+++ FÜR BERATER UND ENTSCHEIDER IN DER WIRTSCHAFT +++ FÜR BERATER UND ENTSCHEIDER IN DER WIRTSCHAFT +++ 01.2017 Jahrgang 70 / 01.01.17 ISSN 0340-9031 / www.wpg.de Fachlicher Beirat WP StB RA Dr. Hans-Peter Aicher WP StB Prof. Dr. Frank Beine RA Dr. Andreas C. Hoffmann, LL.M. WP StB Karl Petersen WP StB Dr. Stefan Schmidt WP StB Prof. Dr. Peter Wollmert IMPULS Gute Compliance – gut für den Börsenkurs Prof. Dr. Thorsten Grenz » 1 RECHNUNGSLEGUNG Beurteilung der signifikanten Verschlechterung der Kreditqualität nach IFRS 9 Dr. Michael Bosse, Nikolas Stege und Dr. Manuel Hita Hochgesand »5 FINANCIAL SERVICES Regulierung des Finanzsektors – Entwicklungen im dritten Quartal 2016 Dr. Max Weber, Dr. Thomas Grauer und Sabine Schmid » 15 Wie ist die europäische Bankenabgabe zu berechnen? Prof. Dr. Knut Henkel, Prof. Dr. Wilhelm Schneider und Isabel Tüns » 22 MANAGEMENT & BERATUNG Bankenaufsichtsrat: quo vadis? Gerd Häusler » 30 Datenschutz und Datensicherheit im Cloud Computing Michael Adelmeyer, Dr. Marc Walterbusch, Julian Lang und Prof. Dr. Frank Teuteberg » 35 STEUERN & RECHT Erstes Urteil des BAG zum Mindestlohngesetz Jana Jocksch und Dr. Uwe Schlegel » 45 Ist die deutsche Streubesitzdividendenbesteuerung weiterhin europarechtswidrig? Thomas Kollruss » 50 AUSSERGEWÖHNLICH ... … sind unsere Möglichkeiten, auch die internationale Tätigkeit von Wirtschaftsprüfern und Steuerberatern zu versichern. Die wachsenden internationalen Beziehungen Ihrer Mandanten erhöhen die Komplexität und das Risiko Ihrer Berufstätigkeit. Zu den zu versichernden Berufsrisiken gehört das komplette Spektrum Ihrer Berufstätigkeit von einfachen Steuererklärungen bis hin zu komplexen, internationalen Sachverhalten. Wir bieten Ihnen Schutz hierbei; gleich, ob Sie eine kleinere, mittlere oder große Kanzlei, Gesellschaft oder ein nationales bzw. internationales Netzwerk sind. 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Aus ausländischen Fachzeitschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . »2 »2 »2 »3 RECHNUNGSLEGUNG KOMPAKT Aus der Arbeit des IASB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . »4 ANALYSE Beurteilung der signifikanten Verschlechterung der Kreditqualität nach IFRS 9 – Voraussetzungen für die Verwendung von Ratings und Lifetime-PD Dr. Michael Bosse, Nikolas Stege und Dr. Manuel Hita Hochgesand . . . . . . . . . . . . . . . . »5 FINANCIAL SERVICES KOMPAKT Novelle der Institutsvergütungsverordnung tritt voraussichtlich erst im März 2017 in Kraft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einigung über Erleichterungen beim EU-Prospektrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rezension . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . » 13 » 13 » 14 ANALYSE Regulierung des Finanzsektors – Entwicklungen im dritten Quartal 2016 Dr. Max Weber, Dr. Thomas Grauer und Sabine Schmid . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . » 22 Wie ist die europäische Bankenabgabe zu berechnen? Prof. Dr. Knut Henkel, Prof. Dr. Wilhelm Schneider und Isabel Tüns . . . . . . . . . . . . . . . » 22 MANAGEMENT & BERATUNG KOMPAKT Prüfungsausschuss und IFRS 15 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Transparente Aufsichtsratstätigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . » 29 » 29 ANALYSE Bankenaufsichtsrat: quo vadis? Gerd Häusler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . » 30 Datenschutz und Datensicherheit im Cloud Computing – Ein Framework zur Beurteilung von Cloud-Services Michael Adelmeyer, Dr. Marc Walterbusch, Julian Lang und Prof. Dr. Frank Teuteberg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . » 35 | 01.2017 | I STEUERN & RECHT KOMPAKT Verschwiegenheit des Wirtschaftsprüfers: Umsetzung des neuen EU-Datenschutzrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rezension . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . » 43 » 44 ANALYSE Erstes Urteil des BAG zum Mindestlohngesetz Jana Jocksch und Dr. Uwe Schlegel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . » 45 Ist die deutsche Streubesitzdividendenbesteuerung weiterhin europarechtswidrig? Thomas Kollruss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . » 50 Jetzt zum Newsletter anmelden! Mit dem Newsletter aus dem IDW Verlag sind Sie immer zu diesen Themen aktuell informiert 9 Neuerscheinungen 9 Produkt-Aktualisierung 9 Schwerpunktthemen in der WPg Melden Sie sich jetzt kostenfrei an unter: www.idw-verlag.de/newsletter 16/080 Bestellen Sie jetzt unter www.idw-verlag.de Tel. 0211 4561-222 • Fax 0211 4561-206 • E-Mail [email protected] • IDW Verlag GmbH • Postfach 320580 • 40420 Düsseldorf II | 01.2017 | IMPULS Gute Compliance – gut für den Börsenkurs Von Prof. Dr. Thorsten Grenz Compliance-Management-Systeme (CMS) sol- stand verlassen. Ein gutes CMS bewährt sich len die Einhaltung von Gesetzen, Regeln und dann, wenn Non-Compliance zu befürchten Richtlinien und damit regelkonformes Ver- oder schon eingetreten ist. Nun kommt es halten des Unternehmens sicherstellen, um entscheidend darauf an, vorbereitet zu sein. durch rechtskonformes Verhalten negative Entweder kann dann mit Hilfe des CMS ein Folgen für das Unternehmen weitestgehend vermeintliches Fehlverhalten souverän „mit zu reduzieren. an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit“ ausgeschlossen werden; das Unternehmen ist dadurch in der Lage, das „Gerücht“ „Negative Folgen“: Dabei denkt man sofort an drohende Strafzahlungen, die auf ein Un- » Prof. Dr. Thorsten Grenz deutlich zu dementieren, bevor es sich ver- ternehmen zukommen können – als Buße Präsident der Financial Experts Association e.V. selbständigt – und dem Kapitalmarkt so Si- Honorarprofessor an der Christian-AlbrechtsUniversität zu Kiel schafft durch frühzeitiges Erkennen eines für die Bestechung von Geschäftspartnern, die Ausnutzung von Insiderwissen, kartellrechtliche Verstöße, den Missbrauch und Schlendrian von und mit Kundendaten –, cherheit geben. Oder aber das CMS verProblems wertvolle Zeit und erhält das Unternehmen aktionsfähig: Ein wirksames CMS und spekuliert über ihre Höhe. Ganz und gar nicht speku- fördert Risiken zu Tage, bevor diese öffentlich werden. lativ, sondern real und schwerwiegend ist der Schaden Der Zeitgewinn ermöglicht dem Unternehmen, die Lage für die Aktionäre. Es ist mittlerweile empirisch gut belegt, zu klären und sodann mit einer vollständigen und lö- dass Compliance-Verstöße Gift sind für den Aktienkurs: sungsorientierten Information an die Öffentlichkeit zu ge- Wissenschaftliche Studien zeigen, dass die Aktionäre mit hen. Das ist heute leider nicht die Realität. Nicht immer, einem Vermögensverlust von regelmäßig gut fünf Prozent aber doch häufig werden Unternehmen von Compliance- dabei sind. Wohlgemerkt: das ist nur der Durchschnitt – Themen scheinbar völlig überrascht; daraufhin kommu- es kann für die Aktionäre noch viel schlimmer kommen: nizieren sie nur defensiv mit Sprechblasen der Art „man So löste der Diesel-Betrug durch VW am ersten Handels- prüfe“ und „werde bei der Aufklärung vollständig koope- tag nach Bekanntwerden einen Kurssturz der Aktie um rieren“ – oder sie schweigen gleich ganz. Das Manage- 22 Prozent aus: es wurden zwölf Milliarden Euro Aktio- ment gibt damit das Ruder aus der Hand – Spekulationen närsvermögen vernichtet! Empirisch ist nicht nur belegt, schießen unkontrollierbar ins Kraut, das Unternehmen dass Compliance-Verstöße Aktionärsvermögen schmä- wird zum Getriebenen, verliert Börsenwert und liefert lern, sondern auch, wann der Aktienkurs wohl reagieren vielleicht sogar ungewollt Ansatzpunkte für Ansprüche wird: Kurse geben bei Bekanntwerden des Verstoßes gegen Unternehmen und Management. deutlich nach. Im weiteren Verlauf geschieht dann – meistens, nicht immer – wenig und auch die endgültige Fest- Ein gutes CMS trägt dazu bei, eine derartige Situation zu legung einer Strafe wirkt kaum auf den Aktienkurs. vermeiden. Schwache Compliance kostet Börsenkurs: Studien belegen, dass die Bewertung von Unternehmen in Was bedeutet das für ein CMS? Was muss ein CMS leisten, Ländern mit hoher Korruption geringer ist. Was heute um zum Schutz des Aktionärsvermögens beizutragen? Im schon für Länder gilt, wird künftig auch Bewertungs- Idealfall verhindert das CMS Non-Compliance – aber es unterschiede zwischen Unternehmen ausmachen: Gute wäre geradezu naiv, wollte man sich auf diesen Idealzu- Compliance ist gut für den Börsenkurs! » DOC-ID: W1007438 | 01.2017 | 1 Assurance KOMPAKT AAB Neue Allgemeine Auftragsbedingungen für Wirtschaftsprüfer Die Allgemeinen Auftragsbedingungen für Wirtschaftsprüfer und Wirtschaftsprüfungsgesellschaften (AAB) vom 01.01. 2002 wurden unter Mitwirkung des Fachausschusses Recht (FAR) des IDW inhaltlich angepasst und haben nunmehr den Rechtsstand 01.01.2017. Die neuen AAB berücksichtigen verschiedene Gesetzesänderungen. Zudem wurden bestehende Regelungen überarbeitet, etwa jene zur Haftung (Nr. 9 AAB), die neu strukturiert und in der u. a. klargestellt wurde, dass die Haftungshöchstsumme bei mehreren Anspruchstellern für alle Ansprüche insgesamt gilt. Zugleich wurde eine englische Übersetzung der AAB veröffentlicht. Anders als die bisherige englische Fassung enthält die aktuelle Übersetzung nicht mehr den Hinweis, dass die deutsche Fassung die einzig maßgebliche Version ist. » DOC-ID: W1007495 AUS FEE WIRD ACCOUNTANCY EUROPE Schneider zum Präsidenten von Accountancy Europe berufen WP StB Prof. Dr. W. Edelfried Schneider wurde am 07.12. langjähriger Partner der mittelständischen Wirtschafts- 2016 im Rahmen der Mitgliederversammlung von Ac- prüfungsgesellschaft Dr. Dienst & Partner. Dem FEE Board countancy Europe (vormals Fédération des Experts comp- gehörte Schneider seit Oktober 2013 an. » DOC-ID: W1007496 tables Européens – FEE) zu deren Präsidenten berufen. Accountancy Europe ist als Nachfolgeorganisation von FEE die europäische Dachorganisation des Wirtschaftsprüferberufs (IDW als Gründungsmitglied). Schneider ist gegenwärtig in der IDW Arbeitsgruppe Trendwatch tätig, Mehr zum Thema » IDW Presseinformation 13/2016 vom 07.12.2016 (www.idw.de); zur Gründung von Accountancy Europe siehe deren Pressemitteilung vom 07.12.2016 unter www.accountancyeurope.eu. gehörte mehrere Jahre dem IDW Vorstand an und war vier Jahre Vorsitzer des IDW Verwaltungsrates. Er ist STANDARDSETZUNG IDW zur Strategie des PIOB 2017 bis 2019 In seiner Stellungnahme zu den strategischen Überlegungen des Public Interest Oversight Body (PIOB) bis zum Jahr 2019 wirft das IDW die Frage auf, ob der PIOB mit der Konsultation nicht seine Kompetenzen überschreitet. Der PIOB beaufsichtigt die Aktivitäten von IAASB (hinsichtlich Auditing- und Assurance-Leistungen), IESBA (Berufsethik) und IAESB (Aus- und Fortbildung), also der drei Standardsetzer, die unter dem Dach der IFAC agieren. Vertreter des PIOB nehmen regelmäßig an den Sitzungen der Boards teil und stellen sicher, dass jeder Board bei der Standardsetzung das festgelegte Verfahren (due process) einhält. Die Aufsichtsrolle des PIOB war in einer Vereinbarung zwischen der IFAC und deren Überwachungsgremium (Monitoring Board) zusammen mit anderen Maßnahmen eingeführt worden, um den internationalen Standards, die die Standardsetzer mit Blick auf eine weltweite Anwendung entwickeln, eine größere Glaubwürdigkeit zu verleihen. 2 | 01.2017 | Da die Strategie des PIOB erst im Jahr 2013 überarbeitet worden ist, gibt das IDW zu bedenken, dass die derzeitige öffentstellt – und dies obwohl vielfältige Maßnahmen bereits berücksichtigen, dass beispielsweise der IAASB dem Allgemeinwohl in vorbildlicher Weise dient. Das IDW merkt an, dass zahlreiche der vom PIOB aufgeworfenen Fragen erkennen lassen, dass er einen Bedarf dafür wahrnimmt, eine breitere Gruppe von Stakeholdern an der Erarbeitung von Standards zu beteiligen. Dies wird jedoch nicht durch konkrete Anhaltspunkte belegt. Da alle Stakeholder gleichermaßen die Möglichkeit haben, Kandidaten als Board-Mitglieder vorzuschlagen, könnte das Unterbleiben derartiger Vorschläge auf ein gewisses Desinteresse hindeuten. Das IDW hebt hervor, wie wichtig es ist, dass die Standardsetzer (Boards) die erforderliche fachliche Expertise besitzen, um hochwertige und international anwendbare Standards zu entwickeln. » DOC-ID: W1007497 Mehr zum Thema » Eingabe des IDW vom 23.11.2016 (www.idw.de). AUS AUSLÄNDISCHEN FACHZEITSCHRIFTEN Bank Directors’ Perceptions of Expanded Auditor‘s Reports Die Finanz- und Wirtschaftskrise haben erneut den Ruf nach zusätzlichen regulatorischen Maßnahmen zur Sicherstellung der Finanzstabilität laut werden lassen. Da Abschlussprüfer mit ihren externen, unabhängigen und fachlich fundierten Bestätigungs- und Prüfungsleistungen wesentlich zur Finanzstabilität beitragen, haben sowohl Regulatoren als auch Standardsetzer neue Regeln zur Erweiterung des Bestätigungsvermerks vorgelegt. Auf diese Weise sollen der Informationswert des Bestätigungsvermerks erhöht und Informationsasymmetrien zwischen Abschlusserstellern und -adressaten abgebaut werden. Boolaky/Quick haben sich mit den potentiellen Auswirkungen von Erweiterungen des Bestätigungsvermerks, vor allem der Bereitstellung zusätzlicher Informationen über die Prüfungssicherheit, Wesentlichkeitsschwellen und bedeutende Sachverhalte der Prüfung, auf die Einschätzungen von Bankdirektoren hinsichtlich der Qualität des Abschlusses, der Prüfung und des Bestätigungsvermerks sowie hinsichtlich ihrer Kreditentscheidungen beschäftigt. Hierfür haben sie ein 2 x 2 x 2-Experiment mit 105 deutschen Bankdirektoren durchgeführt. Ihre Ergebnisse deuten darauf hin, dass sich die Veröf- fentlichung von Informationen über die Prüfungssicherheit positiv auf die wahrgenommene Qualität des Abschlusses, der Prüfung und des Bestätigungsvermerks auswirkt, sodass die Wahrscheinlichkeit der Kreditgewährung steigt. Demgegenüber konnten sie für Angaben zu bedeutenden Sachverhalten und zur Wesentlichkeitsschwelle keine signifikanten Auswirkungen erkennen. Festzustellen war allerdings ein Zusammenhang zwischen Wesentlichkeitsschwellen und Prüfungssicherheit. In den Fällen, in denen Angaben zur Wesentlichkeit im Bestätigungsvermerk gemacht wurden, wird der positive Effekt der Veröffentlichung der Prüfungssicherheit abgeschwächt. Boolaky/Quick schließen daraus, dass es für Regulatoren und Standardsetzer ratsam wäre, die Auswirkungen und Interdependenzen zusätzlicher Informationen im Bestätigungsvermerk sorgfältig abzuwägen, bevor Entscheidungen zu dessen Erweiterung getroffen werden. » Annette G. Köhler Boolaky, Pran Krishansing / Quick, Reiner: International Journal of Auditing, July 2016 – S. 158 – 174 | 01.2017 | 3 ASSURANCE liche Konsultation ohne Not die Beständigkeit der Standardsetzungsaktivitäten in den Augen der Öffentlichkeit in Frage Rechnungslegung KOMPAKT INTERNATIONALE RECHNUNGSLEGUNG Aus der Arbeit des IASB Aktuelle Veröffentlichungen des IASB betreffen AIP 2014–2016 » die Interpretation IFRIC 22 zu IAS 21, » eine Änderung von IAS 40 und » den Sammel-Änderungsstandard Annual Durch die Annual Improvements to IFRSs (AIP 2014–2016) Improvements to IFRSs (2014–2016). werden drei internationale Rechnungslegungsstandards geändert: » Redaktionelle Änderungen an IFRS 1; demnach werden kurzfristige Befreiungen von der Anwendung be- IFRS Interpretation 22 IFRIC 22 adressiert eine Anwendungsfrage zu IAS 21 im Zusammenhang mit Vorauszahlungen in Fremdwäh- stimmter Regelungen der IFRS für Erstanwender, die durch Zeitablauf nicht mehr relevant sind, gestrichen. » Für den Anwendungsbereich von IFRS 12 wird präzi- rung. Die Interpretation stellt klar, welcher Wechselkurs siert, dass die Angabevorschriften auch für Anteile an bei der erstmaligen Erfassung eines solchen Geschäfts- Tochterunternehmen, gemeinsamen Vereinbarungen, vorfalls in der funktionalen Währung eines Unterneh- assoziierten Unternehmen und nicht konsolidierten mens zu verwenden ist, wenn das Unternehmen Voraus- strukturierten Einheiten, die als zur Veräußerung zahlungen auf die der Transaktion zugrunde liegenden gehalten klassifiziert (oder in einer entsprechend Vermögenswerte, Aufwendungen oder Erträge leistet klassifizierten Veräußerungsgruppe enthalten) sind oder erhält. Eine Pflicht zur Anwendung von IFRIC 22 be- sowie für aufgegebene Geschäftsbereiche im Sinne von steht ab 01.01.2018; eine freiwillige vorzeitige Anwendung ist zulässig. IFRS 5 gelten. » In IAS 28.18 wird klargestellt, dass das Wahlrecht von Wagniskapital-Gesellschaften, Investmentfonds und IAS 40 ähnlichen Unternehmen, ihre Anteile an assoziierten IAS 40 regelt die Bilanzierung von als Finanzinvestition Unternehmen und Gemeinschaftsunternehmen erfolgs- gehaltenen Immobilien, die sich noch im Bau oder in der wirksam zum beizulegenden Zeitwert (fair value Entwicklung befinden. Klargestellt wird in IAS 40.57, ob through profit or loss) zu bewerten, separat für jedes und ab welchem Zeitpunkt ein Vermögenswert in den einzelne Investment ausgeübt werden darf. Weitere bzw. aus dem Bestand einer als Finanzinvestition gehal- Erläuterungen sind auch für das Wahlrecht gemäß tenen Immobilie wechselt. Hintergrund sind bislang un- IAS 28.36 ergänzt worden. geregelte Praxisfälle, in denen sich eine Immobilie in der Die Änderung von IFRS 12 ist ab 01.01.2017, die beiden an- Entwicklung befindet und es in dieser Phase zu einer deren Änderungen sind ab 01.01.2018 anzuwenden. Änderung der Verwendungsabsicht kommt. Eine Über- » DOC-ID: W1007498 tragung soll demnach nur dann erfolgen, wenn die Nutzungsänderung nachweisbar ist. Ferner stellt der IASB explizit klar, dass die in IAS 40.57 genannten Indizien für das Vorliegen einer Nutzungsänderung nur beispielhaft und insoweit nicht abschließend sind. Eine Pflicht zur Anwendung dieser Änderung besteht ab 01.01.2018; eine freiwillige vorzeitige Anwendung ist zulässig. 4 | 01.2017 | Mehr zum Thema » IASB vom 08.12.2016 (www.ifrs.org). » Schreiber, „IASB schlägt Änderungen an vier Standards vor – Jährlicher Verbesserungsprozess (Zyklus 2014–2016) und begrenzte Änderungen von IAS 40“, WPg 2016, S. 143. Keywords: IFRS 9 Expected-Loss-Modell Stufenzuordnung Lifetime-PD ANALYSE Beurteilung der signifikanten Verschlechterung der Kreditqualität nach IFRS 9 Voraussetzungen für die Verwendung von Ratings und Lifetime-PD Von Dr. Michael Bosse, Nikolas Stege und Dr. Manuel Hita Hochgesand1 Eine zentrale Herausforderung bei der Umsetzung einer IFRS-konformen Stufenzuordnung ist die Auswahl geeigneter Beurteilungskriterien. In den derzeitigen Umsetzungsprojekten zeichnet sich dafür vor allem die Verwendung von kumulierten Ausfallwahrscheinlichkeiten (Lifetime-PD) und Ratings ab. Während Ratings ein vertrautes Maß zur Beurteilung der Kreditqualität sind, handelt es sich bei Lifetime-PD – zumindest im bilanziellen Kontext – um eine Neuerung. Vor diesem Hintergrund wird in diesem Beitrag herausgearbeitet, welche methodischen Unterschiede zwischen Lifetime-PD und Ratings bestehen und unter welchen Voraussetzungen diese als Beurteilungskriterien für eine signifikante Verschlechterung der Kreditqualität verwendet werden können. 1 Einleitung nanzinstrumente – unabhängig von ihrem initialen Kre- Die deutlichsten Veränderungen von IFRS 9 gegenüber ditrisiko – zunächst der Stufe 1 zugeordnet. Damit ist die den bestehenden Regelungen in IAS 39 resultieren aus erfolgswirksame Erfassung einer Wertminderung in der neuen Wertminderungsmethode, die das derzeit an- Höhe des 12-Monats-Expected-Credit-Loss verbunden. In zuwendende Incurred Loss Model durch einen Expected- den Folgeperioden ist für das jeweilige Finanzinstrument Loss-Ansatz ablöst. In Abhängigkeit von der Veränderung bei der Stufenzuordnung anhand geeigneter Kriterien zu der Kreditqualität sollen Wertminderungen früher antizi- beurteilen, ob eine signifikante Verschlechterung der Kre- piert werden, nicht zuletzt, um damit dem im Zuge der Fi- ditqualität im Vergleich zum Zugangszeitpunkt vorliegt. nanzmarktkrise aufgekommenen Kritikpunkt einer ver- Dies begründet die Zuordnung des Finanzinstruments zur späteten Erfassung von Wertminderungen auf Basis des Stufe 2, so dass ein Lifetime Expected Credit Loss als Risi- Incurred Loss Model zu begegnen. kovorsorge zu erfassen ist. Die Zuordnung zur Stufe 2 soll – der Zielsetzung des neuen Expected-Loss-Ansatzes ent- Zum Zeitpunkt des erstmaligen Ansatzes eines Finanzin- sprechend – bereits (deutlich) vor dem Eintritt eines Ver- struments werden nach IFRS 9 grundsätzlich sämtliche Fi- lustereignisses (Stufe 3) erfolgen. Während die Stufen 1 l1 Der Beitrag stellt die persönliche Meinung der Verfasser dar. | 01.2017 | 5 RECHNUNGSLEGUNG Rating » Beurteilung der signifikanten Verschlechterung der Kreditqualität nach IFRS 9 und 3 weitestgehend der Portfolio- und Einzelwertberich- Beurteilungsobjekt tigung nach IAS 39 entsprechen, stellt die Stufe 2 eine Für die Festlegung des Beurteilungsobjekts ist maßgeb- Neuerung dar, die die wesentliche Änderung der Bilanz- lich, auf welcher Ebene das Ausfallrisiko3 zum Zugangs- und Erfolgswirkung im Vergleich zum Incurred Loss Mo- zeitpunkt bestimmt werden kann. Nach IFRS 9.5.5.3 ist del begründet. es erforderlich, eine signifikante Erhöhung des Ausfallrisikos zunächst auf Ebene des einzelnen Finanzinstru- Die mit Ermessensspielräumen behaftete Beurteilung ei- ments zu identifizieren und zu beurteilen. Das relevante ner signifikanten Verschlechterung der Kreditqualität ist Beurteilungsobjekt ist somit grundsätzlich das einzelne demnach von zentraler Bedeutung für die Ergebniswir- Finanzinstrument, so dass unterschiedliche Finanzin- kung des neuen Wertminderungsmodells. Festzulegen ist strumente eines Schuldners jeweils getrennt voneinan- u. a., anhand welcher Beurteilungskriterien der Übergang der zu beurteilen sind. Eine gemeinsame Beurteilung von Stufe 1 nach Stufe 2 erfolgen soll. Als Beurteilungskri- verschiedener Finanzinstrumente eines Schuldners terium ist grundsätzlich das über die erwartete Restlaufzeit bestehende Ausfallrisiko (Lifetime-PD2) heranzuziehen. IFRS 9 räumt dem Bilanzierenden aber auch die Möglichkeit ein, das über die nächsten zwölf Monate bestehende Ausfallrisiko (12-Monats-PD), das üblicherweise mit Ratings abgebildet wird, zu verwenden. Die Motivation zur Nutzung von Ratings lässt sich vor allem damit begründen, dass diese ein vertrautes Maß zur Abbildung Ratingveränderungen und die daraus resultierende Stufenzuordnung lassen sich einfacher gegenüber internen und externen Adressaten kommunizieren. der Kreditqualität darstellen. Dementsprechend können Ratingveränderungen und die daraus resultierende Stufenzuordnung einfacher gegenüber internen und exter- kann jedoch erfolgen, wenn dieses Vorgehen zum glei- nen Adressaten kommuniziert werden. chen Ergebnis wie eine Beurteilung auf Transaktionsebene führt. Hierbei handelt es sich um ein bedingtes Vor diesem Hintergrund soll in diesem Beitrag herausge- Wahlrecht, das einen entsprechenden Nachweis erfor- arbeitet werden, welche Anwendungsvoraussetzungen dert. Die gleiche Beurteilung einer signifikanten Ver- für die Verwendung von Lifetime-PD und Ratings als Kri- schlechterung der Kreditqualität auf Schuldner- und terium für die Beurteilung einer signifikanten Verschlech- Transaktionsebene ergibt sich für den Fall, dass die Fi- terung der Kreditqualität bestehen. nanzinstrumente des Schuldners ein ähnliches Ausfallrisiko zum Zugangszeitpunkt aufweisen (IFRS 9.IE43 – 47 2 IFRS-9-Anforderungen an die Stufenzuordnung i. V. mit IFRS 9.BC5.168). Zudem kann eine gemeinsame Die Abgrenzung zwischen Stufe 1 und Stufe 2 des Wert- Beurteilung unterschiedlicher Finanzinstrumente eines minderungsmodells und damit die konkrete Art der Beur- Portfolios erfolgen, wenn diese über homogene Kredit- teilung einer signifikanten Verschlechterung der Kredit- risikoeigenschaften – und hierbei vor allem über ein qualität wird von IFRS 9 nicht explizit vorgegeben; sie ähnliches Ausfallrisiko zum Zugangszeitpunkt – verfü- liegt daher grundsätzlich im Ermessen des Bilanzierenden gen (IFRS 9.IE40 – 42).4 (IFRS 9.5.5.12). In diesem Zusammenhang ist festzulegen, » für welches Beurteilungsobjekt eine signifikante Ver- Beurteilungskriterium schlechterung der Kreditqualität zu untersuchen ist, Als Beurteilungskriterium für die signifikante Verschlech- » welches Beurteilungskriterium hierfür genutzt werden terung der Kreditqualität ist nach IFRS 9.5.5.9 an jedem soll und » welches Ausmaß eine signifikante Verschlechterung der Kreditqualität begründet (Signifikanzschwelle). Bilanzstichtag die Veränderung des über die erwartete Restlaufzeit bestehenden Ausfallrisikos seit der erstmaligen Erfassung heranzuziehen. Bezogen auf einen Kredit- 2 Für eine detaillierte Beschreibung der Lifetime-PD siehe Abschn. 3.1 (PD bezeichnet die probability/probabilities of default). 3 Die Begriffe Ausfallrisiko und Kreditqualität l l werden hier synonym verwendet. Der von IFRS 9 verwendete Begriff „Kreditrisiko“ ist irreführend, da er impliziert, dass die Veränderung erwarteter (Kredit-)Verluste für die Stufenzuordnung maßgeblich sei. IFRS 9.5.5.9 hebt jedoch ausdrücklich hervor, dass die Veränderung des Ausfallrisikos und nicht die Veränderung erwarteter (Kredit-)Verluste für die Signifikanzbeurteilung heranzuziehen ist. Dabei dürfen Sicherheiten nur dann berücksichtigt werden, wenn sie einen Einfluss auf das Ausfallrisiko haben. 