Podiumsdiskussion Bio und Fair – ist eine bessere Welt käuflich

Bio und Fair – ist eine bessere Welt käuflich?
Podiumsdiskussion
Do., 02. Februar 2017, 19 Uhr im Rathaussaal Witzenhausen
Mit Roland Röder (Aktion 3. Welt Saar), Prof. Dr. Ulrich Hamm (Uni Kassel, Agrar- und Lebensmittelmarketing),
Anna Gertrud Siekmann (Weltladen Witzenhausen),
Moderation: Prof. Herzig (Uni Kassel, Fachgebiet: Management in der internationalen Ernährungswirtschaft)
Bewusster Konsum spielt für viele Menschen in Witzenhausen eine große Rolle. Nicht ohne
Grund ist Witzenhausen seit 2013 „Fairtrade Town“ und der Werra-Meißner Kreis ist seit
2015 „Modellregion Ökolandbau“. In den hiesigen Supermärkten gibt es einen hohen Anteil
an Bioprodukten, im Dorflädchen in Gertenbach liegt der Anteil sogar bei rund 30% vom
Umsatz. Beseelt vom Wunsch, die Welt durch Konsum gerechter, sozialer und ökologischer
zu gestalten, greifen viele Konsument_innen - sofern sie es sich leisten können - gerne
tiefer in die Tasche, in der Überzeugung einen „Kapitalismus mit menschlichem Antlitz“ zu
schaffen, indem sie ihren „Einkaufszettel als Stimmzettel“nutzen.
Inwieweit ist dies wirklich möglich? Der Lebensmitteldiscounter Lidl nahm ausgerechnet 2006, auf dem Höhepunkt
öffentlicher Kritik in Bezug auf den Umgang mit Mitarbeiter_innen einige Produkte mit dem Fairtrade-Siegel öffentlichkeitswirksam in die Regale auf. Bei der Biosupermarktkette Alnatura, die sich gerne ein menschenfreundliches
Image gibt, wird in Bremen seit Oktober 2015 die Wahl eines Betriebsrates massiv behindert. Die Mitarbeiter_innen
der Weltläden arbeiten fast alle ehrenamtlich - das ist löblich, aber auch fragwürdig.
Die Arbeitsbedingungen in der Biolandwirtschaft unterscheiden sich nicht von denen in der konventionellen Landwirtschaft: Missachtung von Arbeitnehmer_innenrechten und Löhne deutlich unter Existenzminimum sind weit
verbreitet.
Es gibt keine kapitalistische Wirtschaftsform ohne den Zwang zum Wachstum. Dem kann sich kein Akteur des Fairen
Handels und der Biobranche entziehen. Bio ist eine andere Anbaumethode, jedoch kein anderes Wirtschaftssystem.
All diese Aspekte machen die Nutzung des Portemonnaies zur Weltverbesserung kompliziert und es entstehen Widersprüche, die weder zum Image von „Bio“ oder „Fair“ passen, noch zu den Grundsätzen, mit denen die jeweiligen
Bewegungen angetreten sind. Grundsätzliche Kritik am Kapitalismus wird von den Akteuren der Bio- und Fairbranche
kaum geäußert, dafür aber das Gefühl vermittelt, dass alles sich ändern würde, würden nur genügend Menschen
bewusst und nachhaltig einkaufen.
In welchem Verhältnis bewusster Konsum zu politischer Veränderung stehen kann, wollen wir an diesem Abend
diskutieren.
Veranstalter: Steuerungsgruppe Fair-Trade-Town und Pro Witzenhausen GmbH in Kooperation mit dem Arbeitskreis
Eine Welt e.V.
Dieser Abend findet mit freundlicher Unterstützung des Fachschaftsrates Witzenhausen und der Rosa Luxemburg
Stiftung Hessen statt.