Familie muss mehr anerkannt werden

„Familie muss mehr anerkannt werden“
Familie Nowak aus Wonfurt beteiligt sich an Aktion „Elternklagen“ – Initiative von Familienbund
der Katholiken und Deutschem Familienverband setzt sich für gerechtere Familienpolitik ein
Wonfurt/Würzburg (POW)
Ein Kleinbus vor der Tür, Fotografien und selbst gemalte Bilder an den Wänden, Kinderspielsachen im
Wohnzimmer. In der Essecke steht ein großer Tisch, an dem locker zwölf Personen Platz finden. Den
braucht Familie Nowak auch. Claudia und Michael Nowak haben fünf Kinder. Im Alter zwischen zehn
Monaten und 13 Jahren. Zwei Mädchen, drei Jungs. „Ich hoffe, ich verscherze es mir nicht bei meinen
Kindern mit der Erziehung. Damit sie mich im Alter auch unterstützen“, sagt Claudia Nowak lachend
und wird dann ernst. Die Familienpolitik macht sie wütend. „Ungerecht“ nennt sie vor allem das
Rentensystem. Michael Nowak ist Diakon, seine Frau Pastoralassistentin. Da nur er berufstätig ist,
zahlen sie weniger in die Rentenkasse ein. Weil das gesamte Geld in die Finanzierung der Familie fließt,
kann nicht privat vorgesorgt werden. Wenn die Kinder einmal erwachsen sind, zahlen sie auch die
Renten derer, die keine Kinder großgezogen haben. „Da stimmt doch was nicht“, findet Claudia Nowak.
Als Großfamilie könne man keine großen Sprünge machen. Sie hätten aber schon die Hoffnung gehabt,
dass sie im Alter Sicherheit hätten. Das sei auch die Motivation gewesen, bei der Initiative
„Elternklagen“ des Familienbunds der Katholiken (FDK) und des Deutschen Familienverbands (DFV)
mitzumachen.
„Wir jammern nicht, wir klagen“, haben sich FDK und DFV auf ihre Agenda geschrieben. Auf ihrer
gemeinsamen Homepage steht, dass bis heute 14 Millionen Eltern mit minderjährigen Kindern doppelt
in die Sozialversicherungen einzahlen. Doppelt, weil neben den Geldbeiträgen der gleichwertige
Erziehungsbeitrag nicht berücksichtigt wird. 2001 habe das Bundesverfassungsgericht im
Pflegeversicherungsurteil entschieden, dass das verfassungswidrig ist. Der Gesetzgeber wurde daraufhin
verpflichtet, auch die Kranken- und Rentenversicherung auf die Frage der Familiengerechtigkeit hin zu
prüfen. Diese Prüfung habe nie stattgefunden. Und so stehen Familien derzeit mit drei Musterverfahren
vor dem Bundessozialgericht. Die Entscheidung ist für den Herbst 2015 angekündigt. FDK und DFV
weisen darauf hin, dass, wenn die Klage erfolgreich ist, nur Familien davon profitieren, die bei ihrer
Krankenkasse einen Antrag auf Beitragsreduzierung eingereicht haben. Auf der Homepage
www.elternklagen.de stehen dafür juristisch geprüfte Musterschreiben kostenlos zur Verfügung.
Claudia und Michael Nowak haben ein solches Musterschreiben an ihre Krankenkasse geschickt. Diese
wies die Forderung zurück. Nowaks haben Widerspruch eingereicht. Die Antwort darauf steht noch aus.