4 Die Nutzung der Portfolioebene, auf der umfassendere Kreditrisikoinformationen bestehen, kann auch in Situationen erforderlich sein, in denen der Bilanzierende auf Transaktionsebene nicht über ausreichende Informationen zur Signifikanzbeurteilung verfügt (IFRS 9.B5.5.1 i. V. mit IFRS 9.B5.5.3). l 6 | 01.2017 | risikoparameter-basierten Ansatz bedeutet diese Anforde- Festlegung der Signifikanzschwelle erforderlich sein rung, dass die Lifetime-PD zum jeweiligen Stichtag mit (IFRS 9.B5.5.9). Als geeignete Bezugsgröße für die Signifi- der Lifetime-PD zum Zugangszeitpunkt zu vergleichen ist. kanzbeurteilung kann dabei die ursprüngliche Erwartung Hierbei ist jedoch zu beachten, dass sich die Veränderung der Entwicklung des Ausfallrisikos dienen. Hierdurch der Lifetime-PD aus zwei Effekten zusammensetzt: wird dem Grundgedanken des IASB Rechnung getragen, » einem bonitätsinduzierten Effekt und » einem zeitinduzierten Effekt. dass die Erwartung der Entwicklung des Ausfallrisikos in Während der bonitätsinduzierte Effekt auf die „originäre“ halten ist (IFRS 9.BC.5.173). Im Vergleich zur tatsächlichen Veränderung des Kreditrisikos zurückzuführen ist, ba- Entwicklung des Ausfallrisikos erfolgt anhand der festge- siert der zeitinduzierte Effekt auf dem Voranschreiten legten Signifikanzschwelle schließlich die Beurteilung ei- der Laufzeit, das zu einer Verringerung der Lifetime-PD ner signifikanten Verschlechterung der Kreditqualität aufgrund der verkürzten Restlaufzeit des jeweiligen Fi- und damit die Abgrenzung zwischen den Stufen 1 und 2 nanzinstruments führt. Da sich das Beurteilungskriterium des Wertminderungsmodells. zum Übergang in Stufe 2 jedoch ausschließlich auf die Veränderung des „originären“ Ausfallrisikos bezieht, ist 3 Beurteilungskriterien für die Stufenzuordnung der zeitinduzierte Effekt entsprechend zu neutralisieren Die Beurteilung der Kreditqualität umfasst eine ganz- (IFRS 9.B5.5.10 f.). heitliche Analyse, die sich je nach Datenverfügbarkeit, Finanzinstrument und Art des Unternehmens unter- IFRS 9 sieht grundsätzlich auch die Veränderung der scheidet (IFRS 9.B5.5.16 i. V. mit IFRS 9.BC5.157). Nach 12-Monats-PD als geeignete Approximation für die Verän- IFRS 9.B5.5.18 können dabei quantitative und qualita- derung der Lifetime-PD bei der Beurteilung der signifi- tive Informationen verwendet werden, die für die Stu- kanten Verschlechterung des Kreditrisikos an, es sei fenzuordnung nicht zwangsläufig in statistischen Model- denn, die zu berücksichtigenden Umstände erfordern len oder Ratingverfahren verarbeitet werden müssen. eine Mehrjahres-Betrachtung. Dies gilt für den Fall, dass Eine nicht abschließende Liste von Informationen, die für sich das Ausfallverhalten von Schuldnern nicht auf einen die Stufenzuordnung relevant sein können, enthält bestimmten Zeitpunkt innerhalb der Laufzeit konzen- IFRS 9.B5.5.17. Der Bilanzierende muss abwägen, welche triert (IFRS 9.B5.5.13). IFRS 9.B5.5.14(a) bis (c) nennt die Informationen in diesem Zusammenhang geeignet sind. folgenden möglichen Umstände, in denen die Verwen- Unabhängig von den verwendeten Informationen ist die dung der 12-Monats-PD nicht angemessen ist: widerlegbare Vermutung einer signifikanten Verschlech- (a) die mit dem Finanzinstrument zusammenhängenden terung der Kreditqualität ab 30 Verzugstagen als backstop wesentlichen Zahlungsverpflichtungen werden erst zu berücksichtigen (IFRS 9.5.5.11 i. V. mit IFRS 9.BC5.193). nach Ablauf der nächsten zwölf Monate fällig; (b) es treten Änderungen der relevanten makro- Beurteilungskriterien für die Stufenzuordnung lassen ökonomischen oder sonstigen kreditbezogenen sich daher wie folgt kategorisieren: Faktoren ein, die in der 12-Monats-PD nicht » quantitative Kriterien (z. B. Lifetime-PD, 12-Monats-PD, angemessen berücksichtigt werden; (c) Änderungen kreditbezogener Faktoren wirken sich erst nach mehr als zwölf Monaten (verstärkt) auf das Kreditrisiko des Finanzinstruments aus. Ratings), » qualitative Kriterien (z. B. Watchlist, Marktindikatoren) und » Backstop-Kriterien (z. B. 30 Verzugstage). Während mit quantitativen Kriterien die Beurteilung auf Signifikanzschwelle Basis eines Vergleichs numerischer Größen erfolgt, wer- Zur Bestimmung des Ausmaßes, ab dem eine signifikante den mit qualitativen und Backstop-Kriterien (absolute) Verschlechterung der Kreditqualität vorliegt, gibt IFRS 9 Zustände für die Beurteilung verwendet. Als quantitative keine Signifikanzschwelle vor, so dass eine entsprechen- Kriterien werden überwiegend Lifetime-PD und Ratings de Definition dem Bilanzierenden obliegt. Für verschie- genutzt, die im Folgenden zunächst methodisch voneinan- dene Finanzinstrumente können somit unterschiedliche der abgegrenzt werden, um darauf aufbauend die An- Ansätze angewendet werden (IFRS 9.B5.5.12 i. V. mit wendungsvoraussetzungen für die Stufenzuordnung her- IFRS 9.BC5.171). Je nach Höhe des ursprünglichen Ausfall- auszuarbeiten. Die Notwendigkeit zur Berücksichtigung risikos zum Zugangszeitpunkt kann eine differenzierte zusätzlicher qualitativer Kriterien hängt davon ab, ob | 01.2017 | 7 RECHNUNGSLEGUNG den ursprünglich kontrahierten Kreditkonditionen ent- » Beurteilung der signifikanten Verschlechterung der Kreditqualität nach IFRS 9 und inwieweit diese bereits in den quantitativen Kriterien Mit den auf Basis historischer Informationen modellier- berücksichtigt sind. ten Ratingverfahren lassen sich dann bei der Ratingvergabe aktuelle und zukunftsgerichtete Informationen über 3.1 Methodische Grundlagen die Risikotreiber zu einem (vorläufigen) Rating verdich- In der Kreditrisikomodellierung wird das Ausfallrisiko ten. Dieses auf statistischen Zusammenhängen basieren- über einen bestimmten Zeitraum durch die PD beschrie- de Rating wird anschließend oftmals um Einschätzungen ben. Zur Beurteilung der Bonität bzw. Kreditwürdigkeit des jeweiligen Kreditanalysten zur Bonitätssituation des von Transaktionen oder Schuldnern verwenden Finanz- Schuldners zu einem endgültigen Rating angepasst. Im institute Ratingverfahren, durch die sich eine Aussage Rahmen der von IFRS 9 geforderten Point-in-Time-Orien- über die PD innerhalb eines vorgegebenen Zeitraums (in tierung von Ratingverfahren5 sollten auf diese Weise der Regel ein Jahr) treffen lässt. Bei der Entwicklung von sämtliche ausfallrisikorelevanten Informationen als (qua- Ratingverfahren wird auf Basis historischer Beobachtun- litative oder quantitative) Modellvariablen Berücksich- gen für unterschiedliche qualitative und quantitative In- tigung finden, um erwartete Ausfallereignisse möglichst formationen überprüft, ob diese einen Erklärungsgehalt genau zu schätzen. für das Ausfallrisiko aufweisen. Die als ausfallrisikorelevant identifizierten Informationen fließen als Risiko- Während die Erstellung von Ratings und die damit zu- treiber in das Ratingverfahren ein. Im nächsten Schritt sammenhängende Schätzung von 12-Monats-PD in der werden Ratingklassen als Intervalle definiert, denen – je Kreditrisikomodellierung bereits etabliert sind, stellen nach Ausmaß des Ausfallrisikos – PD im Rahmen der Lifetime-PD – zumindest im bilanziellen Kontext – eine Kalibrierung zugeordnet werden. Die aus Ratingverfahren Neuerung dar. Zur Ermittlung von Lifetime-PD existieren resultierenden Ratingeinstufungen korrespondieren daher grundsätzlich verschiedene Verfahren, die sich im Hin- jeweils mit einer bestimmten 12-Monats-PD. Diese stellt im blick auf ihren Umsetzungsaufwand und ihre Prognose- Regelfall die mittlere PD eines PD-Intervalls dar, das der je- güte unterscheiden. Eine in der Praxis häufig verwendete weiligen Ratingklasse zugeordnet wurde. Der Zusammen- Methode zur Ermittlung von Lifetime-PD stellen Migra- hang zwischen Ratingklasse, mittlerer PD und PD-Intervall tionsmatrizen dar. wird über die sogenannte Masterskala abgebildet. Übersicht 1 zeigt eine idealtypische Masterskala für ein Ratingverfahren mit den Ratingklassen I bis IX. Migrationsmatrizen Migrationsmatrizen bilden das Migrationsverhalten von Schuldnern ab, d. h. die Wahrscheinlichkeit über einen bestimmten Zeitraum in derselben Ratingklas- Ratingklasse PDUntergrenze Mittlere PD PDObergrenze I 0,00 % 0,13 % 0,20 % migrieren. Die empirische Ermittlung von Migra- II 0,20 % 0,25 % 0,40 % tionsmatrizen erfolgt durch Beobachtung des histo- III 0,40 % 0,50 % 0,70 % IV 0,70 % 1,00 % 1,40 % V 1,40 % 2,00 % 2,90 % VI 2,90 % 4,00 % 5,80 % Folgeperiode t+1 abgetragen. Die Default-Spalte der VII 5,80 % 8,00 % 10,60 % Matrix repräsentiert Migrationen in den Ausfall. VIII 10,60 % 16,00 % 19,10 % IX 19,10 % 32,00 % 100,00 % Default 100,00 % 100,00 % 100,00 % Übersicht 1 » Masterskala eines Ratingverfahrens l5 Vgl. Bosse, WPg 2015, S. 720. 8 | 01.2017 | se zu verbleiben oder in eine andere Ratingklasse zu rischen Migrationsverhaltens von Schuldnern über einen bestimmten Zeitraum. In den Zeilen einer Migrationsmatrix werden die ursprünglichen Ratings der Periode t und in den Spalten die Ratings der Übersicht 2 zeigt eine idealtypische, konjunkturneutrale Ein-Jahres-Migrationsmatrix für die Ratingklassen I bis IX und den Default-Zustand. Ursprungsrating in t I II III IV V VI VII VIII IX Default I 92,00 % 4,00 % 2,00 % 1,00 % 0,50 % 0,25 % 0,10 % 0,02 % 0,00 % 0,13 % II 3,00 % 85,00 % 5,85 % 2,50 % 1,00 % 1,25 % 0,50 % 0,35 % 0,30 % 0,25 % III 1,00 % 6,00 % 82,00 % 5,00 % 2,50 % 1,75 % 0,75 % 0,40 % 0,10 % 0,50 % IV 0,50 % 1,25 % 7,00 % 80,00 % 6,00 % 3,00 % 1,00 % 0,20 % 0,05 % 1,00 % V 0,25 % 2,00 % 4,00 % 6,00 % 75,00 % 5,00 % 3,00 % 1,75 % 1,00 % 2,00 % VI 0,00 % 0,25 % 0,75 % 3,50 % 6,50 % 60,00 % 10,00 % 9,25 % 5,75 % 4,00 % VII 0,00 % 0,13 % 0,25 % 1,12 % 3,50 % 7,00 % 55,00 % 15,00 % 10,00 % 8,00 % VIII 0,00 % 0,00 % 0,10 % 0,25 % 1,65 % 4,00 % 8,00 % 50,00 % 20,00 % 16,00 % IX 0,00 % 0,00 % 0,00 % 0,25 % 1,25 % 3,50 % 6,00 % 12,00 % 45,00 % 32,00 % Default 0,00 % 0,00 % 0,00 % 0,00 % 0,00 % 0,00 % 0,00 % 0,00 % 0,00 % 100,00 % Übersicht 2 » Konjunkturneutrale Ein-Jahres-Migrationsmatrix Periode Ursprungsrating in t 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 I 0,13 % 0,30 % 0,55 % 0,90 % 1,36 % 1,93 % 2,61 % 3,40 % 4,31 % 5,31 % II 0,25 % 0,78 % 1,58 % 2,62 % 3,87 % 5,29 % 6,87 % 8,56 % 10,35 % 12,22 % III 0,50 % 1,25 % 2,30 % 3,64 % 5,23 % 7,02 % 8,99 % 11,08 % 13,26 % 15,51 % IV 1,00 % 2,21 % 3,73 % 5,59 % 7,74 % 10,12 % 12,66 % 15,31 % 18,01 % 20,73 % V 2,00 % 4,63 % 7,79 % 11,32 % 15,04 % 18,82 % 22,54 % 26,15 % 29,60 % 32,87 % VI 4,00 % 10,69 % 18,34 % 25,95 % 33,01 % 39,32 % 44,85 % 49,65 % 53,81 % 57,40 % VII 8,00 % 18,36 % 28,62 % 37,79 % 45,62 % 52,17 % 57,61 % 62,14 % 65,91 % 69,08 % VIII 16,00 % 31,24 % 43,39 % 52,72 % 59,90 % 65,50 % 69,93 % 73,50 % 76,41 % 78,80 % IX 32,00 % 48,97 % 59,32 % 66,37 % 71,52 % 75,47 % 78,59 % 81,10 % 83,14 % 84,84 % Default 100,00 % 100,00 % 100,00 % 100,00 % 100,00 % 100,00 % 100,00 % 100,00 % 100,00 % 100,00 % Übersicht 3 » Konjunkturneutrale PD-Profile je Ratingklasse Die Ermittlung von Lifetime-PD kann dabei über die t-ma- PD, die das gesamte Ausfallrisiko aus heutiger Sicht über lige Multiplikation der Ein-Jahres-Migrationsmatrix mit einen mehrjährigen Zeitraum abbilden. sich selbst erfolgen. Aus der daraus resultierenden t-Jahres-Migrationsmatrix können die entsprechenden Life- Für Zwecke einer IFRS-9-konformen Modellierung ist time-PD jeweils in der Default-Spalte abgelesen werden. sicherzustellen, dass die PD-Profile zukunftsgerichte- Auf diese Weise lässt sich schließlich ein sogenanntes te, makroökonomische Informationen berücksichtigen PD-Profil erzeugen, das die periodenspezifischen Life- (IFRS 9.5.5.17(c)). Die Integration dieser Informationen time-PD enthält und somit das über die Laufzeit erwartete kann unter Verwendung von Migrationsmatrizen entwe- Ausfallrisiko darstellt. der direkt oder indirekt erfolgen: » Bei der direkten Methode werden zukunftsgerichtete, So führt die Multiplikation der idealtypischen Migrations- makroökonomische Informationen berücksichtigt, matrix zu den in Übersicht 3 dargestellten konjunktur- indem – je nach erwarteter Konjunkturlage – neutralen PD-Profilen je Ratingklasse über einen Zeit- spezifische Migrationsmatrizen miteinander raum von zehn Perioden. Die PD-Profile zeigen Lifetime- multipliziert werden.6 l6 Vgl. Bosse, WPg 2015, S. 728 ff. | 01.2017 | 9 RECHNUNGSLEGUNG Rating in t+1 » Beurteilung der signifikanten Verschlechterung der Kreditqualität nach IFRS 9 Periode Ursprungsrating in t 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 I 0,13 % 0,33 % 0,62 % 1,02 % 1,48 % 2,04 % 2,72 % 3,52 % 4,42 % 5,42 % II 0,25 % 0,86 % 1,78 % 2,97 % 4,21 % 5,63 % 7,20 % 8,89 % 10,68 % 12,54 % III 0,50 % 1,37 % 2,57 % 4,10 % 5,68 % 7,47 % 9,43 % 11,51 % 13,68 % 15,91 % IV 1,00 % 2,39 % 4,14 % 6,27 % 8,40 % 10,76 % 13,29 % 15,92 % 18,60 % 21,30 % V 2,00 % 5,02 % 8,64 % 12,66 % 16,33 % 20,05 % 23,72 % 27,27 % 30,67 % 33,88 % VI 4,00 % 11,69 % 20,40 % 28,93 % 35,70 % 41,75 % 47,06 % 51,67 % 55,66 % 59,11 % VII 8,00 % 19,92 % 31,49 % 41,61 % 48,96 % 55,11 % 60,22 % 64,46 % 68,00 % 70,98 % VIII 16,00 % 33,52 % 47,04 % 57,08 % 63,59 % 68,67 % 72,70 % 75,94 % 78,58 % 80,76 % IX 32,00 % 51,51 % 62,83 % 70,23 % 74,79 % 78,29 % 81,05 % 83,27 % 85,08 % 86,58 % Default 100,00 % 100,00 % 100,00 % 100,00 % 100,00 % 100,00 % 100,00 % 100,00 % 100,00 % 100,00 % Übersicht 4 » Konjunkturabhängige PD-Profile mit einem Skalierungsfaktor, der die Veränderung der 100,00% Lifetime-PD in Abhängigkeit Kumulierte Ausfallwahrscheinlichkeit 90,00% von makroökonomischen 80,00% Erwartungen abbildet, 70,00% periodenspezifisch nach oben oder unten anpassen. 60,00% Die hieraus resultierenden kon- 50,00% junkturabhängigen PD-Profile zei40,00% gen Übersicht 4 und Übersicht 5.7, 8 30,00% 3.2 Anwendungsvoraussetzungen 20,00% 10,00% Das IASB trifft die Annahme, dass 0,00% 1 2 3 4 5 6 7 Periode 8 9 10 die Veränderung des Ausfallrisikos über die nächsten zwölf Monate generell eine geeignete Approxi- Übersicht 5 » Konjunkturabhängige PD-Profile mation für die Veränderung des Ausfallrisikos über die erwartete Restlaufzeit darstellen sollte, so » Demgegenüber liegt der hier betrachteten indirekten dass sich das Ausfallrisiko über die nächsten zwölf Mona- Methode eine Migrationsmatrix zugrunde, die auf Basis te als Beurteilungskriterium für die Stufenzuordnung eig- einer konjunkturübergreifenden Datenhistorie ermittelt net (IFRS 9.B5.5.13 i. V. mit IFRS 9.BC5.178). In Bezug auf wurde, so dass die Multiplikation einer solchen Matrix die Nutzbarkeit der 12-Monats-PD bzw. der korrespon- zu PD-Profilen führt, die die Konjunkturerwartungen dierenden Ratingeinstufung als Beurteilungskriterium gegebenenfalls nicht vollständig berücksichtigen. stellt sich die Frage, ob und inwieweit überprüft bzw. Je nach erwarteter Konjunkturlage lassen sich an- nachgewiesen werden muss, dass die Ratingveränderung schließend die einzelnen Lifetime-PD des PD-Profils eine angemessene Approximation für die Veränderung 7 Die Kurven stellen von oben nach unten die PD-Profile zu den Ratings IX bis I dar. 8 Für eine konkrete Methode zur Anpassung des PD-Profils mit Skalierungsfaktoren vgl. l l Bosse/Stege/Hita Hochgesand in einer der nächsten Ausgaben der WPg. In diesem Fall wurde für die Perioden 2 bis 4 jeweils ein Skalierungsfaktor i. H. von 15 % verwendet. 10 | 01.2017 | 3. Erwägung, ob beobachtete Änderungen der darstellt. Die Notwendigkeit für einen entsprechenden Determinanten darauf hindeuten, dass die Nachweis ist im Vergleich zu den ursprünglichen Rege- Veränderung des Ausfallrisikos über zwölf Monate lungen des Exposure Draft (ED/2013/3.B11) in IFRS 9 zwar als Approximation für die Veränderung des Ausfall- nicht mehr explizit enthalten. Um sicherzustellen, dass risikos über die erwartete Restlaufzeit nicht weiter die in IFRS 9.B5.5.14 dargestellten Umstände nicht vorlie- angemessen sein könnte. gen – so dass die Verwendung einer Ratingveränderung Für den Fall, dass die Überprüfung zeigt, dass die Appro- unangemessen wäre –, bedarf es dennoch eines ent- ximation nicht weiter geeignet ist, muss der Bilanzierende sprechenden Nachweises. einen alternativen Ansatz bestimmen, der die Veränderung des Ausfallrisikos über die erwartete Laufzeit bei Auch die IFRS Transition Resource Group for Impairment der Signifikanzbeurteilung angemessen berücksichtigt. of Financial Instruments (ITG) hat sich im September 2015 mit dieser Thematik auseinander gesetzt.9 In diesem Mit einem (fortlaufenden) Nachweis soll sichergestellt Zusammenhang wird erwartet, dass der Bilanzierende werden, dass die wesentlichen Risikotreiber, die über die erwartete Restlaufzeit bestehen, auch über die Betrachtung des 12-Monats- Bilanzierende sollten prüfen, ob der mit dem Nachweis zur Eignung von Ratings verbundene Aufwand nicht vom Nutzen (deutlich) kompensiert wird. Horizonts angemessen berücksichtigt werden. Anderenfalls könnten eine signifikante Verschlechterung der Kreditqualität zu spät festgestellt und damit Wertminderungen – entgegen der Zielsetzung des Expected-Loss- für den Nachweis der Angemessenheit der Approxima- Ansatzes – zu spät erfasst werden. In diesem Kontext tion eine robuste Analyse durchführt, wobei deren Um- wäre ein numerischer Vergleich der Veränderung der fang grundsätzlich vom zu betrachtenden Finanzinstru- 12-Monats-PD mit der Veränderung der Lifetime-PD als ment abhängt. Demnach reicht in manchen Fällen eine Nachweis für eine geeignete Approximation nicht ziel- qualitative Analyse aus, wohingegen in weniger eindeuti- führend, da hierdurch keine eindeutige Aussage über die gen Fällen eine zusätzliche quantitative Analyse notwen- Berücksichtigung von Risikotreibern auf Ein- und Mehr- dig sein könnte. jahressicht getroffen werden kann. Für den Fall, dass die Veränderung der Lifetime-PD numerisch der Verände- Ein möglicher Ansatz zur fortlaufenden Überprüfung der rung der 12-Monats-PD entsprechen sollte, könnte dies Angemessenheit der Approximation kann nach Ansicht vielmehr auch darauf hindeuten, dass wesentliche Ri- der ITG wie folgt ausgestaltet sein:10 sikotreiber nicht in der 12-Monats-Sicht berücksichtigt 1. Identifikation der wesentlichen Determinanten, die werden. Dies liegt darin begründet, dass Lifetime-PD – un- einen Einfluss auf die Angemessenheit der Nutzung abhängig von der ursprünglichen Kreditqualität – ab ei- der Veränderung des Ausfallrisikos über zwölf Monate ner bestimmten Zeit gegen 100 % konvergieren, so dass als Approximation für die Veränderung des Ausfall- mit längeren Restlaufzeiten grundsätzlich geringere Ver- risikos über die erwartete Restlaufzeit haben könnten; änderungen der Lifetime-PD einhergehen. Die Verände- 2. Beobachtung der identifizierten Determinanten rung der Lifetime-PD konvergiert daher mit zunehmen- im Rahmen einer fortlaufenden qualitativen der Restlaufzeit gegen 0.11 Unter der Annahme, dass Überwachung; sämtliche relevanten Risikotreiber in der 12-Monats- 9 ITG, Agenda Paper 2, 16.09.2015, S. 1–14 (www.ifrs.org; Abruf: 10.11.2015). 10 ITG, Meeting Summary, 16.09.2015, S. 5 (www.ifrs.org; Abruf: 10.11.2015). 11 Um dem Effekt l l l der Restlaufzeit auf die Veränderung der Lifetime-PD zu begegnen, sind – unter Verwendung von Lifetime-PD als Beurteilungskriterium – gegebenenfalls restlaufzeitabhängige Signifikanzschwellen zu definieren. Anderenfalls besteht das Risiko, dass eine signifikante Verschlechterung der Kreditqualität erst ab Unterschreitung einer bestimmten Restlaufzeit festgestellt werden kann, so dass Geschäfte nur aufgrund einer längeren Restlaufzeit nicht der Stufe 2 zugeordnet werden. Informationen, die über die Bonität eines Schuldners zum Bilanzstichtag vorliegen, würden bei einer Betrachtung von Lifetime-PD also mit zunehmender Restlaufzeit verschleiert und für die Stufenzuordnung insoweit nicht angemessen berücksichtigt. Dies widerspricht dem Ziel, Wertminderungen frühzeitig zu erfassen. | 01.2017 | 11 RECHNUNGSLEGUNG der Lifetime-PD im Rahmen der Signifikanzbeurteilung » Beurteilung der signifikanten Verschlechterung der Kreditqualität nach IFRS 9 Sicht berücksichtigt sind, muss sich die Veränderung der Die 12-Monats-PD bzw. das damit korrespondierende Ra- Lifetime-PD mit zunehmender Restlaufzeit verringern. ting ist hingegen ein gängiges und allseits bekanntes Maß Gleichen sich die Veränderung der 12-Monats-PD und die zur Abbildung der Kreditqualität von Transaktionen oder Veränderung der Lifetime-PD, würde dies dazu im Wi- Schuldnern. Insoweit sind Veränderungen von Ratings derspruch stehen und vielmehr darauf hindeuten, dass und die daraus resultierende Stufenzuordnung transpa- sich Risikotreiber erst nach dem 12-Monats-Horizont renter; sie lassen sich sowohl gegenüber internen als auch auswirken. Dies begründet nach IFRS 9.B5.5.14 einen gegenüber externen Adressaten deutlich einfacher kom- möglichen Umstand, bei dem die Verwendung der 12-Mo- munizieren als Veränderungen von Lifetime-PD. Darüber nats-PD für die Stufenzuordnung nicht angemessen ist. hinaus ist die Ermittlung von Ratings im Vergleich zur Ermittlung von Lifetime-PD mit einer geringeren Unsicher- Vor diesem Hintergrund ist die numerische Approxima- heit verbunden, so dass Ratings als Beurteilungskriterium tion kein geeigneter Nachweis für die Verwendung der für die signifikante Verschlechterung der Kreditqualität 12-Monats-PD als Beurteilungskriterium für die Stufenzu- ein verlässlicheres Maß darstellen können. Vor diesem ordnung. Stattdessen ist zu zeigen, dass mit der Verände- Hintergrund sollte der Bilanzierende prüfen, ob der mit rung der Ratingeinstufung und der dazu korrespondie- dem Nachweis zur Eignung von Ratings als Beurteilungs- renden Veränderung der 12-Monats-PD die wesentlichen kriterium verbundene Aufwand nicht vom skizzierten Risikotreiber berücksichtigt werden, die zur Veränderung Nutzen (deutlich) kompensiert wird. » DOC-ID: W1007472 der Lifetime-PD führen. Dies ist sichergestellt, wenn die Veränderung der Ratingeinstufung über die gesamte Laufzeit die wesentliche Determinante für die Gesamtveränderung der Lifetime-PD darstellt. Auf diese Weise lässt sich eine eindeutige Aussage über die konsistente Berücksichtigung von Risikotreibern auf Ein- und Mehrjahressicht treffen und damit eine geeignete Approximation i. S. von IFRS 9.B5.5.13 f. nachweisen. 4 Kritische Würdigung und Ausblick » Dr. Michael Bosse Senior Manager im Bereich Financial Accounting Advisory Services, Ernst & Young GmbH WPG, Hannover Die Möglichkeit zur Verwendung von Ratings als Beurteilungskriterium für die signifikante Verschlechterung der Kreditqualität setzt die Erbringung eines geeigneten Nachweises voraus. Es ist zu zeigen, dass Ratingveränderungen eine angemessene Approximation für die Veränderung der Lifetime-PD im Rahmen der Stufenzuordnung darstellen. Dies kann mit einem gewissen Aufwand verbunden sein.12 Demgegenüber werden unter Verwendung von Lifetime-PD als Beurteilungskriterium für die Stufenzuordnung die IFRS-9-Anforderungen direkt erfüllt, ohne » Nikolas Stege Senior Consultant im Bereich Financial Accounting Advisory Services, Ernst & Young GmbH WPG, Hannover dass ein darüber hinausgehender Nachweis zur grundsätzlichen Eignung der Lifetime-PD erforderlich wäre. Neben der eingeschränkten Validierbarkeit sowie den Herausforderungen bei der Operationalisierung (z. B. die retrospektive Bestimmung der Lifetime-PD im Erstanwendungszeitpunkt) ist vor allem die Tatsache, dass Lifetime-PD wenig intuitiv und damit schwierig zu kommunizieren sind, ein zentraler Nachteil der Verwendung von Lifetime-PD als Beurteilungskriterium. l » Dr. Manuel Hita Hochgesand Manager im Bereich Financial Accounting Advisory Services, Ernst & Young GmbH WPG, Frankfurt am Main 12 Vgl. dazu in einer der nächsten Ausgaben der WPg Bosse/Stege/Hita Hochgesand. Vor allem die quantitative Überprüfung, dass makroökonomische Prognosen, die über den vom Rating abgedeckten 12-Monats-Horizont hinausgehen, einen untergeordneten Einfluss auf die Stufenzuordnung haben, kann eine prozessuale und operationelle Herausforderung sein. 12 | 01.2017 | Financial Services KOMPAKT BANKENAUFSICHT Novelle der Institutsvergütungsverordnung tritt voraussichtlich erst im März 2017 in Kraft Die Änderungsverordnung zur Institutsvergütungsverordnung (InstitutsVergV) wird voraussichtlich erst Anfang März ins Bundesgesetzblatt eingestellt werden (dazu auch Weber/Grauer/Schmid, WPg 2017, S. 15 (in dieser Ausgabe)). Verworfene Änderungen Hintergrund der Verzögerung ist, dass mit Blick auf die Überarbeitung der europäischen Eigenmittelrichtlinie (Capital Requirements Directive IV – CRD IV) und nach Auswertung der Stellungnahmen zur Konsultation zwei ursprünglich vorgesehene Änderungen nun doch nicht realisiert werden sollen. Stattdessen wird zunächst die weitere Entwicklung bei den gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben abgewartet. So soll die Risikoträger-Identifizierungspflicht nun nicht mehr auf alle Institute erweitert werden, wie noch in § 3 Abs. 2 des Konsultationsentwurfs vorgesehen. Außerdem sind nachgeordnete Institute, die bereits unter die sektorspezifischen Vergütungsvorschriften der Richtlinie über die Verwalter alternative Investmentfonds (AIFM-Richtlinie) oder der Richtlinie über Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAW-V-Richtlinie) fallen, nicht in den Geltungsbereich der Gruppen-Vergütungsstrategie einzubeziehen, wie es nach § 27 des Konsultationsentwurfs zunächst geplant war. » DOC-ID: W1007499 Mehr zum Thema » BaFin vom 12.12.2016 (www.bafin.de). KAPITALMARKTUNION Einigung über Erleichterungen beim EU-Prospektrecht Die EU-Kommission will kleineren und mittelgroßen Un- zierungsvolumina ebenso wie Crowdfunding-Projekte bis ternehmen bei der Ausgabe von Aktien oder Schuldtiteln zu einer Höhe von 1 Mio. Euro grundsätzlich von der den Zugang zu Finanzierungsquellen erleichtern. Dazu Prospektpflicht zu befreien. Die EU-Mitgliedstaaten kön- hat sie sich mit den EU-Mitgliedstaaten und dem Europä- nen aber höhere Schwellenwerte festlegen, um weitere ischen Parlament auf ein neues Prospektrecht verständigt. Wachstumsanreize zu setzen. Zwingend vorgeschrieben Dem vorausgegangen war ein Vorschlag der Kommission sein wird ein Prospekt erst ab einem Finanzierungsvolu- vom November 2015 (dazu WPg 2015, S. 1299). Gegen- men von 8 Mio. Euro (bislang 5 Mio. Euro). Zudem wird stand der Einigung sind Regelungen, die bei einem öffent- ein neuer Wachstumsprospekt eingeführt, der auch Inves- lichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulas- toren in ihrer Entscheidungsfindung unterstützen soll. sung zum Handel zu beachten sind. Ziel ist es, Hindernisse bei der Finanzierung vor allem von kleineren Unterneh- Auch bei der Finanzierung über Unternehmensanleihen men zu beseitigen. Die Einigung sieht vor, kleinere Finan- soll es Erleichterungen geben: um den Markt liquider zu | 01.2017 | 13 FINANCIAL SERVICES 2017 und nicht – wie ursprünglich geplant – Anfang des Jahres in Kraft treten. Dazu wird die BaFin in Kürze einen neuen Entwurf der InstitutsVergV-Novelle veröffentlichen. Die Änderungsverordnung soll dann im Februar 2017 erlassen und machen, soll die Mindestgröße von (nominal) 100.000 pekten sollen elektronische Formate die Regel werden Euro entfallen. Unternehmen, die den Kapitalmarkt regel- und die europäische Wertpapieraufsicht ESMA als ein- mäßig in Anspruch nehmen, sollen schließlich von deut- heitliches (Online-)Portal für alle EU-Prospekte fungieren. lich schnelleren Genehmigungsdauern – fünf statt bislang EU-Parlament und Ministerrat müssen der Einigung for- zehn Tage – profitieren. Erleichterungen sind auch für Se- mal noch zustimmen. » DOC-ID: W1007500 kundärmärkte bei Unternehmensanleihen vorgesehen. Schließlich sollen die Prospektzusammenfassungen verkürzt werden und in einer leichter verständlichen Sprache verfasst werden. Anstelle von papierbasierten Pros- Mehr zum Thema » Pressemitteilung IP/16/4324 der EU-Kommission vom 08.12.2016 (http://europa.eu). REZENSION Optionen, Derivate und strukturierte Produkte Wer für die Anwendung in der Praxis Literatur zu Derivaten und strukturierten Produkten sucht, läuft oft Gefahr, auf ein Werk zu stoßen, dessen Aussagen eher unspezifisch und allgemein sind oder dessen Lektüre wegen einer Anhäufung von mathematischen Formeln und Graphen schwer verdaulich ist. Nicht zuletzt vor diesem Hintergrund muss die 2. Auflage von Riegers Buch als empfehlenswert bezeichnet werden. Dem Autor gelingt es, ein Gleichgewicht zu finden zwischen prägnanten Textpassagen und den in Zusammenhang mit der Materie unverzichtbaren, aber trotzdem auch für Nicht-Mathematiker durchaus verständlich aufbereiteten Herleitungen der Konstruktion der Produkte. Für den Praktiker besonders hilfreich sind die Kapitel, in denen die grundlegenden Trading- und Hedging-Strategien sowie die unterschiedlichen Arten von Produkten beschrieben und analysiert werden, ausgehend vom einfachsten Fall eines „plain vanilla“-Instruments bis hin zur Beschreibung komplexerer strukturierter Produkte (z. B. Barrier Range Reverse Convertibles). Die Eigenschaften der beschriebenen Produkte werden durch Abbildung der Payoff-Strukturen sowie – im Fall strukturierter Produkte – zusätzlich anhand von Risikomatrizen gut veranschaulicht, auf denen die Renditechance, Maximalverlust und Verlustwahrscheinlichkeit abgetragen werden. Auch eine Beschreibung und Unterteilung der für die