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Landtechnik
Gu(r)te Fahrt!
Schlecht gesicherte Ladung ist gefährlich und kann richtig
teuer werden. Zusammen mit Profis aus der Berufskraft­fahrerAusbildung stellen wir die wichtigsten Tipps zur Ladungs­
sicherung vor.
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Fotos: Höner
I
n der Kurve rollt der Rundballen von
der Ladefläche und drückt das Dach
des geparkten Golfs ein. Ein Radler
hätte diesen Ballenkontakt vielleicht
nicht überlebt. Den Test mit dem Ballen
haben wir bei unserer Recherche zum
Thema Ladungssicherung zusammen
mit den Spezialisten der Verkehrsakademie Münsterland durchgeführt und
auch per Video dokumentiert.
Ungesicherte Ladung ist nicht nur lebensgefährlich, sondern oft auch teuer.
Die Kontrolleure von Polizei und BAG
sehen mittlerweile auch bei Landmaschinen genau hin – da gibt’s im Vergleich zum Lkw-Verkehr keine Ausnahmen. Bei Verstößen werden dann empfindliche Strafen fällig – für Fahrer,
Belader sowie den Halter, und gerne
auch mit Punkten in Flensburg!
Nur, wie sichert man die Ladung eigentlich richtig? Zusammen mit unseren
Experten haben wir uns um die Grundlagen gekümmert und besonders kniffelige Ladung gesichert. Klar, manches
mag auf den ersten Blick etwas übertrieben aussehen. Doch eigentlich hält sich
der Aufwand in Grenzen – wenn Sie dadurch Unfälle verhindern und Kontrollen ohne Probleme passieren können!
Sie müssen die Ladung so sichern, dass
sie bei Vollbremsungen, Ausweichmanövern oder auf schlechten Wegen nicht
verrutschen kann. Bremst ein Fahrzeug,
verschiebt sich ungesicherte Ladung –
egal wie schwer – mit der vorherigen Geschwindigkeit und Richtung nach vorne.
Es wirken sogenannte Massenkräfte auf
die Ladung. Diese Kräfte können Sie
über Faktoren einfach berechnen: Nach
vorne beträgt der Faktor 0,8, zur Seite
in den Kurven 0,5 (bei kippgefährdeten
Gegenständen 0,7) und nach hinten 0,5.
Wenn Sie also einen 1 t schweren IBCBehälter geladen haben und voll auf die
Bremse treten, bewegt sich der Con­
tainer mit einer Wucht von 800 daN,
umgerechnet 800 kg, nach vorne.
Die richtigen Gurte, die passende Strategie
und möglichst oft mit Anti-Rutschmatten
(rechts): Wir zeigen Ihnen, wie Sie Ihre
Fracht sicher transportieren.
Ob und wie schnell sich die Ladung bewegt, hängt von der Reibung zwischen
Fracht und Ladefläche ab. Verwenden Sie
deshalb so oft wie möglich rutschhemmende Unterlagen bzw. Antirutschmatten, am besten als Streifen unter den
kompletten Auflagepunkten (wenn Sie
kleinere Gummistücke verwenden, darf
die Fracht an keiner anderen Stelle direkt
die Ladefläche berühren).
Die Gummistreifen erhöhen die Reibung deutlich, und Sie kommen mit weniger Gurten aus. Steht unser IBCBehälter direkt auf der glatten Lade­
fläche, reicht eine Kraft von 200 daN
(ca. 200 kg), um ihn beim Bremsen ins
­Rutschen zu bringen (Gleitreibwert 0,2).
Die Gummimatte erhöht die Reibung
deutlich. Jetzt müssen bereits 600 daN
(600 kg) auf den Container wirken, bis
er in Bewegung kommt (die Matte erhöht den Gleitreibwert auf 0,6). Das geht
natürlich nur wenn die Ladefläche sauber und möglichst auch trocken ist.
Formschlüssig ist besser!Sie können
die Ladung auf unterschiedliche Arten
sichern. Es beginnt mit dem Formschluss, bei dem die Ladung direkt an
Stirn- oder Bordwänden anliegt und so
nicht in Bewegung geraten kann. Oder
Sie stellen den Formschluss her, indem
Sie Lücken zwischen der Ladung z. B.
mit Paletten auffüllen. Oder Sie fassen
mehrere Ladungsteile zu einer Einheit
zusammen. Auch das sogenannte Direktzurren gehört zum formschlüssigen
Sichern. Durch direktes oder diagonales
VIDEO
Das Video mit unserem Crash und ausführliche Tipps zur
Ladungssicherung unter: www.topagrar.com/ladung
Volltreffer: Bei unserem Test drückt der ungesicherte Rundballen die A-Säule des Golfs ein. Ein Radler hätte keine Chance!
Zurren halten die Gurte die Ladung in
Position (die Gurte haben eine Rückhaltefunktion). Dabei ist die Zurrkraft der
Gurte entscheidend. Sie wird mit dem
Kürzel LC angegeben. Der Winkel vom
Zurrpunkt der Ladefläche zum Anschlagpunkt an der Ladung sollte 20° bis
maximal 65° betragen. Der Winkel zwischen Gurt und Fahrzeuglängsrichtung
liegt am besten zwischen 5 und 55°. Um
die zulässige Zugkraft der Gurte nicht
schon durch hohe Vorspannkräfte zu
mindern, werden die Ratschen bei diesem Verfahren nur handfest gespannt.
