Wie wollen wir leben?

Entschließungsantrag an die 9. Ordentliche Bundesfrauenkonferenz
Antragstellerin: IG BAU Bundesfrauenvorstand
Betrifft:
Diskussionspapier der IG BAU Frauen – Wie wollen wir leben?
Die Bundesfrauenkonferenz möge das folgende Diskussionspapier beschließen:
Wie wollen wir leben?
Diskussionspapier der IG BAU Frauen
Für die Gestaltung der Zukunft sind wir alle verantwortlich. Das gegenwärtige, auf Wachstum
und Profit ausgerichtete Wirtschafts- und Gesellschaftssystem ist zerstörerisch und
menschenfeindlich. Scheinbare „Alternativen“ rechter Parteien werden immer gefährlicher. Die
Zeit drängt, wirkliche Lösungen anzugehen. Vor diesem Hintergrund haben wir - die IG BAUFrauen - Vorstellungen einer guten Zukunft entwickelt mit grundlegend anderen Werten und
Zielen des Zusammenlebens. In der Tradition der Arbeiter- und der Frauenbewegung setzen wir
uns ein für die Vision von fairer Arbeit und einem guten Leben. Eine andere Welt ist möglich!
Lebensgrundlagen - „Global denken, lokal handeln“
Unser aller Lebensgrundlage ist der Planet Erde. Um die Erde zu erhalten, benötigt sie
besonderen Schutz. Natürliche Ressourcen wie Rohstoffe, Boden, Luft und Wasser sowie
Wald, Flora und Fauna mit ihrer genetischen Vielfalt sind Gemeingut und dürfen nicht
privatisiert werden.
Das Steuersystem und die Vergabe von Subventionen sind so gestaltet, dass der schonende
Umgang mit Ressourcen belohnt und Umweltsünden wirksam bestraft werden. Regionale
Wirtschaftskreisläufe, langlebige Produkte und Wiederverwertung werden ebenso gefördert wie
die Nutzung regenerativer Energien und Energieeinsparung.
Wirtschaft - „Kooperation statt Konkurrenz!“
Die Wirtschaft dient dem Gemeinwohl – lokal wie global. Dazu gehören die Kooperation mit
anderen Unternehmen statt Konkurrenz, fairer Handel und Information statt Werbung. Die
Produktion orientiert sich an den tatsächlichen Bedürfnissen der Verbraucher. Alle
Unternehmen haften für Auswirkungen im Rahmen ihrer unternehmerischen Tätigkeit. Die
betriebliche und wirtschaftliche Mitbestimmung durch gewählte Gremien steigt mit der
Beschäftigtenzahl.
Arbeit - „Mehr als Broterwerb!“
Die gesellschaftlich notwendige Arbeit umfasst die Erwerbsarbeit, die Arbeit im Privatbereich
sowie zivilgesellschaftliches Engagement.
Die Erwerbsarbeit ist planbar, unbefristet und ermöglicht die langfristige Existenzsicherung. Die
Förderung von Weiterbildung und innovativen Ideen, Gesundheitsschutz, Gleichbehandlung
und die Vereinbarkeit mit anderen Aufgaben prägen die Arbeitsbedingungen.
Das höchste Entgelt im Betrieb darf maximal zwanzigmal so hoch sein wie das niedrigste.
Darüber hinaus gibt es Lohn- und Gehaltsuntergrenzen und Vermögensgrenzen nach oben. Im
Steuersystem sind alle Einkommen gleichermaßen und progressiv einbezogen.
Arbeitszeiten - „Zeit ist Leben!“
Für die Erwerbsarbeit gilt die 30-Stunden-Woche als Vollzeit. Dafür wird die
Produktivitätssteigerung genutzt und die Arbeit auf alle verteilt. Es gibt vielfältige Zeitoptionen
für Beschäftigte und Schichtarbeit ist auf das Notwendige begrenzt.
Die 30-Stunden-Woche lässt Zeit für Erholung, eigene Interessen und wichtige gesellschaftliche
Aufgaben. Die unbezahlte Arbeit schafft die Voraussetzungen für die Erwerbsarbeit und trägt
maßgeblich zum Funktionieren unserer Gesellschaft bei. Bezahlte und unbezahlte Arbeit sind
gleichermaßen zwischen den Geschlechtern verteilt.