unterschiedlichen Produkttypen relevanten weltweiten Märkte, deren Volumen und Besonderheiten fehlen nicht. Dabei wird der deutschsprachige Raum detaillierter betrachtet und auch die Grundzüge der dortigen Besteuerung verständlich dargestellt. Seinen Untertitel „Ein Praxisbuch“ trägt Riegers Werk also zu Recht; es empfiehlt sich gleichermaßen zur Lektüre wie auch als Nachschlagewerk für Leser, die mit Derivaten und strukturierten Produkten in ihrer praktischen Tätigkeit in Berührung kommen. » Adrian Geisel » Rieger, Marc Oliver: Optionen, Derivate und strukturierte Produkte – Ein Praxisbuch, 2. Aufl. – Stuttgart : Schäffer-Poeschel, 2016. – 384 S. – € 59,95 14 | 01.2017 | Keywords: Kapitalmarkt Verbraucherschutz Verbriefung IRB-Ansatz Sanierung ANALYSE Regulierung des Finanzsektors FINANCIAL SERVICES Entwicklungen im dritten Quartal 2016 Von Dr. Max Weber, Dr. Thomas Grauer und Sabine Schmid Im folgenden Beitrag werden ausgewählte aufsichtsrechtliche Papiere des dritten Quartals 2016 vorgestellt. Die EBA hat ihre Arbeiten zum überarbeiteten Internal Rating Based Approach (IRB-Ansatz), in dessen Zusammenhang mit weitreichenden Auswirkungen für die Institute gerechnet wird, abgeschlossen. Auf deutscher Ebene sorgt der zweite Referentenentwurf des Gesetzes zur Novellierung von Finanzmarktvorschriften für Handlungsbedarf, ebenso die Institutsvergütungsverordnung der BaFin sowie eine Veröffentlichung zum speziellen Retail-Geschäft der EBA. 1 Einleitung gegriffen und kompakt erläutert. Auch wenn das Jeden Monat sind Institute mit einer Vielzahl von dritte Quartal 2016 aufgrund der Sommermonate Veröffentlichungen zur Regulierung des Finanz- etwas ruhiger in Bezug auf die internationalen, sektors sowohl auf internationaler wie auch auf europäischen und deutschen Veröffentlichungen europäischer und deutscher Ebene konfrontiert. verlief, hat der Basler Ausschuss für Bankenauf- Im Quartalsabstand werden in dieser Zeitschrift sicht (BCBS) seine Konsultationen zu den Verbrie- die wichtigsten Publikationen der zurückliegen- fungen abgeschlossen und einen endgültigen den Monate zusammengefasst dargestellt, und Standard veröffentlicht, der auch die einfachen, zwar unterteilt nach transparenten und vergleichbaren Verbriefungen » » » » umfasst. prudentieller Regulierung, Kapitalmarktregulierung, Bankenstrukturreform und Auf europäischer Ebene wurden von der Euro- Verbraucherschutz und Compliance.1 pean Banking Authority (EBA) mehrere wichtige In zusammenfassenden Übersichten zu jedem der endgültige Papiere im Zusammenhang mit dem vier Bereiche wird dargestellt, wie stark die Auto- Internal Rating Based Approach (IRB-Ansatz) ver- ren die Veränderung des Handlungsbedarfs in be- öffentlicht. Zudem wurden diverse finale Papiere stimmten Themenfeldern zum jetzigen Zeitpunkt im Zusammenhang mit der Bemessung und Be- im Vergleich zum Vorquartal einschätzen. grenzung von Großkrediten, der Sanierung und Abwicklung von Banken sowie der Vergütungs- Im Folgenden werden ausgewählte Veröffentli- politik und -praxis im Zusammenhang mit dem chungen der Monate Juli bis September 2016 auf- Retail-Banking veröffentlicht. l1 Zu den Entwicklungen im zweiten Quartal 2016 vgl. Weber/Grauer/Schmid, WPg 2016, S. 916. | 01.2017 | 15 » Regulierung des Finanzsektors Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht Die Änderungen im Rahmenwerk betreffen in erster Linie (BaFin) hat Konsultationen zur Überarbeitung der Ins- die folgenden Themen: titutsvergütungsverordnung » Hierarchie der Ansätze: Anwendung hängt primär von (InstitutsVergV) und zu Mindestanforderungen an die Gestaltung von Sanie- den zugrunde liegenden Assets und den verfügbaren rungsplänen (MaSan) vorgelegt. Auch wurde der Ent- Informationen ab (SEC-IRBA, SEC-ERBA und SEC-SA);3 wurf einer Allgemeinverfügung zum Verbot des Ver- » Erhöhung der Risikosensitivität: Reduzierung der Abhängigkeit von externen Ratings und Pflicht zur Einführung interner Risikobewertungen; » STC-Verbriefungen: Einbindung der Vorgaben zur Veröffentlichung des finalen Verbriefungsrahmenwerks mit integrierten Vorgaben für STC-Verbriefungen. Berechnung der Eigenmittelanforderungen, mit tendenziell begünstigten Eigenmittelanforderungen. Das Verbriefungsrahmenwerk ist bis zum 01.01.2018 für international tätige Institute verpflichtend in nationales Recht umzusetzen. Bei Einführung auf EU-Ebene kann es zu Abweichungen im Vergleich zum Rahmenwerk des BCBS kommen. Diese dürften aber wohl gering blei- triebs von Bonitätsanleihen an Privatpersonen ver- ben, wobei eine Einführung für alle Institute wahr- öffentlicht. Auf deutscher Ebene wurde zudem zur scheinlich ist. Schließung der Regelungslücke im Zusammenhang mit Derivate-Nettingvereinbarungen ein Gesetzentwurf vor- 2.2 Internal Rating Based Approach (IRB-Ansatz) gestellt. Zudem wurde der Entwurf eines Zweiten Fi- Die EBA hat ihren finalen technischen Regulierungsstan- nanzmarktförderungsgesetzes vorgestellt. dard (Regulatory Technical Standard – RTS) zur einheitlichen Bewertung der Einhaltung der Mindestanforde- Über die hier ausgewählten Themen hinaus gab es auf al- rungen an die Nutzung des IRB-Ansatzes4 am 21.07.2016 len Ebenen noch eine Vielzahl weiterer Veröffentlichun- veröffentlicht, der nun formal angenommen werden gen, auf die hier nicht näher eingegangen werden kann. muss. Der RTS löst die bisherigen Leitlinien des Committee of European Banking Supervisors (CEBS) aus dem 2 Prudentielle Regulierung 2.1 Endgültiges Verbriefungsrahmenwerk Jahr 20065 ab und ist nach Veröffentlichung im EU-Amts- Der BCBS hat am 11.07.2016 den endgültigen Standard Mindeststandards für die Bewertung durch die Auf- des überarbeiteten Verbriefungsrahmenwerks veröffent- sichtsbehörden, z. B. hinsichtlich der Mindestanforde- licht . Die Neugestaltung steht im Zusammenhang mit der rungen bei Überarbeitung der Eigenkapitalvorschriften für Banken, » der erstmaligen Umsetzung des IRB-Ansatzes bzw. der 2 um eine Harmonisierung des Regelwerks mit der Behebung von Schwächen in den bestehenden Messansätzen zu erreichen. Das Verbriefungsrahmenwerk integriert auch die nach einer separaten Konsultation beschlossenen Vorgaben für die einfachen, transparenten und blatt anzuwenden. Der RTS enthält eine Definition der Umsetzung im Rahmen des sog. Partial Use, » der Vornahme wesentlicher Änderungen im Rahmen des genutzten IRB-Ansatzes, » einer Rückkehr auf weniger anspruchsvolle Ansätze und vergleichbaren Verbriefungen, die unter dem Stichwort » laufender Überprüfung des genutzten IRB-Ansatzes, STC-Verbriefungen bekannt sind (simple, transparent, wobei die Überprüfungen in der Intensität variieren comparable). Die Vorgaben für diese Verbriefungen ba- können. sieren auf den im Juli 2015 vom BCBS und der Internatio- Zudem enthält der Standard eine Definition weiterer An- nal Organization of Securities Commissions (IOSCO) ver- forderungen, vor allem zu öffentlichten Kriterien für einfache, transparente und » der Gewährleistung der Unabhängigkeit der Validie- vergleichbare Verbriefungen. rungsfunktion von der Kreditrisikoüberwachung, 2 Vgl. www.bis.org (Abruf: 09.11.2016). 3 SEC-IRBA: Securitisation Internal Ratings-Based Approach der Securities and Exchange Commission; SEC-ERBA: Securitisation External l l Ratings-Based Approach; SEC-SA: Securitisation Standardised Approach. 4 Vgl. www.eba.europa.eu (Abruf: 09.11.2016). 5 Vgl. www.eba.europa.eu (Abruf: 09.11.2016). l l 16 | 01.2017 | » eigenen Schätzungen der Verlustquote bei Ausfall (Loss Taggleich mit der Leitlinie wurde der endgültige Entwurf given default – LGD), die auf einer durchschnittlichen eines RTS über die Bedingungen zur Festlegung der We- Zahl von Ausfällen basieren soll, sowie sentlichkeitsschwelle für die Ermittlung der überfälligen » der getrennten Berechnung der Differenz zwischen Kreditforderungen unter Berücksichtigung absoluter und dem erwarteten Verlust (Probability of default – PD) relativer Komponenten für die Wesentlichkeitsschwelle und den Kreditrisikoanpassungen auf aggregierter veröffentlicht. Dieser RTS steht im Zusammenhang mit Basis für das ausgefallene und das nicht ausgefallene der oben beschriebenen Leitlinie zur Definition des Portfolio. Schuldnerausfalls nach Art. 178 CRR und enthält im Wesentlichen folgende Änderungen im Vergleich zur Am 28.09.2016 hat die EBA ihre endgültige Leitlinie zur vorangegangenen Konsultation: Ausfalldefinition unter Geltung der Capital Requirements » Vorgabe der Festlegung der Höhe der Wesentlich- Regulation (CRR)6 veröffentlicht. Diese Leitlinie basiert keitsschwelle durch die zuständigen Aufsichts- auf dem Konsultationspapier behörden für alle Institute vom September 20157 und auf in ihrer Jurisdiktion: im ten Quantitative Impact Study (QIS) , deren Ergebnisse am 8 selben Tag veröffentlicht wurden. Die Leitlinie enthält eine Überarbeitung der Ausfallde- Finale Leitlinie mit der überarbeiteten Ausfalldefinition für KSA und IRB-Ansatz veröffentlicht. RTS wird diese Wesentlichkeitsschwelle mit 1 % angegeben, von der die nationalen Aufsichtsbehörden in begründeten Fällen abweichen können; » keine Einbeziehung zu- finition sowohl für den Kreditrisikostandardansatz (KSA) gesagter Linien als außer- wie für den IRB-Ansatz unter Berücksichtigung diverser bilanzielle Positionen bei Berechnung der Wesentlich- Kriterien wie keit mehr. » Ausfallzeitraum, » Indikatoren zur Identifizierung einer drohenden Zahlungsunfähigkeit, » Bedingungen zur Rückkehr in den Status „nicht ausgefallen“ sowie » spezifische Aspekte im Zusammenhang mit RetailForderungen. 2.3 Bemessung und Begrenzung von Großkrediten Im Zusammenhang mit der Bemessung und Begrenzung von Großkreditengagements hat die EBA am 26.07.2016 einen Entwurf für eine Leitlinie über das Verfahren zur Ermittlung der Gruppe verbundener Kunden (GvK) bei Großkrediten gemäß Art. 4 Abs. 1 Nr. 39 CRR9 ver- Hintergrund ist die Harmonisierung der Ausfalldefinition öffentlicht, die die bisherige Leitlinie des CEBS aus innerhalb der EU. Die Änderungen sollen grundsätzlich zu dem Jahr 2009 ablösen soll. Wesentliche Inhalte des keinen höheren Anforderungen in Bezug auf die Eigenan- Entwurfs sind: forderungen führen, wobei die konkreten Auswirkungen in- » die Vorgabe von Kriterien für die Bildung von GvK stitutsindividuell verschieden sein können. So ist mit erheb- nach dem Kontrollprinzip (z. B. der Nutzung von lichem prozessualen Aufwand bei der Umsetzung der neuen Konzernabschlüssen, Indikatoren für die Beurteilung Ausfalldefinition zu rechnen – vor allem beim Einsatz von einer möglichen Kontrollverbindung) und aufgrund internen Ratingsystemen im IRB-Ansatz, aber auch bei der wirtschaftlicher Abhängigkeit (Darstellung von Anpassung der Ausfall- und Verlustdatenbanken. Auch werden institutsspezifisch teils deutliche Auswirkungen auf die Beispielsituationen); » die Darstellung eines alternativen Ansatzes zur Unterlegung des Kreditrisikos mit Eigenmitteln erwartet. Beurteilung bestehender GvK mit Unternehmen, die Die Leitlinie ist ab dem 01.01.2021 anzuwenden, wobei die direkt von einer Zentralregierung (oder regionalen/ EBA eine frühzeitige Umsetzung der Vorgaben durch die In- lokalen Gebietskörperschaften) kontrolliert werden stitute befürwortet. oder im Zusammenhang mit einer solchen stehen; 6 Vgl. www.eba.europa.eu (Abruf: 09.11.2016). 7 Vgl. www.eba.europa.eu (Abruf: 09.11.2016). 8 Vgl. www.eba.europa.eu (Abruf: 09.11.2016). 9 Vgl. www.eba.europa.eu l l l l (Abruf: 09.11.2016); die Konsultation endete am 26.10.2016. | 01.2017 | 17 FINANCIAL SERVICES der von der EBA durchgeführ- » Regulierung des Finanzsektors » die Klarstellung zur Bildung von einer bzw. von zwei getrennten GvK, wenn ein Kontrollverhältnis und wirt- 3 Kapitalmarktregulierung 3.1 Derivate-Nettingvereinbarungen schaftliche Abhängigkeit vorliegen; Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucher- » Anforderungen an Kontroll- und Überwachungs- schutz (BMJV) hat am 14.09.2016 das Dritte Gesetz zur Änderung der Insolvenzordnung (InsO) als Entwurf publi- prozesse zur Identifikation von GvK. In diesem Entwurf werden die Neuerungen im Bereich ziert.10 Die Änderungen stehen direkt im Zusammenhang der Großkredite, die sich auf internationaler Ebene mit dem BGH-Urteil vom 09.06.2016 zu den Derivate-Net- ergeben haben, ebenso berücksichtigt wie die aktu- tingvereinbarungen. Die daraufhin erlassene Allgemein- ellen Entwicklungen im Bereich der Regulierung von verfügung zu Nettingvereinbarungen gilt nur noch bis Schattenbanken. Ende 2016, weshalb Änderungen an der Insolvenzordnung zur Klarstellung der Insolvenzfestigkeit von Liquidationsnettingklauseln notwendig wurden.11 2.4 Handlungsbedarf Im Bereich der prudentiellen Regulierung hat sich der Handlungsbedarf im Themenfeld „Eigenmittel“ im Ver- Im Gesetzentwurf wird § 104 InsO so formuliert, dass gleich zum zweiten Quartal 2016 weiter erhöht. Dies be- Abweichungen von den gesetzlichen Regelungen mög- ruht vor allem auf der Veröffentlichung der Papiere im lich sind, wenn diese mit dem Grundgedanken von § 104 Zusammenhang mit der Ausfalldefinition und der künfti- InsO vereinbar sind. Mit der Neufassung werden die gen Behandlung von Verbriefungen, die Auswirkungen mit dem BGH-Urteil entstandenen Rechtsunsicherheiten auf die Eigenmittelbelastung der Institute haben werden. beseitigt. Weiterhin als hoch wird der Handlungsbedarf im Bereich Reporting und Risikomanagement & Governance 3.2 Handlungsbedarf aufgrund der Anforderungen an die Risikodatenaggrega- Aufgrund der aktuellen Veröffentlichungen im Bereich tion beurteilt, auch wenn in dem vergangenen Quartal der Kapitalmarktregulierung haben sich nach unserer keine neuen wesentlichen Veröffentlichungen gemacht Einschätzung keine Veränderungen beim Handlungsbe- wurden, da dies für viele Institute eine hohe Herausfor- darf im Vergleich zu den vergangenen Monaten ergeben. derung darstellt. Auch im Bereich Liquidität und Levera- Die Veröffentlichungen betrafen überwiegend schon be- ge Ratio wurden zuletzt keine wichtigen Veröffentlichun- kannte Themen. Vor allem im Zusammenhang mit der gen getätigt, so dass sich keine Veränderung hinsichtlich Marktinfrastruktur und Handelsaktivitäten verbleibt der des derzeit anstehenden Handlungsbedarfs ergeben hat Handlungsbedarf der Institute aufgrund der weiter vor- (vgl. Übersicht 1). anschreitenden Konkretisierungen der European Market Infrastructure Regulation (EMIR) und der überarbeiteten Zahlungdienstleisterichtlinie (Payment Services Directive 2 – PSD 2) hoch.(vgl. Übersicht 2). Leverage Ratio Kapitalmarktregulierung Prudentielle Regulierung Eigenkapital Liquidität Reporting Risikomanagement & Governance Risk Data Gering Hoch Schattenbanken Weitere Teilnehmer am Finanzmarkt Hoch Handlungsbedarf Übersicht 2 » Handlungsbedarf im Bereich „Kapitalmarktregulierung“ 10 Vgl. www.bmjv.de (Abruf: 09.11.2016). 11 Vgl. dazu etwa Weigel/Wolsiffer, WPg 2016, S. 1287. l l 18 | 01.2017 | Marktinfrastruktur und Handelsaktivitäten Gering Handlungsbedarf Übersicht 1 » Handlungsbedarf im Bereich „Prudentielle Regulierung“ Investmentvermögen 4 Bankenstrukturreform 4.1 Sanierung und Abwicklung Ab dem 01.01.2017 wird für bestimmte unbesicherte, Zum Thema „Abwicklungsplanung“ veröffentlichte die tuten eine gesonderte Rangklasse innerhalb der Insol- EU-Kommission am 06.07.2016 im Amtsblatt der EU einen venzforderungen nach § 38 InsO geschaffen. Institute nicht nachrangige Verbindlichkeiten von CRR-Kreditinsti- müssen ggf. prüfen, welche Verbindlichkeiten darunter fallen. Anforderungen an Sanierungs- und Abwicklungspläne werden weiter konkretisiert. Ein Entwurf für ein überarbeitetes Rundschreiben der Mindestanforderungen an die Gestaltung von Sanie- nung (MaSan-Verordnung) wurde am 08.07.2016 von Technical Standard – ITS), der die Verfahren, Standardfor- der BaFin vorgestellt. Die bisherigen MaSan sollen an mulare und Dokumentvorlagen hinsichtlich der Anforde- die EU-Verordnung zu Sanierungsplänen angepasst und rung und Bereitstellung von entsprechenden Informatio- um vereinfachte Anforderungen für kleinere Institute nen regelt12. Dieser ist bei der Erstellung von Abwick- erweitert werden. Der Entwurf enthält zudem ein Kon- lungsplänen für Kreditinstitute und Wertpapierfirmen zept für BaFin-Merkblätter und kann insoweit bereits durch die Abwicklungsbehörden zu berücksichtigen. als guter Indikator verwendet werden. Der Entwurf Durchführungsstandard wurde Im Amtsblatt der EU wurde zudem am 08.07.2016 eine mittlerweile dem Bundesfinanzministerium (BMF) übermittelt. Delegierte Verordnung mit konkretisierenden Anforderungen an Sanierungs- und Abwicklungspläne13 veröffentlicht, die endgültige Vorgaben zu folgenden The- 4.2 Voranschreitende Harmonisierung der nationalen Ermessensspielräume men enthält: Im Zuge der Harmonisierung der nationalen Ermessens- » Inhalt von Sanierungsplänen, Abwicklungsplänen und spielräume wurde am 10.08.2016 von der Europäischen Gruppenabwicklungsplänen, Zentralbank (EZB) die endgültige Ergänzung des Leit- » Mindestkriterien, anhand derer die zuständige fadens zur Harmonisierung von Optionen und Ermes- Behörde Sanierungs- und Gruppensanierungspläne sensspielräumen in der Bankenaufsicht veröffentlicht.15 zu bewerten hat, Das Dokument befasst sich mit acht Optionen sowie Er- » Voraussetzungen für gruppeninterne finanzielle messensspielräumen und entspricht inhaltlich im Wesentlichen der Konsultation vom Mai 2016. Unterstützung, » Anforderungen an die Unabhängigkeit der Bewerter, » vertragliche Anerkennung von Herabschreibungs- und 4.3 Handlungsbedarf Im Zusammenhang mit der Bankenabwicklung sowie im Umwandlungsbefugnissen, » Verfahren und Inhalte von Mitteilungen und Bereich des einheitlichen Aufsichtsmechanismus wur- Aussetzungsbekanntmachungen sowie den im dritten Quartal 2016 einige bereits bekannte » konkrete Arbeitsweise der Abwicklungskollegien. bzw. diskutierte Papiere finalisiert und veröffentlicht. Basis hierfür sind der Vorschlag der Kommission vom Dadurch haben sich aber nach unserer Einschätzung 23.03.2016 und die entsprechenden RTS der EBA. keine Auswirkungen auf den Handlungsbedarf ergeben, der vor allem im Zusammenhang mit dem einheitlichen Die BaFin hat am 05.08.2016 eine Auslegungshilfe zur in- Aufsichtsmechanismus hoch verbleibt (vgl. Übersicht 3). solvenzrechtlichen Einordnung bestimmter Verbindlich- Auch im Bereich der Bankenabwicklung ist weiterhin keiten von CRR-Instituten veröffentlicht, in der Unklarhei- ein hoher Handlungsbedarf vor allem bei den Instituten, ten hinsichtlich der Einstufung strukturierter Schuldtitel die bislang keinen Sanierungsplan aufgestellt haben, im bzw. Geldmarktinstrumente und der Verbesserung der Zusammenhang mit der Aufstellung eines solchen Plans Abwicklungsfähigkeit von Instituten beseitigt werden. zu erkennen. Dahingegend sind andere Bereiche, z. B. 14 12 Vgl. http://eur-lex.europa.eu (Abruf: 09.11.2016). 13 ABl. EU Nr. L 184 vom 08.07.2016, S. 1 (http://eur-lex.europa.eu; Abruf: 09.11.2016). 14 Vgl. www.bafin.de (Abruf: 09.11.2016). l l l 15 Vgl. https://www.bankingsupervision.europa.eu (Abruf: 09.11.2016). l | 01.2017 | 19 FINANCIAL SERVICES rungsplänen in Form einer Verord(Implementing technischen » Regulierung des Finanzsektors die Einlagensicherung, derzeit nicht im Fokus der Auf- sichtigt, so dass es im Vergleich zum vorherigen Entwurf sicht, woraus sich nur ein geringer Handlungsbedarf der vor allem zu folgenden Abweichungen kommt: Institute ergibt. » besondere Anforderungen an die Genehmigung und Überwachung der Vergütungspolitik; » Klarstellung über die vorzuhaltenden Informationen zur Vergütung; Bankenstrukturreform Abschlussprüferreform » Klarstellung, dass auch bei Übertragung der Bankenabwicklung Ausarbeitung und bei der Überwachung der Einhaltung der Vergütungsvorgaben die Verantwortung hierfür Einheitlicher Aufsichtsmechanismus beim Vorstand verbleibt; » Einbindung eines eventuell einzurichtenden Einlagensicherung Vergütungskomitees. Trennbankenregelung Gering Im Zusammenhang mit der Veröffentlichung der endgülti- Hoch gen Leitlinie wird die Umsetzung der Vorgaben um ein Handlungsbedarf Jahr auf den 13.01.2018 (zuvor: 03.01.2017) verschoben. Übersicht 3 » Handlungsbedarf im Bereich „Bankenstrukturreform“ 5.2 Verbot des Vertriebs von Bonitätsanleihen an Privatpersonen 5 Verbraucherschutz und Compliance 5.1 Vergütung Die BaFin hat am 28.07.2016 eine Anhörung zu einer All- Die BaFin hat am 10.08.2016 die Änderung der Instituts- gemeinverfügung über ein Verbot der Vermarktung, des VergV 17 Vertriebs und des Verkaufs von Bonitätsanleihen bzw. zur Konsultation gestellt. Diese enthält auch eine Novellie- Credit Linked Notes an Privatkunden vor dem Hinter- rung der Auslegungshilfe. Die Änderungsvorschläge füh- grund des Verbraucherschutzes auf der Grundlage von ren im Wesentlichen zu folgenden Änderungen: § 31 a Abs. 3 WpHG veröffentlicht.19 Die Anordnung rich- » Klassifizierung aller Vergütungsarten entweder als fixe tet sich sowohl an Emittenten als auch an Unternehmen 16 auf der Basis der EBA-Leitlinie EBA/GL/2015/22 oder variable Vergütungen; und Personen, die Bonitätsanleihen an Privatkunden ver- » Ausweitung der Pflicht zur Identifikation von Risiko- markten, vertreiben oder verkaufen. trägern auf alle CRR-Institute; » Einführung einer Möglichkeit zum zeitlich begrenzten Eine vorherige Analyse der BaFin ergab einen teils Rückgriff auf bereits ausgezahlte variable Vergütungen gezielten Absatz entsprechender Instrumente an Kun- unter bestimmten Voraussetzungen; den, denen eine ausreichende Erfahrung mit solch » Zulässigkeit von Vergütungsmodellen ohne variable komplexen Produkte fehlte (bzw. eine entsprechende Vergütung; Aufklärung darüber). » Erfüllung der Offenlegungspflicht nach Art. 450 CRR von allen CRR-Instituten; 5.3 Zweites Finanzmarktnovellierungsgesetz » besondere Anforderungen an die Auszahlung der Der Referentenentwurf für ein Zweites Gesetz zur Novel- variablen Vergütung für bedeutende Institute; lierung von Finanzmarktvorschriften auf der Basis euro- » Gruppen-Risikoträger: Anforderungen zur Vergütung päischer Rechtsakte wurde am 30.09.2016 vom BMF ver- auf Gruppenebene gelten zusätzlich zu den bestehen- öffentlicht20. Durch dieses Gesetz sollen den Anforderungen auf Einzelinstitutsebene. » die MiFID II (Richtlinie 2014/65/EU) bzw. die MiFIR Am 28.09.2016 hat die EBA die endgültige Leitlinie über die angemessene Vergütungspolitik und -praxis im Hinblick auf den Verkauf und die Bereitstellung von RetailBanking-Produkten und -Dienstleistungen veröffentlicht. 18 Die Anmerkungen aus der Konsultation wurden berück- (Verordnung (EU) Nr. 600/2014)21, » die SFT-Verordnung (Verordnung (EU) Nr. 2015/2365)22 und » die Benchmark-Verordnung (Verordnung (EU) Nr. 2016/1011) 16 Vgl. www.bafin.de (Abruf: 09.11.2016); die Konsultation endete am 12.09.2016. 17 Vgl. Vgl. www.eba.europa.eu (Abruf: 09.11.2016). 18 Vgl. www.eba.europa.eu (Abruf: 09.11. l l l 2016). 19 Vgl. www.bafin.de (Abruf: 09.11.2016); die Konsultation endete am 02.09.2016. 20 Vgl. www.bundesfinanzministerium.de (Abruf: 09.11.2016); die Konsultation endete am l l 28.10.2016. 21 MiFID: Markets in Financial Instruments Directive; MiFIR: Markets in Financial Instruments Regulation. 22 SFT: Securities Financing Transaction. l l 20 | 01.2017 | im deutschen Recht verankert werden. Dazu wird das 6.2 Ausblick auf CRR II WpHG vollständig restrukturiert; ferner werden An- Aufgrund der Weiterentwicklungen der letzten Jahre auf passungen im KWG, BörsG, VAG, KAGB und in der der internationalen und europäischen Ebene wird derzeit WpDVerOV vorgenommen. Wesentliche Abweichungen über eine Weiterentwicklung der CRR und eine Überar- zu den europäischen Regelungen sind nicht ersichtlich. beitung der aktuellen Kapitaladäquanzrichtinie (CRD IV) 5.4 Handlungsbedarf aufgegriffen werden sollen, sind u. a. die Integration des Durch die Publikationen zur Vergütung und die Konsulta- Standards zur Total Loss-Absorption Capacity (TLAC) des tion zum Verbot des Vertriebs von Bonitätsanleihen an Financial Stability Boards (FSB) aus dem Jahr 2015,24 die Privatpersonen hat sich der (ohnehin bereits aufgrund Festlegung einer verbindlichen Leverage Ratio (LR) und der Umsetzung von MiFID II erhöhte) Handlungsbedarf Net Stable Funding Ratio (NSFR) sowie die Behandlung im Bereich des Verbraucherschutzes nach unserer Ein- von Marktrisiken gemäß dem Basler Standard25. Des Wei- schätzung in den letzten Monaten im Zusammenhang mit teren werden die Eigenmittelanforderungen in mehreren den Themen zum Verbraucherschutz weiter erhöht. Der Bereichen und die Anforderungen an Großkredite26 über- Handlungsbedarf in den anderen Themenfeldern ver- arbeitet, was auch zu Anpassungen bei den Melde- und bleibt im mittleren bzw. geringen Bereich (vgl. Über- Offenlegungsanforderungen führen wird. sicht 4), da sich hier in den letzten Monaten keine wesent- » DOC-ID: W1007473 Verbraucherschutz und Compliance lichen Neuerungen ergeben haben. Compliance Datenschutz Geldwäsche Reporting Verbraucherschutz Gering » Dr. Max Weber Hoch Partner EMEIA/ Financial Services, Ernst & Young GmbH WPG, Stuttgart Handlungsbedarf Übersicht 4 » Handlungsbedarf im Bereich „Verbraucherschutz und Compliance“ 6 Weitere Themen und Ausblick 6.1 Überprüfung der Q&A zum Single Rulebook Am 05.08.2016 wurden die Ergebnisse der Überprüfung der Single Rulebook Q&A auf der Homepage der EBA veröffentlicht. Diese geben einen Überblick über mögliche Fehler, Inkonsistenzen und grundlegende Themen im Zusammenhang mit der CRR und der CRD (Capital Requirements Directive).23 Eine Liste der aktuellen Calls for Advice liegt bei. Die EBA möchte die Ergebnisse für die Diskussionen mit der EU-Kommission nutzen. Eine Zeitplanung wurde zum Zeitpunkt der Veröffentlichung noch nicht genannt. » Dr. Thomas Grauer Senior Manager EMEIA/ Financial Services, Ernst & Young GmbH WPG, Stuttgart » Sabine Schmid Managerin EMEIA/ Financial Services, Ernst & Young GmbH WPG, Stuttgart 23 Vgl. www.eba.europa.eu (Abruf: 09.11.2016). 24 Vgl. www.fsb.org (Abruf: 09.11.2016). 25 Vgl. www.bis.org (Abruf: 09.11.2016). 26 Vgl. www.bis.org (Abruf: 09.11.2016). l l l l | 01.2017 | 21 FINANCIAL SERVICES diskutiert. Themengebiete, die in diesem Zusammenhang Keywords: Europäische Bankenabgabe BRRD SRM Kreditinstitut RestrukturierungsfondsVerordnung ANALYSE Wie ist die europäische Bankenabgabe zu berechnen? Von Prof. Dr. Knut Henkel, StB Prof. Dr. Wilhelm Schneider und Isabel Tüns, B.Sc.1 Der einheitliche EU-Abwicklungsfonds SRF finanziert in Schieflage geratene europäische Kreditinstitute. Er refinanziert sich über die europäische Bankenabgabe, deren Erhebung und Berechnung u. a. die Bankenabwicklungsrichtlinie und die SRM-Verordnung zugrunde liegen. Die Berechnungslogik der europäischen Bankenabgabe unterscheidet sich (stark) von der Berechnungssystematik der deutschen Bankenabgabe und ist insgesamt deutlich komplexer geworden. Dieser Beitrag gibt einen Überblick über die neue Berechnungssystematik der europäischen Bankenabgabe. 