Großbritannien war stets eine Art Zukunftslabor

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In diesem Heft
Titel
SPD Der Machthunger des designierten
Kanzlerkandidaten Schulz
12
Deutschland
Leitartikel Martin Schulz kann nur als
Mann der Mitte Erfolg haben
Meinung Kolumne: Der schwarze Kanal /
So gesehen: Brigitte Zypries macht Mut auf
eine zweite Chance
Von der Leyen plant US-Rüstungsdeal /
Terrorist Amri laut Innenministerium kein
V-Mann / Harsche Kritik an sächsischen
Behörden im Fall Albakr
Außenpolitik Wie Angela Merkel die
Chance vergab, die Türkei an Europa
heranzuführen
Türkische Nato-Offiziere begehren Asyl
in Deutschland
Sicherheit SPIEGEL-Gespräch mit
Innenminister Thomas de Maizière über
die Pannen im Fall Anis Amri
Karrieren Der Armutsforscher Christoph
Butterwegge betreibt seine
Präsidentschaftskandidatur auch als
Kampf gegen die SPD
Affären Neuer Ärger um das alte Haus
des ehemaligen Kanzleramtsministers
Bodo Hombach
Demokratie Wie der sächsische Landtag
aus Eigennutz die
Wahltricksereien der AfD deckt
Ideologie Eine Bibliothek in
Berlin trägt rechtes Gedankengut
in die Gesellschaft
Extremismus Das gefährliche Treiben
des „Druiden“ und
seiner Gesinnungsgenossen
8
10
20
24
28
32
Lesen Sie
den SPIEGEL
doch mal
hier:
Ausland
Neue Hoffnung nach dem Machtwechsel
in Gambia / Theresa Mays Kampf mit dem
britischen Parlament
82
USA Wie die Opposition Donald Trump
blockieren will
84
Mexiko Drohungen aus Washington
zwingen das Land in die Knie
87
Frankreich Warum sich der konservative
Präsidentschaftskandidat François Fillon mit
den Vorwürfen gegen ihn schwertut
89
Italien Marineoffiziere entscheiden über
Leben und Tod von Migranten im Mittelmeer 90
Russland Sankt Petersburg – die Metropole
der Rebellen
92
Sport
36
38
42
Wie Bayern München den Weg ins Tor sucht /
Magische Momente: Footballer Sebastian
Vollmer über seinen Triumph im Superbowl 97
Tourismus Kann der Kunstschnee
die Auswirkungen des Klimawandels auf
das Skifahren stoppen?
98
Ski alpin Slalomstar Felix Neureuther über
die ungewisse Zukunft seiner Sportart
100
Wissenschaft
44
47
70 SPIEGEL-Jahre
Über Journalismus und Demokratie
in digitalen Zeiten – eine
Festrede von Verteidigungsministerin
Ursula von der Leyen
Werbung SPIEGEL-Gespräch mit
André Kemper über seinen Ruf als einer
der letzten Exzentriker der Branche
78
Zeitgeist Distanzloses Duzen von Kollegen
und Kunden gehört bei vielen Unternehmen
inzwischen zum Geschäftsmodell
81
50
Gesellschaft
Früher war alles schlechter: Ebola / Wie
kommen Obdachlose durch den Winter?
54
Eine Meldung und ihre Geschichte Ein
tschechischer Schlosser fliegt täglich mit
einem selbst gebauten Flugzeug zur Arbeit 55
Künstliche Intelligenz App, um mit den Toten
zu sprechen: wie eine russische Programmiererin ihren verstorbenen Freund
als Chat-Roboter zum Leben erweckte
56
Kolumne Leitkultur
61
Wirtschaft
Deutsche Bank wehrt sich gegen Aufspaltung /
BMW-Betriebsrat fordert Digitalisierungsteuer / Weniger Geld für Start-ups
62
Welthandel Die Trumponomics des neuen
US-Präsidenten werden die globale
Wirtschaft grundlegend verändern –
zulasten der deutschen Exportwirtschaft
64
Finanzen Die Regierung hat Geld
im Überfluss, weil sie es nicht schafft,
die Mittel wie geplant auszugeben
72
Immobilien Der Streit um eine
halb fertige griechische Schule in München
wird zum Politikum
74
Zukunft Das Start-up NavVis hat ein
Navigationssystem für drinnen entwickelt 76
Salmonellen machen Appetit / Weniger
ärztliche Behandlungsfehler / Kommentar:
Was gegen gefälschte Lebensmittel hilft
102
Biotechnik Forscher erschaffen Schimären –
kommen bald Menschenherzen aus
dem Schweinestall?
