Asylpolitik: Antworten auf 180 Fragen - impuls

Thema des Tages: Asylpolitik im Visier der Opposition 3
Dienstag, 7. Februar 2017 | Nummer 38
Am Brenner werden nahezu täglich illegale Flüchtlinge aufgegriffen. Auf der Durchreise waren die meisten Flüchtlinge im November 2015 in Kufstein (Mitte). Ihr Ziel war Deutschland. 6200 Asylwerber werden derzeit in Tirol betreut. In Innsbruck wird Ende 2015 bei einer Demo an die Menschlichkeit und Solidarität appelliert. Mehr als 300 Männer werden in der alten Tennishalle am Paschberg in Innsbruck untergebracht. Hammerle, Mader, zeitungsfoto.at, Böhm (2)
Asylpolitik: Antworten auf 180 Fragen
55 Millionen Euro sind für die Betreuung der 6200 Asylwerber in Tirol durch die Tiroler Sozialen Dienste
budgetiert. SPÖ, FPÖ, Impuls und Liste Fritz vermissen Transparenz und rufen den Rechnungshof an.
Von Anita Heubacher
Innsbruck – Wie viele Quartiere hat die landeseigene Tiroler Soziale Dienste GmbH
(TSD) bis dato angeboten
bekommen? Wie viele Mitarbeiter hat die GmbH? Warum
wurde die Flüchtlingskoordination am Landtag vorbei
ausgegliedert? Warum hat
sich die Landesregierung
nicht für Holzcontainer, sondern für fünf Traglufthallen
entschieden?
Fragen über Fragen. 180 an
der Zahl. Einige davon stellte
gestern bei einer Pressekonferenz die vereinte Opposition aus SPÖ, FPÖ, Impuls und
Liste Fritz. Antworten soll der
Landesrechnungshof liefern,
nachdem sie die zuständige
Landesrätin Christine Baur
(Grüne) schuldig geblieben
sei. „Wir bekommen keine In-
„
Es wurden Aufträge ohne Ausschreibung vergeben. Wo
bleibt die Transparenz?“
Gerhard Reheis
(SPÖ-Klubobmann)
formationen. Anfragen werden lapidar abgehandelt“,
kritisiert FP-Klubobmann
Rudi Federspiel. Steuergeld
würde verschleudert. 55 Millionen Euro erhält die TSD im
Jahr aus dem Landesbudget.
Transparenz vermisst auch
die SPÖ. So habe eine Sicherheitsfirma einen „Geheimauftrag“ erhalten. „Was die
genau machen soll, weiß niemand. Unsere Fragen blieben unbeantwortet“, meint
SPÖ-Klubobmann Gerhard
Reheis. Aufträge seien ohne Ausschreibung vergeben
worden. „300 Essen pro Tag
„
Landesrätin Baur
und ihr TSDGeschäftsführer sind
rücktrittsreif.“
Rudi Federspiel
(FPÖ-Klubobmann)
lieferte beispielsweise eine
deutsche Firma statt einer
einheimischen.“ Unglaublich
kompliziert und wenig kompetent sind die Schlagworte,
die Impuls-Parteichefin Maria Zwölfer zu der TSD einfallen. Zwölfer war jahrelang
Bürgermeisterin in Lermoos.
„Wir haben Quartiere angeboten und mit den Tiroler Sozialen Diensten keine guten
Erfahrungen gemacht.“
Bereits vor einem Jahr hatte die Liste Fritz eine Sonderprüfung des Rechnungshofes
angeregt und konnte sich damals nicht durchsetzen. Um
„
Die Landesrätin
betreibt Kindsweglegung. Die Auslagerung
war ein Fehler.“
Maria Zwölfer
(Parteichefin Impuls)
als Oppositionspartei den
Landesrechnungshof auf den
Plan zu rufen, braucht es neun
der 36 Stimmen im Landtag.
Diese Hürde wird jetzt genommen. Klubobfrau Andrea Haselwanter-Schneider
sorgt sich um den Umgang
mit Steuergeld, aber auch um
die Mitarbeiter der TSD. „Die
Fluktuation war riesig, die
Qualifikation der Mitarbeiter
fraglich.“ Es könne nicht sein,
„dass sich die Landesrätin an
ihrem Geschäftsführer abputzt“.