1 Einleitung Ein System zur Finanzierung von in Schieflage ge- Ende April 2016 ergingen erstmals die Bescheide ratenen Banken war in Deutschland bereits im für die neue europäische Bankenabgabe, die be- Jahr 2011 mit der deutschen Bankenabgabe einge- reits Ende Mai 2016 von den Kreditinstituten zu führt worden5. Im Jahr 2015 wurde es von einem zahlen war. Zuvor war Anfang 2016 der entspre- EU-weit geltenden System abgelöst, das in zwei chende einheitliche Abwicklungsfonds (Single Stufen etabliert wurde. Die erste Stufe gilt seit Resolution Fund – SRF) errichtet worden2. Ziel dem Beitragsjahr 2015 für alle Banken, die in ei- dieses Fonds ist die Finanzierung von Banken, nem Mitgliedstaat der EU zugelassen sind. Rechts- die in Schieflage geraten sind. Die Refinanzie- grundlage dafür ist die Richtlinie 2014/59/EU6 rung des SRF erfolgt durch die europäische Ban- (Bank Recovery and Resolution Directive – BRRD). kenabgabe, der u. a. alle Kreditinstitute unterlie- Diese wurde durch das BRRD-Umsetzungsgesetz7 gen, die in den Anwendungsbereich der Capital in deutsches Recht übernommen und führte mit Requirements Regulation3 (CRR) fallen (sog. CRR- ihrem Art. 3 u. a. zu Änderungen im Restrukturie- Kreditinstitute ). rungsfondsgesetz (RStruktFG n. F.). Ergänzend 4 l 1 Für die Durchsicht des Beitrags danken die Autoren Dipl.-Kfm. Andreas Erbe, Dipl.-Kfm. Christian Küthe, RA Thomas Lorenz, B.Sc. Martin Minkov und. Dipl.-Volksw. Roland Becher. 2 Der Fonds wird von der Abwicklungsbehörde (Single Resolution Board – SRB) mit Sitz in Brüssel verwaltet. Die Erhebung der l europäischen Bankenabgabe für den SRB erfolgt in Deutschland durch die Bundesanstalt für Finanzmarktstabilisierung (FMSA) mit Sitz in Frankfurt/M. 3 Verordnung (EU) Nr. 575/2013, ABl. EU Nr. L 176 vom 26.06.2013, S. 1. 4 Beitragspflicht besteht darüber hinaus für CRR-Wertpapierfirmen (sowohl unter konsolidierter Aufsicht als auch unter Einzelaufsicht) und für Unionszweigstellen. 5 Vgl. u. a. Göbel/Henkel/Lantzius-Beninga, WPg 2012, S. 27. 6 ABl. EU Nr. L 173 vom 15.05.2014, S. 190. 7 BGBl. I vom 18.12.2041, S. 2091 ff. l l l 22 | 01.2017 | l l dazu sind die Delegierte Verordnung (EU) 2015/638 und 2 Überblick über die Berechnungssystematik die Restrukturierungsfonds-Verordnung9 in der neuen Die Bankenabgabe ist grundsätzlich von jedem „Un- Fassung (RStruktFV n. F.) zu beachten. ternehmen zu zahlen, dessen Tätigkeit darin besteht, Einlagen oder andere rückzahlbare Gelder des Publikums entgegenzunehmen und Kredite für eigene Rech- Institute können ex ante nicht mehr selbst – wie bei der deutschen Bankenabgabe – den zu erwartenden Bankenabgabebetrag ermitteln. nung zu gewähren“ (Art. 4 Abs. 1 Nr. 1 CRR). Diese beitragspflichtigen Kreditinstitute werden im Folgenden als „Banken“ bzw. als „CRR-Institute“ bezeichnet. Die Beitragspflicht für die europäische Bankenabgabe beginnt – ebenso wie bei der deutschen Bankenabgabe – in dem Jahr, in dem eine Erlaubnis der Aufsichtsbehörde i. S. von § 32 KWG vorliegt. Die Beitragspflicht bringung von Finanzdienstleistungen aufgehoben oder für alle Banken, die in einem Mitgliedstaat zugelassen zurückgegeben wird16. Eine anteilige Rückerstattung sind, dessen Währung der Euro ist. Für diese Banken gel- des Beitrags für die unterjährige Rückgabe der Erlaub- ten zusätzlich die Rechtsvorschriften der Verordnung nis besteht nicht. Allerdings müssen Banken, die die (EU) 806/201410 (Single Resolution Mechanism – SRM-Ver- Erlaubnis unterjährig erhalten, nur einen anteiligen ordnung), die von der Durchführungsverordnung (EU) Beitrag zahlen17. 2015/81 ergänzt wird. Durch das Abwicklungsmechanis11 musgesetz12 wurde das RStruktFG n. F. an die SRM-Verord- Der Jahresbeitrag zum einheitlichen Abwicklungsfonds nung angepasst. Das Gesetz zu dem Übereinkommen über wird grundsätzlich aus dem Verhältnis der risikoadjus- die Übertragung von Beiträgen auf den einheitlichen Ab- tierten Bemessungsgrundlage des einzelnen CRR-Insti- wicklungsfonds bezieht sich auf die Beiträge ab dem tuts zur Summe der risikoadjustierten Bemessungs- Jahr 2015 und regelt die Übertragung der national erhobe- grundlagen aller beitragspflichtigen Institute multipli- nen Beiträge auf den europäischen Fonds. ziert mit der Zielgröße (dazu Kap. 3) berechnet (vgl. 13 nachstehende Formel). Wegen dieses relativen MechaGegenstand der folgenden Ausführungen ist die Darstel- nismus‘ kann ein einzelnes Institut ex ante nicht mehr lung der Beitragserhebung für das Jahr 201614 für eine selbst – wie bei der deutschen Bankenabgabe – den zu er- klassische deutsche Geschäftsbank, also ein sog. CRR-Kre- wartenden Bankenabgabebetrag der künftigen Periode ditinstitut. Die Besonderheiten für CRR-Wertpapierfirmen ermitteln, da es ex ante keine Kenntnis vom Nenner der sind demnach genauso wenig Bestandteil dieses Beitrags risikoadjustierten Bemessungsgrundlage aller beitrags- wie die Besonderheiten für zentrale Gegenparteien, Zen- pflichtigen Institute hat. tralverwahrer oder Hypothekenkreditinstitute. Die Meldung der Bankenabgabe erfolgt in elektronischer Form an die FMSA15. Auf Bankenabgabe l = Zielgröße  das konkrete Meldeverfahren zur Bankenabgabe und auf ihre Bilanzierung wird an dieser Stelle nicht Bemessungsgrundlage I  RisikofaktorI Bemessungsgrundlagen  Risikofaktor n I = Beitragspflichtiges Institut n = Alle beitragspflichtigen Institute eingegangen. 8 ABl. EU Nr. L 11 vom 21.10.2014, S. 14. Die Delegierte Verordnung 2015/63 wurde von der Kommission mit Datum vom 14.12.2015 berichtigt (http://ec.europa.eu; Abruf: 29.09. l 2016). 9 BGBl. I vom 22.07.2015, S. 1268. 10 ABl. EU Nr. L 225 vom 15.07.2014, S. 1. 11 ABl. EU Nr. L 15 vom 19.12.2014, S. 1. 12 Abwicklungsmechanismusgesetz vom 02.11.2015 l l l l (www.bundesfinanzministerium.de; Abruf: 29.09.2016). 13 Gesetz zu dem Übereinkommen vom 21. Mai 2014 über die Übertragung von Beiträgen auf den einheitlichen Abwickl lungsfonds und über die gemeinsame Nutzung dieser Beiträge, BGBl. II vom 22.12.2014, S. 1298. 14 Im Vergleich zur deutschen Bankenabgabe ist das Ermittlungsverfahren für die l europäische Bankenabgabe erheblich komplexer. Zudem kann die von der Behörde ermittelte europäische Bankenabgabe von den Instituten nur noch begrenzt nachvollzogen werden und ist daher zum Teil als „black box“ zu sehen. Selbst der SRB ist bei der Berechnung der Bankenabgabe 2016 ein Fehler unterlaufen, so dass europaweit für alle relevanten Banken die Bankenabgabebescheide 2016 neu berechnet werden mussten; vgl. o.V., Börsenzeitung vom 26.05.2016, S. 3, und www.fmsa.de (Abruf: 29.09.2016). 15 Für Details zur FMSA siehe www.fmsa.de (Abruf: 29.09.2016). 16 Vgl. § 2 RStruktFG n. F. 17 Vgl. Art. 12 Delegierte Verordnung 2015/63. l l l | 01.2017 | 23 FINANCIAL SERVICES endet in dem Jahr, in dem die Erlaubnis über die ErDie zweite Stufe gilt ab dem Beitragsjahr 2016 zusätzlich » Wie ist die europäische Bankenabgabe zu berechnen? Im Jahr 2015 erfolgte die Berechnung einheitlich für alle von 1.602 Mrd. € die Basis für die Ermittlung der BRRD- Mitgliedstaaten der EU auf nationaler Ebene nach den Zielgröße. Auch hier sollen 1,05 % (Stand 2016) der aggre- Vorgaben der BRRD. Sowohl der Ermittlung der Zielgröße gierten gedeckten Einlagen erhoben werden, also 16,821 als auch der Summe der Mrd. €. Dieser Betrag soll risikoadjustierten ebenfalls über einen Zeit- Bemes- sungsgrundlage liegen alle in Deutschland zugelassenen Banken zugrunde. Ab dem Jahr 2016 setzt sich die Bankenabgabe aus zwei Teilen zusammen: Ein Ab dem Jahr 2016 setzt sich die Bankenabgabe aus zwei Teilen zusammen: ein Teil berechnet sich auf der nationalen Ebene (BRRD) und der andere Teil auf der Ebene der Euro-Mitgliedstaaten (SRM). raum von acht Jahren angespart werden, so dass das BRRD-Zielvolumen für 2016 bei 2,103 Mrd. € liegt. Zieht man von diesem Betrag den von den kleineren Instituten über Pau- Teil berechnet sich – wie schalbeiträge zu erbringen- bereits im Vorjahr – auf na- den BRRD-Bankenabgabe- tionaler Ebene. Der andere Teil ergibt sich auf der Basis beitrag i. H. von 33 Mio. € ab, ergibt sich auf nationaler aller beitragspflichtigen Institute, die in einem Euro-Mit- Ebene ein – wiederum für die weitere Berechnung rele- gliedstaat zugelassen sind (und somit auf europäischer vantes – BRRD-Zielvolumen 2016 i. H. von 2,070 Mrd. €21. Ebene nach den Vorgaben der SRM-Verordnung). Die Berechnung der jährlich von einem CRR-Institut eines Euro- SRM-Regime Mitgliedstaats zu zahlenden Bankenabgabe erfolgt zu- Im SRM-Regime stellen die aggregierten gedeckten Ein- nächst prozentual auf der Basis sowohl der nationalen lagen aller Euro-Banken i. H. von 5.339 Mrd. € die Aus- BRRD-Zielgröße als auch der SRM-Zielgröße. Im Jahr 2016 gangsgröße der Berechnung der SRM-Zielgröße dar. beträgt das BRRD-Gewicht 60 % und das Gewicht des SRB Hiervon sollen über die Bankenabgabe insgesamt 1,05 % 40 %. Diese Gewichtung wird sukzessive bis zu einer SRM- eingesammelt werden, also 56,061 Mrd. €. Dieser Betrag Gewichtung von 100 % im Jahr 2023 verschoben18. soll über einen Zeitraum von acht Jahren angespart werden, so dass das SRM-Zielvolumen für 2016 bei 3 Zielgröße 7,008 Mrd. € liegt. Zieht man von diesem Betrag den von Ziel der EU im Jahr 2015 war es, bis zum 31.12.2023 den kleineren Instituten über Pauschalbeiträge zu er- (BRRD) bzw. bis zum 31.12.2024 (SRM) mindestens 1 % der bringenden Bankenabgabebeitrag i. H. von 118 Mio. € ab, gedeckten Einlagen aller jeweiligen beitragspflichtigen ergibt sich auf europäischer Ebene ein – auch für die wei- Kreditinstitute durch die Erhebung der europäischen Ban- tere Berechnung relevantes – SRM-Zielvolumen 2016 i. H. kenabgabe anzusparen19. Um dieses Ziel bis zum Ende der von 6,889 Mrd. €22. Der hiervon auf deutsche Institute Aufbauphase zu erreichen, hat der SRB beschlossen, im entfallende nationale SRM-Betrag beträgt 1,731 Mrd. €. Beitragszeitraum 2016 ein Achtel von 1,05 % der gedeckten Einlagen zu erheben. Ferner wird ein Achtel des vom 4 Bemessungsgrundlage jeweiligen Institut gezahlten Jahresbeitrags 2015 (sofern Die Bemessungsgrundlage wird aus dem jährlichen er auf den SRF übertragen wurde, was für Deutschland Grundbeitrag (Bilanzsumme ohne Eigenmittel und ohne zutrifft) auf den im Jahr 2016 fälligen Jahresbeitrag ange- durch andere Sicherungssysteme gedeckte Einlagen) kor- rechnet20. Die beiden für die Berechnung der Bankenab- rigiert um die Anpassung der Verbindlichkeiten aus Deri- gabe 2016 relevante BRRD- bzw. SRM-Zielgrößen werden vaten und abzüglich gruppeninterner Verbindlichkeiten im Folgenden einzeln erläutert. innerhalb eines Konzerns oder innerhalb eines institutsbezogenen Sicherungssystems errechnet (vgl. Über- BRRD-Regime sicht 1)23. Soweit relevant, werden zudem institutsbe- Im BRRD-Regime bilden die aggregierten gedeckten Einla- zogene Abzüge berücksichtigt, z. B. Verbindlichkeiten im gen aller relevanten nationalen (deutschen) Institute i. H. Zusammenhang mit Clearing-Tätigkeiten, mit Tätigkeiten 18 Vgl. Art. 8 Durchführungsverordnung (EU) 2015/81. 19 Vgl. Art. 69 SRM-Verordnung. 20 Vgl. www.fmsa.de (Abruf: 20.05.2016). 21 Vgl. www.fmsa.de (Abruf: 20.05.2016). l l l l 22 Vgl. www.fmsa.de (Abruf: 20.05.2016). 23 Vgl. Art. 5 Delegierte Verordnung 2015/63. l l 24 | 01.2017 | eines Zentralverwahrers oder mit der Verwaltung von 75 % des Buchwerts der Verbindlichkeiten aus Deriva- Kundengeldern. Diese institutsbezogenen Abzüge wer- ten bzw. 100 % des aufsichtsrechtlichen Werts berück- den an dieser Stelle nicht weiter vertieft. sichtigt. Die gruppeninternen Verbind- Bilanz– summe Eigenmittel – InstitutsGruppeninterne Gedeckte – Derivative – – bezogene Verbindlichkeiten Einlagen + Anpassung Abzüge lichkeiten Verbindlichkeiten gegenüber anderen relevanten Kreditinstituten Jährlicher Grundbeitrag vor Anpassung der Verbindlichkeiten aus Derivaten berücksichtigen desselben Konzerns. Relevant sind die Konzerninstitute, die ebenfalls der europäischen Bankenabgabe unterliegen. Dabei sind gruppenin- Übersicht 1 » Berechnung der Bemessungsgrundlage terne Verbindlichkeiten aus höheren Wert aus Buchwert (75 %) und aufsichtsrecht- kenabgabe 2016 erfolgt auf der Basis der Meldungen zum lichem Wert anzugeben28. Stichtag 31.12.2014 . 24 5 Risikofaktor Die Bilanzsumme setzt sich aus der Summe der Verbind- Der Risikofaktor setzt sich aus vier Risikofeldern zusam- lichkeiten (u. a. Einlagen) und der bilanziellen Eigenkapi- men, die die Systemrelevanz des Instituts widerspiegeln talposten zusammen. Die Eigenmittel ergeben sich als (vgl. Übersicht 2). Jedes Risikofeld besteht wiederum aus Summe aus Kernkapital und Ergänzungskapital. Diese mehreren Risikoindikatoren. Durch die Systematik der Größen wurden bereits für die aufsichtsrechtlichen Berechnung des Risikofaktors ergibt sich ein Wert zwi- CoRep-Meldungen25 ermittelt. Die gedeckten Einlagen um- schen 0,8 bei risikoarmen Banken und 1,5 bei Banken mit fassen die vom Einlagensicherungssystem gedeckten Ein- einem hohen Risiko29. lagen i. H. von 100.000 € pro Anleger26. Im Rahmen der derivativen Anpassung werden die A. Risiko-Exponierung (50%) i. Verbindlichkeiten aus Derivaten betrachtet. Dabei ist es Mindestanforderungen an Eigenmittel und berücksichtigungsfähige Verbindlichkeiten (MREL) unerheblich, in welchem Bilanzposten die Derivate ii. enthalten sind (also z. B. in den Handelspassiva, den iii. Harte Kernkapitalquote Rückstellungen oder den Zinsabgrenzungen). Ebenso wie bilanzielle sind auch außerbilanzielle Derivateverbindlichkeiten zu berücksichtigen27. Für die Berücksichtigung der Bemessungsgrundlage wird der HGBBuchwert aus derivativen Verbindlichkeiten dem aufsichtsrechtlichen Wert unter Berücksichtigung der Verschuldungsquote gegenübergestellt. Bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage wird der höhere Wert aus l B. Stabilität und Diversifizierung der Finanzquellen (20%) i. Strukturelle Liquiditätsquote (NSFR) ii. Liquiditätsdeckungsquote (LCR) Verschuldungsquote iv. Gesamtrisiko-Exponierung C. Relevanz eines Instituts für die Stabilität des Finanzsystems oder der Wirtschaft (10%) Anteile der Interbankendarlehen und -einlagen des Instituts an den gesamten Interbankendarlehen und -einlagen in der EU D. Zusätzliche Risikoindikatoren (20%) i. Handelsaktivitäten, außerbilanzielle Risiken und Derivate, Komplexität und Abwicklungsfähigkeit ii. Mitgliedschaft in einem institutsbezogenen Sicherungssystem iii. Finanzielle Unterstützung aus öffentlichen Mitteln Übersicht 2 » Zusammensetzung des Risikofaktors l 24 Vgl. Art. 14 Delegierte Verordnung 2015/63. 25 CoRep steht für Common Reporting und bezeichnet eine Meldung, die die Banken an die Europäische Bankenaufsicht übermitteln müssen; sie enthält Meldungen u. a. über Liquidität, Eigenmittel und Verschuldungsquote, um die Risiken der Banken zu überwachen. 26 Vgl. Art. 3 Nr. 6 Durchführungsverordnung (EU) 2015/81. 27 Für die derivative Anpassung ist der Ausweis nicht relevant. Neben der Ermittlung der für die Bankenabgabe relevanten gruppeninternen Verbindlichkeiten ist die l l Ermittlung der Höhe der abziehbaren Derivate-Verbindlichkeiten einer von zwei komplexen Themenbereichen bei der Ermittlung der Bemessungsrundlage. Für ein anschauliches Beispiel vgl. SRB, 2016 contributions to the SRF – Additional guidance for the industry vom 19.11.2015 (https://esurfi-banque.banque-france.fr; Abruf: 29.09.2016), S. 91. 28 Für ein l anschauliches Beispiel zur Ermittlung des relevanten Betrags gruppeninterner Verbindlichkeiten vgl. SRB, a.a.O. (Fn. 27), S. 22 ff. 29 Bei der Bankenabgabe 2016 hatten mehr als 80 % l der Institute einen Risikofaktor zwischen 1,0 und 1,3; vgl. SRB, 2016 Contributions to the SRF vom 06.07.2016 (http://srb.europa.eu; Abruf: 29.09.2016), S. 9. | 01.2017 | 25 FINANCIAL SERVICES Derivaten wiederum mit dem Die Berechnung der Bemessungsgrundlage für die Ban- » Wie ist die europäische Bankenabgabe zu berechnen? Die Daten für die Berechnung des Risikofaktors basieren Harte Kernkapitalquote größtenteils auf dem Zahlenmaterial, das von den Banken Für die Ermittlung der harten Kernkapitalquote werden bereits für aufsichtsrechtliche Zwecke ermittelt und ge- z. B. beim sog. Standardansatz die Forderungen aus dem meldet wird30. Kreditgeschäft und andere Posten der Aktivseite mit einem Risikofaktor bewertet. Dieser liegt bei 100 % für risikoanfällige Posten, bei 50 % für Posten mit mittlerem Risiko, Der Risikofaktor setzt sich aus vier Risikofeldern zusammen, die die Systemrelevanz des Instituts widerspiegeln. Er liegt zwischen 0,8 (risikoarm) und 1,5 (risikoreich). bei 20 % für Posten mit mittlerem bis niedrigem Risiko und bei 0 % für Posten mit einem niedrigen Risiko36. Hier ist – wie bei der Verschuldungsquote – der Wert aus der Meldung für das vierte Quartal zum 31.12.2014 zu überneh- Die Risikofelder sind unterschiedlich gewichtet31. So flie- men. Die harte Kernkapitalquote i. S. von Art. 92 Abs. 2 ßen das Risikofeld A grundsätzlich mit 50 %, die Risiko- Buchstabe a CRR wird ermittelt, indem das harte Kernka- felder B und D jeweils mit 20 % und das Risikofeld C mit pital durch den Gesamtrisikobetrag dividiert wird. 10 % in den Risikofaktor ein . 32 Gesamtrisiko-Exponierung Die heller hinterlegten Risikofelder B und C werden für Die Gesamtrisiko-Exponierung ergibt sich aus dem Ge- das Beitragsjahr 2016 allerdings genauso wenig abgefragt samtrisikobetrag, der bereits für die harte Kernkapital- wie im Risikofeld A der Indikator für die „Mindestanfor- quote ermittelt wurde, dividiert durch die Summe der derungen an Eigenmittel und berücksichtigungsfähige Verbindlichkeiten. Die Risikofelder B und C werden nicht Verbindlichkeiten“ (Minimum requirement for own funds für die Bankenabgabe 2016 berechnet37. and eligible liabilities – MREL) oder im Risikofeld D der Indikator für die „Komplexität und Abwicklungsfähig- Handelsaktivitäten keit“. Da diese Risikofelder somit von der Meldung 2016 Für die Ermittlung der Handelsaktivitäten ist der Risiko- ausgenommen werden, sind in diesem Jahr die „verblei- positionsbetrag für das Marktrisiko auf börsengehandelte benden“ Risikofelder A mit 71,43 % (50/70) und D mit Schuldtitel oder Eigenkapital maßgeblich. Dies stellt das 28,57 % (20/70) zu gewichten33. Positionsrisiko der Eigenmittelanforderungen für die Handelsbuchtätigkeiten dar38. Dieser Wert wäre mit 12,5 Verschuldungsquote zu multiplizieren39. Der Wert kann aus jedoch auch direkt Die für den Risikofaktor maßgebliche Verschuldungsquote – bereits um den genannten Faktor vervielfältigt – der i. S. von Art. 429 CRR wird anders ermittelt als die Ver- aufsichtsrechtlichen Meldung entnommen werden. Für schuldungsquote, mit der Derivate zu bewerten sind. Die die Ermittlung der Indikatoren wird er durch die Gesamt- für die Ermittlung des Risikofaktors relevante Verschul- risiko-Exponierung, die harte Kernkapitalquote und die dungsquote ergibt sich als Division des Kernkapitals Summe der Vermögenswerte dividiert. 34 durch die Summe der risikobewerteten Aktiva und außerbilanziellen Posten, die bei der Berechnung des Kernkapi- Außerbilanzieller Nennbetrag tals nicht abgezogen wurden35. Der Wert kann aus der auf- Der außerbilanzielle Nennbetrag ergibt sich durch Division sichtsrechtlichen Meldung übernommen werden. des Nennbetrags der außerbilanziellen Posten, der mit den 30 Die Rechtsgrundlage für die Berechnung des Risikofaktors ergibt sich aus Anhang I Schritte 1 bis 6 Delegierte Verordnung 2015/63. 31 Während der Durchschnittswert pro l l Risikofeld mithilfe des arithmetischen Mittels über die jeweiligen Risikoindikatoren eines Risikofelds ermittelt wird, erfolgt die Durchschnittswertermittlung über die Risikofelder hinweg (zur Ermittlung des finalen Risikofaktors) anhand des geometrischen Mittels. Die Verwendung des geometrischen Mittels hat – im Vergleich zur Verwendung des arithmetischen Mittels – zur Folge, dass relativ hohe bzw. relativ niedrige Werte der Grundgesamtheit den Mittelwert weniger stark beeinflussen. Allerdings fällt der für die Ermittlung der Bankenabgabe anzuwendende Risikofaktor – bei Anwendung des geometrischen Mittels – überproportional hoch aus, wenn etwa Risikofeld A überproportional risikoarm ist (und l das Kreditinstitut daher über ein gutes Rating verfügt). 32 Im Bankenabgabebescheid 2016 sind die hier mit den Buchstaben A bis D gekennzeichneten Risikofelder mit den römischen Zahlen I bis IV bezeichnet. 33 Vgl. S. 11 der Anlage zu den Bankenabgabebescheiden 2016 34 Vgl. Art. 25 CRR. 35 Vgl. Art. 429 CRR. 36 Vgl. Art. 111 ff. CRR. Für sog. IRB-Institute (Internal-Rating-Based-Ansatz) kommen andere Vorgaben der CRR zur Anwendung. 37 Vgl. Anhang I Schritt 1 Delegierte Verordnung 2015/63. 38 Vgl. Art. 92 Abs. 3 Buchstabe b Nr. i CRR. 39 Vgl. Art. 92 Abs. 4 Buchstabe b i. V. mit Abs. 3 Buchstabe b CRR. l l 26 | 01.2017 | l l l l l überarbeiteten Standardsätzen des Baseler Ausschusses gabe war diese nur insoweit zu zahlen, als sie nicht mehr für Bankenaufsicht ermittelt wird und – wie bei den Han- als 20 % des Jahresüberschusses des jeweiligen Geschäfts- delsaktivitäten – der Gesamtrisiko-Exponierung, der harten jahrs ausmachte. Der die Zumutbarkeitsgrenze überstei- Kernkapitalquote und der Summe der Vermögenswerte. gende Teil der Bankenabgabe wurde auf folgende Geschäftsjahre vorgetragen44. Derivate Die Kennziffer für die Derivate setzt sich aus drei Quo- 7 Unwiderrufliche Zahlungsverpflichtung tienten zusammen. Den Zähler bildet jeweils die sog. deri- Die Regelungen der neuen europäischen Bankenabgabe vative Gesamtrisikoposition. Die dafür relevanten Werte räumen die Möglichkeit ein, einen Teil des Beitrags als können der CoRep-Meldung entnommen werden und sog. „unwiderrufliche Zahlungsverpflichtung“ zu leisten45. setzen sich aus der Addition der Derivate zum Markt- Gemäß Art. 70 Abs. 3 SRM-Verordnung können auf Antrag wert, dem Zuschlag aus der Marktbewertungsmethode bis zu 30 % des Jahresbeitrags zum einheitlichen Abwicklungsfonds durch Sicherheiten mit niedrigem Risiko abgesichert werden. Diese müssen frei verfügbar und dürfen nicht mit Rechten Dritter belastet sein. Für das Beitragsjahr 2016 legte der SRB fest, max. 15 % als unwiderrufliche Zahlungsverpflichtung zu akzeptieren46. Um in den Genuss dieser unwiderruflichen Zahlungsverpflichtung zu kommen, muss das Institut zunächst einen „Unwiderruflichen Zahlungsverpflichtungs- und Besicherungsvertrag für Finanzsicherheiten (Vertrag)“ mit der Abwicklungsbehörde abschließen. und der Ursprungsrisikomethode zusammen40. Die in Im Jahr 2015 war die FMSA die Abwicklungsbehörde. Die- den Werten enthaltenen Derivate, die über eine zentrale se übertrug die ihr aus dem Vertrag erwachsenen Rechte Gegenpartei abgewickelt werden, bleiben für die Ermitt- und Pflichten zum 01.01.2016 auf den SRB. Im Vertrag ist lung des Risikoindikators „Derivate“ außer Ansatz. Die festgelegt, dass die Sicherheit auf Barmittel limitiert ist47. Nenner der Quotienten bilden wieder die Gesamtrisiko- Somit haben die Institute auch die finanziellen Mittel in Exponierung, die harte Kernkapitalquote und die Summe Höhe der unwiderruflichen Zahlungsverpflichtung auf der Vermögenswerte . ein separates Konto des SRB zu überweisen. Wenn der 41 Fonds an einer Abwicklungsmaßnahme beteiligt ist, wer- 6 Begrenzung des Jahresbeitrags den alle oder ein Teil der unwiderruflichen Zahlungsver- Einen Freibetrag (wie bei der deutschen Bankenabgabe) pflichtungen abgerufen48. Fällt ein Institut nicht mehr in gibt es nicht mehr. Dafür zahlen kleinere Banken mit ei- den Geltungsbereich der SRM-Verordnung, werden die nem geringen Risikofaktor und einer Bilanzsumme, die unwiderruflichen Zahlungsverpflichtungen des Instituts weniger als 1 Mrd. € beträgt – stufenweise in Abhängig- aufgehoben und die Sicherheit, durch die die Zahlungs- keit vom jährlichen Grundbeitrag (Bilanzsumme ohne Ei- pflichten abgesichert sind, wird zurückgegeben49. Der ur- genmittel und ohne gedeckte Einlagen) – pauschal zwi- sprüngliche Vertrag hatte kein Enddatum und konnte nur schen 1.000 € und 50.000 €42. Der jährliche Grundbeitrag durch gemeinsame Vereinbarung der Vertragsparteien darf dafür höchstens 300 Mio. € betragen . gekündigt werden. Der neue Vertrag 2016 enthält hinge- 43 gen Regelungen zur Kündigung50. Demnach ist der VerEbenso wenig sieht die europäische Bankenabgabe eine trag mit 14-tägiger Frist kündbar; bis fünf Tage vor Ablauf Zumutbarkeitsgrenze vor. Nach der deutschen Bankenab- der Frist muss der Betrag der unwiderruflichen Zahlungs- l l 40 Vgl. CoRep-Meldebogen C 45.00, Zeilen 030, 040 und 050. 41 Die derivative Gesamtrisikoposition ist einer der – gem. Art. 6 Abs. 5 ff. Delegierte Verordnung 2015/63 – „von der Abwicklungsbehörde zu bestimmenden zusätzlichen Risikoindikatoren“, der im Bankenabgabemeldeformular 2016 weiter konkretisiert wird; vgl. FMSA, Deutsche Version SRB-Meldebogen vom 12.01.2016 (www.fmsa.de; Abruf: 20.05.2016), S. 12. 42 Vgl. Art. 10 Delegierte Verordnung 2015/63. 43 Vgl. Art. 10 Abs. 6 Delegierte Verordnung 2015/63. 44 Bezüglich l l l l der Höhe der verfallenden Nacherhebungsbeiträge beim Wechsel auf das Regime der europäischen Bankenabgabe vgl. etwa www.linksfraktion.de (Abruf: 29.09.2016). 45 Vgl. § 12 a Abs. 2 RStruktFV n. F. 46 Vgl. SRB, Single Resolution Fund, Mai 2016 (https://srb.europa.eu; Abruf: 29.09.2016), S. 12. 47 Vgl. Nr. 2 „Sicherheiten“ des Vertrags. 48 Vgl. Art. 7 Abs. 2 Durchführungsverordnung (EU) 2015/81. 49 Vgl. Art. 7 Abs. 3 Durchführungsverordnung (EU) 2015/81. 50 Vgl. Nr. 11.3 und 11.4 des Vertrags zur unwiderruflichen Zahlungsverpflichtung. l l l l l | 01.2017 | 27 FINANCIAL SERVICES Eine Zumutbarkeitsgrenze – wie bei der deutschen Bankenabgabe – gibt es nicht mehr. Ein Teil der europäischen Bankenabgabe kann durch eine GuVneutrale „unwiderrufliche Zahlungsverpflichtung“ erbracht werden. » Wie ist die europäische Bankenabgabe zu berechnen? verpflichtung dann gezahlt werden, woraufhin der Aus- dings besteht nun die Möglichkeit, einen Teil der Beitrags- schuss die Sicherheit zurückgibt. leistungen zunächst GuV-neutral im Rahmen einer barbesicherten sog. unwiderruflichen Zahlungsverpflichtung Zudem ist die geleistete Barsicherheit zu verzinsen. Maß- zu leisten53. geblich ist der Referenzzinssatz der EZB für täglich fällige Einlagenfazilitäten. Am 16.03.2016 wurde dieser Zinssatz Auch das Beispiel der europäischen Bankenabgabe zeigt, auf –0,40 % gesenkt ; demnach muss das leistende Institut dass Handels- und Aufsichtsrecht immer mehr verwoben Zinsen für eine gegebene Sicherheit zahlen. werden. Insgesamt fallen die Aufwendungen für die euro- 51 päische Bankenabgabe im Vergleich zur deutschen Ban- 8 Zusammenfassung kenabgabe deutlich höher aus. Zu beachten ist ferner, Nachdem in Deutschland bereits im Jahr 2011 eine Ban- dass neben den Änderungen bei der europäischen Ban- kenabgabe eingeführt worden war, wurde diese im Jahr kenabgabe sich auch das Regime der europäischen Ein- 2015 von der europäischen Bankenabgabe abgelöst. De- lagensicherung geändert hat. » DOC-ID: W1007401 ren Einführung erfolgte in zwei Schritten: im Jahr 2015 zunächst gemäß der Bankenabwicklungsrichtlinie BRRD und ab dem Jahr 2016 zusätzlich im Sinne der SRB-Richtlinie. Nach dieser zweijährigen Umbruchphase wird die Berechnung (und Bilanzierung) der Bankenabgabe im Rahmen der Aufbauphase des Ziel-Fondsvolumens für die nächsten acht Jahre stabil bleiben52. » Prof. Dr. Knut Henkel Die Berechnungslogik der europäischen Bankenabgabe Inhaber des Lehrstuhls für Bilanzielles Rechnungswesen und Betriebliche Steuerlehre, Hochschule Emden/Leer, Emden unterscheidet sich (stark) von jener der deutschen Bankenabgabe und ist insgesamt deutlich komplexer. Neben – wie schon bislang – bestimmten, vor allem passiven HGB-Buchwerten wird nun eine Vielzahl von Risikoindikatoren – vor allem aus den CoRep-Meldungen – im Rahmen der europäischen Bankenabgabemeldung abgefordert. » Prof. Dr. Wilhelm Schneider Durch einen relativen Berechnungsmechanismus wird Inhaber des Lehrstuhls für externes Rechnungswesen und Steuern, Hochschule Bonn-Rhein-Sieg, Rheinbach bei der europäischen Bankenabgabe nun sichergestellt, dass ein bestimmtes vorgegebenes Zielvolumen an Bankenabgaben auch tatsächlich eingenommen wird. Anders als bei der deutschen Bankenabgabe können die Institute bei der europäischen Bankenabgabe – aufgrund des relativen Mechanismus in der Berechnungsformel und der für Außenstehenden nicht nachvollziehbaren Zuordnung zu den Risikoklassen – nun nicht mehr genau antizipieren, wie hoch die Bankenabgabe für sie im laufenden Geschäftsjahr sein wird. » Isabel Tüns Neu ist auch, dass es für die zu zahlende europäische Ban- Absolventin der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg, Sankt Augustin kenabgabe keine Zumutbarkeitsgrenze mehr gibt. Aller- l l l 51 Vgl. für den EZB-Zinssatz 2016 (Stand: 27.05.2016) www.ecb.europa.eu (Abruf: 29.09.2016). 