensinger, Jürgen Schoenemann | D: Charles Regnier, Peter Pasetti,
Carl Lange, Christoph Bantzer, Günther Ungeheuer,
Werner Kreindl, Dieter Eppler | 90 min (1. Teil), 87 min
(2. Teil) | »Die Anarchie, die abzuwehren die staats­
erhaltenden Figuren in Hellmut Andics’ Dokumentarspiel trachteten, ist, ins Apolitische und Theatermäßige
gewendet, selber ein Ingredienz dieser Reihe, das jeden
mal an die Rampe kommen lässt, wo er eine Bravournummer abliefern darf, das alles vorher Gezeigte desa­
vouiert, und damit keinem recht gibt und allem. Politisches und Historisches ist diesem dramaturgischen
Anarchismus schnuppe und höchstens als Vorwand für
Schnauf- und Dröhn-Arien willkommen, wie man sie
so burgtheaterhaft sonst nirgends mehr im Fernsehen
Kurt Eisner
gewinnt Kurt Eisner diese keimende Jugendbewegung
für eine wichtige Protestaktion auf dem Weg zur Revolution: den Januarstreik 1918. Der Hunger treibt die
Leute auf die Straße, in Münchner Rüstungsbetrieben
erwacht die Bereitschaft zum Widerstand. Eisner wird
als einer der Streikführer verhaftet und kommt erst
kurz vor Ausbruch der Revolution im Oktober 1918 als
nominierter Spitzenkandidat der Münchner USPD aus
der Untersuchungshaft. Die Tage vor der Bayerischen
Revolution sind geprägt von Parteiversammlungen und
öffentlichen Kundgebungen, auf denen der begnadete
Redner Kurt Eisner für Frieden und Revolution spricht.
Am 7. November folgen die auf der Theresienwiese versammelten Arbeiter und Soldaten der sich Bahn brechenden Bereitschaft zum Umsturz. Noch in der gleichen Nacht proklamiert Kurt Eisner die Gründung der
bayerischen Republik. Er wird der erste Ministerpräsident des Volksstaates Bayern und regiert mit seinem
Kabinett in Kooperation mit den in Selbstverwaltung
tagenden Arbeiter-, Bauern- und Soldatenräte.
Kurt Eisners unabhängige Sozialdemokraten sind im
Kabinett zur Zusammenarbeit mit der Mehrheitssozialdemokratischen Partei (MSPD) gezwungen, die die politischen Ziele Eisners nur sehr bedingt toleriert und auf
Neuwahlen zum bayerischen Landtag drängt. Gleichzeitig bringt Eisner mit seinen außen- und friedenspolitischen Vorstellungen und Aktivitäten bürgerlichkonservative und politisch stark rechts formierende
Kreise gegen sich auf. Als sich Kurt Eisner am 21. Fe­
bruar 1919 auf den Weg zum Bayerischen Landtag begibt, um seinen Rücktritt zu erklären, wird er von Anton
Graf von Arco auf Valley erschossen. Arco gehörte zum
Umfeld der rechtsnationalistischen antisemitischen
Thule-Gesellschaft. Vom 11. Mai bis 8. Oktober 2017
präsentiert das Münchner Stadtmuseum die Ausstellung »Revolutionär und erster bayerischer Ministerpräsident – Kurt Eisner (1867–1919) zum 150. Geburtstag«. Sie will von ihrer Aufgabenstellung her endlich
diesen homme de lettres, den politischen Journalisten,
der konsequent seinen ganz eigenen Weg vom sozial­
demokratischen zum sozialistischen Politiker vollzog,
umfassend darstellen. Das begleitende Filmprogramm
zeigt die sehr unterschiedliche Art von drei Fernseh­
sendern (ZDF, WDR und BR), sich in den Jahren 1969
bis 1971 mit der Geschichte der Räterepublik auseinanderzusetzen.
Ingrid Scherf
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zu sehen kriegt.« (Melchior Schedler) »Wichtigstes fällt
fort im Fernsehspiel; Belanglosigkeiten werden naturalistisch wiedergegeben; ganze Komplexe bleiben außer
Betracht; phantasievolle Ergänzungen verfälschen den
Duktus der Dokumente; Perspektiven und Tendenzen
treten nicht zutag; alles Faktische ist dem Range nach
gleich, rot gilt so viel wie weiß, das Mittel so viel wie
das Ziel. Die Politik: ein schmutziges Geschäft. Die Geschichte: eine Mischung aus Genre-Szenen und unbegreifbarer Fatalität, im einzelnen scheinbar vertraut, im
ganzen unerklärlich, irrational und von fremden Gesetzen bestimmt.« (Walter Jens)
 Dienstag, 16. Mai 2017, 18.30 Uhr (1. Teil: Kurt Eisner – Zwischen Demokratie und Diktatur) | Einführung:
Ingrid Scherf  Mittwoch, 17. Mai 2017, 18.30 Uhr
(2. Teil: Ende mit Schrecken)
Kurt Eisner
Rotmord | BRD 1969 | R: Peter Zadek | B: Tankred
Dorst, Wilfried Minks, Peter Zadek, nach dem Stück
»Toller. Szenen aus einer deutschen Revolution« von
Tankred Dorst | K: Bruno Hoffmann | D: Gert Baltus, Helmuth Hinzelmann, Werner Dahms, Siegfried Wischnewski, Wolfgang Neuss, Hans Schweikart, Gernot Duda,
Rudolf Forster | 85 min | Experimenteller Fernsehfilm
nach Tankred Dorsts Theaterrevue. »Peter Zadek hatte
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für seine Fernsehfassung Negativfilm und Positivfilm
so gemischt, übereinander kopiert, dass der flimmernd-unscharf-scharfe Eindruck historischer Filmdokumente entstand. Diese ›Verfremdung‹ war nicht die
einzige, die Zadek seinem Fernsehspiel zufügte, dabei
mit Recht von der Überlegung ausgehend, die meisten Fernsehspiele nutzten das Medium nicht aus, sondern seien entweder Tagesschau oder abfotografiertes
Theater. Zadek blendete immer wieder distanzierende
Hinweise ein, etwa wer wen spielt, drehte die Aktionen
aus ungewöhnlichen Perspektiven oder ließ Toller und
Leviné durch das München von 1968 spazieren, während sie die Probleme von 1919 besprachen. Das war
ein geschicktes Distanzierungsmittel: den Zuschauer
nicht zum Schlüssellochgucker der Geschichte zu machen, sondern ihm gleichzeitig den Eindruck zu vermitteln, wie die Wirklichkeit die Episode Räterepublik
auch in München hinter modernen Kaufhausfassaden
scheinbar spurlos hinter sich gelassen hat.« (Hellmuth
Karasek)
 Dienstag, 23. Mai 2017, 18.30 Uhr
Revoluzzer, Räte, Reaktionäre | BRD 1969 | R+B:
Wolfgang Kahle, Georg Walschus | K: Manfred Feichtner, Dieter L’Arronge | Mit Helmut Neubauer, Friedrich
Burschell, Joseph Breitenbach, Wilhelm Hoegner, Maurus Graf, Pilar von Bayern, Josef Müller, Erich Wollenberg, Karl Retzlaw, Heinrich Klüglein, Rosa MeyerLeviné, Anton Wolf | 93 min | Spannende Dokumentation des Bayerischen Fernsehens über die Entwicklung
des bayerischen Freistaats vom Beginn der revolutionären Demonstrationen am 7. November 1918 auf der
Theresienwiese bis zur Eroberung Münchens durch
Freikorps-Truppen. Neben Historikern kommen prominente Zeitzeugen zu Wort, deren Berichte von Fotos
und Filmaufnahmen illustriert werden: der erste bayerischen Ministerpräsident nach dem Zweiten Weltkrieg,
der Sozialdemokrat Wilhelm Högner, der Bruder von
Oskar Maria Graf, Maurus Graf, der deutschstämmige
amerikanische Porträtfotograf Josef Breitenbach, der
Journalist Erich Wollenberg, der Verleger Karl Retzlaw
und die Ehefrau von Eugen Leviné. – Es geht durch die
Welt ein Geflüster. München 7.11.1918– 2.5.1919 |
Deutschland 1989 | R+B: Ulrike Bez | K: Petra Gerschner, Thomas Willke | 42 min | Menschen, die als junge
Arbeiter und Arbeiterinnen auf der Seite der Revolution
standen, erzählen in diesem Videofilm, was für sie die
Revolution bedeutet und wie sie die blutige Niederschlagung durch die Freikorps miterlebt haben.
 Donnerstag, 25. Mai 2017, 19.00 Uhr | Zu Gast: Ulrike
Bez | Einführung: Ingrid Scherf
Ein Mann im Kampf mit sich selbst
Paul Thomas Anderson (INHERENT VICE, THE MASTER)
würde nur zu gerne eine Zeitmaschine haben, um mit
ihm drehen zu können. Stanley Kubrick holte ihn zweimal vor die Kamera. Auch John Huston, Henry Hathaway, Nicholas Ray, Robert Altman, Francis Ford Coppola
und Bernardo Bertolucci haben mit ihm gearbeitet.
Sterling Hayden (1916–1986) ist als Schauspieler ebenso hoch geachtet wie seltsam. Nicht in allen seiner
über 60 Filme war er gefordert. Seltsam schlafwandlerisch geht er oft durch seine Filme, cooler noch und
distanzierter als Robert Mitchum. Die Augen, ohnehin
für einen Mann seiner Größe zu klein, sind oft in unerreichbare Ferne gerichtet. Eine tiefe Heimatlosigkeit
zeichnet ihn, seine Körperlichkeit und Kraft stehen dazu
in eigentümlichem Kontrast. Er ist präsent auf der Leinwand, keine Frage, und mit seinen 1,95 m oft der Größte am Set. »Das ist eine Menge Mann, die du in diesen
Stiefeln herumträgst, Fremder« sagt John Carradine zu
ihm in JOHNNY GUITAR. Und dennoch ist dieser Mann
tief verletzlich und verwundbar. Kim Morgan hat Hayden
einmal in Sight & Sound gar mit Jesus verglichen.
Wenn Robert Mitchum eine Karriere daraus gemacht
hat, sich um nichts zu scheren (»Baby, I don’t care«),
gibt es bei Hayden nicht einmal das Nichts. Wenn er
die Nase rümpft, dann tut er das auch über sich selbst.
Wenn am Ende von Kubricks THE KILLING das geraubte
Geld in alle Winde zerstiebt, dreht er sich weg. Kunst?
Ambition? Größenwahn? Hayden steht stattdessen der
Fatalismus im Gesicht. Er hat echte Schiffbrüche erlitten, er war auch im wahren Leben DER HAVARIST – wie
der ihm gewidmete Brecht’sche Spielfilm heißt.
Kinogänger kennen Sterling Hayden als JOHNNY
GUITAR, den nur noch mit einer Gitarre bewehrten, des
Kämpfens müden Cowboy zwischen zwei Frauen aus
jenem TruColor-Western von Nicholas Ray, der von der
Surrealistischen Bewegung inszeniert zu sein scheint.
(Wen sonst als Hayden könnte man sich in dieser
Rolle vorstellen?) Kennen ihn als General Jack D. Ripper,
der in Stanley Kubricks DR. STRANGELOVE OR HOW I
LEARNED TO STOP WORRYING AND LOVE THE BOMB
den Dritten Weltkrieg anfängt, oder als den baumlangen
Gangster Dix Handley, der in John Hustons THE ASPHALT
JUNGLE auf einer Pferdeweide in Kentucky ins Gras
Sterling Hayden
JOHNNY GUITAR
Hommage à Sterling Hayden
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Arbeiten hatte Hayden auf die harte Art gelernt, als
Schiffsjunge, beim Rudern in den Beifang-Dorys im
sturmgepeitschten Nordatlantik, bei den Fischern von
Neuengland, den Gloucestermen aus Massachusetts,
die auf den Grand Banks mit den kanadischen Bluenoses um die besten Kabeljaufänge konkurrierten. Es
galt, als erster mit dem Fang zurück am Pier zu sein.
Hayden lernte so auch von Kapitalismus und Produktionsverhältnissen: Zwei Cent erhielt die Crew pro Pfund
Fisch; bis mittags, wenn seine Mutter zum Einkauf kam,
stieg der Preis auf elf.
Zeitlebens liebte er es, in rauester See zu segeln, er
war ein Windjammermann, ein Natural. Das Fieber der
Schiffe ergriff ihn schon jung. Im Alter von 20 Jahren
ging er als Erster Offizier mit dem Schoner »Yankee«
auf eine Weltumsegelung. Im Jahr darauf gehörte er als
Navigator zum Siegerteam des Fishermen’s Cup, des
Stanley Kubrick und Sterling Hayden bei den Dreharbeiten zu THE KILLING
Sterling Hayden
sinkt und stirbt. Vielleicht auch als Walfänger, der in
einer Westernstadt mit der Harpune zum Duell schreitet (TERROR IN A TEXAS TOWN), als trunksüchtigen
Schriftsteller in Altmans THE LONG GOODBYE oder
als Landarbeiter-Patriarch in Bertoluccis NOVE­CENTO.
Nur auf wenige Rollen war Hayden stolz. Dix Handley
gehört dazu. »Ich glaube nicht, dass es viele andere
Beschäftigungen gibt, bei denen du so gutes Geld bekommst und nicht genau weißt, was du da eigentlich
machst«, sagte er einmal. Die Schauspielerei blieb ihm
recht fremd. Rüdiger Vogler muss man erlebt haben,
wenn er, von bodenloser Nachdenklichkeit erfüllt, als
einer der drei Hayden-Darsteller in Wolf-Eckart Bühlers
DER HAVARIST sagt: »Aber was, wenn der Schauspieler
den größten Teil seiner Schauspielerei gar nicht vor der
Kamera verrichtet – wenn er vor der Kamera noch am
allerwenigsten Schauspieler ist?«
seine bitter bereute Tat. »Shirley« nannte er sich in den
Phasen der Selbstbezichtigung.
Über viele Jahre lag er mit sich selbst im Krieg.
Auch das steht in seinen Augen. Dreimal hat er die
Welt umsegelt, 18 Schiffe hat er im Lauf seines Lebens
besessen, vom Dreimastschoner bis zur Flussbarkasse, eines davon am Tag seines Eintritts in die KPUSA
gekauft und »Quest« (Suche) getauft. »Nicht viele können von sich sagen, diese zwei Dinge an einem Tag
gemacht zu haben«, kommentierte er das lakonisch.
Seine 1964 erschienene Biografie »Wanderer« ist ein
schonungsloses Buch der Abrechnung mit sich selbst,
literarisch hochrangig, der Beat Generation ebenso
zuzurechnen wie den großen Autoren der Ozeane. Bis
heute hat sich dafür kein deutscher Verlag gefunden.
Ebenso wenig wie für »Voyage. A Novel of 1896«, seine
»great American novel« über zwei Schiffspassagen, die
eine durch die Südsee nach Japan, die andere um Kap
Hoorn, zugleich eine Klassengeschichte Amerikas und
der Arbeiterbewegung. 700 gewaltige Seiten, das beste
Seefahrerbuch seit »Moby Dick«.
Hayden blieb ein Suchender, ein Nonkonformist. Marie
Windsor, die mit ihm in THE KILLING spielte, sagt: »Ich
habe Sterling Hayden ziemlich gut gekannt. Er war ein
stiller Mann, der im Lauf der Jahre immer komplizierter
und vielschichtiger wurde.«
Seine Karriere hatte Brüche. Filme 1941 und
1942, dann ab in den Krieg, 1949 Rückkehr im JohnWayne-Western EL PASO und dem Film noir MANHANDLED. 1950 John Hustons THE ASPHALT JUNGLE,
dann die HUAC-Katastrophe mit dem Verrat an sich
selbst, von Hollywood belohnt mit einem Rausch von
Filmen, in vielen von ihnen neben sich stehend, seltsamerweise nur ein einziger Piratenfilm dabei (THE
GOLDEN HAWK), 1956 in Kubricks THE KILLING, 1958
Flucht auf die See und Bruch mit Hollywood, 1963 seine Autobiografie »Wanderer«, 1964 wieder Kubrick mit
DR. STRANGELOVE, und ab da nur noch selten Filme.
Die letzte Arbeit in der TV-Bürgerkriegsserie THE BLUE
AND THE GRAY als der Revolutionär John Brown –
»Raising Holy Hell«.
Alf Mayer
The Asphalt Jungle (Asphalt-Dschungel) | USA 1950
| R: John Huston | B: Ben Maddow, John Huston, nach
dem Roman von W.R. Burnett | K: Harold Rosson | M:
Miklós Rózsa | D: Sterling Hayden, Jean Hagen, James
Whitmore, Louis Calhern, Sam Jaffe, Marilyn Monroe |
112 min | OF | Alles, was man sich nur wünschen kann,
ein Edelstein. Hustons bester Film noir – und Haydens
Lieblingsrolle. Ein Klassiker des Gangsterfilms nach einem Roman von W.R. Burnett, allen Moralins entkleidet.
Sterling Hayden
»Rennens für wirkliche Seeleute«, bei dem nur Crews
und Schoner aus dem tatsächlichen Fischeralltag teilnahmeberechtigt waren. »Sailor Like Movie Idol« stand
unter dem Zeitungsfoto. Es wurde der Grundstein für
Haydens Hollywoodkarriere. Zuvor aber segelte er noch
einen Dreimaster nach Tahiti, ging erst nach Hollywood,
als eine gerade erworbene frühere Kaiser-Yacht (die
»Meteor III«) havarierte. Paramount Pictures nahm ihn
als »den schönen blonden Wikinger-Gott« und »The
Most Beautiful Man in Movies« unter Vertrag. In seinem
ersten Film, dem Drama VIRGINIA, fand er sich neben
Fred MacMurray und dem englischen Star Madeleine
Carroll. Die Arbeit fand er lächerlich überbezahlt und
belanglos, weil sie nicht zu spüren war und sich niemand richtig scherte. Aber sie brachte Geld für ein
neues Schiff, und aus der Affäre mit Miss Carroll wurde eine Ehe (die erste von vieren). Beide unterbrachen
wegen des Zweiten Weltkriegs ihre Karrieren.
Er meldete sich zu den Marines, machte eine Geheimdienstkarriere, tat das, was er von der Pike auf gelernt
hatte: nämlich mit Schiffen umzugehen. Als OSS-Agent
dirigierte er von Bari aus eine Nachschubflotte von 400
Booten für Titos jugoslawische Partisanen in der Adria,
sprang auch hinter den Linien mit dem Fallschirm ab.
Vom Kampfesgeist der Balkankämpfer und ihrem Glauben an eine Sache stark beeindruckt, wurde er, zurück
in L.A., Mitglied der Kommunistischen Partei Amerikas
– für ein halbes Jahr. Die Theoriediskussionen langweilten ihn schnell, aber er geriet dennoch zwischen die
Fronten. Der hochdekorierte Marineoffizier, als einziger
US-Soldat des Zweiten Weltkriegs von den USA wie von
den Kommunisten (Tito) ausgezeichnet, ließ sich zu
einer »patriotischen Aktion« überreden und sagte am
10. April 1951 als freundlicher Zeuge vor dem Kongressausschuss zur Untersuchung unamerikanischer
Umtriebe (HUAC) aus. Im Klima der Kommunistenhatz,
in der die Hollywood-Kolumnistin Hedda Hopper »Konzentrationslager für die Roten« forderte, »ehe es zu spät
ist«, fürchtete er, das Sorgerecht für seine Kinder zu
verlieren. Also nannte er Namen. Ronald Reagan, damals (erst) Präsident der Schauspielergilde, schickte
ihm ein Telegramm: »Sterling, ich bin stolz auf dich!«
Über 2000 Presseausschnitte feierten ihn als Helden:
»Hayden Strips Bare His Commie Past.«
Hollywood belohnte ihn mit einer schnellen Folge von
Filmen. Doch Hayden zerbrach fast an seinem Verrat.