104
Landwirtschaft Erbgutsprays sollen
das Bienensterben stoppen
107
Geschichte Wie eine Schlacht im
schottischen Moor fast die Französische
Revolution und die Gründung
der USA verhindert hätte
108
Naturkatastrophen Die letzten Tage
der Dinosaurier
110
Mein Schiff ®
Himmel & Meer Lounge
Kultur
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unter +49 40 600 01-5111.
Daniel Kehlmann über sein neues Theaterstück / Asghar Farhadis Krimi
„The Salesman“ / Kolumne: Zur Zeit
112
Film In „Elle“ spielt Isabelle Huppert
eine vergewaltigte Frau – ein SPIEGELGespräch über Sexualität und Macht
114
In „Hidden Figures“ werden die schwarzen
Mathematikerinnen der Nasa gewürdigt
120
Autoren Paul Auster legt „4321“ vor,
einen Epochenroman als Gegenentwurf
zum Amerika Donald Trumps
122
Theaterkritik Der Islam als Stoff für
eine Boulevardkomödie: „The Who and
the What“
125
Bestseller
Impressum, Leserservice
Nachrufe
Personalien
Briefe
Hohlspiegel / Rückspiegel
118
126
127
128
130
132
Wegweiser für Informanten: www.spiegel.de/investigativ
DER SPIEGEL 5 / 2017
7
* Im Reisepreis enthalten sind ganztägig in den meisten Bars und
Restaurants ein vielfältiges kulinarisches Angebot und Markengetränke
in Premium-Qualität sowie Zutritt zum Bereich SPA & Sport,
Kinderbetreuung, Entertainment und Trinkgelder. | TUI Cruises GmbH
Anckelmannsplatz 1 · 20537 Hamburg · Deutschland
Das deutsche Nachrichten-Magazin
Leitartikel
Schröder oder Corbyn
Wie es Martin Schulz gelingen kann, die SPD wieder ins Kanzleramt zu führen
8
DER SPIEGEL 5 / 2017
Wer in einem der exportstarken Betriebe der Automobil-, Chemie- oder Maschinenbaubranchen sein Geld verdient, ist kein Abgehängter wie sein arbeitsloser Kollege
aus den Fabrikruinen Nordenglands, er ist ein Gewinner
der Globalisierung. Sein Job wird nicht durch Abschottung
sicherer, sondern durch Freihandel. Und wenn er auf
seinen Gehaltszettel blickt, auf dem zwischen Brutto und
Netto vielfach eine vierstellige Eurosumme ausgewiesen
ist, hat er nicht unbedingt das Gefühl, dass höhere Steuern
die soziale Gerechtigkeit steigern. Bei der jüngsten Landtagswahl in Baden-Württemberg haben fast doppelt so
viele Arbeiter CDU gewählt wie die SPD.
Nach Lage der Dinge könnte Schulz allenfalls mit einem
rot-rot-grünen Bündnis Kanzler werden. Es wäre aber ein
schwerer Fehler, würde er sich
seinen potenziellen Regierungspartnern nun anbiedern.
Im Gegenteil: Wenn er die
Bürger für eine Linksallianz
auf Bundesebene gewinnen
will, muss er klarstellen, dass
ein derartiges Experiment nur
zu den Bedingungen der SPD
zu haben ist. Am wichtigsten
dabei: die Sicherung der industriellen Wohlstandsbasis
der Republik.
Schulz darf deshalb keinesfalls nur Angebote aus dem
Sortiment der Sozialpolitik
ins Schaufenster stellen; er
muss seine Truppe als Zukunftspartei positionieren.