52 Allerdings wird sich das Jahr 2017 planmäßig die Gewichtung des SRB-Anteils an der Bankenabgabe von 40 % (2016) auf 60 % (2017) erhöhen und der BRRD-Anteil entsprechend sinken; vgl. Art. 8 Abs. 1 Buchstabe b) Durchführungsverordnung (EU) 2015/81. 53 Bezüglich der Bilanzierung der Bankenabgabe vgl. IDW, Bericht über die 261. Sitzung des BFA am 23.06.2015 (im Mitgliederbereich der IDW Website www.idw.de). 28 | 01.2017 | Management & Beratung KOMPAKT ERLÖSERFASSUNG Prüfungsausschuss und IFRS 15 Das Zentrum für Prüfungsqualität (Center for Audit IFRS 15 wurde von der EU-Kommission in europäisches Quality – CAQ) des US-amerikanischen AICPA unterstützt Recht übernommen (Endorsement) und im Amtsblatt der Prüfungsausschüsse dabei, sich auf IFRS 15, den neuen EU vom 29.10.2016 veröffentlicht (WPg 2016, S. 1225). Die Standard zur Erlöserfassung, vorzubereiten. Konkret geht Änderungen sind in der EU spätestens für Geschäftsjahre es darum, im Gespräch mit der Unternehmensleitung und anzuwenden, die am oder nach dem 01.01.2018 beginnen. dem Abschlussprüfer den Stand der Umsetzungs- und Im- » DOC-ID: W1007501 plementierungsarbeiten zu verstehen und zu beurteilen. Entsprechend gliedert sich das Papier in vier Teile: » IFRS 15 als neuen Erlöserfassungsstandard verstehen; » Beurteilung der unternehmensseitig erstellten Auswirkungsanalyse; » Beurteilung des Projektplans für die Implementierung von IFRS 15; Mehr zum Thema » CAQ vom 15.12.2016 (http://thecaq.org). » Anlässlich der Veröffentlichung von IFRS 15 im Überblick Pellens, WPg 17/2014, S. I; ausführlich Wüstemann/Wüstemann, WPg 2014, S. 929; zuletzt Heintges/Erber, WPg 2016, S. 1067. » weitere Umsetzungsüberlegungen. CORPORATE GOVERNANCE Eine aktuelle Aufsichtsratsstudie zeigt, dass aussagekräfti- Ausschlaggebend für diese Platzierung sind zehn Auf- ge Anforderungsprofile der Gremien, ausführliche Lebens- sichtsratssitzungen pro Jahr, sechs aktive Fachausschüsse läufe der Aufsichtsratskandidaten, eine Begründung, wa- sowie ein zweitägiger Strategieworkshop. Zudem vermit- rum eine Person zur Wahl in den Aufsichtsrat vorgeschla- telt ein aussagekräftiger Aufsichtsratsbericht umfang- gen wird, und ausführliche Aufsichtsratsberichte immer reiche Angaben zu den Aufsichtsratsmitgliedern. Mit ei- mehr zum Standard einer transparenten Berichterstattung nem Ausländeranteil von 33 % und einem Frauenanteil an die Aktionäre gehören. Die Studie misst auf der Basis von 42 % zeichnet sich das Gremium ferner durch eine öffentlich verfügbarer Informationen die Qualität der Auf- große Diversität aus. » DOC-ID: W1007502 sichtsratsarbeit in den DAX- und MDAX-Unternehmen in den vier Themenfeldern Arbeitsweise des Aufsichtsrats, persönliche Eignung der Aufsichtsratsmitglieder, Diversität in der Zusammensetzung des Gremiums sowie Transparenz über die Aufsichtsratsbesetzung und -tätigkeit. Benchmark Deutsche Börse Mehr zum Thema » Pressemitteilung diep – Deutsches Institut für Effizienzprüfung vom 03.12.2016 (www.diep-institut.de). » Gentz, „Kodexänderungsvorschläge 2017“, WPg 2016, S. 1329. » Pikó, „Entwicklungen der Aufsichtsratstätigkeit in den Jahren 2016/2017“, WPg 2016, S. 1383. Mit einem Aufsichtsrats-Score von 82,4 % führt der Aufsichtsrat der Deutschen Börse das aktuelle Ranking an. | 01.2017 | 29 MANAGEMENT & BERATUNG Transparente Aufsichtsratstätigkeit Keywords: Kreditinstitut Aufsichtsrat Corporate Governance Bankenaufsicht SREP ANALYSE Bankenaufsichtsrat: quo vadis? Von Gerd Häusler Die Ansprüche und die Anforderungen an Aufsichtsräte sind in den vergangenen Jahren gestiegen. Das gilt vor allem für Bankenaufsichtsräte. Das Pflichtenheft eines Aufsichtsratsvorsitzenden eines größeren Kreditinstituts nähert sich immer mehr an das eines „Chairman“ eines internationalen Hauses an. Dabei zeichnet sich ab, dass die Qualität von Aufsichtsräten bei Kreditinstituten in der Zukunft eher ab- als zunehmen wird, sofern die jetzigen Rahmenbedingungen im Sinne eines „risk reward profile“ sich weiter verschlechtern. 1 Einleitung wie sie für den Bankensektor im Kredit- Es dürfte inzwischen als Binsenweisheit wesengesetz (KWG) neu geschrieben wur- gelten, dass nach deutschem Aktienrecht den. Hier haben weitreichende Novellie- gebildete Aufsichtsräte heute anders ar- rungen des KWG der Arbeit von Aufsichts- beiten als z. B. vor zwei Jahrzehnten oder räten zumindest in Teilen eine veränderte mehr, auch wenn die Rechtslage gemäß Rechtsgrundlage gegeben. Aktiengesetz formal weitgehend unverändert geblieben ist. Der Zeitaufwand ist Die Gründe für die skizzierten Verände- größer, die Intensität der Diskussion hö- rungen sind vielfältig, seien sie eher juris- her, die Zahl der Ausschüsse gestiegen, tischer Natur wie im Finanzsektor, sei es die Qualität der Arbeit – auch wenn diese der Einfluss institutioneller Investoren sich nur schwer messen lässt – geht im vor allem aus dem angelsächsischen Wirt- Großen und Ganzen mehr in die Tiefe. schaftskreis oder aber auch schlicht die Zu diesen Veränderungen gehört dann fiduziarischen Treuepflichten betrifft. „Selbsteinsicht“ der Betroffenen, was ihre konsequenterweise auch eine geringere Zahl von Mandaten pro Person, entweder 30 | 01.2017 | aus „Selbstdisziplin“ oder aber aufgrund 2 Engmaschige Verantwortung des Aufsichtsrats von soft laws wie dem Deutschen Corpo- Veränderungen in der Arbeitsweise eines rate Governance Kodex sowie insbeson- Aufsichtsrats, insbesondere hinsichtlich dere branchenspezifischen Vorschriften, seiner Verantwortung für das Wohl des Unternehmens, werden nirgendwo so deutlich wie im Hieraus ergeben sich bedauerlicherweise zuweilen un- Bankensektor, dort vor allem in dem Segment, das der un- scharfe Verantwortlichkeiten und Reibungspotentiale mittelbaren Aufsicht durch die EZB unterliegt. zwischen den Gremien eines Kreditinstituts. Eine herausgehobene Rolle spielt dabei der Informationsfluss zwi- Das KWG weist dem Aufsichtsrat inzwischen eine Reihe schen den Sitzungen des Aufsichtsrats, sein Umfang und von Aufgaben zu, die es in dieser konkreten Ausprägung seine Frequenz. in der Vergangenheit so nicht gab. Dabei geht der Einheitliche Aufsichtsmechanismus (Single Supervisor Mecha- Welches Maß an Bringschuld besteht für den Vorstand ei- nism – SSM) als das System der Bankenaufsicht in Europa ner Gesellschaft, damit der Aufsichtsrat, zumindest sein unter dem Dach der EZB in seiner Verwaltungspraxis noch weit über das KWG hinaus. Die wichtigsten Beispiele für diese neue Kultur einer hohen „Gesamtverantwortung des Aufsichtsrats“ seien hier skizziert: So soll eigentlich der Risikoausschuss u. a. neben der Überwachung der Gesamtrisikostrategie des Unternehmens und deren Umsetzung durch die obere Leitungs- Es wäre zu begrüßen, wenn der Gesetzgeber das ältere und allgemeinere deutsche Aktienrecht der aktuelleren Verwaltungspraxis im Aufsichtsrecht anpassen würde. ebene auch eine Überwachung der Konditionen im Kundengeschäft sicherstellen. Zu den Aufgaben des Prüfungsausschusses gehören neben der Überwachung des Rechnungslegungsprozesses auch die der Wirksamkeit Vorsitzender, ausreichend im Nachrichtenfluss verankert ist, um seinen Pflichten nachkommen zu können? des Risikomanagementsystems sowie die Überwachung der Durchführung der Abschlussprüfung. Insbesondere Persönlich würde ich es nach wie vor begrüßen, wenn die Aufgaben des Vergütungskontrollausschusses sind der Gesetzgeber eine Bereitschaft zeigte, das ältere und von hohem granularem Ausmaß. Hierzu gehört u. a. die allgemeinere deutsche Aktienrecht zu modifizieren und Überwachung der angemessenen Gestaltung der Vergü- der tatsächlichen Aufsichtspraxis anzupassen. des Vergütungskontrollausschusses wird in der Instituts- Der derzeitige Meinungsbildungsprozess geht allerdings vergütungsverordnung weiter konkretisiert. Im Ergebnis nicht in diese Richtung; Bankenaufseher z. B. betrachten steht ein sehr komplexer Verzielungs- und Backtesting- – unter Hinweis auf die juristischen Grundsätze „lex Prozess in Bezug auf die Vergütung der Geschäftsleitung, specialis“ oder „lex posterior derogat lege generale“ – die der in der Praxis schwer handhabbar und in jedem Falle Angelegenheit als „entschieden“. Der zuweilen von dem – aufgrund der noch granulareren Verwaltungspraxis der einen oder anderen Aufsichtsrat einer Bank gemachte Bankenaufsicht – sehr zeitaufwendig ist. Versuch, einem vertieften Gespräch mit der Aufsicht auszuweichen mit dem Hinweis, der Aufsichtsrat sei ja nicht Angesichts eines ausgefeilten Kanons an Sanktionen wird Teil der Bank und somit bestehe auch keine Gesprächs- es sich kein Kreditinstitut leisten wollen, die Wünsche der pflicht mit der Aufsicht, wurde von dieser natürlich im Aufsicht zu ignorieren. Keime erstickt. Nur, eine klarstellende Novellierung des Gesellschaftsrechts würde nicht nur dem Aufsichtsrat sei- Inzwischen nähert sich das Pflichtenheft eines Aufsichts- ne gestiegene Verantwortung verdeutlichen, sondern ratsvorsitzenden eines größeren Kreditinstituts immer auch dem Vorstand dessen korrelierende Pflicht zu einer mehr an das eines „Chairman“ an, wie wir dies aus dem kontinuierlichen Berichterstattung in vergleichsweise UK oder z. B. der Schweiz kennen. hoher Granularität. 3 Novellierung des Gesellschaftsrechts? Der Hinweis, das deutsche System entwickle sich faktisch Offensichtlich steht diese Entwicklung in einem deutli- in Richtung des schweizerischen Verwaltungsratssystems, chen Spannungsfeld zum deutschen Gesellschaftsrecht, mag zwar eine zutreffende Beschreibung eines aufsichtli- das dem Aufsichtsrat eher limitierte Aufgaben und Ver- chen Zielbildes sein, beschränkt sich dann aber auf die antwortung zuweist. Teilkomponente „Verantwortung“, ohne aber andere Fa- | 01.2017 | 31 MANAGEMENT & BERATUNG tungssysteme der Geschäftsleiter. Dieser Aufgabenbereich » Bankenaufsichtsrat: quo vadis? cetten der Spielregeln zwischen den Gremien einer Bank Regeln gegossen hat, widmet sie sich verstärkt „qualitati- aufzugreifen. Diese – zumindest formalen – Lücken er- ven Fragen“, also „soft factors“ wie der Corporate Gover- staunen umso mehr, als sonst der Gesetz- und Verord- nance, aber auch Themen wie „Kultur des Hauses“ oder nungsgeber im Bereich der Bankenaufsicht in puncto strengeren Anforderungen an die Beurteilung von „fit and proper“ von Mitgliedern der Gremien eines Kreditinstituts. Zu diesem Zweck Banken erhalten eine Art Gesamtnote von der Aufsicht. Hierin fließen auch Qualität und Abläufe im Aufsichtsrat mit ein. hielt der Aufsichtsarm der EZB im Juni 2016 eine ganztägige Konferenz ab, um die Spitzen der Kreditinstitute über seine Vorstellungen und Anforderungen zu informieren. Natürlich sind alle diese Fragen noch „work in progress“ und werden Lückenlosigkeit von Regelungen sich selbst hohe Stan- sich erst über Jahre hinweg final entwickeln können. dards setzt. Klare Spielregeln erleichtern ein friktions- Hinzu kommt, dass die EZB zwar durchaus konkrete Vor- loses Zusammenwirken aller Beteiligten zum Wohle des stellungen hat, was die Anforderungen an die Qualität Unternehmens. von Aufsichtsräten betrifft, aber derzeit kaum an den bestehenden nationalen Vorschriften eines Staates vorbei- 4 SREP: neue Aufsichtspraxis der EZB kommt, die an dieser Stelle noch immer das letzte Wort Nun könnte man meinen, dass solche Fragestellungen haben. von Corporate Governance bzw. Fragen nach der Zusammensetzung und Qualität von Aufsichtsräten letztlich 6 Checks and balances nicht so bedeutend seien, als dass man sich darüber allzu Es ist an dieser Stelle wichtig, sich immer wieder die lange den Kopf zerbrechen müsste. Immerhin gibt es Grundphilosophie der Aufsicht zu Fragen der Corporate auch in anderen Sektoren Fragestellungen, die von insti- Governance vor Augen zu führen: Eine entscheidende tutionellen Investoren beobachtet bzw. teils auch offen Lektion aus der großen Finanzmarktkrise des vergange- kritisiert werden, ohne dass der Gesetzgeber jedes Mal nen Jahrzehnts war die bittere Erkenntnis, dass in einer einschreitet. Reihe von Kreditinstituten, die in schwere Turbulenzen An dieser Stelle gilt es deshalb darauf hinzuweisen, dass zwischen den Gremien der Bank bzw. den Wirtschafts- die neue Aufsichtspraxis der EZB den Kreditinstituten seit prüfern, aber auch der Aufsicht, nicht wirklich funktio- kurzem individualisierte „Beurteilungen“ auf der Basis niert hatte. In zahlreichen Fällen erwiesen sich Aufsichts- des sogenannten aufsichtlichen Überprüfungs- und Be- räte den fachlichen Fragen, die für Wohl und Wehe eines wertungsprozesses (Supervisory Review and Evaluation Hauses entscheidend waren, weder qualitativ noch vom geraten waren, das System von „checks and balances“ Process – SREP) zuweist. Ähnlich einem System von Schul- Zeiteinsatz her gewachsen. An dieser Stelle sei aber der noten erhalten Banken gewissermaßen eine Gesamtnote, Vollständigkeit halber auch deutlich angemerkt, dass es die unter anderem auch maßgeblich die individuelle noch viele andere, eher noch bedeutendere Gründe jen- Höhe der Eigenkapitalanforderungen an das jeweilige seits der hier diskutierten Fragen für die seinerzeitige Kreditinstitut bestimmt. Sozusagen als eine Teilnote die- desaströse Entwicklung mancher Kreditinstitute gab. ses SREP werden in einer seiner Säulen die Handhabung von Corporate Governance, aber auch die Qualität und Nunmehr sollen mehrstufige „lines of defense“ sowie ein die Abläufe im Aufsichtsrat einer Bank bewertet und ge- ausgeklügeltes System von „checks and balances“ zwi- gebenenfalls auch beanstandet. In besonderen Fällen schen dem Management eines Hauses sowie dem Auf- kann die Aufsicht sogar individuelle Zuschläge zu den sichtsrat, den Wirtschaftsprüfern, aber auch einer nun- Anforderungen an das Eigenkapital verhängen. mehr nachhaltig „aufgerüsteten“ Bankenaufsicht dafür sorgen, dass sich vergangene Krisen nicht so leicht wie- 5 EZB: Anforderungen an die Qualität von Aufsichtsräten derholen können. Der Aufsichtsrat soll in der Lage und Nachdem die Bankenaufsicht nunmehr die harten An- wirklich effektiv zu kontrollieren und dieses überdies forderungen an Kapital bzw. Liquidität weitgehend in auch zu beraten. Insoweit lässt sich seine Rolle in gewis- 32 | 01.2017 | aber auch willens sein, das Management eines Hauses ser Weise mit denen von Wirtschaftsprüfern und der Ban- Aus diesem Grund und um den gestiegenen Erwartungen kenaufsicht vergleichen. Die Zusammenarbeit ist noch en- bzw. Anforderungen an den Aufsichtsrat bzw. vor allem ger geworden, der Wirtschaftsprüfer ist letztlich verlän- an dessen Vorsitzenden sowie den Vorsitzenden seiner gerter Arm des Aufsichtsrats und wird von diesem be- wichtigsten Ausschüsse genügen zu können, gehen Kre- stellt. Idealerweise verfolgt der Aufsichtsrat parallele ditinstitute vermehrt dazu über, auch zwischen den Sit- Interessen zu denen der Bankenaufsicht. Die Bankenauf- zungen den Aufsichtsrat bzw. die Vorsitzenden wichtiger sicht nimmt nicht nur an ausgewählten Sitzungen von Ausschüsse mit schriftlichen Unterlagen zu versorgen. Aufsichtsräten teil, was in Deutschland allerdings kein Hier stellt sich letztlich die Frage einer schriftlich fixier- Novum ist, sondern spricht auch regelmäßig mit einzel- ten Informationsordnung, gleichgültig ob nun in ausge- nen Mitgliedern des Aufsichts- feilter Form oder nur in gro- rats, insbesondere mit seinem ben Umrissen. Vorsitzenden sowie den Vorsitzenden von Prüfungs- und Risikoausschuss. 7 Informationsfluss An dieser Stelle gilt es allerdings auf zwei wichtige Unter- Der erweiterte Pflichtenkatalog gepaart mit begrenzten Rechten und traditioneller Entlohnung führt zu einer sich abzeichnenden Unwucht. Das Thema „Informations- fluss“ gehört zu den zentralen Fragen, die es bei großen und komplexen Instituten zu regeln gilt. Wer A sagt, d. h. wer verlangt, dass Aufsichtsräte schiede zwischen dem Auf- über eine Einschätzung der sichtsrat einerseits sowie dem Lage im Allgemeinen, aber Wirtschaftsprüfer bzw. der Aufsicht andererseits hinzu- auch vermehrt im Detail verfügen, der muss auch B sagen weisen. Letztere können – und tun dies auch – sich prak- und dafür sorgen, dass der notwendige Strom an Informa- tisch durch die „gesamte Firma fragen“, d. h. sie können tionen funktioniert; dies kann vernünftigerweise nur in und dürfen ihre Fragestellungen an praktisch alle Fach- schriftlicher Form geschehen. sein können. Natürlich werden beide „Institutionen“ über 8 Verhältnis von Risiko und Vergütung ihre Tätigkeit dem Vorstand – typischerweise CEO und/ Ein weiterer Unterschied zwischen Mitgliedern eines Auf- oder CFO – berichten, aber ihre Erkenntnisse beruhen in sichtsrats bei Kreditinstituten einerseits und Wirtschafts- der Regel auf dem Originalton der Fachleute, also der di- prüfern andererseits – gilt mutatis mutandis auch für rekten Interaktion, wenn auch natürlich versehen mit Angehörige der Bankenaufsicht – ist die Abgeltung des Einwertungen des Vorstands. Die Bankenaufsicht wieder- Aufwands, mit dem die Beteiligten ihren Aufgaben nach- um führt nunmehr – im Gegensatz zu früheren Sonder- gehen. Während Wirtschaftsprüfer direkt oder mittelbar prüfungen nach § 44 KWG – routinemäßig sogenannte nach der „Quantität“ ihrer Arbeit vergütet werden, gilt „on site inspections“ durch, die zuweilen bis auf Sach- dies bei Aufsichtsräten nicht, vielleicht nur noch nicht. bearbeiterebene „tieftauchen“ und sich nicht auf Gesprä- Länder, die stärker kapitalmarktorientiert sind – dazu ge- che mit dem Vorstand beschränken. hört im Übrigen auch die Schweiz –, weisen an dieser Stelle eine andere Historie auf. Der Aufsichtsrat ist beim Informationsfluss klassischerweise auf die Informationen im Verlaufe von Sitzungen Wenngleich hier immer der Generalverdacht aufscheinen seitens des Vorstands angewiesen, die naturgemäß nicht mag, pro domo zu sprechen, bleibt doch festzuhalten, dasselbe Maß an Granularität aufweisen können. Auch dass der „Stundensatz“ von Aufsichtsräten – insbesondere regelmäßige Gespräche zwischen dem Aufsichtsratsvor- der der am meisten belasteten Mitglieder – deutlich gefal- sitzenden und dem Vorstandsvorsitzenden vermögen in len ist, seitdem sich der Aufgaben- und Verantwortungs- der Regel nicht, den Wissensvorsprung von Wirtschafts- katalog teils drastisch ausgeweitet hat. Dies wird u. a. prüfern und neuerdings auch der Aufsicht auszugleichen. auch dadurch deutlich, dass der Gesetzgeber die Zahl der Dies gilt vor allem für Sonderthemen, die die Aufsicht zulässigen Aufsichtsratsmandate streng beschnitten hat, neuerdings forciert, IT- bzw. Geschäftsmodellprüfung die eine Person innehaben darf. Gleichzeitig muss sich seien hier stellvertretend genannt. Daran ändern direkte heute jeder Aufsichtsrat – jedenfalls bei Kreditinstituten – Kontakte mit Revision und Compliance nur bedingt etwas. darüber im Klaren sein, dass Haftungsfragen viel mehr | 01.2017 | 33 MANAGEMENT & BERATUNG ebenen adressieren, die für eine Beantwortung hilfreich » Bankenaufsichtsrat: quo vadis? im Kreuzfeuer der medialen Aufmerksamkeit stehen als und Back Office nicht zu groß werden darf. Dies soll u. a. früher. Auch wenn in der Regel eine adäquate Absiche- erreichen, dass auch die Kontrollfunktionen so besetzt rung in Form einer D&O-Versicherung besteht und Fälle werden können, dass diese dem Front Office „intellek- einer erfolgreichen strafrechtlichen Verfolgung nicht be- tuell das Wasser reichen“ können. Dies verteuert zwar kannt sind, so bleibt durchaus die Erkenntnis, dass nicht die „Plattformkosten“ für die Herstellung von Bank- nur Vorstände, sondern auch Aufsichtsräte mit einer Er- dienstleistungen teils drastisch und wirft die Frage auf, wartungshaltung in der Öffentlichkeit leben müssen, wo- ob es nicht größerer Einheiten bedarf, um wieder zu ei- nach geschäftliche Fehlentwicklungen – ungeachtet der ner Kostendegression zu kommen. Im Ergebnis besteht Gründe hierfür – auch auf persönlicher Ebene „gesühnt“ aber weitgehend Einigkeit, dass ein System ausgefeilter werden sollen. Kontrollen aus den übergeordneten Gründen unumgänglich ist, wenn wir es mit den Lektionen aus der Finanz- Diese mediale, auf Personen zentrierte Aufmerksamkeit marktkrise ernst meinen. macht es zudem leichter, Mitglieder von Gremien durch – ungerechtfertigte – Strafanzeigen unter Druck zu setzen, Die eine markante Ausnahme ist in vielen Fällen noch im- gegebenenfalls auch mit dem Ziel, Zahlungen abzupres- mer der Aufsichtsrat einer Bank, der an dieser Stelle im sen. Jedenfalls werden künftig auch Mitglieder von Auf- Übrigen immer noch den strengen Anforderungen der sichtsräten mit der „medialen Prangerwirkung“ von soge- Aufsicht in puncto Qualität („Fit-and-proper-Test“) nur be- nannter Investigationsrecherche leben müssen. grenzt unterliegt. Hier betont die Aufsicht der EZB, dass dieses Thema weitgehend von nationalem Recht besetzt Alles in allem sollten Aufsichtsratsmitglieder von Kredit- ist, das historisch gewachsene „Erbhöfe“ kennt. Der Er- instituten eine Portion an „commitment“ mitbringen, satz für Aufwand und Einsatz, inklusive Fortbildung, ist wenn sie eine solche Funktion annehmen. Die faktische in manchen Fällen – jedenfalls auf Stundenbasis gerech- Generalüberholung des Pflichtenkatalogs von Aufsichts- net – deutlich gesunken. Nur, so viel können wir schon räten von Kreditinstituten, dem aber nach wie vor ein Ge- heute erahnen, so wird die Qualität von Aufsichtsräten sellschaftsrecht gegenüber steht, das eher das klassische bei Kreditinstituten in der Zukunft eher ab- als zuneh- Modell von begrenzten Rechten bei traditioneller Entloh- men, sofern die jetzigen Rahmenbedingungen im Sinne nung widerspiegelt, führt m. E. zu einer sich abzeichnen- eines „risk reward profile“ sich weiter verschlechtern. den Unwucht, die sich erst in den nächsten Jahren voll Die Zahl der aus Gemeinwohlgedanken motivierbaren und ganz zeigen wird. Kandidaten für ein solches Gremium dürfte auf die Dauer nicht ausreichen, um zu einer adäquaten Besetzung von Schließlich hat aber auch der Präsident der BaFin, Felix Hufeld, vor einigen Monaten bei einer öffentlichen Aufsichtsräten von Kreditinstituten zu kommen. » DOC-ID: W1007449 Podiumsdiskussion in Berlin festgehalten, dass eine top-professionelle Tätigkeit auch angemessen vergütet werden müsse. 9 Ergebnis Das eine Bank insgesamt ausmachende System von weitgehenden „checks and balances“ – also nicht nur Aufsichtsrat, Wirtschaftsprüfer und Bankenaufsicht, sondern beispielsweise auch die Marktfolge in Form von Risk Office, aber auch Revision und Compliance – gilt neben den Regeln für Eigenkapital und Liquidität als das Herzstück einer modernen Regelungslandschaft im Bereich des Kreditwesens, das nie wieder den Steuerzahler so zur Kasse bitten soll wie im letzten Jahrzehnt. Die genannten Funktionen wurden vom Gesetz- und Verordnungsgeber deutlich gestärkt bis hin zu Vorschriften, dass das Gefälle bei der Vergütung zwischen Front Office 34 | 01.2017 | » Gerd Häusler Vorsitzender des Aufsichtsrats der BayernLB, München Mitglied des Aufsichtsrats der MunichRe, München Keywords: Cloud Computing Datenschutz Datensicherheit Zertifizierung IT-Audit ANALYSE Datenschutz und Datensicherheit im Cloud Computing Ein Framework zur Beurteilung von Cloud-Services Von Michael Adelmeyer, M.Sc., CISA, Dr. Marc Walterbusch, Julian Lang, M.Sc., und Prof. Dr. Frank Teuteberg Unternehmen können durch den Einsatz von Cloud Computing Effizienz- bzw. Wettbewerbsvorteile realisieren. Das Vertrauen der Praxis in diese Technologie ist jedoch nicht uneingeschränkt, vor allem im Hinblick auf Datenschutz und Datensicherheit gibt es Vorbehalte. Durch Audits und damit einhergehende Zertifizierungen kann die Einhaltung grundlegender und definierter Standards bescheinigt werden; allerdings sind die Anforderungen an einen Cloud-Service spezifisch, und der Markt bestehender Standards und Zertifikate für Cloud-Services ist heterogen. MANAGEMENT & BERATUNG Dies stellt den Wirtschaftsprüfer vor die Herausforderung, Datensicherheit und Datenschutz in der Cloud und die daraus entstehenden Risiken angemessen zu beurteilen. Zu diesem Zweck wird ein allgemeines Framework vorgestellt. 1 Einleitung jedoch noch nicht umfassend.2 Ein Grund Cloud Computing wird als eine der wich- dafür ist vor allem die Abgabe der direk- tigsten strategischen IT-Technologien an- ten Kontrolle über Risiken im Bereich IT- gesehen, mit dem Potential, das klassische Sicherheit, IT-Outsourcing zu revolutionieren.1 Zwar schutz,3 welche teils gravierendes Scha- können Effizienzsteigerungen durch Kos- denpotential für Unternehmen bergen.4 Verfügbarkeit und Daten- teneinsparungen und eine verbesserte Prozessleistung von Die Übermittlung von Daten in eine Cloud Cloud Computing realisiert werden, Un- geht mit einem weitgehenden Kontroll- ternehmen vertrauen dieser Technologie verlust über die Daten und ihren Spei- l bei Verwendung l 1 Vgl. Lansing/Schneider/Sunyaev, in: ECIS 2013 Proceedings, 2013, S. 2. 