»Es kommt wohl selten vor, dass ein Mann mit Lobeshymnen überschüttet wird für etwas, wofür er sich zutiefst verachtet«, meinte er später. Verlorenheit lernte
er nicht auf den Weltmeeren, sondern in Hollywood
kennen. Zeit seines Lebens verachtete Hayden sich für
63
Taffe Dialoge und harte Charaktere auf beiden Seiten
des Gesetzes, eine junge Marilyn Monroe und Jean
Hagen als Haydens Gegenüber, deren Filmname »Doll«
nichts Lächerliches hat. Alles überschattet von der aufziehenden Kommunistenhatz in Hollywood, die Hauptdarsteller, Drehbuchautor und viele andere traf. Huston
zog 1952 nach Irland, Hayden litt lebenslang.
 Freitag, 19. Mai 2017, 21.00 Uhr
Sterling Hayden
Denver & Rio Grande (Terror am Rio Grande) | USA
1952 | R: Byron Haskin | B: Frank Gruber | K: Ray Rennahan | M: Paul Sawtell | D: Edmond O’Brien, Sterling
Hayden, Dean Jagger, Lyle Bettger, ZaSu Pitts | 89 min |
OF | Ein Eisenbahnfilm über zwei konkurrierende Eisenbahngesellschaften von einem Regisseur, der weiß, wie
man Landschaft dreht. Ray Rennahan, einer der ganz
großen Technicolor-Kameraleute, setzt die über 60 historischen Fahrzeuge aus dem 19. Jahrhundert ins Bild,
die für diesen Film reaktiviert wurden, darunter sechs
Dampflokomotiven. Mit einer schönen Schurkenrolle
für Hayden und mit zwei Zügen, die (von fünf Kamerateams gefilmt) aufeinander krachen. Edmond O’Brien
als Haydens Widersacher, baumstammdicke Klischees
und tolle Nebendarsteller, nicht nur das Drehbuch von
Pulpautor Frank Gruber lässt die Funken stieben.
64
Bond | 110 min | OF | Der seltsamste aller Western. Und
einer der größten. »Ich habe bis heute keine Ahnung,
worum es in diesem Film geht. Es war auch eine extrem
schwere Zeit für mich. Am Abend lag ich mit meiner
Frau im Krieg und tagsüber mit Joan Crawford. Joan
machte allen das Leben zur Hölle. Und ich versuchte,
Johnny Guitar zu spielen, aber ich kann weder Gitarre
spielen, noch kann ich singen. In ganz Hollywood gäbe
es nicht genug Geld, um mich je wieder in einen Film
mit Joan zu locken. Und ich liebe Geld. An die Popularität des Films habe ich mich einigermaßen gewöhnt, in
Frankreich ist es ein Kultfilm, in den USA hat niemand
davon gehört.« (Sterling Hayden)
 Freitag, 26. Mai 2017, 21.00 Uhr
 Samstag, 20. Mai 2017, 21.00 Uhr
Suddenly (Der Attentäter) | USA 1954 | R: Lewis Allen
| B: Richard Sale | K: Charles G. Clarke | M: David Raksin
| D: Frank Sinatra, Sterling Hayden, Nancy Gates, Kim
Charney, James Gleason | 75 min | OF | Ein Film noir
wie ein Uhrwerk mit einem jazzigen, kantigen, komplex
rhythmischen Score von David Raksin. Eine Perle des
B-Films, nach dem Kennedy-Attentat von Hauptdarsteller Frank Sinatra aus dem Verkehr gezogen. Hayden als Kleinstadt-Cop in einem Nervenkrieg mit dem
Auftragskiller John Baron, der den US-Präsidenten bei
einem Zwischenstopp in der Kleinstadt erschießen will.
Prince Valiant (Prinz Eisenherz) | USA 1954 | R: Henry Hathaway | B: Dudley Nichols, nach dem Comic Strip
von Hal Foster | K: Lucien Ballard | M: Franz Waxman
| D: Robert Wagner, Janet Leigh, James Mason, Debra
Paget, Sterling Hayden | 100 min | OmU | Ein Ritterfilm von hohen Graden, heute wohl camp pur. Robert
J. Wagner, der sich in seiner Autobiografie immer noch
über seine Perücke als Knappe von Haydens Sir Gawain geniert: »Dieser Film hat mir einige lebenslange
Freunde eingebracht, Janet Leigh etwa und Lucien Ballard. Und ich lernte auch Sterling Hayden kennen, einen
Mann, der – bis auf einige Ausnahmen – als Mensch
sehr viel interessanter war als seine Rollen. Er war ein
Purist mit interessanten politischen Ansichten, ziemlich
weit links. Und er war ohne Frage einer der erfahrensten Seeleute, die ich je getroffen habe. Auf dem Schiff
war er der Künstler, der er immer sein wollte.«
Hier treffen auch zwei Schauspielkonzepte aufeinander.
Hayden, ganz und gar minimalistisch, gewinnt. Nebenbei erfahren wir, wozu ein kaputter Fernseher gut ist,
und lernen, wie wichtig es sei, dass Knaben mit Waffen
aufwachsen, damit sie nicht zu Weicheiern werden.
 Sonntag, 21. Mai 2017, 21.00 Uhr
 Samstag, 27. Mai 2017, 21.00 Uhr
Johnny Guitar (Wenn Frauen hassen) | USA 1954 |
R: Nicholas Ray | B: Philip Yordan, Ben Maddow, Nicholas Ray, nach dem Roman von Roy Chanslor | K: Harry
Stradling | M: Victor Young | D: Joan Crawford, Sterling
Hayden, Mercedes McCambridge, Scott Brady, Ward
The Killing (Die Rechnung ging nicht auf) | USA
1956 | R: Stanley Kubrick | B: Stanley Kubrick, Jim
Thompson, nach dem Roman »Clean Break« von Lionel
White | K: Lucien Ballard | M: Gerald Fried | D: Sterling
Hayden, Coleen Gray, Vince Edwards, Marie Windsor,
Elisha Cook Jr. | 85 min | OF | Voll gepackt mit Schauspielveteranen und dem Geist des Film noir, in nur 20
Tagen gedreht – der Schnitt brauchte mehr – wird lange vor Tarantino nonlinear erzählt. »Schon in Kubricks
erstem von ihm selbst ernst genommenen Film muss
Sterling Hayden, nachdem der Millionenraub geklappt
hat, ohnmächtig zusehen, wie der Geldkoffer auf dem
Weg zum Flugzeug vom Transporter fällt und die Scheine im Propellersog über das Flughafengelände wirbeln.
Man sieht daran, dass Kubrick sich von Anfang an für
Geschichten interessierte, in denen das Leben allen Visionen von der Berechenbarkeit des Menschen einen
Strich durch die Rechnung macht.« (Michael Althen)
Leuchtturm des Chaos | BRD 1982 | R+B: Wolf-Eckart Bühler, Manfred Blank | K: Bernd Fiedler | mit
Sterling Hayden | 118 min | engl. OmU | Die New York
Times sah hier »documentary film making […] at its
most laissez faire« am Werk. Tatsächlich entstand der
Film spontan und aus der hohlen Hand, allerdings mit
einem in der Sache höchst vorbereiteten Filmemacher.
Wolf-Eckart Bühler hatte Hayden auf einer Barkasse
in Frankreich ausfindig gemacht, um sich die Film-
Crime of Passion (Das war Mord, Mr. Doyle) | USA
1958 | R: Gerd Oswald | B: Jo Eisinger | K: Joseph La­
Shelle | M: Paul Dunlap | D: Barbara Stanwyck, Sterling
Hayden, Raymond Burr, Fay Wray, Virginia Grey | 84
min | OF | Aus Spaß wird Ernst, eine schlagfertige Zeitungskolumnistin lernt einen harten Polizisten kennen.
Natürlich ist es undenkbar, dass sie in der Ehe weiter
arbeitet. Sie erträgt die Untätigkeit nicht und leidet darunter, dass ihr Mann keinerlei Ehrgeiz hat. Also nimmt
sie seine Karriere in die Hand, befreundet sich mit der
Frau seines Vorgesetzten und flirtet mit ihm. Stanwyck
war 50 und Hayden 41, als sie hier aufeinander trafen
und außer Kraft setzten, was sie eingangs so postulierte: »Ehe, das ist Propaganda – nicht für mich!« Ein Film
auf dem Höhepunkt des Schaffens von Gerd Oswald,
dem Sohn von Richard Oswald, angesiedelt an der
Grenzlinie von Film noir und Screwball Comedy.
rechte für dessen Autobiografie »Wanderer« zu holen,
hatte das darauf beruhende Drehbuch dabei, was den
ehemaligen Holly­woodstar dazu brachte, ihn zu einer
schnellen Dokumentation einzuladen. So entstand ein
schonungsloses Porträt, das sich meilenweit von anderen unterscheidet. Ein ziemlich einzigartiges, heftiges
Dokument der Filmgeschichte.
 Sonntag, 4. Juni 2017, 21.00 Uhr | Zu Gast: WolfEckart Bühler
Terror in a Texas Town (Sturm über Texas) | USA 1962
| R: Joseph H. Lewis | B: Dalton Trumbo | K: Ray Rennahan | M: Gerald Fried | D: Sterling Hayden, Sebastian
Cabot, Ned Young, Carol Kelly, Eugene Martin | 80 min |
OF | Kameramann Ray Rennahan war schon für die Farbsequenzen in der 1923er Version der TEN COMMANDMENTS verantwortlich gewesen, hatte Oscars für GONE
WITH THE WIND und BLOOD AND SAND gewonnen.
Hayden (mit schwedischem Akzent) kommt als Walfänger
in seinen Heimatort zurück, wo sein Vater von einem raffgierigen Ölbaron ermordet worden ist. Zum finalen Duell
kommt er mit einer Harpune. Der Soundtrack klingt wie
aus einem Beatnik-Nachtclub. Das Drehbuch stammte
vom blackgelisteten Dalton Trumbo, vor der Kamera traf
Hayden auf Nedrick Young, der vor dem HUAC-Komitee
die Aussage verweigert hatte.
Dr. Strangelove, or How I Learned to Stop Worrying
and Love the Bomb (Dr. Seltsam oder Wie ich lernte, die Bombe zu lieben) | USA 1964 | R: Stanley
Kubrick | B: Stanley Kubrick, Terry Southern, Peter
George, nach dem Roman »Red Alert« von Peter
George | K: Gilbert Taylor | M: Laurie Johnson | D:
Peter Sellers, George C. Scott, Sterling Hayden, Keenan
Wynn, Peter Bull, James Earl Jones | 95 min | OmU |
Hayden hatte einen schrecklichen ersten Tag vor der
Kamera: 48 Takes mit einer Zigarre im Mund, jeder
Dialogsatz schlimmer als der andere. Als er sich bei
Kubrick entschuldigte, sagte der: »Gräm dich nicht.
Der Terror in deinem Gesicht könnte uns gerade die
Qualität geben, die wir brauchen.« Haydens Rolle in
der – wieder äußerst aktuellen – pechschwarzen Weltuntergangskomödie ist dramatisch. Er löst den Dritten
Weltkrieg aus und liefert dabei eines der akkuratesten
Porträts von Militarismus.
 Samstag, 3. Juni 2017, 21.00 Uhr
 Montag, 5. Juni 2017, 21.00 Uhr
 Freitag, 2. Juni 2017, 21.00 Uhr
Sterling Hayden
 Sonntag, 28. Mai 2017, 21.00 Uhr
65
Der Havarist | BRD 1983 | R: Wolf-Eckart Bühler | B:
Wolf-Eckart Bühler, nach der Autobiografie »Wanderer«
von Sterling Hayden | K: Peter Gauhe | M: Konstantin
Wecker | D: Burkhard Driest, Rüdiger Vogler, Hannes
Wader, Nicolas Brieger, Hans Michael Rehberg | 100
min | Die selbstkritische Autobiografie des Seefahrers,
Partisanenkämpfers, Hollywood-Stars, Kommunisten
und FBI-Kollaborateurs Sterling Hayden als Literaturverfilmung, Tiefenanalyse, politisches Lehrstück, Exkurs
in den Film noir, im Geiste von Straub & Huillet, von
Brecht, Peter Weiss und Kellers »Der grüne Heinrich«.
Ein geradezu symphonisch gefügtes Werk, die Titelrolle
auf drei Schauspieler aufgespalten, die Musik von Konstantin Wecker komponiert, das heftige Klavierstück zu
Beginn eine Deklination des wilden Ritts, der die Zuschauer erwartet. Ein politischer Film – heute sogar
mehr denn je. Anpassung und Selbstverrat sind überall.
Sterling Hayden
 Freitag, 9. Juni 2017, 21.00 Uhr | Zu Gast: WolfEckart Bühler
66
The Godfather (Der Pate) | USA 1972 | R: Francis Ford
Coppola | B: Mario Puzo, Francis Ford Coppola, nach
dem Roman von Mario Puzo | K: Gordon Willis | M: Nino
Rota | D: Marlon Brando, Al Pacino, James Caan, Robert
Duvall, Sterling Hayden | 175 min | OmU | »Einer der
amerikanischen Klassiker, die das Wiedersehen immer
wieder lohnen« (David Thomson). Zum Beispiel für Al
Pacinos vielleicht wichtigste Szene. Als er in Gefahr
stand, vom Projekt gefeuert zu werden, wurde sie der
Wendepunkt seiner ganzen Schauspielerkarriere. Hayden als Kollege gab ihm Schub und das Gegenüber für
die Szene, in der Michael Corleone sich aufrafft, stählt
und zum ersten Mal tötet, indem er mitten in einem Lokal den korrupten, eisenharten Polizei-Captain McCluskey (Sterling Hayden) und den Mafiaboss Sollozzo (Al
Lettieri) erschießt. Dies war auch jenseits der Leinwand
Pacinos Durchbruch zum badass, eine Befreiung. Ab da
war ihm alles zuzutrauen.
 Samstag, 10. Juni 2017, 21.00 Uhr
The Long Goodbye (Der Tod kennt keine Wiederkehr) | USA 1973 | R: Robert Altman | B: Leigh Brackett,
nach dem Roman von Raymond Chandler | K: Vilmos
Zsigmond | M: John Williams | D: Elliott Gould, Nina van
Pallandt, Sterling Hayden, Mark Rydell, Henry Gibson,
Arnold Schwarzenegger | 112 min | OF | Das Drehbuch
dieser Chandler-Verfilmung stammt von Leigh Brackett,
1946 schon bei THE BIG SLEEP von Howard Hawks
mit Humphrey Bogart dabei. Elliott Gould ist ein cooler
Philip Marlowe, Hayden als der manisch-depressive,
ruhm- und trunksüchtige Schriftsteller Roger Wade
wirkt eigentümlich peripher und bildet doch das Zentrum. Wenn er sagt, »Ich bin ein Mann, der es nicht aushält, eingesperrt zu sein«, sagt er das auch über sich
selbst. Robert Altman: »Hayden spielte dieselbe Szene
zwei Mal, einmal war er betrunken, einmal bekifft, beide
Male war er großartig.«
 Sonntag, 11. Juni 2017, 21.00 Uhr
Novecento (1900) | Italien 1976 | R: Bernardo Bertolucci | B: Franco Arcalli, Giuseppe Bertolucci, Bernardo
Bertolucci | K: Vittorio Storaro | M: Ennio Morricone |
D: Robert de Niro, Gérard Depardieu, Dominique Sanda, Sterling Hayden, Stefania Sandrelli, Burt Lancaster,
Donald Sutherland, Alida Valli | 162 min (Teil 1), 154
min (Teil 2) | engl. OmU | Der epische Klassenkampf,
gesehen durch die Augen zweier Kindheitsfreunde am
Anfang des 20. Jahrhunderts in Italien. Auf Augen­höhe
sind hier auch Burt Lancaster und Sterling Hayden, dieser sogar viriler. Sie sind die Patriarchen. Hayden als
bäuerlicher Großvater Leo Dalco in einer großen proletarischen Rolle: »Zuerst waren die Bauern in der Welt,
erst dann kamen die Patrone.« Bertolucci traf Hayden
in Beverly Hills und verpflichtete ihn als italienischen
Bauern. »Warum mich?«, fragte ihn Hayden. Bertolucci
antwortete: »Als ich jung war, hat mich THE ASPHALT
JUNGLE auf immer beeindruckt. Deshalb.«
 Freitag, 16. Juni 2017, 21.00 Uhr (Teil 1: Gewalt,
Macht, Leidenschaft)  Samstag, 17. Juni 2017, 21.00
Uhr (Teil 2: Kampf, Liebe, Hoffnung)
The Outsider (Verrat in Belfast) | USA 1979 | R+B:
Tony Luraschi, nach dem Roman von Colin Leinster |
K: Ricardo Aronovich | M: Ken Thorne | D: Craig Wasson, Sterling Hayden, Patricia Quinn, Niall O‘Brien, T.P.
McKenna | 122 min | OF | Einer der unbekanntesten
und einer der besten Filme über die »Troubles« in Irland.
Man kann Schlechteres über einen Film sagen, als dass
er an Melvilles L’ARMÉE DES OMBRES anknüpft und
dessen Direktheit hat. Luraschi war Regieassistent bei
Stanley Kramer und Roger Vadim, versank nach diesem
wenig erfolgreichen Erstling wieder in die Obskurität.
Craig Wasson spielt einen amerikanischen VietnamVeteranen, der sich für seinen Großvater (Sterling Hayden) der IRA anschließt. Die eine Szene zwischen ihnen
trägt den Film. Dass britische Offiziere folterten und
sich beide Seiten des Konfliktes in zynischen Propa­
gandaspielchen ergingen, weckte in den USA unliebsame Erinnerungen an Vietnam.
 Mittwoch, 21. Juni 2017, 21.00 Uhr
Was man ihnen, den Filmen und den Protagonisten
damals, am allerwenigsten nachsagen könnte, wäre
Gelassenheit. Kämpferisch, eifernd, sendungsbewusst
und aufgebracht sieht man sie in den Dokumentarfilmen der späten 1960er und frühen 1970er Jahre; in
den Spielfilmen spürt man die Aufregung und Unruhe
kaum weniger. Die Bereitschaft zur Diskussion schien
groß zu sein, aber sie diente zu oft nur der Darstellung des eigenen Standpunkts, und die linken Proteste unterschieden sich in ihrer Wut kaum von der
rechten Gegenseite, wenngleich deren Sprache die
Parolen der Demonstranten auf der Straße an geistigem Niveau noch unterbot. Franz-Josef Strauß neigte
zu Vergleichen mit wilden Tieren; Franz-Xaver Unertl,
ein CSU-MdB, der damals auch gerne die Todesstrafe wieder eingeführt hätte, nannte Rudi Dutschke
»eine ungewaschene, verlauste, verdreckte Kreatur«
– so überliefert es Helga Reidemeister in ihrem Rückblick AUFRECHT GEHEN. RUDI DUTSCHKE – SPUREN
(1988). Der zeit­liche Abstand zu den 1968er Jahren tut
nicht nur diesem Film gut und bewahrt das Ergebnis,
bei aller Sympathie, vor hagiographischen Momenten.
Archivmaterial ist reichlich vorhanden und eher den
kämpferischen Filmstudenten der DFFB in Berlin zu
verdanken als irgendeiner bewussten Aufmerksamkeit der TV-Redakteure. Die Wochenschauen lieferten
vorzugsweise die Dokumente der politischen Gegner;
sie erscheinen heute eher noch hasserfüllter als die
gewachsene Gewaltbereitschaft der Studenten auf der
Straße. Wer heute das Vokabular von Pegida und AfD
beklagt, wird sich wundern, wenn er an die Sprache
und an das Gedankengut der damaligen Großen Koalition erinnert wird.