Der gesetzliche Jahresurlaub beträgt sechs Wochen, plus eine Woche bezahlte
Weiterbildungszeit und zusätzliche Eltern- oder Pflegetage. Das generelle Renteneintrittsalter
liegt bei 63 Jahren, mit der Möglichkeit eines flexiblen Renteneintritts. Dabei werden für die
Rente auch alle Ausbildungszeiten angerechnet.
Geld - „Ein Mittel zum Tauschen!“
Geld ist ein internationales Tauschmittel und an reale Werte gekoppelt. Ergänzend gibt es
regionale Währungen. Finanzspekulationen sind durch wirksame Werkzeuge unterbunden. Das
Finanzsystem ist transparent. Börsen sowie Zins- und Zinseszinssysteme sind abgeschafft.
Geld dient weltweit dem Frieden und der Förderung einer nachhaltigen Wirtschaft.
Soziale Sicherung - „Unabhängig vom Erwerbseinkommen!“
Es gibt eine bedingungslose Grundsicherung für alle. In allen Lebensphasen und Lebenslagen
erhält jede/r ausreichend Mittel, die eine finanzielle Eigenständigkeit gewährleisten, eine
Familiengründung zulassen und ein Alter in Würde ermöglichen. Besondere Situationen wie z.
B. Behinderung oder Erwerbsunfähigkeit sind zusätzlich abgesichert. Die Grundsicherung wird
angerechnet auf Arbeitsentgelt und alle anderen Einkünfte. Generell ermöglicht Erwerbsarbeit
einen höheren Lebensstandard, der durch Arbeitslosen- und Rentenversicherung (staatlich,
tariflich und betrieblich) abgesichert wird. Auch die Unfallversicherung bleibt. Die
Versicherungen sind durch gewählte Gremien mitbestimmt.
Die sozialen Sicherungssysteme sind generell in der Hand des Staates oder der
Tarifvertragsparteien. Sie sind universell und gegen Zweckentfremdung abgesichert, wofür
Kontrollorgane eingerichtet sind.
Das Gesundheitssystem ist steuerfinanziert, alle haben die gleichen Rechte und Ansprüche,
auch auf alternative Heilbehandlungen. Gesundheitsvorsorge hat einen hohen Stellenwert. Es
genügt eine einzige Krankenkasse, mitbestimmt durch gewählte Gremien.
Weitere staatliche Aufgaben - „Im Dienst des Gemeinwohls!“
Gesetzgebung, Gerichte und Rechtsvollzug sind allein in staatlicher Hand. Gesellschaftlich
wichtige Einrichtungen wie Bahn oder Post, Wasser- und Energieversorgung, Krankenhäuser,
Kindergärten, Schulen, Universitäten und Banken sind öffentliches Eigentum. Sie werden von
direkt gewählten Gremien geleitet - unabhängig von der Regierung. Forschung, Medien und
Kunst sind unabhängig, werden staatlich unterstützt und orientieren sich am Gemeinwohl.
Bildung ist allen zugänglich, einheitlich für das ganze Bundesgebiet geregelt und
steuerfinanziert. Sie leitet zu eigenständigem und kritischem Denken an, vermittelt neben einer
guten Allgemeinbildung auch politisches und demokratisches Handeln und fördert soziale
Verantwortung. Alle Kinder werden gemäß ihrer Begabungen und Fähigkeiten individuell
gefördert.
Durch sozialen Wohnungsbau und die Förderung innovativer Wohnformen stellt der Staat
sicher, dass für alle Menschen angemessener und bezahlbarer Wohnraum vorhanden ist. Der
öffentliche Personennahverkehr steht flächendeckend, bedarfsgerecht, kostenlos und
steuerfinanziert zur Verfügung.
Fazit - „Menschenrechte verwirklichen!“
Demokratie verlangt viel mehr Engagement als nur das Wahlrecht. In die Gestaltung der
Gesellschaft können sich alle einbringen. Die Würde und Gleichwertigkeit aller Menschen,
Vertrauen statt Angst und die gemeinsame Verantwortung für die Zukunft prägen das Handeln.