2 Vgl. Walterbusch/Martens/Teuteberg, in: ECIS 2013 Proceedings, 2013, S. 1 ff. 3 Vgl. Schneider/Sunyaev, Cloud-Service-Zertifizierung, Berlin/Heidelberg 2015, S. V. 4 Vgl. Bagban/Nebot, HMD 2014, S. 272 f. l l | 01.2017 | 35 » Datenschutz und Datensicherheit im Cloud Computing cherort einher. Daher muss den daraus resultierenden „Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhält- Akzeptanzproblemen mit dem Erzeugen von Vertrauen in nisse einer bestimmten oder bestimmbaren natürlichen die Technologie und Dienstleister durch Schaffung von Person (Betroffener)“14 definiert werden. Transparenz entgegengewirkt werden.5 Die Zertifizierung von Cloud-Service-Anbietern hinsichtlich der Erfüllung Die Maßnahmen zum Schutz personenbezogener Daten definierter Datenschutz- und Datensicherheitskriterien und zum Schutz genereller Daten können jedoch ähnlich kann als ein Instrument zur Vertrauensbildung und Risi- oder gar identisch sein, weshalb Datenschutz und Daten- koeinschätzung fungieren.6 Die aus unzureichenden Datenschutz- und Datensicherheitsmaßnahmen resultierenden Risiken für die Ordnungsmäßigkeit der Rechnungslegung sind für den Wirtschaftsprüfer von besonderer Bedeutung.7 Angesichts der eingeschränkten Vergleichbarkeit bestehender Audits und Zertifizierungen wird im Folgenden ein generi- Zertifizierungen können als Instrument zur Vertrauensbildung fungieren, betrachten jedoch nicht notwendigerweise die Risiken für die Ordnungsmäßigkeit der Rechnungslegung. scher Ansatz in Form eines Frameworks zur Bewertung des Datenschutzes und der Datensicherheit von CloudServices vorgestellt. sicherheit schwerlich getrennt voneinander zu betrachten sind.15 Ein effektiver Datenschutz kann vielmehr nur 2 Begriffliche Grundlagen 2.1 Datenschutz und Datensicherheit dann gewährleistet werden, wenn die notwendigen Maß- Die Begriffe „Informationssicherheit“, „Datensicherheit“ meinen umgesetzt werden.16 nahmen zur Datensicherheit bzw. IT-Sicherheit im Allge- und „Datenschutz“ sind in Praxis und Fachliteratur nicht eindeutig bzw. trennscharf definiert.8 Im Folgenden wird der Abgrenzung des Bundesamts für Sicherheit in der In- 2.2 Cloud Computing 2.2.1 Definition formationstechnik (BSI) gefolgt:9 Für den Begriff Cloud Computing existiert keine etablierte und universal gültige Definition, als De-facto-Standard gilt Informations- bzw. Datensicherheit jedoch die Definition des National Institute of Standards Die Informations- bzw. Datensicherheit (im Folgenden: and Technology (NIST):17 Datensicherheit) bezeichnet den Schutz von Informationen und Daten hinsichtlich gegebener Anforderungen an Cloud Computing ist ein Modell, das ubiquitären und die drei Hauptschutzziele der Vertraulichkeit, Verfügbar- bequemen Netzwerkzugriff bei Bedarf auf einen geteil- keit und Integrität10 sowie an die Authentizität (Echtheit ten Pool von konfigurierbaren Rechenressourcen (z. B. und Glaubwürdigkeit), Verbindlichkeit/Nichtabstreitbar- Netzwerke, keit und Zurechenbarkeit.11 Weiter gefasst kann im Fokus Dienstleistungen) gewährleistet, die schnell und mit der Betrachtung der Datensicherheit die gesamte IT-Si- minimalem Verwaltungsaufwand oder Interaktion mit cherheit (Schutz vor Risiken durch den Einsatz von IT-Sys- dem Dienstleister zur Verfügung gestellt und wieder temen auf Unternehmen und deren Werte) liegen. freigegeben werden können. 12 Server, Speicher, Anwendungen und Datenschutz Der Definition liegen fünf Eigenschaften einer Cloud zu- Datenschutz (vor allem i. S. des Bundesdatenschutzgeset- grunde: selbständige Bereitstellung bei Bedarf, unabhängi- zes, BDSG) bezeichnet den Schutz personenbezogener Da- ger Zugriff, Ressourcenbündelung, dynamische Skalier- ten vor Missbrauch durch Dritte,13 wobei diese Daten als barkeit sowie nutzungsbasierte Abrechnung und Kontrol- 5 Vgl. Rübsamen/Reich, in: On the Move to Meaningful Internet Systems: OTM 2013 Conferences, 2013, S. 403 f. 6 Vgl. Borges, DuD 2014; Doelitzscher u. a., in: Pearson/Yee (Hrsg.), l l Privacy and Security for Cloud Computing, London 2013, S. 125. 7 Vgl. Heese, WPg 12/2010, S. I. 8 Vgl. Eckert, IT-Sicherheit, 9. Aufl., München 2014, S. 6. 9 Vgl. BSI (Hrsg.), Leitl l l faden Informationssicherheit, 2012, S. 14; für eine eingehendere Differenzierung siehe z. B. Eckert, a.a.O. (Fn. 8), S. 1 ff. 10 Vgl. BSI (Hrsg.), a.a.O. (Fn. 9), S. 14. 11 Vgl. Eckert, a.a.O. l l (Fn. 8), S. 7 ff. 12 Vgl. Weiss, DuD 2014, S. 173. 13 Vgl. BSI (Hrsg.), a.a.O. (Fn. 9), S. 14. 14 § 3 Abs. 1 BDSG. 15 Vgl. Hansen, in: Borges/Schwenk (Hrsg.), Daten- und Identitätsschutz in l l l l Cloud Computing, E-Government und E-Commerce, Heidelberg 2012, S. 82. 16 Vgl. Quiring-Kock, DuD 2012, S. 832. 17 Vgl. Mell/Grance, The NIST definition of cloud computing, l l Special Publication 800–145, 2011, S. 2. 36 | 01.2017 | le. Cloud Computing ist dabei keine neue Technologie, son- Bei jedem der drei dargestellten Service-Modelle kann der dern kombiniert bekannte und etablierte Technologien Benutzer die zugrunde liegende Infrastruktur weder ver- wie Virtualisierung und Infrastructure Management. walten noch kontrollieren, sondern nur im Rahmen der 18 ihm zur Verfügung gestellten Abstraktionsebene agie- 2.2.2 Service-Modelle ren.21 Je höher der Abstraktionsgrad in Bezug auf die Die in der Schichtenarchitektur in Übersicht 1 dargestell- Cloud-Infrastruktur und damit die Komplexität des Ser- ten drei Service-Modelle basieren auf einer Cloud-Infra- vices ist, desto geringer sind somit die Kontrollmöglich- struktur. keiten des Anwenders innerhalb einer Cloud. 2.2.3 Bereitstellungsmodelle Beim Nutzerkreis, innerhalb dessen ein Cloud-Computing-Service Software as a Service verfügbar ist, wird zwischen drei unterschiedlichen Bereitstellungsmodellen und einer Kombination aus dieser Modelle (Hybrid Cloud) differenziert:22 Kontrolle Komplexität Platform as a Service mehreren » Eine Private Cloud wird exklusiv für eine einzelne Organisation bereitgestellt und von dieser Organisation selbst, Infrastructure as a Service einem Drittanbieter oder einer Kombination aus beiden verwaltet und betrieben. Cloud-Infrastruktur » Community Clouds werden Abstraktionsschicht von einer definierten Gruppe (z. B. verschiedene Organi- Hardwareschicht sationen) mit geteilten Interessen genutzt. Übersicht 1 » Service-Modelle und Cloud-Infrastruktur » Eine Public Cloud ist der breiten Das Spektrum der Bereitstellung reicht von Anwen- Je breiter der Nutzerkreis der Cloud ist, desto größer dungen (Software as a Service, SaaS) über Hosting-Um- sind die realisierbaren Skaleneffekte. Indes nehmen in gebungen, auf denen z. B. Software betrieben werden gleichem Maße die Kontrollmöglichkeiten des einzelnen kann (Platform as a Service, PaaS), bis hin zu grundle- Nutzers ab.23 genden Ressourcen wie Speicher-, Rechen- oder Netzwerkkapazitäten (Infrastructure as a Service, IaaS).19 Die Cloud-Infrastruktur besteht aus einer physischen 3 Datenschutz und Datensicherheit in der Cloud 3.1 Risiken beim Einsatz von Cloud-Services Schicht, die den Pool an Hardwareressourcen enthält, Je nach Service- bzw. Bereitstellungsmodell muss eine für und einer Abstraktionsschicht, die Software beinhaltet, den Anwendungsfall individuelle Betrachtung und Bewäl- die die zugrunde liegende physische Schicht steuert tigung der Risiken erfolgen.24 So ergeben sich bei der Nut- (z. B. Virtualisierungssoftware). zung von Private Clouds in den Grenzen des Unterneh- 20 18 Vgl. Doelitzscher u. a., a.a.O. (Fn. 6), S. 126. 19 Vgl. Mell/Grance, a.a.O. (Fn. 17), S. 3. 20 Vgl. Youseff/Butrico/Da Silva, in: Grid Computing Environments Workshop, 2008, S. 4. l l l 21 Vgl. Mell/Grance, a.a.O. (Fn. 17), S. 2. 22 Vgl. Mell/Grance, a.a.O. (Fn. 17), S. 3. 23 Vgl. Lampe u. a., in: AMCIS 2012 Proceedings, 2013, S. 2. 24 Vgl. Schneider/Sunyaev, a.a.O. l l l l (Fn. 3), S. 9. | 01.2017 | 37 MANAGEMENT & BERATUNG Öffentlichkeit zugänglich. » Datenschutz und Datensicherheit im Cloud Computing mens grundsätzlich keine neuen Probleme.25 Bei einer Virtualisierung oder den geteilten Ressourcenpool der Auslagerung von betrieblichen Funktionen z. B. in eine Multi-Mandanten-Architektur unberechtigte Zugriffe auf Public Cloud verbleibt die Verantwortung für die Einhal- Daten erfolgen.32 tung der gesetzlichen Anforderungen an die Ordnungsmäßigkeit der Rechnungslegung jedoch beim auslagernden Der Verlust der Kontrolle über den Speicherort durch dy- Unternehmen.26 Die Einhaltung der in IDW RS FAIT 127 namische Ressourcenallokation und Verschiebung der formulierten Anforderungen an die Sicherheit und Ord- Daten führt vor allem zu Risiken für die Integrität und nungsmäßigkeit sowie der gesetzlichen Anforderungen, Vertraulichkeit.33 Zudem entstehen hierdurch Risiken hin- vor allem der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung sichtlich der Erfüllung der Aufbewahrungspflichten (§ 257 HGB) und die Sicherheits- und Ordnungsmäßigkeitsanforderungen zur Bei der Auslagerung von betrieblichen Prozessen und Funktionen in eine Cloud entstehen gesonderte Risiken, die individuell zu betrachten sind. Speicherung von Daten (§§ 238 ff. HGB). Dies gilt besonders dann, wenn die Daten über mehrere Länder verteilt gespeichert werden.34 Mangels einheitlicher Standards und Gesetze kommt es zu rechtlichen Risiken bezüglich der Einhaltung von Compliance-Anforde- (§ 239 Abs. 4 HGB), gelten in diesem Kontext uneinge- rungen. Bei der Übertragung der Daten über herkömmli- schränkt, unabhängig vom eingesetzten Service- und Be- che Technologien wie das Internet muss stets auch eine reitstellungsmodell. Zentrale Voraussetzung für die Ein- hinreichende Absicherung der Daten sowie Bandbreite haltung der Ordnungsmäßigkeitsanforderungen ist daher des Anschlusses gewährleistet sein.35 Weitere Risiken für die Einhaltung der Sicherheitsanforderungen für rech- die Ordnungsmäßigkeit sind z. B. Risiken für die Vollstän- nungslegungsbezogene Daten. digkeit und Zeitgerechtheit, sofern Geschäftsvorfälle und 28 29 Daten im Rahmen der Auslagerung in eine Cloud unvollBei der Auslagerung von betrieblichen Prozessen und ständig oder verspätet bearbeitet werden. Aber auch die Funktionen sind Cloud-spezifische Risiken – vor allem für funktionalen Anforderungen des Buchführungsverfah- die Vertraulichkeit, Verfügbarkeit und Integrität der Da- rens – z. B. die Beleg-, Journal- und Kontenfunktion und ten – zu berücksichtigen. Sofern der Cloud-Dienstleister vor allem die Dokumentation des Verfahrens – unterlie- i. S. von § 11 Abs. 1 BDSG als Auftragnehmer personenbe- gen bei der Auslagerung in eine Cloud gesonderten, er- zogene Daten verarbeitet, hat sich das auslagernde Un- höhten Risiken.36 ternehmen in diesem Rahmen regelmäßig von der Einhaltung der Ausgestaltung entsprechender technischer Die Risiken, die sich aus dem Einsatz von Cloud-Services und organisatorischer Maßnahmen zu überzeugen. Or- ergeben, sind vielfältig und individuell.37 Das auslagernde ganisatorische Risiken bei der Auslagerung in eine Cloud Unternehmen muss die vertraglichen Regelungen sowie entstehen vor allem durch den Kontrollverlust des Kun- die Gestaltung und Wirksamkeit des internen Kontrollsys- den hinsichtlich der Überwachung des Cloud-Services so- tems (IKS) im Hinblick auf die ausgelagerten Funktionen wie durch Unklarheiten bei der Verteilung von Verant- gewährleisten, z. B. durch entsprechende Audits oder Zer- wortlichkeiten.31 Umfangreiche technische Risiken erge- tifikate.38 Dies kann sich jedoch als schwierig gestalten, so- ben sich aus der Architektur und der Integration von fern der Cloud-Dienstleister wiederum weitere Cloud-Sub- Cloud-Services. So können durch Schwachstellen in der dienstleister in Anspruch nimmt, für die ein Kontroll- 30 25 Vgl. Heese, WPg 12/2010, S. I. 26 IDW Stellungnahme zur Rechnungslegung: Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung bei Auslagerung von rechnungslegungsrelevanten Prozessen l l und Funktionen einschließlich Cloud Computing (IDW RS FAIT 5), Tz. 45. 27 IDW Stellungnahme zur Rechnungslegung: Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung bei Einsatz von Inforl mationstechnologie (IDW RS FAIT 1). 28 Vgl. IDW RS FAIT 5, Tz. 19 ff. 29 Vgl. IDW RS FAIT 1, Tz. 19 i. V. mit Tz. 23 ff. 30 Vgl. IDW RS FAIT 5, Tz. 43 f. 31 Vgl. Schneider/Sunyaev, a.a.O. l l l l (Fn. 3), S 10 f.; IDW RS FAIT 5, Tz. 23 f. 32 Vgl. Schneider/Sunyaev, a.a.O. (Fn. 3), S 11; IDW RS FAIT 5, Tz. 26. 33 Vgl. IDW RS FAIT 5, Tz. 29 f. 34 Vgl. IDW RS FAIT 5, Tz. 36 und 39. l l l 35 Vgl. Schneider/Sunyaev, a.a.O. (Fn. 3), S. 12; IDW RS FAIT 5, Tz. 26 ff. 36 Vgl. IDW RS FAIT 5, Tz. 34 ff. 37 Für eine detaillierte Betrachtung siehe z. B. Schneider/Sunyaev, a.a.O. l l l (Fn. 3), S 9 ff. sowie IDW RS FAIT 5, Tz. 22 ff. 38 Vgl. IDW RS FAIT 5, Tz. 46, i. V. mit Hansen, a.a.O. (Fn. 15), S. 89 f. l 38 | 01.2017 | bzw. Prüfrecht unter Umständen nicht oder nicht vollum- Daten hinaus. So wird der Datenschutz in IDW RS FAIT 5 fänglich gilt. Die Revisionssicherheit von Cloud-Services als Teilrisiko im Rahmen der rechtlichen Risiken nachran- ist folglich nicht uneingeschränkt gewährleistet. gig betrachtet.47 Vor allem bei Cloud-spezifischen Zertifi- 39 zierungen – z. B. auf der Basis von ISO/IEC 27001 – muss 3.2 Datenschutz- und Datensicherheitsaudits aber vorher der Anwendungsbereich (Scope) eines sol- Neben Kontrollen durch den Nutzer haben auch Cloud- chen Audits festgelegt werden. Dieser ist i. d. R. nicht mit Dienstleister ein Interesse an einem Datenschutz- bzw. dem Zielsystem von Prüfungen, deren Ergebnisse im Rah- Datensicherheitsaudit, um z. B. Wettbewerbsvorteile zu men von Abschlussprüfungen Verwendung finden (z. B. realisieren oder eine Nutzungsentscheidung zu vereinfa- IDW PS 951 oder ISAE 3402), vergleichbar.48 chen.40 Dafür sind z. B. unabhängige Audits bzw. Zertifizierungen des Dienstleisters notwendig.41 Deren Akzep- Eine Entsprechung der Anforderungen an die Ordnungs- tanz hängt im Wesentlichen von den Faktoren Freiwillig- mäßigkeit der Buchführung ist nicht zwingend gegeben. keit, Vergleichbarkeit und Skalierbarkeit ab. Durch eine solche Zertifizierung kann somit in erster Li- 42 nie lediglich „ein gewisser Grad an Professionalität des Datenschutz- und Datensicherheitsaudit agieren dabei Anbieters“ gefolgert werden.49 Werden jedoch bei der Be- aus zwei verschiedenen Perspektiven: Während der Da- urteilung von Risiken Prüfungsergebnisse Dritter heran- tenschutz primär auf die Wahrung der Integrität von gezogen, ist eine qualifizierte und unabhängige Beurtei- Personen fokussiert, zielt die Datensicherheit auf die lung eines Cloud-Services unerlässlich.50 Sicherung des Betriebs einer Organisation ab.43 Da sich die Anforderungen der Daten- bzw. IT-Sicherheit in lassen, ist es notwendig, ein Datenschutzmanagement- 3.3 Überblick über ausgewählte Cloudspezifische Initiativen, Standards, Richtlinien und Zertifizierungen system (DSMS) auf einem Informationssicherheitsmana- Es existiert eine Vielzahl von Standards und Zertifizierun- gementsystem (ISMS) aufzubauen. der Praxis kaum von denen des Datenschutzes trennen Die Anforderungen gen für Cloud-Services, die sich jedoch zum Teil hinsicht- an ein solches System können sich z. B. am Standard lich Fokus, Audit-Prozess und zugrunde liegender Kon- ISO/IEC 27001 orientieren. Dabei ist zu beachten, dass trollen unterscheiden.51 Im Folgenden wird eine Auswahl ISO/IEC 27001 primär auf generelle Datensicherheits- von wichtigen Initiativen, Standards, Richtlinien und Zer- aspekte fokussiert, weshalb Cloud-spezifische Umset- tifizierungen vorgestellt.52 45 44 27018 – in die Betrachtung integriert werden müssen. EuroCloud ISO/IEC 27001 bleibt allerdings als prägender Faktor für Der Verband EuroCloud ist ein europäischer Verband den Aufbau eines DSMS bestehen. Im Fokus des Da- mehrerer Landesorganisationen, der eine differenzierte tenschutzaudits liegt die Überprüfung, ob das DSMS mit Betrachtung der konkreten Anforderungen der jewei- der vom Unternehmen definierten Datenschutzpolitik ligen nationalen Gesetzgebung ermöglicht.53 Der Ver- und dem Datenschutzprogramm im Einklang steht und band verfolgt das Ziel, durch Berücksichtigung des die einschlägigen, gesetzlichen Datenschutzvorschriften Cloud-spezifischen Umfelds Transparenz für den Ein- eingehalten werden.46 satz von Cloud-Dienstleistungen zu schaffen.54 Dazu wurde die Zertifizierung EuroCloud Star Audit ent- Beim Datensicherheitsaudit als Teil eines IT-Sicherheits- wickelt, die je nach Umsetzungsgrad der Vorgaben audits geht die Betrachtung über die personenbezogenen mehrstufig vergeben wird.55 l l 39 Vgl. Leupold, in: Leupold/Glossner (Hrsg.), Münchener Anwaltshandbuch IT-Recht, 3. Aufl., München 2013, Rn. 35 f. 40 Vgl. Diek, in: Bäumler/von Mutius (Hrsg.), Datenschutz als Wettbewerbsvorteil, Braunschweig/Wiesbaden 2002, S. 158 f. 41 Vgl. Eckhardt, in: Borges/Schwenk (Hrsg.), a.a.O. (Fn. 15), S. 106 f.; Weichert, DuD 2010, S. 683. 42 Vgl. Hammer/ Schuler, DuD 2007, S. 78 ff. 43 Vgl. Rost, DuD 2012, S. 434. 44 Vgl. Quiring-Kock, DuD 2012, S. 832. ff. Beispielsweise auf Basis der IT-Grundschutz-Kataloge. 45 International Organi- l l l l l zation for Standardization/International Electrotechnical Commission. 46 Vgl. Roßnagel, Datenschutzaudit, Wiesbaden 2000, S. S. 68. 47 Vgl. IDW RS FAIT 5, Tz. 43. 48 Vgl. Knoll, l l l HMD 2013, S. 10 f. 49 Weiss, DuD 2014, S. 173. 50 Vgl. Heese, WPg 12/2010, S. I. 51 Vgl. Schneider/Lansing/Gao, in: HICSS 2014 Proceedings, 2014, S. 4998. 52 Für eine Übersicht l l l l existierender Zertifizierungen siehe z. B. Schneider u. a., Industrie Management-Zeitschrift für industrielle Geschäftsprozesse 2013, S. 14. 53 Vgl. Müller, Studie „Cloud Labeling“, l 2013, S. 17. 54 Vgl. Weiss, DuD 2014. 55 Vgl. Weiss, DuD 2014, S. 173 f. l l | 01.2017 | 39 MANAGEMENT & BERATUNG zungsempfehlungen – z. B. nach ISO/IEC 27017 bzw. » Datenschutz und Datensicherheit im Cloud Computing Cloud Security Alliance ein effektiver Datenschutz nur dann gewährleistet wer- Die Cloud Security Alliance (CSA) ist eine internationale den kann, wenn die notwendigen Maßnahmen zur Da- Koalition aus Unternehmen und Interessensgruppen zur tensicherheit umgesetzt werden, ist beides gemeinsam Erarbeitung von Richtlinien für Sicherheit im Cloud Com- zu betrachten.60 Dazu wurde auf der Basis von Literatur- puting. Als zentrale Publikationen sind vor allem die recherchen und Interviews mit erfahrenen Auditoren Cloud Control Matrix sowie die CSA Security Guidance for ein Framework zur Herangehensweise an die Bewer- 57 Critical Areas of Focus in Cloud Computing zu nennen. tung der Maßnahmen von Cloud-Service Providern hin- Ferner hat die CSA ein dreistufiges Zertifizierungsmodell sichtlich Datenschutz und Datensicherheit entwickelt entwickelt, auf dessen zweiter Stufe Cloud-Anbieter auf und evaluiert.61 56 der Basis von ISO/IEC 27001 sowie der Cloud Control Matrix durch einen 3 rd Party Audit geprüft werden.58 Das Framework teilt sich in die Submodelle Legal Compliance Model, Privacy and Security Compliance Model sowie Privacy and Security Control Model auf (Übersicht 2). ISO/IEC 270 xx Zentrale Norm der Reihe ISO/IEC 270 xx ist ISO/IEC 27001 als De-facto-Basisstandard für das Management von Infor- Legal Compliance Model mationssicherheit. Um die Besonderheiten der Daten- Das Legal Compliance Model umfasst die Ermittlung der ge- sicherheit und des Datenschutzes im Cloud Computing an- setzlichen Vorgaben, an die sich Cloud-Computing-Dienst- gemessen zu berücksichtigen, leister und Kunden bei der wurden die Normen ISO/IEC Auslagerung von rechnungs- 27017:2015 für Datensicherheit sowie ISO/IEC 27018:2014 für Datenschutz in Public Clouds veröffentlicht. IDW RS FAIT 5 IDW RS FAIT 5 (Stand: 04.11. Das Fehlen einheitlicher Standards und Zertifizierungen zur Bewertung von Datenschutz und Datensicherheit in der Cloud erfordert eine allgemeine Herangehensweise. 2015) befasst sich mit den Spezifika von Cloud Compu- legungsrelevanten Funktio- nen oder der Verarbeitung von personenbezogenen Daten halten müssen. Das Modell fokussiert auf die Gesetzgebung in Deutschland, der EU und den USA. Als für Wirtschaftsprüfer zentrale Vorgaben beim Einsatz und der ting bei der Auslagerung von rechnungslegungsrelevan- Auslagerung von rechnungslegungsrelevanten Prozessen ten Prozessen und Funktionen. Dargestellt werden vor al- und Funktionen in eine Cloud sind die Sicherheits- und lem Verantwortung und Gestaltung des IKS beim IT-Out- Ordnungsmäßigkeitsanforderungen gemäß IDW RS FAIT 5 sourcing mit Blick auf die Risiken, die sich aus dem i. V. mit IDW RS FAIT 1 angeführt. Je nach zugrunde liegen- Einsatz von Cloud Computing für die Ordnungsmäßigkeit dem Service- bzw. Bereitstellungsmodell ist die Einhaltung der Buchführung ergeben. dieser Verlautbarungen individuell zu bewerten. 4 Framework zur Bewertung von Cloud-Services Privacy and Security Compliance Model Mangels einheitlicher Standards und Zertifizierungen ist Dieses Modell beschreibt neben Datenschutzkriterien ein allgemeines Herangehen an die Bewertung von Da- auch die Datensicherheit als Grundlage für effektiven Da- tenschutz und Datensicherheit als Basis für die Be- tenschutz und betrachtet beispielhaft u. a. aus Gesetzen wertung der Ordnungsmäßigkeit in diesem Kontext er- und Standards abgeleitete Anforderungen. In diesem forderlich. Aufgrund des Fehlens einer einheitlichen Schritt werden konkrete Anforderungen an Datenschutz gesetzlichen Regelung für Datenschutzaudits existieren und Datensicherheit ermittelt. Eine Orientierung bei der vor allem hier verschiedene Ausprägungsformen.59 Da Ableitung weiterer Kriterien mit Fokus auf der Ordnungs- 56 Vgl. Weichert, DuD 2010, S. 687. 57 CSA, Security Guidance for Critical Areas of Focus in Cloud Computing v3.0, 2013; CSA, Cloud Controls Matrix v3.0, 2011. 58 Vgl. Doubrava/ l l l Münch, in: Leupold/Glossner (Hrsg.), a.a.O. (Fn. 39), Rn. 67 ff. 59 Vgl. Mester, DuD 2014, S. 198. 60 Vgl. Quiring-Kock, DuD 2012, S. 832. 61 Beide Interview-Partner besitzen im l l l Bereich Datenschutzprüfungen langjährige Erfahrung bei einer führenden Big-Four-Wirtschaftsprüfungsgesellschaft. Ein Interview-Partner ist zudem über mehrere Jahre als Datenschutzbeauftragter beschäftigt gewesen. Die Experteninterviews wurden qualitativ analysiert; die Interviews wurden im August 2014 durchgeführt. 40 | 01.2017 | EU-Standardvertragsklauseln, Binding Corporate Rules, EU-US Privacy Shield, Berücksichtigung nationaler Gesetze und des Standorts der verantwortlichen Stelle Sicherheits- und Ordnungsmäßigkeitsanforderungen (IDW RS FAIT 5 i.V. mit IDW RS FAIT 1) Allgemeine Anforderungen (Vollständigkeit, Richtigkeit, Zeitgerechtheit, Ordnungsmäßigkeit, Nachvollziehbarkeit, Unveränderlichkeit), Beleg-, Journal-, Kontenfunktion, Dokumentation, Aufbewahrungspflichten Legal Compliance Model Ermittlung gesetzlicher und regulatorischer Anforderungen Sicherstellung eines angemessenen Datenschutz- und Datensicherheitsniveaus Grenzüberschreitende Datenübermittlung/Auftragsdatenverarbeitung Europäischer Wirtschaftsraum Deutschland HGB, GoBD, AO, BDSG Compliance Management Privacy and Security Compliance Model Ermittlung konkreter Anforderungen an Datenschutz und Datensicherheit USA/Drittstaat E-Discovery, Sarbanes-Oxley Act, RL 2006/43/EG, RL 95/46/EG, Patriot Act, US Federal/State Laws Verordnung 2016/679 Datenschutzanforderungen Datensicherheitsanforderungen Datenschutz-Kultur Subunternehmer Datenschutz-Ziele Service Level Agreements Datensicherung und -wiederherstellung Datenschutz-Risiken Incident Response Anwendungssicherheit Datenschutz-Organisation Datenschutz-Programm Kontrollrechte, Audit und Zertifizierung Security Incident Management Datenschutz-Kommunikation Vertragsgestaltung Sicherheitsmanagement Datenübermittlung Vertragsbeendigung Zugriffsschutz Anbieter- und Datenlokation Rechenzentrumssicherheit Datenschutz-Überwachung Compliance Branchenspezifika z.B. Bankenwesen, Medizin, Telekommunikation Bewertung des CloudComputing-Anbieters anhand seiner Umsetzung von Kontrollen NIST Privacy and Security Controls ISO/IEC 27001/27017/27018 Controls Service Organization Controls (SOC 2), SSAE 16 / ISAE 3402 / IDW PS 951 Controls Controls und Frameworks Privacy and Security Control Model Cloud Security Alliance – Cloud Control Matrix COSO/COBIT MANAGEMENT & BERATUNG ITIL Übersicht 2 » Framework zur Bewertung eines Cloud-Services hinsichtlich Datenschutz und Datensicherheit mäßigkeit der Rechnungslegung können in diesem Kon- Anbieter den wichtigsten Kriterien gerecht werden text etwa IDW PS 330 oder IDW PS 880 (beim Einsatz von kann. Vor allem aufgrund der Vielzahl von Kriterien ist SaaS) i. V. mit IDW RS FAIT 5 oder bestehende Anforde- eine ganzheitliche Betrachtung aller Regularien, Krite- rungskataloge62 bilden. rien und Kontrollen im Modell jedoch nicht praktikabel, sondern nur individuell und branchenspezifisch mög- Privacy and Security Control Model lich. Bestehende Kontroll-Frameworks sowie eventuell In diesem Modell werden beispielhaft Kontrollen aufge- vorliegende Prüfberichte sind daraufhin zu untersuchen, zeigt, mit deren Implementierung ein Cloud-Computing- ob die für die Auswirkungen von Datenschutz- und Da- l 62 Für eine eingehendere Betrachtung von Anforderungen an Cloud-Dienste siehe etwa „Anforderungskatalog Cloud Computing“ des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik (https://www.bsi.bund.de; Abruf: 18.07.2016). | 01.2017 | 41 » Datenschutz und Datensicherheit im Cloud Computing tensicherheitsrisiken auf die Rechnungslegung rele- Besonders im Bereich des Datenschutzes und des grenz- vanten Bereiche adäquat abgedeckt werden.63 Ziel des überschreitenden Datenverkehrs fehlen verbindliche Re- Frameworks ist es daher zu verdeutlichen, in welcher gelwerke, die die Überprüfung der Umsetzung von Daten- Reihenfolge eine Bewertung vorgenommen werden schutz- und Datensicherheitsmaßnahmen regeln. Die ge- kann und welche Kriterien zu beachten sind; dazu wird nauen Auswirkungen der am 27.04.2016 verabschiedeten das komplexe Thema Datenschutz und Datensicherheit EU-Datenschutzgrundverordnung (ersetzt die Richtlinie im Cloud Computing kategorisiert. 95/46/EG) sowie des Mitte Juli 2016 verabschiedeten EUUS Privacy Shield als Ersatz für das Safe-Harbor-Abkommen65 sind ferner noch unklar. 5 Fazit und Ausblick Zur Zertifizierung des Datenschutzes und der Sicherheit von Cloud-Dienstleistern existieren verschiedene Ansät- Die beschriebene Situation bietet dem Berufsstand der ze.64 Vor allem bei den in letzter Zeit entstandenen Cloud- Wirtschaftsprüfer z. B. die Chance, sich als 3 rd Party Au- spezifischen Standards und Verfahren – z. B. ISO/IEC ditor zu etablieren, etwa für bestehende Zertifikate. Auch 27017 und 27018 – bleiben indes ihre Akzeptanz, Verbrei- kann durch den damit einhergehenden Aufbau von Kom- tung und Aussagekraft – vor allem für die Wirtschaftsprü- petenzen in diesem Bereich ein Mehrwert für die Ab- fung – abzuwarten und kritisch zu beurteilen. Das hier schlussprüfung bzw. die Beratung geschaffen werden.66 vorgestellte Framework bietet vor dem Hintergrund heterogener Audits und Zertifikate eine Möglichkeit, die As- Die Anforderungen an Datenschutz und Datensicherheit pekte des Datenschutzes und der Datensicherheit zu beur- werden von vielen Cloud-Services noch nicht im ausreich- teilen. Zu beachten ist, dass die individuellen Gegebenhei- enden Maß erfüllt, so dass sich auch für die Wirtschafts- ten der Auslagerung in eine Cloud (Standort des prüfung relevante Risiken ergeben können.67 Dies macht Anbieters, Art der ausgelagerten Daten und Prozesse, Ser- die Etablierung allgemein akzeptierter Standards erfor- vice- und Bereitstellungsmodell etc.) bei der Anwendung derlich, vor allem bei der Verwertung von Prüfungsergeb- berücksichtigt werden müssen. nissen Dritter. » Michael Adelmeyer Fachgebiet für Unternehmensrechnung und Wirtschaftsinformatik, Universität Osnabrück l » Dr. Marc Walterbusch » Julian Lang Fachgebiet für Unternehmensrechnung und Wirtschaftsinformatik, Universität Osnabrück l » DOC-ID: W1007265 » Prof. Dr. Frank Teuteberg PricewaterhouseCoopers AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, Osnabrück l Fachgebiet für Unternehmensrechnung und Wirtschaftsinformatik, Universität Osnabrück 63 Vgl. Loczewski/General/Schwald, IT-Governance 2013, S. 7. 64 Vgl. Doubrava/Münch, a.a.O. (Fn. 58), Rn. 105. 65 Vgl. Riedel, WPg 2015, S. 1269; Bäuerle/Kessler, WPg 2016, S. 1188. 