Im Nachhinein überrascht auch die unendliche
Diskrepanz zwischen den vielen voller Leidenschaft
geführten Diskussionen und einer tragfähigen Diskussionsbereitschaft. Ideologische Selbstgewissheiten
dominierten, damals waren, auch in den Filmen, erstaunlich viele Verkünder von Heilslehren unterwegs,
wie Fassbinders Hirte Hans Böhm, der in DIE NIKLASHAUSER FART (1970) den Aufstand der Armen predigt oder Lemkes Studentin Anka in BRANDSTIFTER,
die nicht länger diskutieren, sondern endlich bomben
will. Aber auch Ikonen des Protests, wie Fritz Teufel
und noch mehr Dieter Kunzelmann (in Georg Hafners
MÜNCHEN 1970 und in AUFRECHT GEHEN) befremden
aus heutiger Sicht durch ihre offenkundige Unfähigkeit,
eigene Meinungen zu überdenken oder zur Diskussion
zu stellen. Die Zeit der APO waren auch Jahre der
apodiktischen Verkünder. Bei aller erkennbaren Radikalität erscheint allein Rudi Dutschke dazu bereit, auch
einmal eingenommene Positionen zu überdenken oder
Zweifel zuzulassen. Besonders dem suchenden Fassbinder – auch darin war er bis zu seinem Beitrag zu
DEUTSCHLAND IM HERBST eine Ausnahme – bedeuten
die gestellten Fragen weit mehr als die gegebenen Antworten. Merkwürdigerweise erweisen sich auch viele
prominente Bildende Künstler von damals als etwas
selbstverliebt, auch in die eigenen Parolen, manchmal
bis zur Eifersucht, wie es zwischen Wolf Vostell und
Joseph Beuys in Helmut Herbsts enzyklopädisch großer
und leidenschaftlicher Bestandsaufnahme HAPPENING.
KUNST UND PROTEST 1968 zu beobachten ist.
Von der Ikone zur Heroisierung ist es nur ein kleiner
Schritt. Die Sehnsucht der protestierenden Studenten
nach Harmonie mit den Arbeitern war nicht nur vergeblich, sondern verkannte auch die Wirklichkeit. In den Filmen kommt das kaum noch vor, allein Dutschke schien
den Widerspruch klar erkannt zu haben – im Gegensatz
zu manchen Filmemachern. Ich erinnere mich an die
Kurzfilmtage in Oberhausen, es war wohl 1969. Da lief
eine ganze Reihe von Dokus über diskutierende Arbeiter, die allesamt wie von angehenden Filmemachern zur
Meinungsäußerung genötigt erschienen. Das Peinliche
daran war, dass man sie kaum verstehen konnte, weil
einfach der Ton zu schlampig aufgenommen wurde
2. Juni 1967
LIEBE UND SO WEITER
2. Juni 1967 und danach
67
2. Juni 1967
68
LIEBE UND SO WEITER
und die Kamera einen chancenlosen Kampf gegen Unschärfen und Wackler führen musste. Meine Fragen, ob
man damit den Arbeitern einen Dienst erweisen würde,
wenn sie weder im Focus zu sehen noch akustisch zu
verstehen sind, wurden in den folgenden Diskussionen
abgeschmettert: Sie seien Ausdruck einer »bürgerlichen Scheiß-Ästhetik«. Manches Opus hatte damals
seine Aufnahme ins Festivalprogramm allein dem
Umstand zu verdanken, dass darin, wie auch immer,
Arbeiter vorkamen.
Im Rückblick ist es erstaunlich und nur mit einem
heute kaum noch vorstellbaren politischen Engagement von Filmemachern und Produzenten zu erklären,
wie viele Dokumentarfilme damals entstanden, die
schon wegen ihrer Länge so gut wie keine Chancen auf
eine Aufführung im Kino hatten und deren Herstellung
auf 16mm-Filmmaterial weit kostspieliger war als die
heutige digitale Technik. Aber es gab weit mehr alternative Spielstätten als heute, und die TV-Redaktionen,
vor allem in den dritten Programmen, waren in einem
ganz anderen Ausmaß für Abweichungen zu gewinnen;
die Länge der Filme war nicht so streng genormt, die
Redakteure zeigten sich offener und mutiger, egal ob
in ästhetischer oder politischer Hinsicht, oder auch nur
in den Sendelängen einzelner Arbeiten. Unvorstellbar
wäre heute, dass eine Spielfilmredaktion wie die des BR
Filme des experimentierfreudigen, anarchischen Vlado
Kristl (zum Beispiel seine SEKUNDENFILME) produzierte. Ebenso würde sich heute schwerlich ein Sender an
dem durchaus riskanten ersten Kinofilm Peter Zadeks
beteiligen, an ICH BIN EIN ELEFANT, MADAME!, bei dem
der WDR 1968 als Koproduzent firmierte. Hier erreicht
der Protest von Abiturienten seinen Höhepunkt, als der
Schüler Rull ein Hakenkreuz auf die Fassade des Gymnasiums pinselt – eine Provokation, die heute sicher
als Gegenteil des Beabsichtigten verstanden würde.
Zadek lässt in einem genialen Moment des Films die
Wirklichkeit einbrechen, er verlässt die Fiktion, schickt
den populären TV-Moderator Guido Baumann mit einem Kamerateam auf die Straße und dokumentiert die
wütenden realen Reaktionen der Bürger. Als Zuschauer
hat man das Gefühl, dass es gewiss nicht die Linken
sind, die sich gegen die Darstellung des NS-Symbols
ereifern – eher ist das Gegenteil zu spüren.
Wenn das Wiedersehen nicht eine radikale Neueinschätzung gerade der Spielfilme von damals erzwingt,
dann war in ihnen häufig schon die Kompromissbereitschaft angelegt, der einige Regisseure wenig später
zum Opfer fielen. Wie zum Beispiel George Moorse, der
in LIEBE UND SO WEITER (1968) neue Lebensentwürfe und Utopien zu karikieren, zu parodieren und damit
auch zu entschärfen beginnt. Was ihn aber mit vielen
anderen Arbeiten des einstigen Neuen Deutschen
Films verbindet, ist die Auflösung einer traditionellen
Dramaturgie zu Gunsten erzählerischer Collagen; das
mag manchmal anarchisch aussehen, dient aber oft
nur als Hilfsmittel beim Versuch, Geschichten voranzubringen. Notfalls durchbricht man einfach das Erzählte
und weicht aus auf dokumentarisches Material, das
dramaturgisch kaum mehr als die Funktion von Zwischenschnitten erfüllt.
So sehr haben sich die Zeiten geändert: Wer aus
der nächsten und übernächsten Generation würde
heute noch die Abkürzung »APO« verstehen? Für die
Jungen sei sie entschlüsselt: »Außerparlamentarische
Opposition«. So gut wie nichts ist davon geblieben, und
die Filme von oder über damals evozieren heute meist
das Gefühl einer unendlichen Ferne – eben auch in Zeiten, in denen die militanteren Proteste auf den Straßen
und Plätzen der deutschen Städte von rechts kommen.
Pegida als außerparlamentarische Opposition? Was für
eine traurige Entwicklung!
»Geh doch nach drüben!« Nicht nur in Zadeks
Schulklasse, sondern auch auf den Straßen, vor allem
in Westberlin, wird damit Kritik runtergebügelt. Leider
sind auch die Filme von drüben mit den Protesten im
Westen nicht so umgegangen, als hätte man vielleicht
lieber »drüben« gelebt. Ein ebenso perfides wie lächerliches Stück Propaganda war Harry Hornigs OSTERN
68: heute eher ein Kuriosum, damals auch deshalb
ärgerlich, weil man die Tonart dieses vom DEFA-Studio
für Wochenschau produzierten Dokumentarfilms (vielleicht sollte man hier für den Begriff besser Anführungszeichen verwenden!) sonst eher von den Pamphleten
des Armeefilm-Studios der DDR zu erwarten hatte.
Zu den ersten Studentendemos gegen Axel Springer
lässt Hornig anmerken: »Die Einheitsfront gegen den
geplanten Staatsstreich beginnt sich zu formieren!«
Mit »Staatsstreich« sind die umstrittenen deutschen
eindreschen durften, ohne dass die Polizei eingegriffen
hätte. Im Gegenteil: Die Polizei stellte sich mit Wasser­
werfern und Knüppeln auf die Seite der Schläger aus
Persien. So hatte ein Staatsbesuch, der trotz aller Proteste hätte marginal bleiben können, kaum absehbare Folgen. Von ihnen erzählt auch Georg M. Hafner in
MÜNCHEN 1970 – ALS DER TERROR ZU UNS KAM. Die
Bundesregierung hatte nichts gegen den Rechtsbruch
der Schah-Agenten unternommen, hatte gekuscht, wie
1972 nach den Terror-Anschlägen der PLO und anderen Gelegenheiten, als die Täter einfach nur abgeschoben wurden, aus Angst vor weiteren, möglicherweise
noch brutaleren Anschlägen. Geholfen hat das, wie
man heute weiß: nichts. Die zentrale Frage, wie man
Gewalt begegnen oder bewerten, begründen oder bekämpfen soll, bleibt in all diesen Filmen ungelöst. Am
beeindruckendsten stellen sie Helmut Gollwitzer und
Karola Bloch in AUFRECHT GEHEN. Karola Bloch, die
streitbare alte Dame, gesteht zunächst ihre Freude
über Tomaten, die auf reaktionäre Professoren geworfen werden. Wenig später plädiert sie für Gewalt gegen
»Menschen, die dem Fortschritt schaden«! Ohne zu
erläutern, was Fortschritt denn sei. Heute würde man
fragen, ob zum Beispiel Gentechnik ein Fortschritt sei.
Damals hielt ihr Gollwitzer, der Theologe, der sich auch
für das Engagement von Christen in revolutionären Bewegungen engagierte, entgegen: »Es hat keinen Sinn,
auch nur einen Stein zu werfen! Gewalt ist Selbstbefriedigung!« Sinn, so Gollwitzer, macht allein Aufklärung.
Auch deshalb lohnt sich der Blick auf diese Filme.
Hans Günther Pflaum
Une jeunesse allemande (Eine deutsche Jugend) |
Frankreich 2015 | R+B: Jean-Gabriel Périot | M: Alan
Mumenthaler | 93 min | OmU | Ein Kompilationsfilm, der
mit Bildern und Szenen aus Nachrichten, Filmen und
Fernsehsendungen eine Geschichte der Studentenrevolte von Mitte der 1960er Jahre und der Radikalisierung einiger ihrer Protagonisten entwickelt, die 1978
mit den Selbstmorden in Stammheim endet. Erstaunlich ist die Fülle wenig bekannter Filmaufnahmen aus
den Archiven von Fernsehsendern und der Deutschen
Film- und Fernsehakademie in Berlin.
 Dienstag, 30. Mai 2017, 18.30 Uhr
Ich bin ein Elefant, Madame! | BRD 1969 | R: Peter
Zadek | B: Wolfgang Menge, Robert Muller, Peter Zadek,
frei nach dem Roman »Die Unberatenen« von Thomas
Valentin | K: Gérard Vandenberg | D: Wolfgang Schneider, Heinz Baumann, Margot Trooger, Günther Lüders,
Tankred Dorst, Peter Palitzsch | 100 min | Bremen im
2. Juni 1967
Notstandsgesetze (1968) gemeint. »Die Koalition ist
sich einig«, behauptet der Film, »gegen Demokraten
helfen nur Soldaten!« Als hätte jemals Militär in die militanten Auseinandersetzungen auf den Straßen eingegriffen – und als hätte die Bundesrepublik in Westberlin
Soldaten stationiert. Auch von Mordkommandos ist
die Rede – viele Jahre bevor der Polizist, der den Studenten Benno Ohnesorg erschoss, als Mitarbeiter des
MfS (Ministerium für Staatssicherheit) enttarnt wurde.
Der Attentäter, der auf Rudi Dutschke schoss, wird als
»regierungstreuer Faschist« bezeichnet. Weil der Film
den Terminus »Deutschland« vermeiden will, heißt zum
Beispiel die SPD hier nur »SP«; wenn es um Demonstranten geht, dann sind es hier vor allem die wackeren Genossen von der KP – sichtbar vor allem in den
gezeigten Transparenten und Plakaten. Vielleicht aber
hat kein anderer Film den ideologischen Irrsinn beider
Seiten – wenngleich eher unfreiwillig – treffender und
gleichzeitig unwahrhaftiger abgebildet als OSTERN 68.
Besonders ärgerlich ist dabei, dass der DEFA-Regisseur auch noch versucht, die Bürger seines eigenen
Landes für dumm zu verkaufen.
Erstaunlich wenig ist – in fast allen Filmen der Zeit –
von den Einflüssen der Proteste in Frankreich die Rede;
schon früh ist der Blick beschränkt auf die eigene nationale Auseinandersetzung. Allenfalls übernahmen die
Spielfilmregisseure neue Formen, wie sie vor allem von
Jean-Luc Godard entwickelt wurden. Mit Anspielungen auf und Anleihen bei Godard schienen sich viele
deutsche Filmemacher gleichsam selbst zu adeln und
legitimieren zu wollen.
Vielleicht ist es am Ende ausgerechnet ein Franzose,
Jean-Gabriel Périot, dem die genaueste und umfassendste Beobachtung der 1968er Generation gelungen
ist. In UNE JEUNESSE ALLEMANDE, realisiert allerdings
erst 2014/15, blickt er kritisch und analytisch zurück
auf die Bundesrepublik der sechziger und siebziger
Jahre und auf die Entwicklung der RAF und ihre pervertierte Spätphase, in der Ulrike Meinhof erklärt hatte,
Polizisten seien keine Menschen, sondern Schweine.
Und auf sie könne geschossen werden. Der Kompilationsfilm, mit Ausschnitten aus Arbeiten von Hellmuth
Costard, Thomas Mitscherlich, Holger Meins, Helke
Sander, Rainer Werner Fassbinder und anderen, auch
mit zeitgeschichtlichen TV-Dokumenten und Zitaten
aus Talkshows und Politmagazinen, protokolliert er mit
den filmischen Entwicklungslinien die einflussreiche
Geschichte der Berliner Film- und Fernsehakademie;
ebenso genau berichtet er von einem Schlüsselereignis
der APO, vom Besuch des Schahs und seiner begleitenden Agenten, die auf protestierende Demonstranten
69
Jahr 1968: Der Schüler Rull revoltiert gegen Eltern
und Lehrer. Zadek nutzt alle Stilmittel und Formen des
Kinos, der hämmernde Sound von The Velvet Under­
ground trifft auf Freddy Quinns Skandal-Lied »Wir« und
Martin Böttchers Winnetou-Melodie.
 Mittwoch, 31. Mai 2017, 18.30 Uhr
1968: Kunst, Protest, Happening | BRD 1981 (2010)
| R: Helmut Herbst | B: Helmut Herbst, Friedrich Heubach | K: Helmut Herbst, Irina Hoppe | Mit Wolf Vostell,
Allan Kaprow, Jean-Jacques Lebel, Al Hansen, Joseph
Beuys, Nam June Paik, Ben Vautier, Peter O. Chotjewitz | 76 min | Ein spannender Dokumentarfilm über
die Happening-Kunstszene Ende der 1960er Jahre und
die Aktionen der Studentenrevolte, die ihre eigene Form
des Happening entwickelten. Wolf Vostell zeigt sich
enttäuscht, dass die Künstler »von den gesellschaftsverändernden Kräften« nicht in Anspruch genommen
wurden.
2. Juni 1967
 Dienstag, 6. Juni 2017, 18.30 Uhr | Zu Gast: Helmut
Herbst
70
Polizeifilm | BRD 1969 | R+ K: Wim Wenders | B: Albrecht Göschel, Wim Wenders | D: Jimmy Vogler, Kasimir
Esser, Peter Frötschel | 12 min – Brandstifter | BRD
1969 | R+B: Klaus Lemke | K: Robert van Ackeren | D:
Margarethe von Trotta, Iris Berben, Veith von Fürstenberg, Christian Friedel, Dieter Noss, Marquard Bohm |
65 min | Die in der außerparlamentarischen Opposition
aktive Studentin Anka hat von folgenlosen Diskussionen
die Nase voll. Da sie mit Worten allein die Welt nicht
verändern kann, plant sie eine militante Aktion und deponiert in einem Kölner Kaufhaus eine Bombe.
na, Claudia Bremer, Rolf Zacher, David Llewellyn, Willy
Semmelrogge, Wim Wenders | 84 min | Alltageleben
und Liebesbeziehungen in einer Münchner Wohngemeinschaft als Pop-Collage mit Zwischentiteln, Leuchtschriften und bunt gefärbten Wochenschauaufnahmen
von prügelnden Polizisten. Moorse stellt Hochkultur
neben Subkultur, Konzertsaal neben Maoisten-Café,
Jugendstilreminiszenzen neben Pissoir-Parolen.
 Mittwoch, 14. Juni 2017, 18.30 Uhr
München 1970. Als der Terror zu uns kam |
Deutschland 2012 | R+B: Georg M. Hafner | K: Svea
Anderson, Detlev Dinges, Virginie Jolivet, Colin Rosen |
90 min | Georg M. Hafner schaut zurück auf seine Zeit
als Student in München, als er mit der Studentenbewegung sympathisierte. Als unmittelbarer und unbeteiligter Zeuge erlebt er antisemitische Terroranschläge, die
er in seinem preisgekrönten Film nach mehr als vierzig
Jahren mit Hilfe von Experten und Familienangehörigen
der Opfer, mit Archivmaterial und aufgrund eigener Recherchen rekonstruiert – und bewertet.
 Dienstag, 20. Juni 2017, 18.30 Uhr | Zu Gast: Georg
M. Hafner
Die Niklashauser Fart | BRD 1970 | R+B: Rainer Werner Fassbinder, Michael Fengler | K: Dietrich Lohmann
| M: Peer Raben | D: Michael König, Hanna Schygulla,
Rainer Werner Fassbinder, Margit Carstensen, Günther
Kaufmann, Walter Sedlmayr, Kurt Raab | 86 min | »In
einer zeitlosen Epoche, deren äußere Merkmale meist
dem heutigen Europa, zum Teil aber auch der Dritten
 Mittwoch, 7. Juni 2017, 18.30 Uhr
Ostern 68 | DDR 1968 | R+B: Harry Hornig | K: Werner
Heydn, Artur Kilius | 14 min | Polemischer Blick auf die
Studentenunruhen in West-Berlin. – Aufrecht gehen.
Rudi Dutschke – Spuren | BRD 1988 | R+B: Helga
Reidemeister | K: Lars Barthel, Judith Kaufmann, Hartmut Lange, Fritz Poppenberg | Mit Erich Fried, Karola
Bloch, Helmut Gollwitzer, Alfred Dutschke, Hosea-Ché
Dutschke, Bernd Rabehl, Dieter Kunzelmann, Klaus
Wagenbach | 92 min | Dutschkes Lebensgeschichte
als Ausgangspunkt für Fragen über gesellschaftliche
Fragen, Widersprüche, Konflikte und Entwicklungen.
 Dienstag, 13. Juni 2017, 18.30 Uhr
Liebe und so weiter | BRD 1968 | R: George Moorse |
B: George Moorse, Klaus Lea | K: Gérard Vandenberg |
M: David Llewellyn | D: Vera Tschechowa, Vadim Glow-
Welt sowie dem europäischen Mittelalter und Rokoko
zugehören, tritt ein Hirte als Laienprediger auf und erhebt in seinen Ansprachen sozialrevolutionäre Forderungen.« (Wilhelm Roth)
 Mittwoch, 21. Juni 2017, 18.30 Uhr
Zuschauerkino – Kurzfilmabend des MFZ
?