Sowohl Baur als auch TSDGeschäftsführer Harald Bach-
„
55 Millionen Euro
werden pauschal
überwiesen und keiner
weiß wofür.“
A. Haselwanter-Schneider
(Klubobfrau Liste Fritz)
meier begrüßten gestern die
Prüfung durch den Landesrechnungshof. Ebenso wie
die ÖVP. „Das wird nicht nur
viele Bedenken der Opposition klären können, sondern
auch uns nützliche Hinweise
und Verbesserungsvorschläge bringen, wie schon in der
Vergangenheit mehrfach
geschehen“, erklärte Baur.
Bachmeier verweist auf den
Aufsichtsrat der TSD, der zudem eine Kontrollfunktion
zukomme. Schützenhilfe kam
auch von der ÖVP.
Schon einmal hatte der
Rechnungshof die Flücht-
„
Der Landesrechnungshof hatte
2006 vorgeschlagen,
eine GmbH zu gründen.“
Christine Baur
(Soziallandesrätin Grüne)
lingskoordination des Landes kontrolliert. Damals war
Reheis politisch zuständig.
Der Rechnungshof ortet unter anderem ein Wirrwarr bei
den Dienstverhältnissen der
Angestellten und empfahl die
Ausgliederung in eine landeseigene GmbH.
„Die Empfehlung war berechtigt, sie wurde aber
schlecht umgesetzt. Die politische Verantwortung und die
Transparenz müssen gewahrt
bleiben“, erklärt Reheis. Die
Opposition hofft, dass das
Prüfergebnis noch vor der
Sommerpause vorliegen wird.
Fünf Traglufthallen zu verkaufen
Die Landesregierung sitzt auf fünf Traglufthallen, für die sie 6,6 Millionen Euro bezahlte.
Die Traglufthalle in Arzl wurde letztlich nie besiedelt. Anrainer protestierten im April letzten Jahres gegen die Flüchtlingsunterkunft.
Foto: Hammerle
Innsbruck – Eigentlich war
der Kauf eine Empfehlung
des Innenministeriums. Um
den Ansturm an Flüchtlingen bewältigen und ein Dach
über dem Kopf bieten zu können, würden sich Traglufthallen empfehlen. Der Ratschlag
kam im August 2015 von der
damaligen Innenministerin
Johanna Mikl-Leitner (ÖVP).
Die Bundesländer waren
skeptisch. Die Tiroler Landesregierung kaufte letztlich fünf
Traglufthallen. Alle Parteien im Landtag stimmten für
den Kauf, die FPÖ als einzige
Partei dagegen. 6,6 Millionen
Euro haben die fünf Hallen
gekostet. Aufgestellt wurden
lediglich zwei, besiedelt nur
eine in Hall. Kritik an den
Hallen gab es mehr als genug.
Die einen fürchteten, dass
die Qualität der Unterbringung nicht passt, die ande-
ren, dass zu viele Asylwerber
in ihre Nachbarschaft siedeln
könnten. Es kam zu Protesten
aus der Bevölkerung und von
Menschenrechtsorganisationen. Die Halle in Hall wurde
geräumt, die in Innsbruck nie
besiedelt.
„Die Hallen müssen beheizt und aufgeblasen werden, sonst gehen sie kaputt“,
erklärte gestern die Klubobfrau der Liste Fritz, Andrea Haselwanter-Schneider.
Die Liste Fritz hatte zwar im
Landtag für den Ankauf gestimmt, machte dann aber
gegen die Unterbringung von
Asylwerbern in Massenquartieren mobil. Nun stelle sich
die Frage, wofür man die fünf
Traglufthallen verwenden
wolle, sagten HaselwanterSchneider und SPÖ-Klubobmann Gerhard Reheis. Man
könne dort Obdachlose un-
terbringen, meinte er. „Mir ist
unerklärlich, warum die Landesregierung keine Holzcontainer angekauft hat“, sagt
Haselwanter-Schneider.
Man versuche, die Traglufthallen wieder zu verkaufen
oder zu nutzen, heißt es bei
den Tiroler Sozialen Diensten. Man habe damals auf eine „Notsituation“ reagiert.
Das lässt die Opposition
nur bedingt gelten. „Es ist viel
Zeit vergangen und die Landesregierung hat noch immer
keine Antworten.“ (aheu)
Die Opposition ist sich einig: Haselwanter-Schneider (Liste Fritz), Rudi
Federspiel (FPÖ), Gerhard Reheis (SPÖ) und Maria Zwölfer (Impuls). Sint