66 Vgl. Diehl, in: Bericht über die IDW Fachtagung 1997, Düsseldorf 1998, S. 195 ff. 67 Vgl. Hansen, a.a.O. (Fn. 15), S. 93. l 42 | 01.2017 | l Steuern & Recht KOMPAKT VERSCHWIEGENHEIT DES WP Umsetzung des neuen EU-Datenschutzrechts Die EU-Datenschutz-Grundverordnung (VO EU 2016/679) – im Folgenden DS-GVO – ist am 24.05.2016 in Kraft getreten; sie wird ab dem 25.05.2018 in der EU unmittelbar Geltung erlangen. Damit soll ein einheitliches Datenschutzniveau in der EU geschaffen werden. Bis dahin muss der deutsche Gesetzgeber Regelungsaufträge, die die Verordnung enthält, erfüllen. Außerdem kann er in bestimmten Bereichen Spielräume, die die Verordnung in Form von Öffnungsklauseln gelassen hat, nutzen. Des Weiteren haben die EU-Mitgliedstaaten die Datenschutzrichtlinie (EU) 2016/680 umzusetzen. Behörden zum Zwecke der Verhütung, Ermittlung, Aufdeckung oder Verfolgung von Straftaten oder der Strafvollstreckung sowie zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung des Rahmenbeschlusses 2008/977/JI des Rates, ABl. EU Nr. L 119 vom 04.05. 2016, S. 89. » (Entwurf für ein) Gesetz zur Anpassung des Datenschutzrechts an die Datenschutz-Grundverordnung (Verordnung (EU) 2016/679) und zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/680 (Datenschutz-Anpassungs- und -Umsetzungsgesetz EU – DSAnpUG-EU). Um ein reibungsloses Zusammenspiel der DS-GVO und der Richtlinie (EU) 2016/680 mit dem stark ausdifferen- IDW zum Entwurf des BMI zum Datenschutzrecht zierten deutschen Datenschutzrecht sicherzustellen, ist Das IDW hat sich am 07.12.2016 in einer Eingabe an das es nach Auffassung des Bundesministeriums des Inne- BMI zu diesem Referentenentwurf geäußert. Es setzt sich ren (BMI) erforderlich, das bisherige Bundesdaten- darin mit konkreten Formulierungsvorschlägen für einen schutzgesetz (BDSG) abzulösen. Das BMI hat deshalb am umfassenden Schutz der beruflichen Verschwiegenheits- 23.11.2016 den „Referentenentwurf eines Datenschutz- pflicht des Wirtschaftsprüfers ein. Anpassungs- und -Umsetzungsgesetzes EU“ zur Anhörung vorgelegt. Zentrale Norm für den Berufsstand ist § 26 BDSG-E, der Informations- und Auskunftsrechte von Personen, deren Überblick » Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung), ABl. EU Nr. L 119 vom 04.05.2016, S. 1. » Richtlinie (EU) 2016/680 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch die zuständigen Daten erhoben wurden („betroffene Personen“), zugunsten der Verschwiegenheitspflicht von Berufsträgern einschränkt. Außerdem schränkt § 26 Befugnisse von Aufsichtsbehörden ein. » Die sog. Öffnungsklausel des Art. 23 Abs. 1 der DS-GVO erlaubt Beschränkungen der verschiedenen Informations-, Auskunfts- und Korrekturrechte in den Art. 5, 12 bis 22 sowie 34 DS-GVO. Das BMI hat davon aber nur in sehr eingeschränktem Umfang Gebrauch gemacht. Das IDW hat für eine Ausweitung der Beschränkungen plädiert und mit Bezug auf das weitreichende Informationsrecht der betroffenen Personen in Art. 13 DS-GVO eine konkrete Formulierung vorgeschlagen. | 01.2017 | 43 STEUERN & RECHT Europäische und nationale Rechtsgrundlagen im » Artikel 23 Abs. 1 Buchst. g DS-GVO erlaubt Beschrän- schaftsprüfers unterliegen, ein. Allerdings ist die For- kungen zum Schutz der „berufsständischen Regeln mulierung nach Auffassung des IDW nicht klar genug. reglementierter Berufe“. Da der Entwurf diese » In diesem Zusammenhang bittet das IDW um Klar- Möglichkeit nicht erwähnt, hat das IDW den Bezug stellung, dass auch die Befugnisse der Strafverfolgungs- auf Art. 23 Abs. 1 Buchst. g DS-GVO gefordert. behörden durch die berufsrechtliche Verschwiegen- » Der Entwurf lässt offen, ob neben der gesetzlichen Verschwiegenheitspflicht auch die vertragliche Ver- heitspflicht begrenzt sind (vgl. § 43 DS-GVO und § 97 StPO). » DOC-ID: W1007503 schwiegenheitspflicht geschützt ist. Das IDW hat einen Formulierungsvorschlag unter Einbeziehung der vertraglichen Verschwiegenheitspflicht unterbreitet. » Der Entwurf schränkt zwar begrüßenswerterweise die Befugnisse der Aufsichtsbehörden im Umgang mit Daten, die der Verschwiegenheitspflicht des Wirt- Mehr zum Thema » Referentenentwurf des BMI mit Stand vom 23.11.2016 unter www.idw.de (Stellungnahmenfrist: zwei Wochen). » IDW Eingabe an das BMI vom 07.12.2016 (www.idw.de); zuvor bereits IDW Eingabe vom 07.07.2016 (WPg 2016, S. 933). REZENSION Familienunternehmen und Unternehmerfamilien Der deutsche Mittelstand wird ganz überwiegend von Familienunternehmen bestimmt. Nicht zuletzt deshalb wird dieser Typ eines Unternehmens als Rückgrat der deutschen Volkswirtschaft angesehen. Vor diesem Hintergrund analysiert das aus 34 Personen bestehende Autorenteam betriebswirtschaftliche, gesellschaftsrechtliche und steuerliche Aspekte von Familienunternehmen. Die Motivation zu diesem Kompendium erklärt sich dabei durch die Tatsache, dass das unternehmerische Wirken eines Familienunternehmens nicht nur Einfluss auf das Unternehmen und dessen betriebswirtschaftlichen Erfolg hat, sondern auch auf den privaten Zusammenhalt der Familie als tragendem Element einwirkt. Vor diesem Hintergrund geben die Autoren auf insgesamt 872 Seiten einen abstrakten Einblick in deutsche Unternehmerfamilien, der in praktischer Hinsicht auch auf den eigenen Beratungserfahrungen basiert. Ziel des Kompendiums ist es, dem Leser eine praxisnahe Darstellung an die Hand zu geben und weitergehende Fragen durch umfassende Literaturhinweise zu erschließen. Die insgesamt 16 Unterkapitel zur Abgrenzung der Familienunternehmen von anderen Unternehmen sowie zur Unternehmerfamilie tragen zur fachlichen Qualität des Werks bei. Das Autorteam hat dabei den bis Mai 2016 geltenden Wissensstand berücksichtigt. Nicht zuletzt aus diesem Grund kann das Werk jedem Benutzer, der sich mit betriebswirtschaftlichen, gesellschaftsrechtlichen und steuerlichen Fragen von Familienunternehmen beschäftigt, als aktuelles und auch für fachübergreifende Studien geeignetes Werk empfohlen werden. Aufgrund der Fülle der verarbeiteten Informationen kann es dem mit diesem Thema vertrauten Anwender ebenso nahegelegt werden wie dem auf rein theoretischer Basis befassten Wissenschaftler. » Wolfgang Schmidt » Rechenberg, Wolf-Georg Freiherr von / Thies, Angelika / Wiechers, Heiko (Hrsg.): Handbuch Familienunternehmen und Unternehmerfamilien. – Stuttgart : Schäffer Poeschel Verlag 2016. – 872 S. – € 99,95 44 | 01.2017 | Keywords: Mindestlohn Arbeitslohn Weihnachtsgeld Sonderzahlung Überstundenzuschlag ANALYSE Erstes Urteil des BAG zum Mindestlohngesetz Von RAin Jana Jocksch, LL.M., und RA Dr. Uwe Schlegel Das Bundesarbeitsgericht (BAG) klärt in seiner ersten Entscheidung zum Mindestlohngesetz (MiLoG) eine Reihe grundlegender Rechtsfragen des noch jungen Gesetzes. Vor allem geht das Gericht der Frage nach, inwieweit Sonderzahlungen auf den gesetzlichen Mindestlohn von bislang 8,50 Euro je Zeitstunde – ab dem 01.01.2017 wird sich der gesetzliche Mindestlohn auf 8,84 Euro brutto/Stunde erhöhen – Anrechnung finden können. Wir möchten dem in unserem Beitrag nach- 1 Einleitung chenbar.“ So titelte ZEIT ONLINE am 25.05.2016.1 2 Darlegungs- und Beweislast des Arbeitnehmers hinsichtlich tatsächlich geleisteter Arbeitsstunden Weiterhin heißt es in dem Beitrag: „Arbeitgeber Unter Hinweis auf § 1 Abs. 2 i. V. mit §§ 20 und 1 dürfen laut einem Urteil das Urlaubs- und Weih- Abs. 1 MiLoG weist das BAG eingangs seiner Ent- nachtsgeld heranziehen, um die Lohnuntergrenze scheidung darauf hin, dass der Anspruch auf den von 8,50 Euro zu erreichen.“ So oder so ähnlich gesetzlichen Mindestlohn mit jeder geleisteten Ar- formulierten es Autoren der Tagespresse in einer beitsstunde entstehe. Dies mache es für den be- Vielzahl von Veröffentlichungen, wenn es um die troffenen Arbeitnehmer notwendig, die von ihm erste Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden schlüssig 2 (BAG) zum Mindestlohngesetz (MiLoG) ging. darzulegen. Hierfür genüge eine aus dem Durch- Nachdem das Urteil des 5. Senats des BAG nun- schnitt eines Zeitraums ermittelte Stundenzahl mehr mit Entscheidungsgründen veröffentlicht nicht.4 Das kann vor allem in Fällen, in denen hin- worden ist, liest sich die Sache ein wenig anders. sichtlich der Arbeitszeit keine Aufzeichnungs- Das war schon aufgrund der vorangegangenen pflicht besteht, für Arbeitnehmer gegebenenfalls Pressemitteilung des BAG zu vermuten.3 zu praktischen Schwierigkeiten bei der Durchset- „Sonderzahlungen sind auf Mindestlohn anre- l l l STEUERN & RECHT gehen und aufzeigen, welche praktischen Konsequenzen dem Urteil des BAG folgen. l 1 www.zeit.de (Abruf: 27.10.2016). 2 BAG, Urteil vom 25.05.2016 – 5 AZR 135/16, juris. 3 Pressemitteilung des BAG 24/16 vom 25.05.2016 (http://juris.bundesarbeitsgericht.de; Abruf: 27.10.2016). 4 BAG, a.a.O. (Fn. 2), II.1. der Entscheidungsgründe. | 01.2017 | 45 » Erstes Urteil des BAG zum Mindestlohngesetz zung ihrer Ansprüche auf den gesetzlichen Min- unterschreiten. § 3 MiLoG führe bei Unterschrei- destlohn führen. ten des gesetzlichen Mindestlohns zu einem entsprechenden Differenzanspruch.10 3 Unbedingter Entgeltanspruch Nach § 1 Abs. 2 Satz 1 MiLoG beträgt der gesetz- Bei der Frage, ob ein Anspruch auf Differenzver- liche Mindestlohn bislang 8,50 Euro brutto „je gütung entstanden ist, scheiden nach Einschät- Zeitstunde“. Das BAG macht in seiner Entschei- zung des BAG längere Berechnungszeiträume als dung darauf aufmerksam, dass der Vergütungs- ein Kalendermonat aus.11 Damit stellt sich das anspruch des Arbeitnehmers nicht von der zeitli- BAG gegen eine im Schrifttum vertretene Auffas- 5 sung, die eine zweimonatliche Berechnung der Differenzvergütung befürwortet.12 Das BAG ver- Das BAG geht davon aus, dass es sich wegen des in § 1 Abs. 1 MiLoG verwendeten Begriffs des Mindestlohns um eine Bruttoentgeltschuld des Arbeitgebers handele. weist darauf, dass mit dem MiLoG dem in Vollzeit tätigen Arbeitnehmer ein Monatseinkommen oberhalb der Pfändungsfreigrenze gesichert werden solle. Daher regele § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 MiLoG die Fälligkeit des Mindestlohns spätestens am letzten Bankarbeitstag des Monats, der auf den Monat folgt, in dem die Arbeitsleistung chen Lage der Arbeit abhänge. Auch verlange erbracht wurde.13 der Mindestlohn nicht nach einem mit der Arbeitsleistung des Arbeitnehmers verbundenen 5 Erfüllung des Mindestlohnanspruchs Erfolg. Schließlich komme es auch nicht auf die Hinsichtlich der Erfüllung des Anspruchs des Ar- Umstände an, unter denen die Arbeitsleistung beitnehmers auf den gesetzlichen Mindestlohn erbracht wird. weist das BAG darauf hin, dass Erfüllung eintre- 6 te, wenn die für einen Kalendermonat gezahlte 4 Anspruch auf Mindestlohn als gesetzlicher Anspruch/Anspruch auf Differenzvergütung Bruttovergütung den Betrag erreiche, der sich Das BAG ist mit der bislang ganz überwiegenden Monat tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden mit Meinung im Schrifttum der Auffassung, dass der 8,50 Euro ergäbe. Auch verspätete Zahlungen Mindestlohnanspruch aus § 1 Abs. 1 MiLoG ein ge- könnten Erfüllungswirkung haben. Dies belege setzlicher Anspruch sei.7 Das MiLoG schaffe eine § 21 Abs. 1 Nr. 9 MiLoG, wonach der Arbeitgeber eigenständige Anspruchsgrundlage auf Mindest- ordnungswidrig handelt, wenn er den Mindest- lohn für alle Arbeitnehmer.8 Das BAG sieht, dass lohn nicht oder nicht rechtzeitig zahlt.14 Leistet aus der Multiplikation der Zahl der in diesem der Gesetzgeber mit dem Begriff „Lohn“ eine der Arbeitgeber den Mindestlohn nach Fälligkeit nicht mehr zeitgemäße Terminologie verwende; (§ 2 Abs. 1 MiLoG), kann der Arbeitnehmer dem- keinesfalls bedeute das aber, dass der gesetzliche nach Verzugszinsen sowie den Ersatz eines sons- Mindestlohn nur dem gewerblichen Arbeitneh- tigen Verzugsschadens nach §§ 288, 286 Abs. 2 mer bzw. Arbeiter zustehe. Nr. 1 BGB verlangen.15 9 Der Anspruch auf Mindestlohn – so das BAG – Im Zusammenhang mit der Erfüllung des gesetzli- trete neben den arbeits- oder tarifvertraglichen chen Mindestlohns nach § 362 Abs. 1 BGB ist das Entgeltanspruch. Das MiLoG greife in die Entgelt- BAG der Auffassung, dass der Gesetzesbegriff des vereinbarungen der Arbeitsvertragsparteien und Mindestlohns der Auslegung bedürfe. Das BAG etwaig anwendbare Entgelttarifverträge nur inso- geht davon aus, dass es sich wegen des in § 1 weit ein, als sie den Anspruch auf Mindestlohn Abs. 1 MiLoG verwendeten Begriffs des Mindest- l l l l 5 Ab dem 01.01.2017 wird sich der gesetzliche Mindestlohn auf 8,84 Euro brutto/Stunde erhöhen. 6 BAG, a.a.O. (Fn. 2), II.2.b)dd)(1). 7 BAG, a.a.O. (Fn. 2), II.2.b); so auch Riechert/Nimmerjahn, MiLoG, Komm., München 2015, § 1, Rn. 2, u.v.m. 8 BAG, a.a.O. (Fn. 2), II.2.b)aa). 9 BAG, a.a.O. (Fn. 2), II.2.b)dd)(1). 10 BAG, a.a.O. (Fn. 2), II.2.b). 11 BAG, a.a.O. (Fn. 2), II.2.b)bb); ebenso Kocher, AuR 2015, S. 173 (175). 12 Lembke, NZA 2015, S. 70 (74); Waltermann, AuR 2015, S. 166 (171). 13 BAG, a.a.O. (Fn. 2), II.2.b)bb). 14 BAG, a.a.O. (Fn. 2), II.2.b)cc). 15 So BAG, a.a.O. (Fn. 2), II.2.b)cc). 46 | 01.2017 | l l l l l l l lohns und der in § 1 Abs. 2 Satz 1 MiLoG bestimmten Höhe des Mindestlohns in Form eines Brutto- 6.2 Das Urteil des BAG: Der maßgebliche Sachverhalt betrags bei dem Mindestlohn um eine Bruttoent- Der Hinweis des BAG, dass ein umfassender Ent- geltschuld des Arbeitgebers handele.16 Der Arbeit- geltbegriff maßgeblich sei, beantwortet für sich geber schuldet dem Arbeitnehmer somit eine noch nicht die Frage, welche Sonderzahlung im Entgeltleistung in Form von Geld. Bei einer Geld- Einzelfall Anrechnung auf den gesetzlichen Min- schuld wird die geschuldete Leistung grundsätz- destlohn findet. Schon für die in dem durch das lich nur dann bewirkt, wenn der Gläubiger den BAG entschiedenen Fall zur Diskussion stehende ihm zustehenden Geldbetrag endgültig zur freien Jahressonderzahlung bedarf es nach den Ausfüh- Verfügung übereignet oder überwiesen erhält. rungen des Gerichts einer differenzierten Be- Aus diesem Grund erfüllt der Arbeitgeber nach trachtung. Um das anschaulich zu machen, soll Einschätzung des BAG den Anspruch auf den ge- zunächst noch einmal der der Entscheidung des setzlichen Mindestlohn nur dann, soweit die dem BAG zugrunde liegende Sachverhalt in seinem Arbeitnehmer gewährten Entgeltzahlungen dem Kern geschildert werden. Arbeitnehmer endgültig verbleiben. 17 In dem durch das BAG entschiedenen Fall erhielt 6 Vor allem: Sonderzahlungen und gesetzlicher Mindestlohn 6.1 Grundsätzliches zur Berücksichtigung von Geldleistungen die Klägerin, eine Mitarbeiterin in einer Cafeteria Für das BAG gilt schon nach den bislang aufge- verse Zuschläge, u. a. für Überstunden sowie für zeigten Überlegungen des Gerichts ein umfassen- Arbeit an Sonn- und Feiertagen. Schließlich wand- der Entgeltbegriff. Generell sind demnach alle im te die Beklagte der Klägerin zweimal jährlich im arbeitsvertraglichen in Abhängigkeit von den durch sie geleisteten Arbeitsstunden. Weiterhin erhielt die Klägerin di- (sog. Mai bzw. November eines jeden Jahres jeweils ein Synallagma) stehenden Geldleistungen des Arbeit- halbes Bruttomonatsgehalt zu, welches als Ur- gebers geeignet, den Anspruch des Arbeitnehmers laubs- bzw. Weihnachtsgeld bezeichnet wurde. auf den gesetzlichen Mindestlohn zu erfüllen.18 Weiterhin sah der Arbeitsvertrag zwischen den Das BAG weist darauf hin, dass es nur solchen Parteien vor, dass sich die Sonderzahlungen um Zahlungen an einer Erfüllungswirkung fehle, die 1/12 für jeden Kalendermonat, in dem kein Ar- der Arbeitgeber ohne Rücksicht auf eine tatsäch- beitsverhältnis bestanden hat oder für den keine liche Arbeitsleistung des Arbeitnehmers erbringt Bezüge beansprucht werden, vermindern sollte. oder die auf einer besonderen gesetzlichen Im Dezember 2014 schloss die Beklagte mit dem Zweckbestimmung beruhen. In diesem Zusam- im Betrieb gebildeten Betriebsrat eine „Betriebs- menhang verweist das BAG ausdrücklich auf die vereinbarung Inkrafttreten Mindestlohngesetz“, gesetzliche Regelung in § 6 Abs. 5 ArbZG, wonach die u. a. bestimmt, dass die arbeitsvertraglich ver- der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer im Falle soge- einbarten Jahressonderzahlungen i. H. von 1/12 nannter Nachtarbeit einen angemessenen Zu- für jeden Kalendermonat zur betriebsüblichen schlag auf das dem Arbeitnehmer zustehende Fälligkeit der Monatsvergütung zur Zahlung fällig Bruttoarbeitsentgelt schuldet.19 Diesen Hinweis sein sollen. Im Übrigen erhielt die Klägerin zu- des Gerichts kann man nur so verstehen, dass das letzt einen Stundenlohn von 8,00 Euro sowie ein BAG davon ausgeht, dass der etwaig geschuldete Bruttogehalt von 1.391,36 Euro. Einschließlich der Zuschlag für Nachtarbeit dem gesetzlichen Min- erwähnten Zuschläge zahlte die Beklagte an die destlohn hinzuzurechnen ist.20 Klägerin 1.507,30 Euro. l l l l STEUERN & RECHT Austauschverhältnis der Beklagten, eine monatliche Grundvergütung l 16 BAG, a.a.O. (Fn. 2), II.2.b)dd)(1). 17 BAG, a.a.O. (Fn. 2), II.2.b)(dd)(2). 18 BAG, a.a.O. (Fn. 2), II.2.b)(dd)(3). 19 BAG, a.a.O. (Fn. 2), II.2.b)(dd)(3). 20 Ebenso ErfK/Franzen, Komm., 16. Aufl., München 2016, § 1 MiLoG, Rn. 13; NK-GA/Forst, Komm., Baden-Baden 2016, § 1 MiLoG, Rn. 10, u.v.m. | 01.2017 | 47 » Erstes Urteil des BAG zum Mindestlohngesetz 6.3 Erfüllungswirkung der Sonderzahlungen im konkreten Fall b. Verknüpft der Arbeitgeber die im zeitlichen Zusammenhang mit dem Weihnachtsfest er- Der geschilderte Sachverhalt hat das BAG veran- folgende Zahlung zu Gunsten des Arbeitneh- lasst, davon auszugehen, dass die erwähnten Jah- mers mit dem Erfordernis einer Betriebstreue, ressonderzahlungen Anrechnung auf den gesetzli- so kann die Sonderzahlung nach unserer Ein- chen Mindestlohn finden. Das BAG führt aus, dass schätzung ebenfalls keine Anrechnung auf den den vorbehaltlos und unwiderruflich in jedem gesetzlichen Mindestlohn finden. Hier erfolgt Kalendermonat zu 1/12 geleisteten Jahressonder- die Zuwendung nicht mit dem Zweck, die Ar- zahlungen Erfüllungswirkung zukomme. Bei den beitsleistung des Arbeitnehmers zu vergüten.24 Sonderzahlungen handele es sich um eine im ar- c. Erhält der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber ein beitsvertraglichen Austauschverhältnis stehende sogenanntes 13. Gehalt, so wird dem in aller Gegenleistung des Arbeitgebers für die vom Ar- Regel mit Blick auf den gesetzlichen Mindest- beitnehmer erbrachte Arbeit. Einer besonderen lohn Erfüllungswirkung beigemessen werden gesetzlichen Zweckbestimmung unterlägen die können. Allerdings besteht dann immer noch Jahressonderzahlungen nicht. das Problem der Fälligkeit (§ 2 MiLoG). Der Ar- 21 beitgeber kann mit einer z. B. im November ei- 6.4 Sonderzahlungen anlässlich des Weihnachtsfestes nes Jahres erfolgenden Entgeltzahlung in Form Das Urteil des BAG lässt keinesfalls den Schluss gesetzlichen Mindestlohn etwaig rückständige zu, dass Sonderzahlungen allgemein auf den ge- Vergütung aus den Vormonaten ausgleichen. setzlichen Mindestlohn angerechnet werden dür- Es droht ein bußgeldbewehrter Verstoß gegen eines 13. Gehalts nicht eine mit Blick auf den des MiLoG (§ 21 Abs. 2 Nr. 1 MiLoG). Das Urteil des BAG lässt keinesfalls den Schluss zu, dass Sonderzahlungen allgemein auf den gesetzlichen Mindestlohn angerechnet werden dürfen. 6.5 Weitere Sonderzahlungen Im Übrigen ist aus unserer Sicht für mögliche weitere Sonderzahlungen wie folgt zu entscheiden: a. Trinkgelder können selbstverständlich keine Anrechnung auf den gesetzlichen Mindestlohn finden, denn hierbei handelt es sich nicht um eine Leistung des Arbeitgebers.25 fen. Maßgeblich ist vor allem die Aussage des Ge- b. Der sogenannte Kita-Zuschuss dürfte ebenfalls richts, wonach alle im Synallagma stehenden keine Anrechnung finden, denn durch diesen Geldleistungen des Arbeitgebers geeignet sind, wird nicht die Arbeitsleistung des Arbeitneh- den Mindestlohnanspruch des Arbeitnehmers zu mers belohnt; vielmehr wird berücksichtigt, erfüllen.22 Wenn man dies am Beispiel der anläss- dass der Arbeitnehmer Aufwendungen für die lich des Weihnachtsfestes vom Arbeitgeber geleisteten Sonderzahlung durchdenkt, so ergeben sich Betreuung seiner Kinder zu tragen hat. c. Eine Erholungsbeihilfe im Rahmen der steuer- aus unserer Sicht folgende Konsequenzen: lich anerkannten Grenzen (§ 40 Abs. 3 Nr. 3 a. Eine vom Arbeitgeber lediglich freiwillig ge- EStG) kann nach unserer Einschätzung eben- zahlte Sonderzuwendung kann nicht auf den falls nicht auf den gesetzlichen Mindestlohn an- Mindestlohn angerechnet werden. Eine Er- gerechnet werden, denn mit der Zahlung dieser füllungswirkung kann nur dann angenommen Beihilfe will der Arbeitgeber dem Umstand werden, wenn es sich um eine Zahlung des Ar- Rechnung tragen, dass dem Arbeitnehmer beitgebers handelt, auf die der Arbeitnehmer während der Urlaubszeit zusätzlicher Aufwand unter rechtlichen Gesichtspunkten betrachtet entsteht, an dem sich der Arbeitgeber mit der einen Anspruch hat. Gewährung der Beihilfe beteiligen möchte.26 23 21 BAG, a.a.O. (Fn. 2), II.2.c). 22 BAG, a.a.O. (Fn. 2), II.2.b)(dd)(3). 23 Ebenso NK-GA/Forst, a.a.O. (Fn. 20). 24 So auch NK-GA/Frost, a.a.O. (Fn. 20), Rn. 11. l l l l 25 Schubert/Jerchel/Düwell, MiLoG, Baden-Baden 2015, Rn. 140 (S. 77), u.v.m. 26 So im Ergebnis auch NK-GA/Forst, a.a.O. (Fn. 20), Rn. 10. l l 48 | 01.2017 | d. Bei Schmutz- und Gefahrenzulagen ist die gezahlt. Hinsichtlich geleisteter Überstunden-, Rechtslage unserer Auffassung nach aktuell Sonn- und Feiertagszuschläge hatte der Arbeitge- nicht eindeutig. Zahlt der Arbeitgeber einer ber den vertraglichen Bruttostundenlohn i. H. von Reinigungskraft beispielsweise mit Blick auf 8,00 Euro zugrunde gelegt. Das alles beanstandet den außergewöhnlich hohen Grad der Ver- das BAG nicht. Das Gericht geht nämlich davon schmutzung der zu reinigenden Gegenstände aus, dass hinsichtlich eines jeden einzelnen Mo- ein zusätzliches Entgelt, kann das durchaus auf nats der Anspruch des Arbeitnehmers auf Zah- den gesetzlichen Mindestlohn Anrechnung fin- lung des gesetzlichen Mindestlohns erfüllt wurde. den. In einem solchen Fall vergütet der Arbeitgeber die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers.27 8 Zusammenfassung e. Auch Zahlungen des Arbeitgebers zur Verbes- Mit seiner ersten Entscheidung zum MiLoG klärt serung der Altersversorgung können wegen das BAG eine Reihe grundlegender Fragen zum der mit der Leistung verbundenen Zweckset- gesetzlichen Mindestlohn. Die vom Gericht aufge- zung keine Anrechnung auf den gesetzlichen zeigten dogmatischen Grundlagen zeichnen zu- Mindestlohn finden. gleich die von ihm im konkreten Fall gefundenen 28 Ergebnisse vor. Zentral scheint uns der Satz des 7 Zuschläge für Überstunden-, Sonn- und Feiertage Gerichts zu sein, wonach der Arbeitgeber den Das BAG ist der Auffassung, dass die klagende Ar- chen Mindestlohn grundsätzlich dann erfüllt, beitnehmerin auch hinsichtlich der von ihr er- wenn er im jeweiligen Kalendermonat eine Brut- langten Zuschläge für Überstunden sowie Sonn- tovergütung zahlt, die den Betrag erreicht, der und Feiertagsarbeit gesetzeskonform entlohnt sich aus der Multiplikation der Zahl der in die- wurde. Das Gericht meint, dass die genannten Zu- sem Monat tatsächlich geleisteten Arbeitsstun- schläge nicht auf der Grundlage der in § 1 Abs. 2 den mit 8,50 Euro ergibt. Anspruch des Arbeitnehmers auf den gesetzli- » DOC-ID: W1007439 Satz 1 MiLoG bestimmten 8,50 Euro, sondern allein unter Beachtung des vertraglich vereinbarten Bruttostundenentgelts von vorliegend 8,00 Euro zu berechnen seien. Die Zuschlagspflicht für Überstunden sowie Arbeit an bestimmten Tagen folgt für das BAG ausschließlich aus dem zwischen den Parteien vereinbarten Arbeitsvertrag; daran habe das MiLoG nichts geändert.29 Im Übrigen stünden der Klägerin aufgrund des MiLoG keine weiteren Überstundenvergütungen zu. In den Monaten, in denen die Klägerin Überstunden geleistet habe, habe die Beklagte den gesetzlichen Mindestlohn durch Zahlung des Bruttomonatsgehalts sowie STEUERN & RECHT der genannten Zuschläge erfüllt.30 Vorstehendes führt auf den ersten Blick zu einem überraschenden Ergebnis. In dem vom BAG entschiedenen Fall hatte der beklagte Arbeitgeber der Klägerin über mehrere Monate hinweg eine Vergütung von jeweils insgesamt 1.507,30 Euro » Jana Jocksch, LL.M. ETL Rechtsanwälte GmbH Rechtsanwaltsgesellschaft, Köln » Dr. Uwe Schlegel ETL Rechtsanwälte GmbH Rechtsanwaltsgesellschaft, Köln 27 Anderer Ansicht wohl NK-GA/Forst, a.a.O. (Fn. 20, Rn. 10. 28 Im Ergebnis ebenso Schubert/Jerchel/Düwell, a.a.O. (Fn. 25). 29 BAG, a.a.O. (Fn. 2), II.4. l l l 30 BAG, a.a.O. (Fn. 2), II.5. l | 01.2017 | 49 Keywords: Streubesitzdividende DBA-Recht Europarecht Kapitalertragsteuer ANALYSE Ist die deutsche Streubesitzdividendenbesteuerung weiterhin europarechtswidrig? Von StB Thomas Kollruss Auch nach Einfügung des § 8 b Abs. 4 KStG spricht vieles dafür, dass die deutsche Streubesitzdividendenbesteuerung weiterhin europarechtswidrig ist. Hintergrund ist eine fehlende Verzahnung von § 8 b Abs. 4 KStG mit dem DBA-Recht. Die unilaterale Regelung des § 8 b Abs. 4 KStG ist auch nicht in der Lage, eine europarechtskonforme Streubesitzdividendenbesteuerung herzustellen, da die Norm vor allem nicht die Besteuerung an der Quelle regelt. Im Spannungsfeld zwischen Europa- und Abkommensrecht bietet sich daher die Aufhebung des § 8 b Abs. 4 KStG an. Neben einer europarechtskonformen Besteuerung von Streubesitzdividenden könnte dadurch auch die Eigenkapitalfinanzierung – gegenüber der Gesellschafter-Fremdfinanzierung – in deutsche Kapitalgesellschaften gestärkt werden. 1 Problemstellung Streubesitzdividende). In Reaktion auf das Urteil des EuGH vom 20.10. schränkt 2011 – C-284/09 (Kommission/Deutschland)1 und als Empfänger einer inländischen Streubesitzdivi- zur Weiterführung der abgeltenden Erhebung dende führt § 8 b Abs. 4 KStG zu einer massiven deutscher Kapitalertragsteuer auf Streubesitzdi- wirtschaftlichen Doppelbesteuerung. Insgesamt videnden 2, 3 Vor steuerpflichtige allem für unbe- Kapitalgesellschaften , die von deutschen Kapitalgesellschaf- stellt sich die Frage nach der tatsächlichen Wirk- ten an beschränkt steuerpflichtige Körperschaf- kraft der deutschen Streubesitzdividendenbe- ten gezahlt werden (sog. Inbound-Streubesitzdi- steuerung (§ 8 b Abs. 4 KStG, § 43 EStG); dies des- videnden), hat der Gesetzgeber § 8 b Abs. 4 KStG halb, weil der Gesetzgeber abkommensrechtliche als „Lösung“ eingeführt. Die Regelung schließt die Aspekte bei der Konzeption von § 8 b Abs. 4 KStG Beteiligungsertragsbefreiung nach § 8 b Abs. 1 nicht beachtet hat. Die Einordnung der Streube- Satz 1 KStG für Streubesitzdividenden aus, die in sitzdividendenbesteuerung nach § 8 b Abs. 4 KStG Deutschland im Rahmen der Veranlagung be- in das System der abkommensrechtlichen Rege- steuert werden („inländische“ Empfänger der lungen ist nicht gelungen. Die deutsche Streube- 4 1 Vgl. EuGH-Urteil vom 20.10.2011 – C-284/09 (Kommission/Deutschland), DStR 2011, S. 2038; allgemein Rehr, DStR 2015, S. 1481 ff. 2 (Nenn-)Kapitalbeteilil l gung < 10 %. 3 Vgl. BT-Drucks. 17/10604 vom 05.09.2012, S. 22. 4 Unter Berücksichtigung von § 44 a Abs. 9 EStG und außerhalb von Fällen des § 50 d Abs. 3 l l EStG beträgt die finale deutsche Kapitalertragsteuerbelastung 15 % der Bruttodividende. 