Kontakt: Filmmuseum München, St.-Jakobs-Platz 1,
80331 München, [email protected], Telefon:
089/23327718.
 Donnerstag, 1. Juni 2017, 19.00 Uhr | Die Filme­
macher und Filmemacherinnen sind anwesend.
Zuschauerkino
Zuschauer­
kino-Filmabend erhalten. Darüber hinaus
bestehen keine weiteren Verpflichtungen des Filmmuseums. Es wird vorausgesetzt, dass die Teilnehmer und
Teilnehmerinnen über die Rechte an ihren Filmen ver­
fügen und diese am Abend vor der Projektion kurz vorstellen.
MM & BB: Matthias Mondon, Brigitte Bruns
Beim Kurzfilmabend des Münchner Filmzentrums e.V.
(MFZ) können Amateure, Enthusiasten und Profis zweimal im Jahr ihre Filme auf der Leinwand des Film­
museums einem interessierten Publikum präsentieren
und sich mit anderen Filmemachern vernetzen.
Vor jedem Film erzählen Beteiligte von Hintergründen,
Entstehungsgeschichte oder Besonderheiten ihres
Werks. Im Anschluss an die Vorführung bietet das MFZ
eine Begegnungsmöglichkeit, damit alle Anwesenden
miteinander ins Gespräch kommen und sich austauschen können (für Erfrischungen ist gesorgt).
Filme einreichen können alle, die einen Kurzfilm gedreht haben, unabhängig von Inhalt oder Format des
Films, ob Spielfilm oder Dokumentation, Real-, Kunstoder Animationsfilm. Das MFZ wählt unter den ein­
gereichten Filmen aus und stellt ein etwa anderthalbstündiges Programm zusammen.
Die Filme müssen bis Donnerstag, den 18. Mai 2017
im Filmmuseum vorliegen. Möglich sind die Formate
35mm, 16mm, DigiBeta, BetaSP, DVD-Video, Blu-ray
und DCP. Dateien wie mov, mp4 etc. müssen auf USBStick oder Festplatte eingereicht werden. Zugelassen
sind nur Filme bis zu 12 Minuten Länge. Alle Einreichenden, deren Filme im Programm gezeigt werden,
können an der Kasse bis zu fünf Freikarten für den
71
Miranda Pennell
THE HOST
Underdox-Halbzeit: Miranda Pennell
72
Die britische Künstlerin Miranda Pennell (*1961 in London) studierte zeitgenössischen Tanz in New York und
Amsterdam und später visuelle Anthropologie in London. Beide Seiten, Körper und Theorie, vereinen sich
in ihren Filmen und lassen die Wirklichkeit in rituellen
Phänomenen gesellschaftlicher Gewohnheiten erkennbar werden. So das winterliche Schlittschuhlaufen einer
Gruppe von Mädchen auf einem zugefrorenen See inmitten einer finnischen Stadt, das Gitarrenspiel heranwachsender Jungs in ihrem Jugendzimmer (MAGNETIC
NORTH, 2003), der Faustkampf zwischen (gecasteten)
Hooligans in einem Londoner Pub (FISTICUFFS, 2004)
oder die Muster alltäglicher Bewegungen, die Pennell
durch die Eingriffe des kinematografischen Dispositivs
rhythmisiert, be- und entschleunigt (LOUNGE, 1995).
Rituale der militärischen Welt und der größeren geopolitischen Zusammenhänge finden bereits 2001 in
TATTOO die Aufmerksamkeit der Künstlerin, wenn sie
die Exerzitien eines Regiments inmitten der unberührten Natur als absurden militärischen Drill zeigt, dessen
einzige Zeugen die Vögel und Bäume sind.
In ihren beiden jüngsten Arbeiten wendet sich Pennell
von inszenierten Choreografien der Präsenz ab. Ihr Interesse gilt nun dem Nachwirken der britischen Kolonialzeit,
und sie taucht als Forscherin in die Archive der eigenen
Familie und der offiziellen Geschichtsschreibung ein.
Historische Fotografien, die sie wie Körper einsetzt, werden rhythmisiert und in neue Konfigurationen gebracht
– eine choreografierte Vergangenheit, die neue Bezüge
offenbart. WHY COLONEL BUNNY WAS KILLED (2010)
basiert auf den Tagebüchern eines ihrer Urväter während
einer medizinischen Mission im afghanischen Grenzgebiet und seziert die britische Selbstdarstellung an der
nordwestlichen Grenze von Indien. THE HOST (2015) ist
Pennells erster Langfilm und Bestandteil ihrer Doktorarbeit »Film as an archive for colonial photographs« am
Arts Council England. Der Film über die British Petroleum
Company liest sich wie eine kinematografische Forensik.
Die geopolitische Historie, dokumentiert in den Archiven
der Ölgesellschaft, verwebt sie mit den psychoanalytischen Schichten des Familienalbums. Ein detektivisches
Essay, das ins Zentrum der eigenen Familie führt.
Dunja Bialas
Underdox zeigt zur Halbzeit
eine Auswahl der filmischen
Arbeiten von Miranda Pennell
seit 1995 sowie ihre beiden
jüngsten Werke. Miranda
Pennell präsentiert ihre Arbeiten in einer Film Lecture.
www.underdox-festival.de
 Donnerstag, 8. Juni 2017, 19.00 Uhr | Zu Gast: Miranda
Pennell
Jazz im Film
Mit dem Aufkommen des Tonfilms ab 1927 kam es
zu ersten Annäherungsversuchen der beiden Medien
Jazz und Film. Doch die meisten Spielfilme dieser Zeit
vermarkteten das Modewort »Jazz« nur als Schlagwort
für die ausgelassenen Roaring Twenties. Die Darstellung der afroamerikanischen Gesellschaft im Umfeld
des Jazz ist von rassistischen Untertönen geprägt.
Jazz im Film
»Im Gegensatz zu anderen Kunstformen ist der Film nie
das Werk eines Einzelnen. Er basiert auf einem Kollektiv, fast wie eine Jam-Session im Jazz. Der Bassist hat
zum Beispiel seinen eigenen Verantwortungsbereich, er
liefert das rhythmische Rückgrat. Der Schlagzeuger vervollständigt das zusammen mit dem Pianisten – das harmonisch-rhythmische Rückgrat. Diese Dinge lassen sich
auch auf den Film übertragen. Er ist eine Ganzheit. Der
Regisseur ist das Gehirn, der Kameramann das Auge, der
Cutter die DNA, der Produzent die Lunge und der Komponist
das Ohr.« Lalo Schifrin
Schwarze Musiker erscheinen in den Spielfilmen nur
als Randfiguren, in Kurzfilmen, die hauptsächlich Songs
illustrieren, müssen sie in klischeehaften Spielszenen
agieren, die diese Songs miteinander verbinden. Dennoch sind Filme wie ST. LOUIS BLUES (1929), A RHAPSODY IN BLACK AND BLUE (1932) heute einzigartige
Dokumente, in manchen Fällen die einzigen erhaltenen
filmischen Aufnahmen legendärer Jazzgrößen, die die
ihnen auferlegten mitunter absurden Szenarien einfach
überstrahlen. Am besten gelingt die Symbiose von Jazz
und Film in einigen frühen Zeichentricktonfilmen: Insbesondere Dave Fleischer konnte Exzentriker wie Cab
Calloway und Louis Armstrong mit ihrer Musik mühelos
in das anarchistische Universum seines Zeichentrickfilmvamps Betty Boop integrieren, MINNIE THE MOOCHER (1932), I’LL BE GLAD WHEN YOU’RE DEAD, YOU
RASCAL YOU (1932) und SNOW-WHITE (1933) gehören zu den schönsten Beispielen origineller Jazz-Filme
– bevor der Production Code die Serie zähmte und ihr
Ende einläutete.
In den 1930er Jahren greifen Musicals und Revuefilme zunehmend Jazzelemente auf, es entstehen erste
Biopics und Filme über die Anfänge und Entwicklung
des Jazz. Durch das Radio bekannt gewordene Stars
wie Louis Armstrong, Duke Ellington und Benny Good­
man werden in Spielfilme wie SYNCOPATION (1942),
NEW ORLEANS (1947), oder A SONG IS BORN (1948)
73
PARIS BLUES
»Jazz ist für mich eine Geistes- oder Lebenshaltung und
nicht so sehr eine bestimmte Musikrichtung. Ebenso wie
eine Filmvorführung im Kinosaal kann der Jazz eine Form
des Sich-Lösens und des Sich-Entfernens vom Alltäglichen
sein. Wenn ich ein bekanntes Stück wie z.B. ›Summertime‹
von Gershwin zum wiederholten Male höre und dennoch immer wieder von der Interpretation berührt werde oder nicht
mehr über die Grundmelodie nachdenke, dann ist das für
mich Jazz. Dieses Erlebnis kann ich sowohl auf die Musik als
auch auf den Film übertragen.« Julian Benedikt
THE SOUND OF JAZZ
Jazz im Film
74
integriert. Doch die Rollenverteilung entspricht dem
damaligen Zeitgeist: Im Mittelpunkt stehen weiße Musiker, die den Jazz in verruchtem Halbweltmilieu entdecken und ihn zur Kunst entwickeln. Afroamerikaner
spielen Nebenfiguren wie Hausmädchen, Diener oder
Kleinkriminelle oder dürfen im Hintergrund oder als
Staffage für heiße Musiknummern agieren. Es sind
dann vornehmlich französische Filmemacher, die den
Jazz und die farbigen Musiker ernst nehmen. In den
1950er Jahren wird Jazz als Filmmusik insbesondere
in Kriminalfilmen eingesetzt, und Musiker wie John
Lewis (SAIT-ON JAMAIS, 1957), Miles Davis (ASCENSEUR POUR L’ÉCHAFAUD, 1958), Art Blakey (LES LIAISONS DANGEREUSES, 1959), Martial Solal (À BOUT
DE SOUFFLE, 1960) schaffen stilprägende Filmscores.
Langsam öffnet sich auch Hollywood den Jazzmusikern
und engagiert sie als Filmkomponisten: Duke Ellington,
John Lewis, Quincy Jones, Henry Mancini schrieben
berühmte Scores für Filme wie ODDS AGAINST TOMORROW (1959), ANATOMY OF A MURDER (1959)
oder PARIS BLUES (1961).
Der amerikanische Fotograf Gjon Mili, der vor allem
für das Life-Magazin arbeitete, gelingt 1944 mit
JAMMIN’ THE BLUES, ein Konzert mit Lester Young
kongenial zu visualisieren. Richard Leacock und Roger
Tilton schaffen 1954 mit JAZZ DANCE einen Klassiker
des Direct Cinema: Mit mehreren Kameras wird eine
Jazz-Session in der New Yorker Central Plaza Dance
Hall gefilmt und zu einer furiosen Montage zusammengefügt, die die entfesselte Stimmung der Tanzenden
wiedergibt. Der für das amerikanische Fernsehen produzierte THE SOUND OF JAZZ (1957) zeigt ein einzigartiges Zusammentreffen berühmter Jazzlegenden wie
Lester Young, Billie Holiday, Count Basie und Thelonious
Monk und konzentriert sich darauf, die Interaktion der
Musiker und ihre Reaktionen aufeinander zu zeigen.
Der Film JAZZ ON A SUMMER’S DAY (1960) dokumentiert das Newport Jazz Festival im Juli 1958 und versucht die Atmosphäre des Ereignisses zu fassen, indem
er Impressionen der Musiker mit Aufnahmen der Stadt,
einer dort gleichzeitig stattfindenden Segelregatta und
der Konzertbesucher verknüpft. Erst in den 1980er ent­
stehen weitere Dokumentarfilme über Jazz, die Marksteine setzen. Sie untersuchen nun verstärkt soziologische Zusammenhänge und loten auch ästhetisch neue
Möglichkeiten aus. So beschreibt Julian Benedikt seine
Arbeitsweise: »In BLUE NOTE – A STORY OF MODERN
JAZZ (1997) habe ich versucht, den Geist des Jazz,
das, was für mich den Jazz ausmacht, auf die Leinwand
zu übertragen; an den Film heranzugehen, wie bei einem Stück Musik, mit dem Willen zur Improvisation.«
Martin Scorseses NEW YORK, NEW YORK (1977)
belebte das Thema Jazz in einem aufwändigen Holly­
woodfilm wieder. Die Geschichte um einen Saxofo­
nisten und eine Sängerin im New York zum Ende des
Zweiten Weltkriegs beschreibt den Übergang vom
Swing zum Bebop, die Geschichte der Protagonisten
wird zum weiten gesellschaftlichen Panorama erweitert.
Es folgen in den 1980er und 1990er Jahren weitere
an reale Biografien und Ereignisse angelehnte große
Meisterwerke des Jazzfilms von Filmemachern, die als
ausgewiesene Fans des Jazz gelten und Jazzmusik
auch in ihren anderen Filmen gern einsetzen: ROUND
MIDNIGHT (1986) von Bertrand Tavernier, BIRD (1988)
von Clint Eastwood, KANSAS CITY (1996) von Robert
Altman und SWEET AND LOWDOWN (1999) von Woody
Allen. In diesen Filmen sind die Protagonisten »in eine
Szene von Musikern integriert, die ihre musikalischen
und arbeitsrechtliche Entwicklung begleiten, kommentieren und regulieren. Die Arbeitgeber der Musiker sind
für die Handlung so wichtig wie die Musiker selbst, und
die Musik liefert (...) nicht nur den atmosphärischen,
sondern auch den soziokulturellen Hintergrund der
filmischen Diegesen.« (Willem Strank / Claus Tieber)
Diese Filme brechen mit den eingefahrenen Hollywood­
Traumsequenzen die Musik von Miles Davis deutet. Aus
diesem wirren Konglomerat aus Krimi, Melodram, Biopic und absurder Komödie, in der kompletten Dekon­
struktion einer linearen Lebensgeschichte, kommt der
Film dem Jazz auf die Spur, der den giftigen, lebenshungrigen und selbstzerstörerischen Menschen Miles
Davis ausmacht.« (Jörg Gerle) Der afroamerikanische
Schauspieler Don Cheadle, der in zahlreichen Blockbustern in Nebenrollen mitwirkt, hat MILES AHEAD
selbst produziert. Und es ist leider bezeichnend für die
gegenwärtige Kinosituation, dass der Film in Deutschland nur auf DVD herausgebracht wurde.
Klaus Huckert / Stefan Drößler
Willi-Johanns-Jazzquartett: »Bebop Spoken Here«
| Konzert mit Willi Johanns (vocal), Tizian Jost (piano),
Andreas Kurz (bass), Michael Keul (drums). Willi
Johanns (*1934) kam 1957 nach München und trat
als Scat-Sänger in US-Clubs und auf Festivals auf. Er
wurde mehrfach als bester deutscher Jazzsänger ausgezeichnet. Tizian Jost (*1966) ist Dozent für Jazz­
klavier am Richard-Strauss-Konservatorium in München und spielte in verschiedenen Bands und mit
namhaften Musikern zusammen. Michael Keul (*1961)
studierte an der Swiss Jazz School in Bern bei Billy
Brooks und gehört als einer der meistbeschäftigten
Drummer zur Münchner Jazzszene. Andreas Kurz
(*1979) war Mitglied des Bundesjugendjazzorchesters
und studierte Kontrabass an der Hochschule für Musik
und Theater sowie am Richard-Strauss-Konservato­
rium. – Paris Blues | USA 1961 | R: Martin Ritt | B:
Jack Sher, Irene Kamp, Walter Bernstein, nach dem
Roman von Harold Flender | K: Christian Matras | M:
Duke Ellington | D: Paul Newman, Joanne Woodward,
Sidney Poitier, Diahann Carroll, Louis Armstrong, Serge
Reggiani | 98 min | OF | Paris als die Stadt der Liebe
und des Jazz. Filmklassiker über zwei amerikanische
Jazzmusiker im Exil, die in Kellern und Clubs auftreten.
Sie bandeln mit zwei Amerikanerinnen an, die sie in die
Staaten zurückholen wollen.
 Sonntag, 2. Juli 2017, 19.00 Uhr
Young Man With a Horn (Der Jazztrompeter) | USA
1950 | R: Michael Curtiz | B: Carl Foreman, Edmund
H. North, nach dem Roman von Dorothy Baker | K: Ted
D. McCord | M: Ray Heindorf | D: Kirk Douglas, Lauren
Bacall, Doris Day, Hoagy Carmichael, Juano Hernandez | 112 min | OF | YOUNG MAN WITH A HORN ist
lose an das Leben des Jazzkornettisten Bix Beiderbecke (1903-1931) angelehnt, der mit 28 Jahren an den
Folgen seines hohen Alkoholkonsums starb. Grund­lage
Jazz im Film
klischees der frühen Jazz-Filme, sind keine verklärende
Porträts erfolgreicher weißer Musiker oder gescheiterter Existenzen, sondern realistische Annäherungen an
Künstler, den musikalischen Schaffensprozess und das
gesellschaftliche Umfeld.
Im Vorwort zur Neuauflage seines Buches »Jazz in
the Movies« zieht David Meeker 1981 Bilanz: »Es ist
traurig, dass von vielen Größen des Jazz, insbesondere von
denen, die in der Frühzeit der Filmgeschichte aktiv waren und inzwischen verstorben sind, keine Aufnahmen
existieren. Wenn es doch welche gibt, wie die legendären verschollenen Tonzylinder-Aufnahmen von Buddy
Bolden, müssen sie noch entdeckt werden. Es wäre
für den Jazz ein großer Gewinn, wenn wir Auftritte von
Scott Joplin, King Oliver, Bix Beiderbecke, ›Jelly Roll‹
Morton u.a. auf Film sehen könnten. Aber wir müssen
dankbar sein für das, was wir haben und für alles, was
in Zukunft noch kommen wird.« Das jüngste Beispiel
der Jazzfilmreihe des Filmmuseums ist der Spielfilm
MILES AHEAD (2015), der auf zahlreiche Filmfestivals
eingeladen und hoch gelobt wurde: »Es ist nicht nur
der Darsteller Cheadle, der sein Verständnis von Miles Davis erstaunlich authentisch zum Leben erweckt,
sondern es ist der Regisseur Cheadle, der in waghalsig montierten Rückblenden, Parallelmontagen und
75
war die Novelle von Dorothy Baker über den Jazzmusiker. Rick Martin, ein kleiner, mutterloser Straßenjunge,
entwickelt sich zu einem hervorragenden Trompeter.
Hoagy Carmichael, Gelegenheitsschauspieler, Musiker
und Komponist von z.B. »Georgia on my mind« oder
»Stardust«, überzeugt als Pianist/Erzähler und Freund
von Rick Martin. Das Trompetenspiel von Kirk Douglas
ist durch den Hoch-Trompeter Harry James geghostet.
»Mit Harry James zu arbeiten war sagenhaft. Ich lernte
sogar ein paar Stücke auf der Trompete, ein verflucht
schwieriges Instrument.« (Kirk Douglas)
 Dienstag, 4. Juli 2017, 20.00 Uhr  Freitag, 7. Juli
2017, 21.00 Uhr
Jazz im Film
Kansas City | USA 1996 | R: Robert Altman | B: Robert Altman, Frank Barhydt | K: Oliver Stapleton | M: Hal
Willner | D: Jennifer Jason Leigh, Miranda Richardson,
Harry Belafonte, Michael Murphy, Dermot Mulroney,
Steve Buscemi | 114 min | OmU | Der Film spielt 1934
im Milieu des organisierten Verbrechens in Kansas City,
das zu dieser Zeit eine der Jazzmetropolen war. Eine
eigene Stilrichtung, der Kansas City Jazz, hatte sich
dort etabliert. Die Geschichte um eine Ganovenbraut,
die die Ehefrau eines einflussreichen Senators entführt,
damit dieser ihr hilft, ihren Mann aus der Gewalt des
Hey-Hey-Club-Besitzers zu befreien. Wichtiger als die
Handlung ist die Musik, die in fast jeder Szene präsent
ist. Robert Altman hatte einundzwanzig der besten
Jazzmusiker eingeladen, die Musik von Duke Ellington,
Count Basie, Marie Lou Williams, und Bennie und
Buster Moten in einer dreiwöchigen Jam-Session im
Hey-Hey-Club einzuspielen. Höhepunkt ist ein nachgespieltes Konzert mit Soli von Coleman Hawkins (Craig
Handy), Lester Young (Joshua Redman) und Ben Webster
(James Carter).