Jetzt heißt es also warten. „Das Nichthandeln der Politik erschreckt“, sagt Michael Nowak. Deshalb sei
es dringend an der Zeit, aufzustehen und sich zu wehren. „Da muss ein Ruck durch die Gesellschaft
gehen, damit diese wieder erkennt, dass sie nur existieren kann, wenn es Familien gibt, die Kinder
großziehen.“
Als das erste Kind unterwegs war, haben sie sich dafür entschieden, dass Claudia Nowak zu Hause
bleibt. Bei jedem weiteren Kind entschieden sie sich erneut dafür. Das Verständnis im Umfeld hätten sie
nicht immer gehabt. „Erst nach dem fünften Kind sagten die Leute zu mir: ,Also, mit fünf Kindern ist es
echt okay, wenn man zu Hause bleibt‘.“ Das amüsiert sie immer noch. Genug zu tun hatte sie auch
schon nach Baby Nummer eins. „Ich gönne meinen Kindern die Mutter“, begründet Claudia Nowak ihre
Entscheidung, lieber etwas zurückzustecken als zu arbeiten. „An Alltäglichem fehlt es uns nicht“,
ergänzt Michael Nowak. Mit etwas mehr Geld würde Claudia Nowak mehr auf Ökologisches achten,
auch bei Kleidern. Sie würden mal wieder ins Kino oder Restaurant gehen. Jedes Jahr fährt Familie
Nowak an den Chiemsee. Dort haben sie Verwandtschaft. Claudias Schwester in den USA haben sie
noch nie besucht. Doch Nowaks sind sich einig: „Uns geht es gut. Genau so wollten wir es.“ Gedanken
machen sie sich eher um die Zukunft. Wenn die Kinder studieren möchten, eine eigene Wohnung oder
ein Auto brauchen. Oder wenn Michael nicht mehr arbeitet und sie von der gesetzlichen Rente leben
sollen.
Schreiben vom 22. Juni 2015 Seite 2 von 2
Ob sich ihrer Meinung nach bereits Positives für Familien getan hat? Claudia und Michael Nowak überlegen
angestrengt. „Als unser Auto geklaut wurde, gab es beim Kauf des neuen 1000 Euro Rabatt pro Kind. Das war
super“, fällt Claudia ein. Und von Seiten der Regierung? Das Elterngeld sei eine tolle Idee, aber nicht sehr
ausgereift. Vor allem wohlhabende Familien nähmen es in Anspruch, da ihnen die finanziellen Einbußen
nichts ausmachten. „Die Erhöhung des Kindergelds war ein schönes Signal. Aber viel mehr Geld ist das
natürlich nicht“, sagt Claudia Nowak. Es käme ihnen außerdem wie eine Ausrede vor, um in nächster Zeit
nichts mehr für die Familien zu investieren.
Vorschläge hat Familie Nowak sofort parat. „Dass zum Beispiel Skiliftbetreiber nur sieben Prozent
Mehrwertsteuer bezahlen, Windeln allerdings mit 19 Prozent belastet sind“, findet Michael Nowak seltsam.
Brennholz ist staatlich gesponsert (sieben Prozent), Babynahrung, Fruchtsaft und Medikamente nicht
(19 Prozent). Hundekekse: sieben Prozent, Kinderkekse: 19 Prozent. Die Liste ließe sich beliebig fortführen.
Claudia Nowak wünscht sich ein Erziehungsgehalt. „Meine Familie ist mein Traumberuf, den ich gerne mit
etwas weniger Druck ausüben würde und ohne Rechtfertigung anderen Leuten gegenüber, dass ich ja ,nur‘ zu
Hause bin.“ Vor allem geht es den beiden darum, die Gesellschaft zu sensibilisieren. Die Politik reagiere,
wenn die Mächtigen oder die Wirtschaft etwas sagten. Aber damit es ein gerechtes System gebe, müsse auf
den Menschen geschaut werden. Das sei auch ihre Verantwortung als Christen.
Michael Nowak stellt die Frage: „Welches Menschenbild steckt hinter allem Tun? Die Familie muss mehr
anerkannt werden. Familien sorgen dafür, dass die Gesellschaft weiter bestehen kann.“ Familien sollten von
Anfang an besser unterstützt und begleitet werden, finden die Nowaks. Die Kirche mache da schon sehr viel,
zum Beispiel mit speziellen Tagen für Paare oder dem Gesprächstraining „Ein partnerschaftliches
Lernprogramm (EPL)“. Diese setzen direkt bei den Eltern an, damit sie Konflikten begegnen können. „Eine
gefestigte Gesellschaft sollte das Ziel sein. Für alle.“
Die Reaktionen auf ihre Großfamilie seien mittlerweile sehr positiv, erzählt Claudia Nowak. „Nach dem
dritten Kind hielten uns noch alle für wahnsinnig. Jetzt finden das viele beeindruckend.“
Weitere Informationen gibt es im Internet unter www.elternklagen.de.
Sarah Jehle (POW)
(66 Zeilen/2215/0519; E-Mail voraus)
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