50 | 01.2017 | sitzdividendenbesteuerung enthält kein Treaty zur ausländischen Betriebsstätte der deutschen Override.5 Der Gesetzgeber hat per se angenom- Kapitalgesellschaft gehören (vgl. Übersicht 1).7 men, dass Deutschland bei diesen Streubesitzdividenden (Nennkapitalbeteiligung < 10 %) abkommensrechtlich das Besteuerungsrecht hat, vor allem für einen in Deutschland ansässigen Deutschland DBA-Ausland Streubesitzdividendenempfänger. Aber auch für Ausschüttungen von Streubesitzdividenden durch KapG eine in Deutschland ansässige Körperschaft/Kapitalgesellschaft hat der deutsche Gesetzgeber BSt faktisch ein abkommensrechtliches Quellenbesteuerungsrecht unterstellt (Erhebung deutscher 6% GmbH Kapitalertragsteuer gemäß Art. 10 Abs. 2 DBA OECD-MA). Beides muss aber nicht der Fall sein. Der vorliegende Beitrag zeigt erstmals eine Konstellation bei Streubesitzdividenden auf, bei der § 8 b Abs. 4 KStG i. V. mit § 43 EStG aufgrund seiner fehlenden Abstimmung mit Abkommensrecht Übersicht 1 » Inländische Streubesitzdividende nach Art. 21 Abs. 2 DBA OECD-MA faktisch nicht zur Wirkung kommt. Betroffen sind in- und ausländische Streubesitzbeteiligungen, die abkommensrechtlich unter Art. 21 DBA OECD- 2.2 Deutsche Streubesitzdividendenbesteuerung (§ 8 b Abs. 4 KStG, § 43 EStG) MA sowie den verlängerten Betriebsstättenvorbe- Nachfolgend wird die deutsche Streubesitzdivi- halt fallen (Art. 21 Abs. 2 DBA OECD-MA). Die dendenbesteuerung vor dem Hintergrund des deutsche Streubesitzdividendenbesteuerung ist DBA-Rechts analysiert und diskutiert. Dabei wird konzeptionell und systematisch nicht mit dem von dem Fallbeispiel in Übersicht 1 ausgegangen. DBA-Recht abgestimmt worden. Der vorliegende Ohne Berücksichtigung des DBA-Rechts und sei- Beitrag zeigt die abkommenssystematischen Defi- nes Systems bzw. der Annahme, dass das DBA- zite der deutschen Streubesitzdividendenbesteue- Recht die deutsche Streubesitzdividendenbesteue- rung auf und geht auf eine etwaige partielle Eu- rung nicht limitiert, ergeben sich die folgenden er- roparechtswidrigkeit ein. tragsteuerlichen Implikationen: (i) Erhebung einer Kapitalertragsteuer (Quellen- 2 Inländische Streubesitzdividende, die unter Art. 21 Abs. 2 DBA OECD-MA fällt 2.1 Fallbeispiel steuer) i. H. von 25 % auf den Bruttobetrag Zunächst wird der Fall einer inländischen Streu- Satz 1 Nr. 1 EStG, § 32 KStG). wirkung (§§ 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 43 a Abs. 1 (ii) Steuerpflicht der Brutto-Streubesitzdividende lich unter Art. 21 Abs. 2 DBA OECD-MA fällt. Als gemäß § 8 b Abs. 4 Satz 1 KStG auf der Ebene konkretes Beispiel dient hier eine deutsche Kapi- der deutschen Empfänger-Kapitalgesellschaft talgesellschaft (KapG), die in einer Betriebsstätte (KSt = 15 %) unter Anrechnung der Kapitaler- (BSt) in einem ausländischen DBA-Staat eine Be- tragsteuer (25 %) gemäß § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG, teiligung an einer deutschen GmbH i. H. von 6 % sodass die finale Körperschaftsteuerbelastung 6 hält (Nennkapitalbeteiligung) und von dieser Di- der Brutto-Streubesitzdividende 15 % beträgt. videnden empfängt. Abkommensrechtlich liegt Ob die genannten Steuerfolgen tatsächlich so ein- eine Ansässigkeitsstaat treten, hängt vom DBA-Recht ab. In Bezug auf das Deutschland vor. Die Beteiligung soll funktional Fallbeispiel scheidet die gewerbesteuerliche Er- Dividende aus dem STEUERN & RECHT besitzdividende betrachtet, die abkommensrecht- der Streubesitzdividende ohne Abgeltungs- 8 b Abs. 1 Satz 3 i. V. mit Satz 2 KStG greift nur für solche Fälle, bei denen die Ausschüttung das Einkommen der leistenden Körperschaft gemindert hat. l56 §Beispielsweise eine niederländische Betriebsstätte. 7 Vgl. allgemein FG Münster vom 15.12.2014 – 13 K 624/11 F, EFG 2015, S. 704 (Rev. BFH: I R 10/15); l l Schulz-Trieglaff, IStR 2015, S. 717 ff.; BFH-Beschluss vom 19.12.2007 – I R 66/06, BStBl. II 2008, S. 510; BFH-Urteil vom 24.08. 2011 – I R 46/10, BStBl. II 2014, S. 764; Rust, in: Vogel/Lehner, DBA, 6. Aufl., München 2015, Art. 21, Rn. 1, 49. | 01.2017 | 51 » Ist die deutsche Streubesitzdividendenbesteuerung weiterhin europarechtswidrig? fassung der Streubesitzdividende in Deutschland steuerungsrecht an der Streubesitzdividende zu- bereits nach innerstaatlichem Steuerrecht aus gewiesen. Allerdings ordnet Art. 21 Abs. 2 DBA (§ 2 Abs. 1 Satz 1 und 3 GewStG). Für den Dividen- OECD-MA die Nichtanwendung von Abs. 1 an und denempfänger ist diese Beteiligungsstruktur da- sieht die Anwendung von Art. 7 DBA OECD-MA her von Vorteil. (Unternehmensgewinne) vor, da die Streubesitzdividendenbeteiligung funktional der ausländi- 2.3 DBA-Recht (Art. 21 Abs. 2 DBA OECD-MA) und Streubesitzdividendenbesteuerung schen DBA-Betriebsstätte der Empfänger-Kapital- Nun soll der zentrale Aspekt der abkommens- zuzuordnen ist. gesellschaft (KapG) im anderen Vertragsstaat rechtlichen Behandlung der Streubesitzdividende berücksichtigt werden und diese mit der (inten- Demzufolge findet nun Art. 7 DBA OECD-MA auf dierten) deutschen Streubesitzdividendenbesteue- die Streubesitzdividende Anwendung. Gemäß Art. 7 Abs. 1 DBA OECD-MA ist die Streubesitzdividende Teil des ausländischen Betriebsstättenge- Vollständiger DBA-Besteuerungsausschluss – inkl. Kapitalertragsteuer – für Streubesitzdividenden, die unter Art. 21 Abs. 2 DBA OECD-MA fallen. winns und darf vom ausländischen Betriebsstättenstaat besteuert werden. DBA-Besteuerungsausschluss für Streubesitzdividenden (Art. 21 Abs. 2 DBA OECD-MA) Deutschland hat diese gemäß Art. 7 Abs. 1 i. V. mit Art. 23A Abs. 1 DBA OECD-MA9 abkommensrecht- rung zusammengebracht werden. Wie bereits er- lich auf der Ebene der Empfänger-Kapitalgesell- wähnt, schränkt die innerstaatliche Streubesitzdi- schaft (KapG) von der deutschen Besteuerung videndenbesteuerung nicht die Anwendung der auszunehmen. Diese abkommensrechtliche Frei- DBA-Regelungen ein (kein Treaty Override). Zwi- stellung der Streubesitzdividende erstreckt sich schen Deutschland und dem ausländischen Be- sowohl auf die Quellenbesteuerung (Kapitaler- triebsstättenstaat besteht ein DBA nach Maßgabe tragsteuer) als auch auf die Besteuerung im Rah- des OECD-MA. men der Veranlagung nach § 8 b Abs. 4 KStG. Ab- 8 kommensrechtlich „entfällt“ in der Konstellation Im Fallbeispiel (Übersicht 1) fällt die Streube- (Abb. 1) die deutsche Quellenbesteuerung (Kapi- sitzdividende abkommensrechtlich nicht unter talertragsteuerabzug), da Art. 7 DBA OECD-MA Art. 10 DBA OECD-MA (Dividendenartikel), da sie dem Ansässigkeitsstaat Deutschland kein Quel- von einer in Deutschland ansässigen Kapitalge- lenbesteuerungsrecht einräumt. Artikel 10 Abs. 2 sellschaft an eine Kapitalgesellschaft gezahlt DBA OECD-MA (Quellenbesteuerung) ist ebenfalls wird, die ebenfalls in Deutschland ansässig ist nicht anwendbar, da die Norm aufgrund einer Di- (Art. 4 Abs. 3 DBA OECD-MA) und nicht im aus- vidende aus dem Ansässigkeitsstaat in toto nicht ländischen Abkommens- zur Anwendung gelangt. Insgesamt mangelt es rechtlich stammt die Streubesitzdividende somit Deutschland in der Konstellation einer unter aus dem Ansässigkeitsstaat der Empfänger-Kapi- Art. 21 Abs. 2 DBA OECD-MA fallenden Streube- talgesellschaft (Deutschland). In Bezug auf den sitzdividende, die von einer in Deutschland an- Empfänger (KapG) liegen mit der Streubesitzdivi- sässigen Gesellschaft an eine in Deutschland an- dende Einkünfte aus dem Ansässigkeitstaat vor, sässige Gesellschaft gezahlt wird (Empfängerin), sodass Art. 21 Abs. 1 DBA OECD-MA zunächst zu an einer abkommensrechtlichen Besteuerungs- prüfen ist. Nach dieser Regelung wird Deutsch- möglichkeit (Freistellung). Demzufolge greift die land abkommensrechtlich das ausschließliche Be- deutsche Streubesitzdividendenbesteuerung in l Betriebsstättenstaat. l 8 Z.B. DBA Deutschland-Niederlande 2012. 9 Bzw. Art. 22 Abs. 1 Buchst. a), c) DBA Deutschland-Niederlande 2012. Die als Unternehmensgewinn (Art. 7) qualifizierten Streubesitzdividenden sind aktive Einkünfte i. S. von Art. 22 Abs. 1 Buchst. c) DBA Deutschland-Niederlande. 52 | 01.2017 | diesem Fall weder auf der Quellenbesteuerungs- USA 2008) die Anwendung von Art. 10 Abs. 2 DBA seite (Kapitalertragsteuer) noch auf der Empfän- somit für den Nicht-Quellenstaat (Ansässigkeits- gerseite (§ 8 b Abs. 4 KStG) wirksam durch. Dieser staat der ausschüttenden Gesellschaft) und sieht Effekt besteht für die meisten deutschen DBA, eine Anrechnungsverpflichtung dieser Steuer welche dem OECD-MA folgen und keinen entge- durch den abkommensrechtlichen Quellenstaat genstehenden Aktivitätsvorbehalt vorsehen. (ausländischer Betriebsstättenstaat) vor, die nach Maßgabe des originären Methodenartikels (OECD- DBA-Spezialregelungen bestätigen MA) so nicht besteht. Allerdings gilt die vorstehen- Besteuerungsausschluss de Protokoll-Regelung ausschließlich im Rahmen Bestätigt wird dieses Ergebnis durch das DBA des DBA Deutschland-USA 2008, also nicht für Deutschland-USA 2008, das im Protokoll Nr. 18 andere deutsche DBA. 10 (zu Art. 21 Abs. 2) für die hier diskutierte Konstellation eine konstitutive Spezialregelung enthält11: Kein Besteuerungszugriff über unilaterale Spezialvorschriften „Wenn der Empfänger und der Schuldner einer Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass die Dividende in der Bundesrepublik Deutschland deutsche Empfänger-Kapitalgesellschaft (KapG) ansässig sind und die Dividende einer Betriebs- gemäß § 50 d Abs. 1, 3 EStG grundsätzlich An- stätte zuzurechnen ist, die der Empfänger der spruch auf vollständige Erstattung der deutschen Dividende in den Vereinigten Staaten hat, kann Kapitalertragsteuer hat (Freistellungsbescheid), die Bundesrepublik Deutschland die Dividende da die Streubesitzdividende abkommensrecht- zu den in Artikel 10 Absätze 2 und 3 (Dividen- lich in Deutschland nicht besteuert werden darf den) vorgesehenen Sätzen besteuern. Die Verei- (DBA-Freistellung). Auch § 20 Abs. 2 AStG kann nigten Staaten rechnen die Steuer nach Artikel 23 keine Besteuerung in Deutschland herbeiführen (Vermeidung der Doppelbesteuerung) an“. (switch-over), da (Streubesitz-)Dividenden aktiver Natur sind gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 8 AStG. Die Regelung ist deshalb konstitutiv, da in dem Schließlich ist auch § 50 d Abs. 9 EStG nicht ein- Fall keine Dividende i. S. von Art. 10 DBA existiert, schlägig, da der andere Staat – ausländischer Be- Art. 10 DBA nicht einschlägig ist und der „Quellen- triebsstättenstaat – die Dividende nach Art. 7 staat“ der Dividende (Ansässigkeitsstaat der aus- DBA OECD-MA besteuert. Nach § 50 d Abs. 9 Satz 2 schüttenden Gesellschaft) deshalb keine Quel- EStG findet § 50 d Abs. 9 Satz 1 Nr. 2 EStG keine lenbesteuerungsmöglichkeit nach Maßgabe von Anwendung, da diese Regelung nicht für Dividen- Art. 10 Abs. 2 DBA hat und auch keine Besteue- den gilt, die nach einem DBA von der deutschen rung über Art. 7 DBA (Unternehmensgewinne) Besteuerung auszunehmen sind. gewinn von der Besteuerung auszunehmen hat des originären DBA-Rechts (OECD-MA) und in die- 3 Nichtdurchgreifen und Asymmetrie der Streubesitzdividendenbesteuerung in DBA-Fällen sem bilateralen Verhältnis ist in dem hier disku- Die deutsche Streubesitzdividendenbesteuerung tierten Fall der eigentliche Quellenstaat der Streu- ist nicht mit dem DBA-Recht abgestimmt. Die besitzdividende nämlich nicht der Ansässigkeits- Folge ist ihr Nichtdurchgreifen in bestimmten staat der ausschüttenden Gesellschaft, sondern Fällen. Betroffen sind vor allem Streubesitz- (Art. 23A Abs. 1 DBA OECD-MA). Nach Maßgabe der Abwei- dividenden, die zwischen Kapitalgesellschaf- chend von den Regelungen des OECD-MA und für ten gezahlt werden, die in Deutschland ansässig Zwecke der Quellenbesteuerung eröffnet die kon- sind und die abkommensrechtlich unter Art. 21 stitutive Protokoll-Regelung (DBA Deutschland- Abs. 2 DBA OECD-MA fallen, also einer Betriebs- l ausländische Betriebsstättenstaat. STEUERN & RECHT eingeräumt bekommt, da er den Betriebsstätten- l 10 Vgl. hierzu allgemein Eimermann, in: Wassermeyer, DBA USA, 132. Lfg. 01/2016, Art. 21, Rn. 56–58. 11 Ähnliches bestimmt die deutsche DBA-Verhandlungsgrundlage (DE-VG, Protokoll Nr. 3 zu Art. 20 DE-VG). | 01.2017 | 53 » Ist die deutsche Streubesitzdividendenbesteuerung weiterhin europarechtswidrig? stätte im anderen Vertragsstaat zuzurechnen partiell gegen Europarecht verstößt. Ursächlich sind. In einem solchen Fall scheitert sowohl die hierfür könnten die inhärenten abkommenssyste- deutsche (Kapitalertrag- matischen Defizite dieser Besteuerung sein. Wie steuer) als auch die Besteuerung im Rahmen der vorstehend skizziert, greift die deutsche Streu- Veranlagung (§ 8 b Abs. 4 KStG). Sofern im aus- besitzdividendenbesteuerung nicht durch, wenn ländischen DBA-Betriebsstättenstaat keine ef- die Streubesitzdividende fektive Besteuerung der Streubesitzdividende DBA-Freistellungsbetriebsstätte zuzurechnen ist erfolgt (Beteiligungsertragsbefreiung12, Anrech- (Art. 21 Abs. 2 i. V. mit Art. 7 DBA OECD-MA) und nung), kann diese im Ergebnis „unbesteuert“ von einer in Deutschland ansässigen Kapitalge- vereinnahmt werden. Insgesamt überzeugt die sellschaft an eine in Deutschland ansässige Emp- deutsche Streubesitzdividendenbesteuerung in fänger-Kapitalgesellschaft DBA-Fällen nicht, da sie diesbezüglich Be- Dieser Fall kann im Sinne der europarechtlichen steuerungsasymmetrien herbeiführt und keine Vergleichspaarbildung als vergleichbarer Inlands- Gleichmäßigkeit der Besteuerung gewährleistet. fall bezeichnet werden. Quellenbesteuerung einer ausländischen ausgeschüttet wird. Relevante Vergleichspaarbildung Deutschland DBA-Ausland DBA-Ausland Der maßgebliche Auslandsfall ist derjenige, bei dem eine im EU-Aus- KapG KapG land ansässige Kapitalgesellschaft BSt BSt 6% Deutschland 6% GmbH GmbH Empfängerin der Streubesitzdividende ist (vgl. Übersicht 2). Im vergleichbaren hypothetischen Inlandsfall13 stellen sich die von Inlandsfall Auslandsfall Deutschland eingegangenen Besteuerungsregelungen Übersicht 2 » Vergleichspaar und europarechtliche Prüfung in Bezug auf den Anteilseigner (inländische Kapitalgesellschaft) so dar, dass faktisch weder eine deutsche Quel- Die Einordnung der deutschen Streubesitzdivi- lenbesteuerung (Kapitalertragsteuer) noch eine dendenbesteuerung in das Abkommensrecht Ansässigkeitsbesteuerung (§ 8 b Abs. 4 KStG) er- und das DBA-System ist nicht gelungen. Je nach folgt. Im Auslandsfall – EU-ausländische Kapital- Fallkonstellation reicht die Spannweite der Be- gesellschaft als Anteilseignerin – wird zumindest steuerung von einer vollständigen (körper- eine deutsche Quellenbesteuerung (Steuersatz = schaftsteuerlichen) Besteuerung der Streubesitz- 15 %) final vorgenommen.14 Aufgrund fehlender dividende in Deutschland bis zur gänzlichen unilateraler Ergänzungsvorschriften bzw. Abstim- Freistellung. mung der deutschen Streubesitzdividendenbesteuerung mit dem abkommensrechtlichen Sys- 4 Europarechtswidrigkeit der deutschen Streubesitzdividendenbesteuerung qua abkommenssystematischer Defizite? tem erfolgt im Inlandsfall keine Besteuerung der Ferner stellt sich die Frage, ob die deutsche Streu- ter bei gleicher Beteiligungsstruktur steuerlich besitzdividendenbesteuerung – auch nach ihrer schlechter behandelt als der vergleichbare inlän- legislatorischen Modifikation – womöglich noch dische Gesellschafter im Hinblick auf die Besteue- Streubesitzdividende durch Deutschland. Insgesamt wird damit der EU-ausländische Gesellschaf- 12 Vgl. zur ausländischen Holdingbesteuerung Jacobs/Endres/Spengel, Internationale Unternehmensbesteuerung, 8. Aufl., München 2016, S. 1020 ff.; Dorfl mueller, IStR 2009, S. 831 f. 13 Siehe auch Fußnote 20. 14 Nach Maßgabe des DBA zwischen Deutschland und dem EU-ausländischen Ansässigkeitsstaat der l l dividendenempfangenden Kapitalgesellschaft (Art. 10 Abs. 2 DBA OECD-MA). 54 | 01.2017 | rung der Streubesitzdividende durch Deutsch- pelbesteuerungsabkommen land.15 Letztlich ist die steuerliche Schlechterstel- kommen entsprechende Regelungen aufzuneh- bzw. Revisionsab- lung des Auslandsfalls durch die Ansässigkeit des men wie im DBA USA 2008 (Protokoll Nr. 18 zu Gesellschafters im EU-Ausland bedingt, auch Art. 21 Abs. 2). Allerdings würde dies zunächst wenn abkommensrechtliche Aspekte involviert „nur“ die deutsche Quellenbesteuerung an der sind. Dies gilt umso mehr, als der OECD-MK expli- Streubesitzdividende für diejenigen Fälle sichern, zit für diese Fälle (Inlandsfall) auf die Einfügung in denen eine in Deutschland ansässige Gesell- einer Quellenbesteuerung für den Ansässigkeits- schaft die Streubesitzdividende ausschüttet. Nicht staat des Dividendenempfängers verweist (OECD- erfasst sind die Fälle, bei denen ausländische MK Nr. 5 zu Art. 21 DBA OECD-MA). Auch die deutsche DBA-Verhandlungsgrundlage enthält dazu einen entsprechenden Hinweis zum abkommensrechtlichen Problem.16 Streubesitzdividendenbesteuerung wohl weiterhin europarechtswidrig (Art. 63 AEUV) Europarechtskonformität der Streubesitzdividendenbesteuerung kann nicht durch Schlechterstellung (§ 8 b Abs. 4 KStG) erreicht werden. Die Situation nähert sich daher der EuGH-Entscheidung Kommission/Deutschland (C-284/09) an. Gebietsfremde Gesellschaften werden entge- Streubesitzdividenden vorliegen, also eine im gen gebietsansässigen Gesellschaften mit deut- Ausland ansässige Kapitalgesellschaft ausschüttet. scher Quellensteuer (Kapitalertragsteuer) auf die Zudem dürfte sich dieser Weg alleine als langwie- Streubesitzdividende belastet. Es bestehen somit rig erweisen. Die Aufnahme eines Treaty Override Zweifel, ob die deutsche Streubesitzdividenden- in § 50 d Abs. 1 EStG in Bezug auf die deutsche besteuerung weiterhin gegen Europarecht ver- Quellenbesteuerung würde nur fallweise wirken stößt (hier Inlandsfall/Auslandsfall), auch wenn und zudem das Problem der Doppelbesteuerung europarechtlich das Zusammenspiel mit abkom- im ausländischen Betriebsstättenstaat (Art. 21 mensrechtlichen Verpflichtungen noch nicht ab- Abs. 2 DBA OECD-MA) forcieren. Wie die Proto- schließend konturiert ist. 17 Bei der Ausübung der koll-Regelung zum DBA Deutschland-USA 2008 durch DBA aufgeteilten Steuerhoheit ist ein Mit- zeigt, bedarf es dann einer korrespondierenden gliedstaat verpflichtet, den Grundsatz der Gleich- Sonderregelung zur Vermeidung der Doppelbe- behandlung sowie die Grundfreiheiten (Primär- steuerung im ausländischen Betriebsstättenstaat recht) zu beachten. als eigentlichen originären Quellenstaat der Divi- 18 5 Normative Überlegungen 5.1 Spannungsfeld zwischen unilateralen und bilateralen Handlungsmöglichkeiten 5.2 Symmetrisches Treaty Override auch für Streubesitzdividenden? Abschließend sollen normative Überlegungen an- Analog zu Schachteldividenden (§ 8 b Abs. 1 Satz 3 gestellt werden, wie die deutsche Streubesitzdivi- KStG) könnte man über die Aufnahme eines Trea- dendenbesteuerung de lege ferenda konsistent ty Override19 in § 8 b Abs. 4 KStG nachdenken, um mit dem DBA-Recht abgestimmt werden kann. auch in DBA-Fällen die Gleichmäßigkeit der Be- Denkbar wäre, zunächst eine Lösung auf der steuerung von Streubesitzdividenden zu gewähr- DBA-Ebene zu suchen und in den weiteren Dop- leisten, ein finales deutsches Quellenbesteuerungs- STEUERN & RECHT dende im Sinne des DBA. 15 Dies gilt vor allem dann, wenn im ausländischen Betriebsstättenstaat sowie im Ansässigkeitsstaat des Dividendenempfängers die Freistellungsmethode l gilt. 16 Vgl. auch Rust, a.a.O. (Fn. 7), Art. 21, Rn. 48; DE-VG, Protokoll Nr. 3 zu Art. 20 DE-VG. 17 Vgl. EuGH-Urteil vom 20.10.2011 – C-284/09 (Kommission/ l l Deutschland), DStR 2011, S. 2038. 18 Vgl. z. B. Schlussanträge der GA Kokott vom 12.04.2016 in der Rechtssache C-176/15 (Riskin/Belgien), Rn. 46, m. w. N., l BeckRS 2016, 80601. 19 Vgl. zur verfassungsrechtlichen Zulässigkeit des Treaty Override BVerfG, Beschluss vom 15.12.2015 – 2 BvL 1/12, NJW 2016, S. 1295; l a.A. Gosch, DB 2016, S. M 5 (Gastkommentar). | 01.2017 | 55 » Ist die deutsche Streubesitzdividendenbesteuerung weiterhin europarechtswidrig? recht zu manifestieren und damit gleichzeitig 6 Zusammenfassung etwaige Zweifel an der partiellen Europarechts- Insgesamt spricht einiges dafür, dass die deutsche widrigkeit der Streubesitzdividendenbesteuerung Streubesitzdividendenbesteuerung weiterhin ge- auszuräumen. Letztere können aus der fehlenden gen Europarecht verstößt. Die im Anschluss an das abkommenssystematischen Abstimmung der deut- EuGH-Urteil C-284/09 (Kommission/Deutschland) – schen Streubesitzdividendenbesteuerung herrüh- durch Einfügung des § 8 b Abs. 4 KStG – versuchte ren. Die Regelung könnte demnach wie folgt lau- europarechtskonforme Ausgestaltung der Streube- ten (§ 8 b Abs. 4 Satz 9 KStG): sitzdividendenbesteuerung ist gescheitert. Die Streubesitzdividendenbesteuerung ist nicht mit „Sind die Bezüge im Sinne des Abs. 4 Satz 1 den Regelungen des DBA-Rechts abgestimmt. Auf- KStG nach einem Abkommen zur Vermeidung grund dieser steuersystematischen Defizite besei- der Doppelbesteuerung von der Bemessungs- tigt § 8 b Abs. 4 KStG gerade nicht die unterschied- grundlage für die Körperschaftsteuer auszu- liche deutsche Quellenbesteuerung der Streube- nehmen, gilt Abs. 4 Satz 1 KStG ungeachtet des sitzdividende im Hinblick auf den In- und Wortlauts des Abkommens für diese Freistel- Auslandsfall. Dies zeigt die zutreffende Vergleichs- lung entsprechend“. paarbildung (Übersicht 2).20 § 8 b Abs. 4 KStG ist dazu auch gar nicht in der Lage, da diese Norm 5.3 Präferenz für abkommensrechtliche Lösungen oder Streichung des § 8 b Abs. 4 KStG nicht die Besteuerung an der Quelle regelt. Eine Zusätzlich wäre eine Regelung entsprechend § 26 noch nicht erfolgt. § 8 b Abs. 4 KStG in seiner der- Abs. 1 Satz 2 KStG zu treffen zur Anrechnung der zeitigen Fassung greift zu kurz. Unter Berücksich- ausländischen Steuer im Rahmen der deutschen tigung des skizzierten abkommensrechtlichen körperschaftsteuerlichen Besteuerung der Streu- Problems und der europarechtlichen Friktionen besitzdividende auf der Empfängerebene. Die bietet sich daher die Aufhebung von § 8 b Abs. 4 Einfügung eines neuen Treaty Override in die KStG und damit eine Rückkehr zum Status quo Streubesitzdividendenbesteuerung (§ 8 b Abs. 4 ante an. Gleichzeitig sollte § 44 a Abs. 9 EStG dahin- KStG) ist aber rechtspolitisch bedenklich, da dies gehend ergänzt werden, dass die einbehaltene im Kontrast zur Einhaltung internationaler Ver- und abgeführte Kapitalertragsteuer auf die Streu- träge steht. Auch können sich komplexe Folge- besitzdividende i. S. von § 8 b Abs. 4 KStG in voller probleme im Zusammenhang mit der Vermei- Höhe erstattet wird, wenn Empfängerin eine be- dung der Doppelbesteuerung ergeben. Vorzu- schränkt steuerpflichtige Körperschaft ist. Dies ziehen unter wäre auch aus ökonomischer Sicht von Vorteil, da Vermeidung eines Treaty Override. Womöglich dadurch die Eigenkapitalzuführung in deutsche könnten sich abkommensrechtliche Ergänzungs- Kapitalgesellschaften, vor allem durch beschränkt ist daher ein Lösungsansatz europarechtskonforme Ausgestaltung der Streubesitzdividendenbesteuerung ist daher de lege lata protokolle zum DBA anbieten (Art. 59 Abs. 2 GG) Steuerpflichtige – auch gegenüber der Gesellschaf- mit Implementierung einer Regelung entspre- ter-Fremdfinanzierung – gestärkt werden könnte. chend zum DBA USA 2008 (Protokoll Nr. 18 zu Einige Staaten verzichten deshalb unilateral be- Art. 21 Abs. 2) bzw. DBA Liechtenstein 2011, Pro- wusst auf die Quellensteuererhebung bei Dividen- tokoll Nr. 7. Eine effektive Lösung wäre zudem den (UK, Liechtenstein, Slowakei, Brasilien). die Abschaffung des § 8 b Abs. 4 KStG. l » DOC-ID: W1007295 20 Aus der aktuellen EuGH-Rechtsprechung (C-318/14, C-48/13) lässt sich zudem eine Nichtvergleichbarkeit von in- und ausländischen Betriebsstätten im Hinblick auf den Besteuerungszugriff des Ansässigkeitsstaates entnehmen, was ggf. auch für die Vergleichspaarbildung relevant sein dürfte (Ableitung hypothetischer Inlandsfall). 56 | 01.2017 | Neuregelung der Erbschaftsteuer topaktuell ! Die Erbschaftsteuerreform 2016 bringt umfangreiche Neuerungen für die Verschonung und Besteuerung von Betriebsvermögen mit sich. Das vorliegende Buch geht auf diese Änderungen ein und bietet eine praxisorientierte Arbeitshilfe zur Anwendung der Neuregelungen. Es erläutert die neuen Vorschriften, enthält praktische Beispiele zur Gesetzesanwendung und gibt zahlreiche Hinweise bei Zweifelsfragen. Die neu gefassten bzw. neu eingeführten Paragraphen werden Absatz für Absatz erklärt, daran schließen sich die Erläuterungen und Praxishinweise an, ein umfangreiches zusammenfassendes Zahlenbeispiel rundet die Darstellungen ab. Diese Praxishilfe richtet sich sowohl an die von den Neuregelungen betroffenen Familienunternehmen und -unternehmer als auch schwerpunkmäßig an deren steuerlichen Berater. IDW (Hrsg.) Neuregelung der Erbschaftsteuer Erläuterungen und Praxishinweise Dezember 2016, 152 Seiten, Softcover ISBN: 978-3-8021-2100-5 € 44,00 shop.idw-verlag.de/11733 Änderungen und Irrtümer vorbehalten. Stand: Dezember 2016. Preis- und Seitenangaben bei noch nicht veröffentlichten Titeln sind ca.-Angaben und können sich bis zum Erscheinungstermin noch ändern. 16/073 Bestellen Sie jetzt unter www.idw-verlag.de Tel. 0211 4561-222 • Fax 0211 4561-206 • E-Mail [email protected] • IDW Verlag GmbH • Postfach 320580 • 40420 Düsseldorf IMPRESSUM Die Wirtschaftsprüfung – Kompetenz schafft Vertrauen Herausgeber: Institut der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e.V. Hauptschriftleitung: Dipl.-Kfm. Dr. Karl-Heinz Armeloh (verantwortlich) RAin Annette Schmid Dipl.-Volksw. Cornelia Schrage Tel.: (0211) 4561-280 Fax: (0211) 4561-277 E-Mail: [email protected] Fachlicher Beirat: WP StB RA Dr. Hans-Peter Aicher WP StB Prof. Dr. Frank Beine RA Dr. Andreas C. Hoffmann, LL.M. WP StB Karl Petersen WP StB Dr. Stefan Schmidt WP StB Prof. Dr. Peter Wollmert Internet: www.wpg.de Manuskripte und Bücher zur Rezension werden ausschließlich an die Anschrift der Hauptschriftleitung erbeten. 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Sabine Angermann Grunewaldstraße 59 41066 Mönchengladbach Anzeigenpreise: Zurzeit gelten die Preise und Bedingungen der Mediadaten 2017. Anzeigenschluss: 14 Tage vor Erscheinen Bezugspreise 2017: Jahresabonnement WPg EUR 298,00 Printanteil EUR 281,43 Digitalanteil EUR 16,57 Für Teilnehmer an Studienlehrgängen zum WP-Examen/zur Verbandsprüferausbildung Jahresabonnement WPg EUR 266,00 Printanteil EUR 251,21 Digitalanteil EUR 14,79 Jahresabonnenten der WPg haben die Möglichkeit, die IDW Verlautbarungen (CD-ROM-Ausgabe mit Updates) zum Sonderpreis zu beziehen. Bestellungen können bei jeder Buchhandlung oder direkt beim IDW Verlag aufgegeben werden. Abonnements verlängern sich, falls keine Abbestellung erfolgt. Abbestellungen: (schriftlich) jeweils 6 Wochen vor Ende des Bezugszeitraums Bankverbindung: Deutsche Bank AG Düsseldorf IBAN: DE 81 300 700 100 748 023900 BIC: DEUTDEDD Erscheinungsweise: Am 1. und 15. eines jeden Monats Urheber- und Verlagsrechte: Die Zeitschrift und alle in ihr enthaltenen Beiträge und Abbildungen sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Bearbeitung in elektronischen Systemen. Alle Rechte, insbesondere das der Übersetzung in fremde Sprachen, sind vorbehalten. Kein Teil dieser Zeitschrift darf ohne schriftliche Genehmigung des Verlages in irgendeiner Form – durch Fotokopie, Mikrofilm oder andere Verfahren – reproduziert oder in eine von Maschinen, insbesondere von Datenverarbeitungsanlagen, verwendbare Sprache übertragen werden. 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