76
 Mittwoch, 5. Juli 2017, 20.00 Uhr  Samstag,
8. Juli 2017, 21.00 Uhr
The Gene Krupa Story (Jazz-Ekstase) | USA 1959
| R: Don Weis | B: Orin Jannings, Charles Lawton | M:
Leith Stevens | D: Sal Mineo, Susan Kohner, James Darren, Susan Oliver, Yvonne Craig, Red Nichols | 101 min
| OF | Gene Krupa (1909–1973) zählt zu den bedeutendsten Musikern der Dixieland- und Swing-Ära. Sein
Spiel auf dem Schlagzeug war energiegeladen und
zur damaligen Zeit äußerst innovativ. So setzte er als
einer der ersten Drummer afrikanische Percussions-Instrumente und entsprechende Rhythmen ein. Für THE
GENE KRUPA STORY spielte er den kompletten Schlagzeugpart ein. Trotz der üblichen Hollywoodklischees
bezüglich Jazz (Alkohol, Rauschgift, Rotlichtmilieu,
verführerische Frauen, überbordendes Ego gegen die
Werte der Familie, eine hilfreiche und treue Freundin,
die helfende Mutter, Happy-End) und kleinerer historischer Unkorrektheiten einer der besten Jazzfilme, der
vor allem durch die überzeugende Darstellung von Sal
Mineo (REBEL WITHOUT A CAUSE) fasziniert, der Gene
Krupas Schlagzeugspiel faszinierend imitiert.
 Donnerstag, 6. Juli 2017, 20.00 Uhr  Sonntag,
9. Juli 2017, 21.00 Uhr
Syncopation | USA 1942 | R: William Dieterle | B: Philip
Yordan, Frank Cavett, nach der Erzählung »The Band
Played On« von Valentine F. Davies | K: J. Roy Hunt |
M: Leith Stevens | D: Jackie Cooper, Bonita Granville,
Adolphe Menjou, George Bancroft, Robert Benchley,
Rex Stewart | 89 min | OF | Anhand einer Liebesgeschichte zwischen einem Bandleader und einer Sängerin erzählt der Film »the story of a nation from Ragtime
to Boogie-Woogie« und umspannt die Zeit von 1906
bis zu Beginn des Zweiten Weltkriegs. Im furiosen
Finale treten dann sieben berühmte Bandleader (Benny
Goodman, Harry James, Charlie Barnet, Joe Venuti,
Gene Krupa, Jack Jenney, Alvino Rey) in einer legendären Blues-Jam-Session gemeinsam auf. Afroamerikanische Musiker sind nicht dabei, obwohl ihre Rolle
in der Entwicklung des Jazz durchaus gewürdigt wird.
»Einerseits den Schwarzen Gerechtigkeit widerfahren
zu lassen, andererseits aber keinen Film über sie zu
machen, dürfte den Drehbuchautoren einiges an Akrobatik abverlangt haben.« (Manny Farber)
 Freitag, 7. Juli 2017, 18.30 Uhr
St. Louis Blues | USA 1929 | R+B: Dudley Murphy |
K: Walter Strenge | D: Bessie Smith, Jimmy Mordecai,
Isabel Washington, Hall Johnson Choir | 16 min | OF –
A Rhapsody in Black and Blue | USA 1932 | R:
Aubrey Scotto | B: Phil Cohan | D: Louis Armstrong,
Fanny Belle DeKnight, Sidney Easton | 9 min | OF –
I’ll Be Glad When You’re Dead, You Rascal You | USA
1932 | R+B: Dave Fleischer | D: Louis Armstrong | 7
min | OF – Cab Calloway’s Hi-De-Ho | USA 1934 |
R: Fred Waller | B: Milton Hocky, Fred Rath | K: William
O. Steiner | D: Cab Calloway, Fredi Washington, Sidney
Easton | 10 min – Minnie the Moocher | USA 1932 |
R+B: Dave Fleischer | D: Cab Calloway | 8 min | OF –
Snow-White | USA 1933 | R+B: Dave Fleischer | 7 min
| OF – Symphony in Black | USA 1935 | R: Fred Waller
| B: Milton Hocky, Fred Rath | K: William O. Steiner | D:
Duke Ellington, Barney Bigard, Billie Holiday, Joe ›Tricky
Sam‹ Nanton, Earl ›Snake Hips‹ Tucker | 9 min | OF –
Date with Duke | USA 1947 | R: George Pal | B: Jack
New Orleans | USA 1947 | R: Artur Lubin | B: Elliot
Paul, Dick Irving Hyland | K: Lucien N. Andriot | M: Nat
W. Finston, Woody Herman | D: Arturo de Córdova,
Dorothy Patrick, Marjorie Lord, Irene Rich, Louis Arm­
strong, Billie Holiday, Woody Herman | 89 min | OmU |
Eine weiße, klassisch ausgebildete Sängerin erliegt der
Faszination des Jazz im Rotlichtbezirk Storyville in New
Orleans. Bei mehreren Jam-Sessions in einem verruchten Spielcasino mit Billie Holiday und Louis Armstrong
wird sie zu einer überzeugten Anhängerin dieser Musik. Durch eine Intrige ihrer einflussreichen Mutter, die
sie auf den rechten Weg zurückführen will, wird das
verrufene Storyville geschlossen. In Wirklichkeit fand
dies 1917 auf Anordnung der amerikanischen Bundes-
 Sonntag, 9. Juli 2017, 18.30 Uhr
New York, New York | USA 1977 | R: Martin Scorsese
| B: Earl Mac Rauch, Mardik Martin | K: László Kovács
| M: Ralph Burns | D: Liza Minnelli, Robert De Niro,
Lionel Stander, Barry Primus, Mary Kay Place, Georgie
Auld, Clarence Clemons, Diahnne Abbott, Steven Prince
| 163 min | OmU | Im August 1945 wird in New York
das Kriegsende gefeiert. Jimmy Doyle, ein Saxofonist,
lernt bei der Siegesfeier in einem Club zu der Musik
von Tommy Dorsey die junge, erfolglose Sängerin Francine Evans kennen. Beide treten bald als Jazz-Duo
auf, verlieben sich und heiraten. Doch damit beginnen
die Verwicklungen, da Jimmy ganz Künstler sein will,
während Francine eine Karriere auf den Showbühnen
anstrebt. Ein modernes Hollywood-Musical über die
Big-Band-Ära der 1950er Jahre. Die Musik für den Film
(Swing und Bebop) ist mitreißend. Georgie Auld, Saxofonist und Bandleader des Swing und Bebop, hat einen
Jazz im Film
 Samstag, 8. Juli 2017, 18.30 Uhr
behörden gegen den Widerstand der Stadtverwaltung
statt. Die Maßnahme wurde damit begründet, dass
Prostitution in der Nähe von Marinestützpunkten zu
verbieten sei. Der Film lebt von der mitreißenden Musik
von Billie Holiday und Louis Armstrong mit seiner Band.
77
NEW ORLEANS
Miller | K: William E. Snyder | D: Duke Ellington | 7 min
| OF – Jazz Dance | USA 1954 | R+B: Roger Tilton | K:
Richard Leacock, Robert Campbell | D: Jimmy McPartland, Pee Wee Russell, Willie ›The Lion‹ Smith, Jimmie
Archey, George Wettling, Leon James, Al Minns | 22
min | OF – Einzigartige Trick-, Kurz- und Dokumentarfilme aus der Frühzeit des Tonfilms und ein Klassiker
des Direct cinema, in dem der Lindy hop zelebriert wird.
Cameo-Auftritt. Kameramann László Kovács vollbrachte das Kunststück, den klassischen Technicolor-Look
wiederauferstehen zu lassen.
 Dienstag, 11. Juli 2017, 20.00 Uhr  Freitag, 14.
Juli 2017, 21.00 Uhr
Jazz »Hot« | GB 1939 | Mit Django Reinhardt, Stéphane Grappelli | 6 min | OF | Extrem rare Filmaufnahmen
mit Django Reinhardt, in denen er mit seinem Quintet
du Hot Club de France »J’attendrai« spielt. – Sweet
and Lowdown | USA 1999 | R+B: Woody Allen | K:
Zhao Fei | M: Dick Hyman | D: Sean Penn, Samantha
Morton, Uma Thurman, Tony Darrow, Anthony LaPaglia,
John Waters | 95 min | OmU | In einer fiktiven Künstlerbiografie lässt Woody Allen die goldene Swing-Ära
aufleben und verbeugt sich vor dem legendären Gitarristen Django Reinhardt. Der Jazzmusiker Emmet Ray
gilt als der zweitbeste Gitarrist der Welt nach Django
Reinhardt, hält sich mit Engagements in Nachtclubs
über Wasser und bessert seine Gagen ab und zu als
Teilzeit-Zuhälter auf. Wie sein berühmter Kollege ist
er unzuverlässig, liebt schnelle Autos, spielt und stellt
schönen Frauen nach. Doch dann trifft er die stumme
Wäscherin Hattie, die seinem unsteten Leben Ruhe
verleiht. Kein anderer Film im Schaffen Woody Allens
strahlt eine ähnliche Heiterkeit und Gelassenheit aus.
 Mittwoch, 12. Juli 2017, 20.00 Uhr  Samstag,
15. Juli 2017, 21.00 Uhr
Jazz im Film
Whiplash | USA 2014 | R+B: Damien Chazelle | K:
Sharone Meir | M: Justin Hurwitz | D: Miles Teller, J. K.
SWEET AND LOWDOWN
78
Simmons, Paul Reiser, Melissa Benoist, Austin Stowell
| 107 min | OmU | WHIPLASH erzählt vom Kampf um
Perfektion im Jazz, von Kunst, Obsessionen, Machthunger, Verzweiflung und Gewalt. Der 19-jährige Andrew
Neiman ist Jazz-Schlagzeuger. Er studiert in New York
am renommiertesten Konservatorium des Landes und
träumt von einer großen Karriere. Er trifft dort den gefürchteten Bandleader Terence Fletcher, der ständig
auf der Suche nach Talenten ist, die in seiner Big-Band
spielen können. Mit Macho-Gehabe, sexistischen Sprüchen, Lügen und vermeintlicher Einfühlsamkeit versucht er seine Band zu Höchstleistungen zu bringen.
»Damien Chazelle macht in seinem zweiten Spielfilm
aus einem Lehrer-Schüler-Drama einen mitreißenden,
ja wahrlich schweißtreibenden Actionfilm über den
schmalen Grat zwischen Ansporn und Missbrauch,
Motivation und Schinderei auf der Suche nach dem
perfekten Takt.« (Anke Sterneborg)
 Donnerstag, 13. Juli 2017, 20.00 Uhr  Sonntag,
16. Juli 2017, 21.00 Uhr
A Song is Born (Die tollkühne Rettung der Gangsterbraut Honey Swanson) | USA 1948 | R: Howard
Hawks | B: Harry Tugend, nach der Geschichte »From
A to Z« von Billy Wilder und Thomas Monroe | K: Gregg
Toland | M: Hugo Friedhofer, Emil Newman | D: Danny
Kaye, Virginia Mayo, Benny Goodman, Tommy Dorsey,
Louis Armstrong, Lionel Hampton, Charlie Barnet, Mel
Powell, Felix Bressart, Ludwig Stössel | 113 min | OmU
| Sieben Musik-Professoren haben sich zurückgezogen,
um eine Enzyklopädie der Musikgeschichte zu schrei-
 Freitag, 14. Juli 2017, 18.30 Uhr
Artie Shaw’s Class in Swing | USA 1939 | R+B: Leslie
Roush | K: George Webber | D: Artie Shaw, Helen Forrest | 10 min | OF – Jammin’ the Blues | USA 1944 |
R+B: Gjon Mili | K: Robert Burks | Mit Lester Young, Red
Callender, Harry Edison, Marlowe Morris, Sidney Catlett,
Barney Kessel, Mary Bryant | 10 min | OF – Begone
Dull Care (Jazz in Farben) | Kanada 1949 | R+B+K:
Norman McLaren, Evelyn Lambart | M: Oscar Petersen,
Auston Roberts, Clarence Jones | 9 min | OF – Charlie
Parker & Dizzy Gillespie | USA 1952 | R: Bill Seaman
| Mit Earl Wilson, Charlie Parker, Dizzy Gillespie | 5 min |
OF – The Sound of Jazz | USA 1957 | R: Jack Smight
| B: John McGiffert | K: Hal Warner | Mit John Crosby,
Red Allen, Thelonious Monk, Count Basie, Billie Holiday,
Lester Young, Jimmy Guiffre, Vic Dickenson, Coleman
Hawkins, Jo Jones, Ben Webster, Pee Wee Russell,
Rex Stewart, Nat Pierce | 56 min | OF – Nach einem
Lehrfilm über den Swing folgen legendäre Konzertfilme
mit bekannten Jazzgrößen, unterbrochen von einem
klassischen Animationsfilm von Norman McLaren, der
Jazzmusik in Farben und bewegte abstrakte Grafiken
umsetzt.
 Samstag, 15. Juli 2017, 18.30 Uhr
Swing Kids | USA 1993 | R: Thomas Carter | B: Jonathan Marc Feldman | K: Jerzy Zieliński | M: James
Horner | D: Robert Sean Leonard, Christian Bale,
Frank Whaley, Barbara Hershey, Kenneth Branagh
| 112 min | OF | Hamburg 1939. Seit sechs Jahren
sind die Nationalsozialisten an der Macht. In einigen
Tanzsälen in der Hansestadt wird immer noch dem
Swing und dem Swing-Tanz Lindy hop von Jugendlichen gehuldigt. Drei der sogenannten »Swing Kids«
– Thomas, Peter und Arvid – sind miteinander befreundet und begeisterte Anhänger dieser Musik. Sie
hören die Musik von Benny Goodman, Cab Calloway,
Duke Ellington und Django Reinhardt. Konflikte mit den
Nazi-Machthabern sind vorprogrammiert. »Mischung
aus Musikfilm und dramatischer Entwicklungs­
geschichte; zwar bleibt der historische Hintergrund stereotyp, doch dank hervorragender Darsteller gelingt ein
ebenso lebendiges wie differenziertes Bild jener Loyalitätskonflikte, die sich durch Freundschaften und Familien ziehen und sie letztlich zerstören.« (Horst Peter Koll)
 Sonntag, 16. Juli 2017, 18.30 Uhr
Round Midnight (Um Mitternacht) | Frankreich 1986
| R: Bertrand Tavernier | B: David Rayfiel, Bertrand
Tavernier | K: Bruno de Keyzer | M: Herbie Hancock |
D: Dexter Gordon, François Cluzet, Gebrielle Haker,
Sandra Reaves-Phillips, Herbie Hancock, Martin Scorsese, Philippe Noiret | 133 min | engl. OmU | Ein melancholischer Jazzfilm, der dem Pianisten Bud Powell
und dem Saxofonisten Lester Young gewidmet ist. Der
Jazz-Saxofonist Dexter Gordon überzeugt in seiner
Rolle mit seiner bewegenden Darstellung des alkoholkranken Tenorsaxofonisten Dale Turner, der nach langer
Zeit des Nichtstuns in New York 1959 in Paris endlich
wieder auftreten kann. Dort trifft er einen französischen
Fan und Bewunderer, der ihm durch seine Freundschaft Halt und Lebensfreude zu vermitteln versucht.
ROUND MIDNIGHT gilt mit SWEET AND LOWDOWN
als einer der besten Jazzfilme. Herbie Hancock erhielt
einen Oscar für die beste Filmmusik, Dexter Gordon
eine Oscar-Nominierung als bester Schauspieler(!).
 Dienstag, 18. Juli 2017, 20.00 Uhr  Freitag,
21. Juli 2017, 21.00 Uhr
Bird | USA 1988 | R: Clint Eastwood | B: Joel Oliansky |
K: Jack N. Green | M: Lennie Niehaus | D: Forest Whitaker, Diane Venora, Michael Zelniker, Samuel E. Wright,
Keith David | 161 min | OF | In Rückblenden wird das
Leben des legendären Jazzmusikers Charlie (»Bird«)
Parker erzählt. Die künstlerische Laufbahn Parkers
wurde durch seinen Drogenkonsum beeinflusst, der zu
familiären und beruflichen Problemen und schließlich
zu seinem frühen Tode führte. »In BIRD dominiert die
Musik. Sie durchzieht den Bilderbogen total. Zu hören
sind Parker-Kompositionen, Soli in ungekürzter Form.
In welchen Filmen mit Musik ist das sonst der Fall?
Bemerkenswert auch die technische Feinheit, mit der
hier gearbeitet wurde. Der frühere Saxofonist bei Stan
Kenton, Lennie Niehaus, hat den Soundtrack kompositorisch und technisch begleitet. Originalbänder wurden
derart präpariert, dass Musiker von heute die Begleitstimmen beisteuern konnten, mit dabei sind Größen
wie Barry Harris, Walter Davis jr. oder Monty Alexander.«
(Michael Lang)
 Mittwoch, 19. Juli 2017, 20.00 Uhr  Samstag, 22.
Juli 2017, 21.00 Uhr
Jazz im Film
ben. Durch zwei Fensterputzer erfahren sie von Jazz,
Swing, Boogie Woogie und Bebop. Um tiefer in die Thematik einsteigen zu können, werden Jazzmusiker eingeladen, darunter Tommy Dorsey, Louis Armstrong und
Charlie Barnet. Da taucht plötzlich die Gangsterbraut
Honey Swanson auf, die sich vor der Polizei ver­stecken
muss, und sorgt für Aufregung. Wie eine Jukebox funktioniert dieses Danny-Kaye-Vehikel in knallbuntem
Technicolor: Auf Stichwort spielen die Giants of Jazz
hier ihre großen Hits auf.
79
CHICO & RITA
Jazz im Film
80
Chico & Rita | Spanien 2010 | R: Fernando Trueba,
Javier Mariscal, Tono Errando | B: Fernando Trueba,
Ignacio Martínez de Pisón | M: Bebo Valdés | 94 min |
OmU | Havanna 2008. Chico, ein alter Schuhputzer und
ehemaliger Jazz-Pianist in Havanna, erinnert sich an
das Leben in Kuba vor dem Castro-Regime, an Swing,
Bebop und Latin Jazz und seine bittersüße Liebesgeschichte mit der Sängerin Rita. »CHICO & RITA ist ein
Animationsfilm. Doch die flächige Zeichenästhetik hat
mit Comic und mit japanischen Mangas wenig und mit
den dreidimensionalen Plastikpuppen aus Hollywoods
3D-Labors gar nichts zu tun. Es ist ein erwachsener
Film, der sich zugleich dazu bekennt, unterhalten zu
wollen. Überaus liebevoll setzt Trueba dem Latin Jazz
und Größen wie Dizzy Gillespie, Charlie Parker oder
Chano Pozo ein Denkmal. CHICO & RITA ist zuallererst
ein Film über die herrliche kubanische Musik, die alle
politischen Wirren überdauert und die die ideologischen
Lager verbindet.« (Rüdiger Suchsland)
 Donnerstag, 20. Juli 2017, 20.00 Uhr  Sonntag,
23. Juli 2017, 21.00 Uhr
Jazz on a Summer’s Day (Jazz an einem Sommerabend) | USA 1960 | R: Bert Stern, Aram Avakian | B:
Albert D’Annibale, Arnold Perl | K: Courtney Hesfela,
Raymond Phelan, Bert Stern | Mit Louis Armstrong,
Gerry Mulligan, Buck Clayton, Thelonious Monk, Jack
Teagarden, Dinah Washington, Sonny Stitt, Jo Jones,
Chico Hamilton, Jim Hall, Jimmy Giuffre, Bob Brookmeyer, Terry Gibbs, Urbie Green, Max Roach, Art Farmer, George Shearing, Chuck Berry | 86 min | OF |
Der Film des Mode- und Werbefotografen Bert Stern
beginnt mit Aufnahmen zum Admirals-Cup-Segelrennen, das parallel 1958 zum Jazzfestival in Newport
stattfand. Natürlich war aber die Musik der Hauptgrund
für Newport und diesen Film. Stern präsentiert die besten
Jazz-, R&B- und Boogie-Woogie-Künstler der 1950er
Jahre. Als Spike Lee 2004 gebeten wurde, zum 50.