Dazu gehört, die Digitalisierung der Arbeitswelt nicht als
Bedrohung, sondern als Chance zu begreifen. Eine Einwanderungspolitik ist gefordert,
die auch den Fachkräftebedarf der Wirtschaft im Blick
hat. Und schließlich sollte sich die SPD eine Steuer- und
Sozialabgabenreform vornehmen, die vor allem Durchschnittsverdienern nutzt. Es gilt, den Kuchen größer zu
machen; nicht nur, ihn möglichst gerecht zu verteilen.
Natürlich sollte sich die SPD in wichtigen Fragen klar
von der CDU abgrenzen, sie darf nicht verwechselbar
werden. Doch wenn Schulz die Kanzlerin verdrängen will,
muss er den Kampf um das politische Zentrum führen.
So wie es im französischen Präsidentschaftswahlkampf
derzeit Emmanuel Macron versucht, der frühere Wirtschaftsminister, der mit seinem sozialliberalen Programm
deutlich vor seinen sozialistischen Konkurrenten liegt.
In Zeiten von Trump und Fake News ist der Wahlausgang noch schwerer vorherzusagen als ohnehin. Das Motto
des letzten sozialdemokratischen Kanzlers aber gilt noch
immer. Die Bundestagswahl, so pflegte Gerhard Schröder
zu sagen, wird in der Mitte gewonnen.
Michael Sauga
ZUMA PRESS / IMAGO
G
roßbritannien war stets eine Art Zukunftslabor
für Europas Linke. Im 19. Jahrhundert gründeten
englische Arbeiter die ersten Gewerkschaften des
Industriezeitalters. Nach dem Zweiten Weltkrieg baute
die Labour Party den modernen Wohlfahrtsstaat aus. Fünfzig Jahre später wurden Tony Blair und seine Politik des
„Dritten Wegs“ zum Vorbild einer marktwirtschaftlich erneuerten Sozialdemokratie.
An diesem Sonntag wollen die Spitzen der SPD den
bisherigen EU-Parlamentspräsidenten Martin Schulz zum
Nachfolger des glücklosen Sigmar Gabriel ausrufen; und
auch diesmal legen ihm viele Genossen das britische
Beispiel ans Herz. Wie Labour-Führer Jeremy Corbyn
solle auch Schulz seine Partei nach links rücken, so empfehlen sie: sich von den ungeliebten Agendareformen der
Schröder-Jahre distanzieren,
sich gegen die Globalisierung
stemmen und jenen Politikmix aus höheren Steuern und
mehr Sozialstaat wiederbeleben, mit dem die Sozialdemokratie in den Siebzigerjahren
des vorigen Jahrhunderts so
erfolgreich war.
Es sei „der Schwenk der
traditionellen Arbeiterparteien zum Neoliberalismus“ gewesen, der ihren Niedergang
hervorgerufen habe, so behauptet etwa der frühere
SPD-Chef und heutige Linken-Führer Oskar Lafontaine.
Liegt also die Zukunft der
Sozialdemokratie in ihrer
Vergangenheit? Ist die richtige Antwort auf den Rechtspopulismus ein „Populismus
von links“? Oder, anders gefragt: Sollte Schulz den Corbyn
machen?
Wenn der neue SPD-Chef tatsächlich ins Kanzleramt
strebt, wie er es gleich nach seiner überraschenden Inthronisierung in dieser Woche angekündigt hat, sollte er
die Ratschläge der Old-Labour-Fraktion besser vergessen.
Eine Politik à la Corbyn wäre der sicherste Weg, die SPD
auf Dauer in die Opposition zu führen.
Das zeigt schon die Heimbilanz des Labour-Chefs.
Knapp zwei Jahre nach seinem Amtsantritt ist der Flügelstreit in seiner Partei schärfer denn je und der Erfolg beim
Wähler überschaubar. Laut Umfragen liegt Labour derzeit
16 Punkte hinter der konservativen Konkurrenz.
Hinzu kommt: In Deutschland ist die Industriearbeiterschaft, die Hauptzielgruppe der Sozialdemokratie, keine
aussterbende Spezies wie im Vereinigten Königreich. Sie
ist ein Kern der Mittelschicht, nicht selten ihres oberen
Drittels.