Jubiläum des Newport Jazz Festivals einen Dokumentarfilm zu drehen, lehnte er den Auftrag ab mit dem
Verweis auf Sterns Klassiker: »Einen besseren Film zu
diesem Festival kann es nicht mehr geben«.
 Freitag, 21. Juli 2017, 18.30 Uhr
Thelonious Monk – Straight, No Chaser | USA 1988
| R+B: Charlotte Zwerin | K: Christian Blackwood |
M: Dick Hyman | Mit Thelonious Monk, John Coltrane,
Nica de Koenigswarter, Tommy Flanagan, Johnny Griffin | 90 min | OF | Thelonious Monk (1917–1982) war
un­
bestritten mit Charlie Parker, Dizzy Gillespie und
Kenny Clarke einer der Wegbereiter des Bebop. 1967
erhielten die Dokumentarfilmer Michael und Christian
Blackwood vom Deutschen Fernsehen die Aufgabe, ein
Feature über den Pianisten Monk zu produzieren.
Dieses Material nutzten später der Produzent Bruce
Ricker und Charlotte Zwerin als Basis für STRAIGHT, NO
CHASER. Zusätzlich gedrehte Aufnahmen von Monks
Beerdigung und Interviews mit Familienangehörigen,
Musikern und Freunden geben Auskunft über das Leben des Pianisten. Die dokumentarischen Aufnahmen
zeigen Monk beim Klavierspiel, wie er in die Tasten des
Pianos greift und seine Musik zu erklären versucht.
Blue Note – A Story of Modern Jazz | Deutschland
1997 | R: Julian Benedikt, Andreas Morell | B: Julian
Benedikt | K: William Rexer, Georg Steinweh | Mit Freddie Hubbard, Gil Melle, Herbie Hancock, Horace Silver,
Bertrand Tavernier, Ron Carter, Max Roach, Joachim E.
Behrendt | 91 min | engl. OmU | Die Geschichte des von
den Emigranten Alfred Lion und Francis Wolff gegründeten Jazz-Plattenlabels Blue Note Records beschreibt
die Erfüllung des amerikanischen Traums: Der Weg
einer Firma, die es aus dem Nichts bis zur Welt­geltung
brachte. Eine Collage aus Interviews, grafischen Elementen, Konzert- und Archivaufnahmen. Herausgekommen ist dabei einer der erfolgreichsten deutschen
Dokumentar-Jazzfilme der neueren Zeit. Durch die
Kameraeinstellungen und Bildausschnitte ist man den
Musikern, Freunden, Begleitern und Fans der legendären Blue-Note-Aufnahmen sehr nahe. Man könnte die
Erzählfreude im Film auch im »deutschen Englisch« von
Alfred Lion beschreiben: »It must schwing«.
 Sonntag, 23. Juli 2017, 18.30 Uhr
Ascenseur pour l’échafaud (Fahrstuhl zum Schafott) | Frankreich 1958 | R: Louis Malle | B: Roger
Nimier, Louis Malle, nach einem Roman von Noël Calef
| K: Henri Decaë | M: Miles Davis | D: Jeanne Moreau,
Maurice Ronet, Lino Ventura, Georges Poujouly, Ivan
 Dienstag, 25. Juli 2017, 20.00 Uhr  Freitag,
28. Juli 2017, 21.00 Uhr
The Fabulous Baker Boys (Die fabelhaften Baker
Boys) | USA 1989 | R+B: Steve Kloves | K: Michael
Ballhaus | M: Dave Grusin | D: Jeff Bridges, Michelle
Pfeiffer, Beau Bridges, Ellie Raab, Xander Berkeley |
114 min | OmU | Zwei Brüder, die als Barpianisten in
Seattle spielen, und Michelle Pfeiffer als Sängerin, um
die die Kamera von Michael Ballhaus herumkreist, während sie – auf dem Flügel liegend – »Makin’ Whoopee«
interpretiert. »Dies ist kein Film wie das Leben, weil er
von einem Leben erzählt, das es nur im Kino gibt. Das
bedeutet, dass er einen Großteil seiner schmerzhaften
Jazz im Film
 Samstag, 22. Juli 2017, 18.30 Uhr
Petrovich | 91 min | OmU | »Wenige Soundtracks haben
die Verwendung des Jazz im Film so definitiv geprägt
wie die Musik, die ein Quintett um Miles Davis in der
Nacht vom 4. zum 5. September 1957 in den PosteParisien-Studios einspielte. Und wenige Filme haben
so definitiv dazu beigetragen, dem Jazz die Semantik
von Urbanität, Ausweglosigkeit, Verbrechen aufzuprägen. Der Vermittlung Marcel Romanos, der mit dem
französischen Regisseur zusammenarbeitete, ist es
zu verdanken, dass es zur Begegnung von Malle und
Davis kam. Davis hatte, so Romano, den Film bereits
kurz nach seiner Ankunft in Paris zu sehen bekommen,
hatte sich eingehend nach der Handlung und den Charakteren erkundigt und in den kommenden zwei Wochen bis zur Aufnahme in seinem Hotelzimmer Skizzen
ausgearbeitet.« (Peter Niklas Wilson)
81
THE FABULOUS BAKER BOYS
»STRAIGHT, NO CHASER sets the standard for jazz
documentaries.« (Scott Yanow)
Schönheit aus der Einsicht bezieht, dass im wirklichen
Leben weit und breit kein Jazz zu hören ist, wenn man
nach einer miesen Nacht frühmorgens nach Hause
kommt. Wer sich eine Vorstellung machen möchte
von den FABULOUS BAKER BOYS, der muß eine Platte
von Duke Ellington auflegen und dem Klang von
Worten wie ›Hotel Bar‹ oder ›Cocktail Lounge‹ nachschmecken. Dazu sollte er versuchen, sich eine Komödie der 1940er Jahre im heutigen Amerika auszu­
malen.« (Michael Althen)
 Mittwoch, 26. Juli 2017, 20.00 Uhr  Samstag,
29. Juli 2017, 21.00 Uhr
Miles Ahead | USA 2015 | R: Don Cheadle | B:
Steven Baigelman, Don Cheadle | K: Roberto Schaefer
| M: Robert Glasper | D: Don Cheadle, Ewan McGregor,
Emayatzy Corinealdi, Lakeith Lee Stanfield, Michael
Stuhlbarg | 100 min | OmU | New York 1980. Miles
Davis lebt seit mehreren Jahren wie ein Einsiedler
in seiner Wohnung, Kokain, Alkohol und Depressionen sind ständige Begleiter. Lange Zeit hat er keine
Plattenaufnahmen mehr eingespielt. Doch es geht das
Gerücht, dass bald eine neue Veröffentlichung ansteht.
Ein Reporter des Rolling Stone erfährt davon und will
eine Story daraus machen. Widerstrebend erzählt Miles
dem Journalisten aus seinem Leben. »Cheadle vollbringt das Wunder, aus diesem Krisenmoment heraus
Türen zum Ganzen dieses Lebens zu öffnen. Zwischen
erzählerischer Freiheit und Faktentreue hält er mustergültig die Balance. Was rein technisch Rückblicke sind,
explodiert in einem impressionistischen Feuerwerk, in
dem Gegenwart und Vergangenheit einander durchdringen.« (Gregor Dotzauer)
Jazz im Film
 Donnerstag, 27. Juli 2017, 20.00 Uhr  Sonntag,
30. Juli 2017, 21.00 Uhr
82
Odds Against Tomorrow (Wenig Chancen für
morgen) | USA 1959 | R: Robert Wise | B: Abraham
Polonsky, Nelson Gidding, nach dem Roman von
William P. McGivern | K: Joseph C. Brun | M: John
Lewis | D: Harry Belafonte, Robert Ryan, Shelley Winters,
Ed Begley, Gloria Grahame, Kim Hamilton | 96 min |
OF | Um seinen Ruhestand angemessen finanzieren zu
können, plant der unehrenhaft aus dem Dienst entlassene
New Yorker Polizist Dave Burke einen Bankraub in einem
nahegelegenen Provinzstädtchen. Da er seinen Plan allein
nicht umsetzen kann, versucht er, zwei Komplizen dafür
zu gewinnen: den rassistischen Ex-Sträfling Earl Slater,
der wegen Totschlags im Gefängnis war, und den jungen puerto-ricanischen Jazzmusiker Johnny Ingram,
der sich bei Pferdewetten hoch verschuldet hat. Der
exzellente Jazzscore von John Lewis unterstreicht die
düstere Stimmung dieses Nachzüglers des Film noir.
»Skating in Central Park« wurde zum Hit des Modern
Jazz Quartet und ein fester Bestandteil ihres Repertoires.
 Freitag, 28. Juli 2017, 18.30 Uhr
À bout de souffle (Außer Atem) | Frankreich 1960 |
R+B: Jean-Luc Godard | K: Raoul Coutard | M: Martial
Solal | D: Jean Seberg, Jean-Paul Belmondo, Daniel
Boulanger, Henri-Jacques Huet, Jean-Pierre Mel­ville
| 90 min | OmU | »Schon nach den ersten Szenen
sind alle außer Atem, die Schauspieler, die Zuschauer, die Bilder, und als Belmondo dann mit einer Kugel
im Rücken auf dem Pflaster zusammenbricht, bläst er
noch eine Rauchwolke aus, wie eine Pistole nach dem
Schuss. Unsterblich werden und dann sterben, das
dauert neunzig Minuten, und am Ende ist Belmondo ein
Star, Godard ein Genie und der Film ein Klassiker. Die
revolutionären Schnitte, die unverschämten Ellipsen,
mit denen Godard die Illusionshülle des Kinos zerbricht,
sie sind vervielfachte Liebesblicke; die legendären
Kamerafahrten und Schwenks nur der zerstreute Ausdruck eines Gefühls, das in der Außenwelt keine Entsprechung mehr findet.« (Andreas Kilb) Untrennbar mit
den Bildern verbunden ist die am Cool Jazz orientierte
Filmmusik des Jazzpianisten Martial Solal.
 Samstag, 29. Juli 2017, 18.30 Uhr
Let’s Get Lost | USA 1988 | R+B: Bruce Weber | K: Jeff
Preiss | M: Chet Baker | Mit Chet Baker, Carol Baker,
Vera Baker, William Claxton | 120 min | OF | Chet Baker
(1929–1988) war einer der wenigen Jazzmusiker, die
man sofort am ersten Ton erkannte. Sein Spiel mit der
Trompete und dem Flügelhorn war geprägt von einem
weichen, lyrischen, ruhigen und depressiven Ton, der
die Zuhörer sofort in seinen Bann schlug. Der Dokumentarfilm präsentiert Einspielungen aus den 1950er
Jahren, als Baker den West Coast Jazz mitbegründete.
Berühmte Bilder des Jazzfotografen William Claxton
zeigen ihn als »James Dean des Jazz«. Einen Kontrast
bilden dagegen Aufnahmen des Musikers aus dem
Jahr 1987/1988. Sein Gesicht ist durch seine Drogensucht zerstört, er steht während der Dreharbeiten sichtlich unter Heroineinfluss. Weiterhin gibt es Interviews
mit seiner Mutter, Ex-Frauen, Kindern und Mitmusikern.
Etwa ein halbes Jahr nach den Dreharbeiten starb Chet
Baker durch einen Fenstersturz aus seinem Hotelzimmer in Amsterdam.
 Sonntag, 30. Juli 2017, 18.30 Uhr
Donnerstag, 23. Februar 2017
19.00 Deutsche Filme 2016
Toni Erdmann
DE 2016 | Maren Ade | 162 min | OmeU
Seite 4
Freitag, 24. Februar 2017
18.30 Andrzej Wajda
Zły chłopiec (Der böse Knabe) | Ceramika iłzecka (Die Keramik aus Ilza)
Kiedy ty śpisz (Während du schläfst) | Pokolenie (Eine Generation)
PL 1951–1955 | Andrzej Wajda | 118 min | OmeU
21.00 Deutsche Filme 2016
Junges Licht
DE 2016 | Adolf Winkelmann | 122 min
Seite 10
Seite 4
Samstag, 25. Februar 2017
18.30 Andrzej Wajda
Idę do słońca (Ich gehe zur Sonne)
PL 1955 | Andrzej Wajda | 13 min | OmeU
Kanał (Der Kanal)
PL 1957 | Andrzej Wajda | 91 min | OmeU
21.00 Deutsche Filme 2016
Toni Erdmann
DE 2016 | Maren Ade | 162 min | OmeU
Seite 10
Seite 4
Sonntag, 26. Februar 2017
18.30 Andrzej Wajda
Popiół i diament (Asche und Diamant)
PL 1958 | Andrzej Wajda | 97 min | OmeU
Seite 10
21.00 Deutsche Filme 2016
Havarie
DE 2016 | Philip Scheffner | 93 min | OmeU
Seite 4
Chamissos Schatten: Alaska und die Aleutischen Inseln
DE 2016 | Ulrike Ottinger | 193 min
Seite 5
Mittwoch, 1. März 2017
19.00 Deutsche Filme 2016
Donnerstag, 2. März 2017
19.00 Open Scene
Freitag, 3. März 2017
Wajda – Une leçon de cinéma (Großes Kino aus Polen)
FR 2016 | Andrzej Wolski | 95 min | dtF | Andrzej Wolski
21.00 Deutsche Filme 2016
Nebel im August
DE 2016 | Kai Wessel | 126 min
Seite 10
Seite 5
Samstag, 4. März 2017
18.30 Andrzej Wajda
Lotna
PL 1959 | Andrzej Wajda | 85 min | OmeU
21.30 Deutsche Filme 2016
Vor der Morgenröte
DE 2016 | Maria Schrader | 105 min | OmeU
Seite 11
Seite 5
Sonntag, 5. März 2017
18.30 Andrzej Wajda
Niewinni czarodzieje (Die unschuldigen Zauberer)
PL 1960 | Andrzej Wajda | 83 min | OmeU
Przekładaniec (Organitäten)
PL 1968 | Andrzej Wajda | 35 min | OmeU
21.00 Deutsche Filme 2016
Landstück
DE 2016 | Volker Koepp | 122 min | OmeU
Seite 11
Seite 6
Kalenderübersicht
18.30 Andrzej Wajda
83
Dienstag, 7. März 2017
18.30 Deutsche Filme 2016
Vor der Morgenröte
DE 2016 | Maria Schrader | 105 min | OmeU
Seite 5
21.00 Universal Monsters
Universal Horror (Horror ohne Ende)
USA 1995 | Kevin Brownlow | 95 min | OmU
Seite 22
Mittwoch, 8. März 2017
19.00 Deutsche Filme 2016
Chamissos Schatten: Tschukotka und die Wrangelinsel 1
DE 2016 | Ulrike Ottinger | 192 min
Seite 5
Donnerstag, 9. März 2017
18.30 Open Scene
Freitag, 10. März 2017
18.30 Andrzej Wajda
Samson
PL 1961 | Andrzej Wajda | 117 min | OmeU
21.00 Deutsche Filme 2016
Die Hände meiner Mutter
DE 2016 | Florian Eichinger | 106 min | OmeU
Seite 12
Seite 6
Samstag, 11. März 2017
18.30 Andrzej Wajda
L’amour à 20 ans (Liebe mit 20)
Seite 12
FR 1962 | F. Truffaut, R. Rossellini, S. Ishihara, M. Ophüls, A. Wajda | 126 min | OmU
21.00 Deutsche Filme 2016
24 Wochen
DE 2016 | Anne Zohra Berrached | 103 min | OmeU
Seite 6
Sonntag, 12. März 2017
18.30 Andrzej Wajda
Popioły (Legionäre)
PL 1965 | Andrzej Wajda | 226 min | OmeU
Seite 12
Dienstag, 14. März 2017
18.30 Deutsche Filme 2016
24 Wochen
DE 2016 | Anne Zohra Berrached | 103 min | OmeU
21.00 Universal Monsters
Dracula
USA 1931 | Tod Browning | 75 min | OmU
Seite 6
Seite 22
Mittwoch, 15. März 2017
Kalenderübersicht
19.00 Deutsche Filme 2016
84
Chamissos Schatten: Tschukotka und die Wrangelinsel 2
DE 2016 | Ulrike Ottinger | 156 min
Seite 5
Donnerstag, 16. März 2017
19.00 Open Scene
Freitag, 17. März 2017
18.30 Andrzej Wajda
Sibirska Ledi Magbet (Blut der Leidenschaft)
YU 1962 | Andrzej Wajda | 92 min | OmeU
21.00 Deutsche Filme 2016
Wild
DE 2016 | Nicolette Krebitz | 93 min
Seite 12
Seite 7
Samstag, 18. März 2017
18.30 Andrzej Wajda
Gates to Paradise (Die Pforten des Paradieses)
GB 1967 | Andrzej Wajda | 79 min | dtF
Seite 13
Filmmuseum im Münchner Stadtmuseum · St.-Jakobs-Platz 1 · 80331 München · Tel 089/233 96450
Samstag, 18. März 2017
21.00 Deutsche Filme 2016
Tschick
DE 2016 | Fatih Akin | 93 min | OmeU
Seite 7
Sonntag, 19. März 2017
17.30 Film und
Psychoanalyse
Gravity
USA 2013 | Alfonso Cuarón | 90 min | OF | 3D | 2 Salek Kutschinski
21.00 Deutsche Filme 2016
Austerlitz
DE 2016 | Sergei Loznitsa | 94 min
Seite 7
18.30 Deutsche Filme 2016
Wild
DE 2016 | Nicolette Krebitz | 93 min
Seite 7
21.00 Universal Monsters
Drácula
USA 1931 | George Melford | 104 min | span.OmU
Seite 26
Dienstag, 21. März 2017
Seite 22
Mittwoch, 22. März 2017
19.00 Deutsche Filme 2016
Chamissos Schatten: Kamtschatka und die Beringinsel
DE 2016 | Ulrike Ottinger | 177 min
Seite 5
Donnerstag, 23. März 2017
19.00 Open Scene
Haymatloz – Exil in der Türkei
DE 2016 | Even Öusöz | 95 min | türk. OmU
Hasnain Kazim, Jutta Prediger, Christiane Schlötzer
18.30 Andrzej Wajda
Wszystko na sprzedaż (Alles zu verkaufen)
PL 1968 | Andrzej Wajda | 105 min | OmeU
Seite 13
21.00 Bilder der
Überwachung
Ucho (Das Ohr)
CS 1970 | Karel Kachyňa | 94 min | OmeU
Seite 29
18.30 Andrzej Wajda
Polowanie na muchy (Fliegenjagd)
PL 1969 | Andrzej Wajda | 108 min | OmeU
Seite 13
21.00 Bilder der
Überwachung
Nineteen Eighty-Four (1984)
GB 1984 | Michael Radford | 108 min | OF
Seite 29
18.30 Andrzej Wajda
Krajobraz po bitwie (Landschaft nach der Schlacht)
PL 1970 | Andrzej Wajda | 108 min | OmeU
Seite 13
21.00 Bilder der
Überwachung
The Conversation (Der Dialog)
USA 1974 | Francis Ford Coppola | 109 min | OmU
Seite 30
18.30 Bilder der
Überwachung
Alles unter Kontrolle
AT 2015 | Werner Boote | 93 min
Seite 30
Kalenderübersicht
Freitag, 24. März 2017
21.00 Universal Monsters
Frankenstein
USA 1931 | James Whale | 71 min | OmU
Seite 22
85
Samstag, 25. März 2017
Sonntag, 26. März 2017
Dienstag, 28. März 2017
Filmmuseum im Münchner Stadtmuseum · St.-Jakobs-Platz 1 · 80331 München · Tel 089/233 96450
Mittwoch, 29. März 2017
18.30 Bilder der
Überwachung
Der Riese
BRD 1983 | Michael Klier | 82 min
Seite 30
21.00 Cate Blanchett
Oscar and Lucinda (Oscar und Lucinda)
AU 1997 | Gillian Armstrong | 132 min | OF
Seite 34
Donnerstag, 30. März 2017
19.00 Open Scene
La teta asustada (Eine Perle Ewigkeit)
ES 2009 | Claudia Llosa | 100 min | OmU |
Claudia Llosa
Freitag, 31. März 2017
18.30 Architekturfilmtage
Where Architects Live
Seite 39
IT 2014 | Francesca Molteni | 78 min | OmeU
Peep | Cat | Modern Living | Casa Cubo | This Was Not My Dream (Casa Redux)
BR 2012-14 | Marcio Kogan | 20 min | engl.OF | 2 Mathieu Wellner
21.00 Architekturfilmtage
Atlas der seltsamen Häuser und ihrer Bewohner
Buchvorstellung und Einführungsvortrag von Niklas Maak
La Cupola
DE 2016 | Volker Sattel | 40 min | OmU | Volker Sattel
Seite 40
Samstag, 1. April 2017
18.30 Architekturfilmtage
Für den Schwung sind Sie zuständig
Seite 40
DE 2003 | Margarete Fuchs | 58 min | Margarete Fuchs
Bowlingtreff
DE 2016 | Thomas Beyer & Adrian Dorschner | 60 min | Thomas Beyer & Adrian Dorschner
21.00 Architekturfilmtage
Mies van der Rohe
BRD 1968 | Georgia van der Rohe & Sam Ventura | 40 min
Eero Saarinen – The Architect Who Saw the Future
USA 2016 | Peter Rosen | 54 min | OF
Seite 40
Sonntag, 2. April 2017
Il Girasole – Una casa vicino a Verona (Ein Haus in der Nähe von Verona) Seite 41
CH 1995 | Christoph Schaub & Marcel Meili | 15 min | OmU
Batushas Haus
CH 2016 | Tino Glimmann & Jan Gollob | 70 min | OmU | Tino Glimmann & Jan Gollob
21.00 Architekturfilmtage
La madre, il figlio e l’architetto (Die Mutter, der Sohn und der Architekt) Seite 41
NL 2012 | Petra Noordkamp | 16 min | engl.OF
L’architecte de Saint-Gaudens (Der Architekt von Saint-Gaudens)
FR 2015 | Julie Desprairies & Serge Bozon | 28 min | OmeU
A Man in Space No. 1 – Days of Zucco
FR 2016 | Lucas Bacle | 6 min | OmeU
Talking House
FR 2016 | Elizabeth Lennard | 42 min | engl.OF
Kalenderübersicht
18.30 Architekturfilmtage
Dienstag, 4. April 2017
86
18.30 Bilder der
Überwachung
Citizenfour
USA 2014 | Laura Poitras | 114 min | OmU
Seite 31
21.00 Universal Monsters
The Mummy (Die Mumie)
USA 1932 | Karl Freund | 74 min | OmU
Seite 23
Filmmuseum im Münchner Stadtmuseum · St.-Jakobs-Platz 1 · 80331 München · Tel 089/233 96450
Mittwoch, 5. April 2017
18.30 Bilder der
Überwachung
Low Definition Control – Malfunctions #0
AT 2011 | Michael Palm | 95 min
Seite 31
21.00 Cate Blanchett
Elizabeth GB 1998 | Shekhar Kapur | 124 min | OmU
Seite 34
Strafprotokoll aller und jeder Untertanen des allhiesigen
Reichsgotteshauses Roggenburg
BRD 1976 | Thomas Mauch | 11 min
Die Macht der Gefühle
BRD 1983 | Alexander Kluge | 115 min
Thomas Mauch, Alexander Kluge
Seite 43
18.30 Andrzej Wajda
Brzeżina (Das Birkenwäldchen)
PL 1970 | Andrzej Wajda | 99 min | OmeU
Seite 13
21.00 Thomas Mauch
Nel regno di Napoli (Neapolitanische Geschwister)
BRD 1978 | Werner Schroeter | 136 min | ital.OmU | Thomas Mauch
Seite 44
18.30 Andrzej Wajda
Wesele (Die Hochzeit)
PL 1973 | Andrzej Wajda | 110 min | OmeU
Seite 14
21.00 Thomas Mauch
Shirins Hochzeit
BRD 1976 | Helma Sanders-Brahms | 120 min |
Donnerstag, 6. April 2017
19.00 Thomas Mauch
Freitag, 7. April 2017
Samstag, 8. April 2017
Seite 44
Thomas Mauch
Sonntag, 9. April 2017
18.30 Andrzej Wajda
The Shadow Line (Die Schattenlinie)
GB 1976 | Andrzej Wajda | 100 min | OF
Seite 14
21.00 Thomas Mauch
Letzte Worte BRD 1968 | Werner Herzog | 13 min
Die Achse
BRD 1985 | Thomas Mauch | 32 min
Tod eines Vaters
BRD 1978 | Thomas Mauch | 47 min |
Seite 44
Thomas Mauch
A Good American
AT 2015 | Friedrich Moser | 104 min | OmU
Seite 31
21.00 Universal Monsters
The Invisible Man (Der Unsichtbare)
USA 1933 | James Whale | 71 min | OmU
Seite 23
18.30 Bilder der
Überwachung
Il Castello (Die Festung)
IT 2011 | Massimo D‘Anolfi & Martina Parenti | 90 min | OmeU
Seite 31
21.00 Cate Blanchett
Heaven
DE 2002 | Tom Tykwer | 97 min | OmU
Seite 34
Mittwoch, 12. April 2017
Donnerstag, 13. April 2017
19.00 Open Scene
Filmmuseum im Münchner Stadtmuseum · St.-Jakobs-Platz 1 · 80331 München · Tel 089/233 96450
Kalenderübersicht
Dienstag, 11. April 2017
18.30 Bilder der
Überwachung
87
Freitag, 14. April 2017
18.30 Andrzej Wajda
Pilatus und andere – Ein Film für Karfreitag
BRD 1972 | Andrzej Wajda | 94 min
Seite 14
21.00 Helmut Färber
Acto da Primavera (Der Leidensweg Jesu in Curalha)
PT 1963 | Manoel de Oliveira | 94 min | OmeU | 2 Thomas Brandlmeier
Seite 46
Ziemia obiecana (Das gelobte Land)
PL 1975 | Andrzej Wajda | 170 min | OmeU
Seite 14
Człowiek z marmuru (Der Mann aus Marmor)
PL 1977 | Andrzej Wajda | 161 min | OmeU
Seite 14
Człowiek z żelaza (Der Mann aus Eisen)
PL 1981 | Andrzej Wajda | 147 min | OmeU
Seite 15
18.30 Kafka geht ins Kino
Kafka
USA 1991 | Steven Soderbergh | 98 min | OmU
Seite 50
21.00 Universal Monsters
The Bride of Frankenstein (Frankensteins Braut)
USA 1935 | James Whale | 75 min | OmU
Seite 23
The Aviator
USA 2004 | Martin Scorsese | 178 min | OmU
Seite 35
Kafka geht ins Kino
Lesung mit Filmausschnitten |
Seite 50
Samstag, 15. April 2017
19.00 Andrzej Wajda
Sonntag, 16. April 2017
19.00 Andrzej Wajda
Montag, 17. April 2017
19.00 Andrzej Wajda
Dienstag, 18. April 2017
Mittwoch, 19. April 2017
19.00 Cate Blanchett
Donnerstag, 20. April 2017
19.00 Kafka geht ins Kino
Hanns Zischler
Kalenderübersicht
Freitag, 21. April 2017
88
18.30 Kafka geht ins Kino
Primo Circuito Aereo Internazionale di Aeroplane in Brescia
Seite 50
IT 1909 | Adolfo Croce | 13 min | OmU
Nick Winter et le vol de la Joconde (Nick Winter und der Diebstahl der Mona Lisa)
FR 1911 | Paul Gabigni | 10 min | OmU
Den hvide slavehandels sidste offer (Die weiße Sklavin)
DK 1911 | August Blom | 55 min | dtF | \ Richard Siedhoff | 2 Hanns Zischler
21.00 Kafka geht ins Kino
Theodor Körner
Seite 51
DE 1912 | Gerhard Dammann, Franz Porten | 41 min
La broyeuse de cœurs (Die Herzensbrecherin)
FR 1913 | Camille de Morlhon | 47 min | OmU | \ Richard Siedhoff | 2 Hanns Zischler
Samstag, 22. April 2017
18.30 Kafka geht ins Kino
Daddy-Long-Legs (Vater Langbein)
Seite 51
USA 1919 | Marshall Neilan | 97 min | OF | \ Richard Siedhoff | 2 Stefan Drößler
21.00 Kafka geht ins Kino
Prazdnovanie 300-letija Doma Romanovych (300 Jahrfeier des Hauses Romanoff)
RU 1913 | 16 min | OmU
Seite 51
Der Andere
DE 1913 | Max Mack | 75 min | \ Richard Siedhoff | 2 Stefan Drößler
Filmmuseum im Münchner Stadtmuseum · St.-Jakobs-Platz 1 · 80331 München · Tel 089/233 96450
Sonntag, 23. April 2017
18.30 Kafka geht ins Kino
Jízda Prahou otevřenou tramvají (Straßenbahnfahrt durch Prag)
Seite 51
CZ 1908 | Jan Kříženecký | 2 min
Shiwat Zion (Heimkehr nach Zion)
Palästina 1921 | Ya'acov Ben-Dov | 74 min | OmU | \ Günter A. Buchwald | 2 Stewart Tryster
21.00 Kafka geht ins Kino
Kafka
USA 1991 | Steven Soderbergh | 98 min | OmU
Seite 50
18.30 Danielle Darrieux
Mayerling
FR 1996 | Anatole Litvak | 92 min | OmU
Seite 55
21.00 Universal Monsters
Dracula’s Daughter (Draculas Tochter)
USA 1936 | Lambert Hillyer | 71 min | OF
Seite 24
18.30 Danielle Darrieux
8 femmes (8 Frauen)
FR 2002 | François Ozon | 111 min | OmU
Seite 55
21.00 Cate Blanchett
I’m Not There
USA 2007 | Todd Haynes | 130 min | OmU |
Dienstag, 25. April 2017
Mittwoch, 26. April 2017
Seite 36
Ed Lachman
Donnerstag, 27. April 2017
Queen Kelly
USA 1929 | Erich von Stroheim | 96 min | OF
Hat Wolff von Amerongen Konkursdelikte begangen?
AT 2004 | Gerhard Benedikt Friedl | 72 min
Seite 46
18.30 Andrzej Wajda
Bez znieczulenia (Ohne Betäubung)
PL 1978 | Andrzej Wajda | 125 min | OmeU
Seite 15
21.00 Danielle Darrieux
La ronde (Der Reigen) FR 1950 | Max Ophüls | 109 min | OmU
Seite 56
18.30 Andrzej Wajda
Panny z Wilka (Die Mädchen von Wilko)
PL 1979 | Andrzej Wajda | 116 min | OmeU
Seite 15
21.00 Danielle Darrieux
Le plaisir (Pläsier)
FR 1951 | Max Ophüls | 97 min | OmeU
Seite 56
19.00 Helmut Färber
Freitag, 28. April 2017
Sonntag, 30. April 2017
17.30 Film und
Psychoanalyse
Birdman or The Unexpected Virtue of Ignorance
Seite 26
(Birdman oder Die unverhoffte Macht der Ahnungslosigkeit)
USA 2014 | Alejandro G. Iñárritu | 119 min | OmU | 2 Matthias Baumgart, Eva Friedrich
21.00 Danielle Darrieux
Madame de …
FR 1953 | Max Ophüls | 99 min | OmU
Seite 56
18.30 Danielle Darrieux
Les demoiselles de Rochefort (Die Mädchen von Rochefort)
FR 1967 | Jacques Demy | 122 min | OmeU
Seite 56
21.00 Universal Monsters
Son of Frankenstein (Frankensteins Sohn)
USA 1939 | Rowland V. Lee | 99 min | OF
Seite 24
Dienstag, 2. Mai 2017
Filmmuseum im Münchner Stadtmuseum · St.-Jakobs-Platz 1 · 80331 München · Tel 089/233 96450
Kalenderübersicht
Samstag, 29. April 2017
89
filmmuseummünchen
Mittwoch, 3. Mai 2017
18.30 Danielle Darrieux
Une chambre en ville (Ein Zimmer in der Stadt)
FR 1982 | Jacques Demy | 90 min | OmeU
Seite 56
21.00 Cate Blanchett
The Life Aquatic with Steve Zissou (Die Tiefseetaucher) USA 2004 | Wes Anderson | 119 min | OF
Seite 35
Donnerstag, 4. Mai bis Sonntag, 14. Mai 2017
Dok.Fest: Retrospektive Georg Stefan Troller
Seite 57
18.30 Kurt Eisner
Die Münchner Räterepublik I:
Kurt Eisner – Zwischen Demokratie und Diktatur
BRD 1971 | Helmuth Ashley | 90 min | 2 Ingrid Scherf
Seite 59
21.00 Universal Monsters
The Invisible Man Returns (Der Unsichtbare kehrt zurück)
USA 1940 | Joe May | 81 min | OmU
Seite 24
18.30 Kurt Eisner
Die Münchner Räterepublik II: Ende mit Schrecken
BRD 1971 | Helmuth Ashley | 87 min
Seite 59
21.00 Cate Blanchett
Notes on a Scandal (Tagebuch eines Skandals)
GB 2006 | Richard Eyre | 92 min | OmU
Seite 35
18.30 Andrzej Wajda
Dyrygent (Der Dirigent)
PL 1980 | Andrzej Wajda | 102 min | OmeU
Seite 15
21.00 Sterling Hayden
The Asphalt Jungle (Asphalt-Dschungel)
USA 1950 | John Huston | 112 min | OF
Seite 63
18.30 Andrzej Wajda
Danton
FR 1983 | Andrzej Wajda | 136 min | OmU
Seite 15
21.00 Sterling Hayden
Denver & Rio Grande (Terror am Rio Grande)
USA 1952 | Byron Haskin | 89 min | OF
Seite 64
17.30 Film und
Psychoanalyse
Ultimo Tango a Parigi (Der letzte Tango in Paris)
IT 1972 | Bernardo Bertolucci | 129 min | engl.OmU
2 Andreas Hamburger, Vivian Pramataroff-Hamburger
Seite 27
21.00 Sterling Hayden
Prince Valiant (Prinz Eisenherz)
USA 1954 | Henry Hathaway | 100 min | OmU
Seite 64
18.30 Kurt Eisner
Rotmord
BRD 1968 | Peter Zadek | 85 min
Seite 60
21.00 Universal Monsters
The Wolf Man (Der Wolfsmensch)
USA 1941 | George Waggner | 70 min | OmU
Seite 24
Dienstag, 16. Mai 2017
Mittwoch, 17. Mai 2017
Donnerstag, 18. Mai 2017
19.00 Open Scene
Freitag, 19. Mai 2017
Samstag, 20. Mai 2017
Kalenderübersicht
Sonntag, 21. Mai 2017
90
Dienstag, 23. Mai 2017
Filmmuseum im Münchner Stadtmuseum · St.-Jakobs-Platz 1 · 80331 München · Tel 089/233 96450
filmmuseummünchen
Mittwoch, 24. Mai 2017
The Curious Case of Benjamin Button (Der seltsame Fall des
Benjamin Button)
USA 2008 | David Fincher | 166 min | OmU
Seite 36
Revoluzzer, Räte, Reaktionäre
BRD 1969 | Wolfgang Kahle & Georg Walschus | 93 min
Es geht durch die Welt ein Geflüster. München 7.11.1918 – 2.5.1919
BRD 1989 | Uli Bez | 42 min | Uli Bez | 2 Ingrid Scherf
Seite 60
18.30 Andrzej Wajda
Eine Liebe in Deutschland
BRD 1983 | Andrzej Wajda | 107 min
Seite 16
21.00 Sterling Hayden
Johnny Guitar (Wenn Frauen hassen)
USA 1954 | Nicholas Ray | 110 min | OF
Seite 64
18.30 Andrzej Wajda
Kronika wypadków miłosnych (Eine Chronik von Liebesunfällen)
PL 1986 | Andrzej Wajda | 114 min | OmeU
Seite 16
21.00 Sterling Hayden
Suddenly (Der Attentäter)
USA 1954 | Lewis Allen | 75 min | OF
Seite 64
18.30 Andrzej Wajda
Schuld und Sühne
BRD 1987 | Andrzej Wajda | 118 min
Seite 16
21.00 Sterling Hayden
The Killing (Die Rechnung ging nicht auf)
USA 1956 | Stanley Kubrick | 85 min | OF
Seite 64
18.30 2. Juni 1967
und die Folgen
Une jeunesse allemande (Eine deutsche Jugend)
FR 2015 | Jean-Gabriel Périot | 93 min | OmU
Seite 69
21.00 Universal Monsters
Frankenstein Meets the Wolf Man (Frankenstein trifft den Wolfsmenschen) Seite 25
USA 1943 | Roy William Neill | 74 min | OF
19.00 Cate Blanchett
Donnerstag, 25. Mai 2017
19.00 Kurt Eisner
Freitag, 26. Mai 2017
Samstag, 27. Mai 2017
Sonntag, 28. Mai 2017
Dienstag, 30. Mai 2017
18.30 2. Juni 1967
und die Folgen
Ich bin ein Elefant, Madame!
BRD 1969 | Peter Zadek | 100 min
Seite 69
21.00 Cate Blanchett
Blue Jasmine
USA 2013 | Woody Allen | 98 min | OmU
Seite 36
Kurzfilmabend des Münchner Filmzentrums e.V. (MFZ)
Seite 71
18.30 Andrzej Wajda
Les possédés (Die Dämonen)
FR 1988 | Andrzej Wajda | 114 min | OmU
Seite 16
21.00 Sterling Hayden
Crime of Passion (Das war Mord, Mr. Doyle)
USA 1957 | Gerd Oswald | 86 min | OF
Seite 65
Donnerstag, 1. Juni 2017
19.00 Zuschauerkino
Freitag, 2. Juni 2017
Kalenderübersicht
Mittwoch, 31. Mai 2017
91
Filmmuseum im Münchner Stadtmuseum · St.-Jakobs-Platz 1 · 80331 München · Tel 089/233 96450
filmmuseummünchen
Samstag, 3. Juni 2017
18.30 Andrzej Wajda
Korczak
PL 1990 | Andrzej Wajda | 117 min | OmeU
Seite 16
21.00 Sterling Hayden
Terror in a Texas Town (Sturm über Texas)
USA 1958 | Joseph H. Lewis | 80 min | OF
Seite 65
18.30 Andrzej Wajda
Wielki tydzień (Die Karwoche)
PL 1995 | Andrzej Wajda | 90 min | OmU
Seite 17
21.00 Sterling Hayden
Leuchtturm des Chaos
BRD 1983 | Wolf-Eckart Bühler | 119 min | OmU |
Sonntag, 4. Juni 2017
Seite 65
Wolf-Eckart Bühler
Montag, 5. Juni 2017
18.30 Andrzej Wajda
Panna Nikt (Fräulein Niemand)
PL 1996 | Andrzej Wajda | 98 min | OmU
Seite 17
21.00 Sterling Hayden
Dr. Strangelove, or How I Learned to Stop Worrying and Love the Bomb
(Dr. Seltsam oder Wie ich lernte, die Bombe zu lieben)
USA 1964 | Stanley Kubrick | 93 min | OmU
Seite 65
18.30 2. Juni 1967
und die Folgen
1968: Kunst, Protest, Happening
BRD 1981 (2010) | Helmut Herbst | 76 min |
Seite 70
21.00 Universal Monsters
Son of Dracula (Draculas Sohn)
USA 1943 | Robert Siodmak | 80 min | OF
Seite 25
18.30 2. Juni 1967
und die Folgen
Polizeifilm
BRD 1969 | Wim Wenders | 12 min
Brandstifter
BRD 1969 | Klaus Lemke | 65 min
Seite 70
21.00 Cate Blanchett
Truth (Der Moment der Wahrheit)
USA 2015 | James Vanderbilt | 126 min | OmU
Seite 36
Filme von Miranda Pennell
Miranda Pennell
Seite 72
18.30 Andrzej Wajda
Pan Tadeusz
PL 1999 | Andrzej Wajda | 125 min | OmU
Seite 17
21.00 Sterling Hayden
Der Havarist
BRD 1984 | Wolf-Eckart Bühler | 100 min |
Dienstag, 6. Juni 2017
Helmut Herbst
Mittwoch, 7. Juni 2017
Donnerstag, 8. Juni 2017
19.00 Underdox-Halbzeit
Kalenderübersicht
Freitag, 9. Juni 2017
Seite 66
Wolf-Eckart Bühler
Samstag, 10. Juni 2017
18.30 Andrzej Wajda
Zemsta (Die Rache)
PL 2002 | Andrzej Wajda | 100 min | OmeU
Seite 17
21.00 Sterling Hayden
The Godfather (Der Pate)
USA 1972 | Francis Ford Coppola | 175 min | OmU
Seite 66
92
Filmmuseum im Münchner Stadtmuseum · St.-Jakobs-Platz 1 · 80331 München · Tel 089/233 96450
filmmuseummünchen
Sonntag, 11. Juni 2017
18.30 Andrzej Wajda
Katyń (Das Massaker von Katyn)
PL 2007 | Andrzej Wajda | 122 min | OmU
Seite 18
21.00 Sterling Hayden
The Long Goodbye (Der Tod kennt keine Wiederkehr)
USA 1973 | Robert Altman | 113 min | OF
Seite 66
18.30 2. Juni 1967
und die Folgen
Ostern 68
DDR 1968 | Harry Hornig | 14 min
Aufrecht gehen. Rudi Dutschke – Spuren
BRD 1988 | Helga Reidemeister | 92 min
Seite 70
21.00 Universal Monsters
Creature from the Black Lagoon (Der Schrecken vom Amazonas)
USA 1954 | Jack Arnold | 79 min | OF | 3D
Seite 25
18.30 2. Juni 1967
und die Folgen
Liebe und so weiter
BRD 1968 | George Moorse | 84 min
Seite 70
21.00 Cate Blanchett
Manifesto DE 2015 | Julian Rosefeldt | 90 min | OF
Seite 36
18.30 Andrzej Wajda
Tatarak (Der Kalmus)
PL 2009 | Andrzej Wajda | 85 min | OmeU
Seite 18
21.00 Sterling Hayden
Novecento I (1900 – 1.Teil: Gewalt, Macht, Leidenschaft)
IT 1976 | Bernardo Bertolucci | 162 min | OmU
Seite 66
18.30 Andrzej Wajda
Wałęsa - Człowiek z nadziei (Wałęsa – Mann aus Hoffnung)
PL 2013 | Andrzej Wajda | 127 min | OmeU
Seite 18
21.00 Sterling Hayden
Novecento II (1900 – 2.Teil: Kampf, Liebe, Hoffnung)
IT 1976 | Bernardo Bertolucci | 154 min | OmU
Seite 66
Dienstag, 13. Juni 2017
Mittwoch, 14. Juni 2017
Donnerstag, 15. Juni 2017
19.00 Open Scene
Freitag, 16. Juni 2017
Samstag, 17. Juni 2017
17.30 Film und
Psychoanalyse
The Age of Innocence (Zeit der Unschuld)
Seite 27
USA 1993 | Martin Scorsese | 138 min | OmU | 2 Katharina Leube, Irmgard Nagel
Dienstag, 20. Juni 2017
18.30 2. Juni 1967
und die Folgen
München 1970. Als der Terror zu uns kam
DE 2012 | Georg M. Hafner | 90 min | Georg M. Hafner
Seite 70
21.00 Universal Monsters
Young Frankenstein (Frankenstein Junior)
USA 1974 | Mel Brooks | 106 min | OmU
Seite 25
18.30 2. Juni 1967
und die Folgen
Die Niklashauser Fart
BRD 1970 | Rainer Werner Fassbinder, Michael Fengler | 86 min
Seite 70
21.00 Sterling Hayden
The Outsider (Verrat in Belfast)
USA 1979 | Tony Luraschi | 122 min | OF
Seite 66
Mittwoch, 21. Juni 2017
Filmmuseum im Münchner Stadtmuseum · St.-Jakobs-Platz 1 · 80331 München · Tel 089/233 96450
Kalenderübersicht
Sonntag, 18. Juni 2017
93
filmmuseummünchen
Donnerstag, 22. Juni 2017
19.00 Open Scene
Freitag, 23. Juni – Samstag, 14. Juli 2017
Filmfest München
Sonntag, 2. Juli 2017
19.00 Jazz im Film
Willi-Johanns-Jazzquartett: »Bebop Spoken Here«
Seite 75
Willi Johanns (vocal), Tizian Jost (piano), Andreas Kurz (bass), Michael Keul (drums)
Paris Blues
USA 1961 | Martin Ritt | 98 min | OF
Dienstag, 4. Juli 2017
Young Man with a Horn (Der Jazztrompeter)
USA 1950 | Michael Curtiz | 112 min | OF
Seite 75
Kansas City
USA 1996 | Robert Altman | 114 min | OmU
Seite 76
The Gene Krupa Story (Jazz-Ekstase)
USA 1959 | Don Weis | 101 min | OF
Seite 76
18.30 Jazz im Film
Syncopation
USA 1942 | William Dieterle | 89 min | OF
Seite 76
21.00 Jazz im Film
Young Man with a Horn (Der Jazztrompeter)
USA 1950 | Michael Curtiz | 112 min | OF
Seite 75
18.30 Jazz im Film
Jazz-Kurzfilme und Zeichentrickfilme
USA 1929–1954 | Dudley Murphy, Aubrey Scotto, Dave Fleischer,
Fred Waller, George Pal, Roger Tilton | 95 min | OF
Seite 76
21.00 Jazz im Film
Kansas City
USA 1996 | Robert Altman | 116 min | OmU
Seite 76
18.30 Jazz im Film
New Orleans
USA 1947 | Arthur Lubin | 90 min | OmU
Seite 77
Kalenderübersicht
20.00 Jazz im Film
21.00 Jazz im Film
The Gene Krupa Story (Jazz-Ekstase)
USA 1959 | Don Weis | 101 min | OF
Seite 76
New York, New York
USA 1977 | Martin Scorsese | 163 min | OmU
Seite 77
94
20.00 Jazz im Film
Jazz »Hot«
GB 1939 | 4 min | OF
Sweet and Lowdown
USA 1999 | Woody Allen | 95 min | OmU
Seite 78
Mittwoch, 5. Juli 2017
20.00 Jazz im Film
Donnerstag, 6. Juli 2017
20.00 Jazz im Film
Freitag, 7. Juli 2017
Samstag, 8. Juli 2017
Sonntag, 9. Juli 2017
Dienstag, 11. Juli 2017
20.00 Jazz im Film
Mittwoch, 12. Juli 2017
Seite 78
Filmmuseum im Münchner Stadtmuseum · St.-Jakobs-Platz 1 · 80331 München · Tel 089/233 96450
filmmuseummünchen
Donnerstag, 13. Juli 2017
20.00 Jazz im Film
Whiplash
USA 2014 | Damien Chazelle | 107 min | OmU
Seite 78
18.30 Jazz im Film
A Song Is Born (Die tollkühne Rettung der Gangsterbraut
Honey Swanson)
USA 1948 | Howard Hawks | 113 min | OmU
Seite 78
21.00 Jazz im Film
New York, New York
USA 1977 | Martin Scorsese | 163 min | OmU
Seite 77
18.30 Jazz im Film
Artie Shaw’s Class in Swing
USA 1939 | Leslie Roush | 10 min | OF
Jammin’ the Blues
USA 1944 | Gjon Mili | 10 min | OF
Begone Dull Care (Jazz in Farben)
CA 1949 | Norman McLaren | 9 min | OF
Charlie Parker & Dizzy Gillespie
USA 1952 | Bill Seaman | 5 min | OF
The Sound of Jazz
USA 1957 | Jack Smight | 56 min | OF
Seite 79
21.00 Jazz im Film
Jazz »Hot«
GB 1939 | 4 min | OF
Sweet and Lowdown
USA 1999 | Woody Allen | 95 min | OmU
Seite 78
18.30 Jazz im Film
Swing Kids
USA 1993 | Thomas Carter | 112 min | OF
Seite 79
21.00 Jazz im Fillm
Whiplash
USA 2014 | Damien Chazelle | 107 min | OmU
Seite 78
Round Midnight (Um Mitternacht)
FR 1986 | Bertrand Tavernier | 133 min | engl.OmU
Seite 79
Bird
USA 1988 | Clint Eastwood | 161 min | OF
Seite 79
Chico & Rita
ES 2010 | Fernando Trueba, Tono Errando, Javier Mariscal | 94 min | OmU
Seite 80
18.30 Jazz im Film
Jazz on a Summer’s Day (Jazz an einem Sommerabend)
USA 1960 | Bert Stern, Aram Avakian | 86 min | OF
Seite 80
21.00 Jazz im Fillm
Round Midnight (Um Mitternacht)
FR 1986 | Bertrand Tavernier | 133 min | OmU
Seite 79
Freitag, 14. Juli 2017
Samstag, 15. Juli 2017
Sonntag, 16. Juli 2017
Dienstag, 18. Juli 2017
20.00 Jazz im Film
20.00 Jazz im Film
Donnerstag, 20. Juli 2017
20.00 Jazz im Film
Freitag, 21. Juli 2017
Filmmuseum im Münchner Stadtmuseum · St.-Jakobs-Platz 1 · 80331 München · Tel 089/233 96450
Kalenderübersicht
Mittwoch, 19. Juli 2017
95
filmmuseummünchen
Samstag, 22. Juli 2017
18.30 Jazz im Film
Thelonious Monk – Straight, No Chaser
USA 1988 | Charlotte Zwerin | 90 min | OF
Seite 80
21.00 Jazz im Film
Bird
USA 1988 | Clint Eastwood | 161 min | OF
Seite 79
18.30 Jazz im Film
Blue Note – A Story of Modern Jazz DE 1997 | Julian Benedikt, Andreas Morell | 91 min | engl.OmU
Seite 81
21.00 Jazz im Film
Chico & Rita
ES 2010 | Fernando Trueba, Tono Errando, Javier Mariscal | 94 min | OmU
Seite 80
Ascenseur pour l’échafaud (Fahrstuhl zum Schafott)
FR 1958 | Louis Malle | 91 min | OmU
Seite 81
The Fabulous Baker Boys (Die fabelhaften Baker Boys)
USA 1989 | Steve Kloves | 114 min | OmU
Seite 81
Miles Ahead
USA 2015 | Don Cheadle | 100 min | OmU
Seite 82
18.30 Jazz im Film
Odds Against Tomorrow (Wenig Chancen für morgen)
USA 1959 | Robert Wise | 96 min | OF
Seite 82
21.00 Jazz im Film
Ascenseur pour l’échafaud (Fahrstuhl zum Schafott)
FR 1958 | Louis Malle | 91 min | OmU
Seite 81
18.30 Jazz im Film
À bout de souffle (Außer Atem)
FR 1960 | Jean-Luc Godard | 90 min | OmU
Seite 82
21.00 Jazz im Film
The Fabulous Baker Boys (Die fabelhaften Baker Boys)
USA 1989 | Steve Kloves | 114 min | OmU
Seite 81
18.30 Jazz im Film
Let’s Get Lost
USA 1988 | Bruce Weber | 120 min | OF
Seite 82
21.00 Jazz im Film
Miles Ahead
USA 2015 | Don Cheadle | 100 min | OmU
Seite 82
Sonntag, 23. Juli 2017
Dienstag, 25. Juli 2017
20.00 Jazz im Film
Mittwoch, 26. Juli 2017
20.00 Jazz im Film
Donnerstag, 27. Juli 2017
20.00 Jazz im Film
Freitag, 28. Juli 2017
Samstag, 29. Juli 2017
Kalenderübersicht
Sonntag, 30. Juli 2017
96
Sommerpause: Das Filmmuseum ist vom 31. Juli bis zum 30. August 2017 geschlossen.
Filmmuseum im Münchner Stadtmuseum · St.-Jakobs-Platz 1 · 80331 München · Tel 089/233 96450
Für Unterstützung und Kooperation bei der Realisierung unseres Programms danken wir:
Andrzej Wajda · Arte, Mainz (Nina Goslar) · Arte, Strasbourg (Marie-Laure Rodier) · Avala Film Way, Belgrad (Marina Ivanović) · Cinémathèque française, Paris (Emilie Cauquy, Matthieu Grimault) · Cinémathèque Suisse, Lausanne
(André Schäublin) · Filmoteka Narodowa, Warschau (Kamila
Bilman, Elżbieta Wysocka) · Cyfrowe Repozytorium Filmowe,
Warschau (Martyna Korablewska-Szpetmánska, Stanisław
Bardadin) · Generalkonsulat der Republik Polen, München
(Andrzej Osiak, Marcin Król) · Jugoslovenska Kinoteka, Belgrad (Aleksandr Erdeljanovic) · Szkoła Filmowa, Łodz (Ma­
riusz Grzegorzk, Krzysztof Brzezowski)
Film und Psychoanalyse · Akademie für Psychoanalyse und
Psychotherapie, München (Matthias Baumgart, Eva Friedrich,
Andreas Hamburger, Vivian Pramataroff-Hamburger, Salek
Kutschinski, Mathias Lohmer, Katharina Leube-Sonnleitner,
Corinna Wernz)
Bilder der Überwachung · Cinémathèque de la ville de
Luxembourg (Claude Bertemes, Georges Bildgen) · Národní
Filmový Archiv, Prag (Kateřina Fojtová) · Tschechisches Zentrum, München (Anett Browarzik, Ondřej Černý) · Münchner
Stadtmuseum (Rudolf Scheutle)
Cate Blanchett · Kino der Kunst, München (Heinz Peter
Schwerfel, Isabel Kienemann) · National Film and Sound Archive, Canberra (Michael Loebenstein, Steph Carter) · Svenska
Filminstitutet, Stockholm (Jon Wengström, Johan Ericsson)
· Museum Villa Stuck, München (Verena Hein) · Sammlung
Goetz, München (Cornelia Gockel)
Architekturfilmtage · Arte, Mainz (Nina Goslar) · Bayerische
Architektenkammer, München (Präsidentin Christine Degenhart, Sabine Picklapp) · Brumm, Bordeaux (Lucas Bacle) · Les
Films de la Liberté, Paris (Vladimir Léon) · Studio MK27, São
Paulo (Carlos Costa, Laura Guedes) · Thirteen / American Masters, New York (Junko Tsunashima) · Fritz Göttler, München ·
Elizabeth Lennard, Paris · Niklas Maak, Berlin · Volker Sattel,
Berlin · Mathieu Wellner, München
Franz Kafka · Alpha Omega Digital, München (Thomas Bakels, Marie Bendl) · Bundesarchiv, Berlin (Doris Hackbarth, Karl
Griep) · Cinémathèque Suisse, Lausanne (André Schäublin)
· Det Danske Filminstitut, Kopenhagen (Thomas Christensen)
· Deutsche Kinemathek, Berlin (Martin Koerber, David Meiller)
· Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung, Wiesbaden (Ernst Szebedits) · Kulturstiftung des Bundes, Halle (Alexander Farenholtz)
· La cineteca del Friuli, Gemona (Livio Jacob) · La cineteca di
Bologna (Andrea Meneghelli, Gian Luca Farinelli) · Library of
Congress, Washington D.C. (Mike Mashon) · Národní Filmový
Archiv, Prag (Matej Strnad, Michal Bregant) · Tschechisches
Zentrum, München (Anett Browarzik, Ondřej Černý) · Verlag
Galiani Berlin (Wolfgang Hörner, Florian Ringswald) · Christian
Ketels, Großdingharting · Arndt Pawelczik, Köln · Stewart Tryster,
Berlin · Hanns Zischler, Berlin
Danielle Darrieux · Deutsches Institut für Filmkunde, Frankfurt/Wiesbaden (Markus Wessolowski)
Sterling Hayden · Cinémathèque française, Paris (Emilie
Cauquy, Matthieu Grimault) · Wolf-Eckart Bühler, München
Kurt Eisner · Münchner Stadtmuseum (Manfred Wegner) ·
Telepool, München (Annemarie Rösing) · ZDF, Mainz (Christiane
Mayer, Janine Göllner) · Ingrid Scherf, München
Berlin, 2. Juni 1967 · Hessischer Rundfunk, Wiesbaden
(Michael Hofmann) · City 46, Bremen (Karl-Heinz Schmid) ·
Westdeutscher Rundfunk, Köln (Birol Teke) · Georg M. Hafner,
Frankfurt
Jazz im Film · British Film Institute, London (Hannah Prouse) ·
Cinémathèque Suisse, Lausanne (André Schäublin) · Film Archiv Austria, Wien (Nikolaus Wostry, Anna Dobringer) · Library of
Congress, Washington (Lynanne Schweighofer) · Anna-Maria
Babin, München · Klaus Huckert, Riegelsberg · Willi Johanns,
München
Thomas Mauch · Deutsche Kinemathek, Berlin (Anke Hahn)
· Bärbel Freund, Berlin · Alexander Kluge, München · Thomas
Mauch, Berlin
Helmut Färber · Cinemateca Portuguesa, Lissabon (Sara Moreira) · Öste­rreichisches Filmmuseum, Wien (Regina Schlagnitweit) · Michael Girke, Herford · Markus Nechleba, Berlin
Das Kino ist mit einer Induktionsschleife
für Hörgerätebesitzer ausgestattet
Fotos · Arsenal Distribution, Berlin (Annette Lingg) · Cinémathèque Suisse, Lausanne (Carina Carballo) · Deutsches Filminstitut,
Wiesbaden (André Mieles) · Dynweb Net Services, München (Heiner Gassen) · Filmmuseum München (Gerhard Ullmann, Michael
Kuch, Christoph Michel, Stefan Drößler, Claudia Engelhardt) · Sammlung Goetz, München (Cornelia Gockel)
Das Kino der Stadt
Filmmuseum im Münchner Stadtmuseum · St.-Jakobs-Platz 1 · 80331 München
Tel 089/233 96450 · Fax 089/233 23931 · www.muenchner- stadtmuseum.de/film