In unserem Beispiel mit dem 1 
t
schweren IBC-Behälter auf den Antirutschmatten wirken bei einer Vollbremsung Kräfte von 800 daN auf den
Unsere Experten in Sachen Ladung
• Felix Autmaring,
u. a. ehemaliger Lehrer
bei der DEULA, heute Eigentümer und Geschäftsführer der Verkehrs­
akademie Münsterland,
Ibbenbüren.
• Burkhard Autmaring,
Ausbilder im Bereich
Berufskraftfahrer.
• Siegfried Pomplun,
Oberkontrolleur, Bundesamt für Güterverkehr
(BAG). (v. links n. rechts)
Container. Durch den hohen Reibungswert der Antirutschmatte müssen
600 daN auf den IBC wirken, um ihn
zum Rutschen zu bringen. In Fahrtrichtung muss der Gurt beim Direktzurren
also mindestens einen LC-Wert von
200 daN haben.
Das Niederzurren ist die häufigste
Form der Ladungssicherung. Es geht da-
Schnell gelesen
• Weil es mit ungesicherter La-
dung regelmäßig zu Unfällen
kommt, werden die Kontrollen
verstärkt.
• Wenn man die Zusammen-
hänge erkannt hat, ist das
fachgerechte Sichern der
Fracht kein großes Problem.
• Formschlüssige Sicherungen
sind einfacher umzusetzen
als das sogenannte Niederzurren der Ladung.
• Mit Antirutschmatten sorgen
Sie für mehr Reibung zwischen Fracht und Ladefläche.
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Die richtigen Zurrpunkte
und passende Gurte
rum, die Fracht per Gurt auf die Lade­
fläche zu pressen und damit die Reibung
soweit zu erhöhen, dass sich die Ladung
nicht mehr bewegt. Damit das richtig
funktioniert, sind die Vorspannkräfte
der Gurte und der Zurrwinkel entscheidend. Je steiler der Winkel desto güns­
tiger, je kleiner desto geringer die wirksame Kraft. Die höchsten Kräfte lassen
sich bei 90° Zurrwinkel übertragen, ein
Winkel unter 30° ist nicht mehr sinnvoll.
Beim Niederzurren werden die Ratschen so stramm wie möglich gespannt.
Was die Sache sehr kompliziert macht:
Die passende Gesamtvorspannkraft und
damit die Zahl der Gurte müssen zum
Gewicht der Ladung passen. Das lässt
sich nur mit entsprechenden Formeln
oder Rechenschiebern berechnen.
Schwierige Berechnung:Aus diesen
Punkten ergibt sich auch der wichtigste
Nachteil des Niederzurrens: Je schwerer
die Ladung ist, desto mehr Gurte benötigen Sie, denn der Wirkungsgrad ist bei
diesem Verfahren eher gering. Außerdem: Durch das Niederzurren kann sich
die Ladung eventuell verformen (z.B.
BigBags). Dann lässt sich die notwendige Spannung teils gar nicht aufbauen.
Das Berechnen der richtigen Gurtzahl
ist ziemlich anspruchsvoll. Im Fachhandel für Ladungssicherung gibt es dazu
Rechenschieber oder Apps.
Guido Höner
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Links: Sorgen Sie
für Zurrpunkte an
Ihren Anhängern.
Im Fachhandel
gibt es reichlich
Lösungen zum
Nachrüsten.
Rechts: Der
Spitzhaken darf
nur am Hakengrund eingehängt
werden.
nicht über Bordwände, vor allem nicht
zum Niederzurren. Die Bordwände federn die Vorspannkraft ab, wenn die
Ladung nicht direkt an der Bracke steht.
Verwenden Sie ausschließlich zugelassene Gurte, die Sie an den blauen Etiketten (Prüffahne) erkennen. Wichtige An-
Fotos: Höner
Im gewerblichen Bereich müssen
Neufahrzeuge über 3,5 t schon seit
2002 ausreichend Zurrpunkte haben.
In der landwirtschaftlichen Praxis
fehlen die Möglichkeiten zum Einhängen der Gurte häufig. Verlassen
Sie sich hier nicht auf eigene Bastellösungen. Im Fachhandel bzw. Internet
finden Sie unter dem Stichwort
„Zurrpunkte“ ein sehr reichhaltiges
Angebot an geprüften Zurrpunkten.
Ein einfacher 3 t-Anschlagpunkt zum
Anschweißen kostet 10 bis 15 €.
Fehlen Zurrpunkte, darf man in
Ausnahmefällen die Haken der Gurte
auch am Rahmen des Anhängers einhaken. Ganz wichtig dabei: Die Standard-Spitzhaken müssen im Hakengrund greifen, damit sie sich nicht
längen, sie dürfen nicht auf der Spitze
belastet werden. Übrigens: Führen Sie
die eingehängten Gurte möglichst
gaben sind der LC-Wert, die Kraft beim
Direktzurren in daN (1 daN entspricht
in etwa 1 kg) und der STF-Wert, der die
mögliche Kraft beim Niederzurren beschreibt. Die Mindestbruchkraft eines
intakten Gurts liegt mindestens beim
Zweifachen der zulässigen Zugkraft.
An der Kante: Schützen & gleiten
An den Kanten der Ladung gibt es
unterschiedliche Herausforderungen: Den Gurt schonen, die Zugkraft
gleichmäßig verteilen, die Ladung
zusammenhalten.
Zum Schutz des Gurtes können Sie
ihn durch einen speziellen Schutzoder durch einen abgeschnittenen
Feuerwehrschlauch ziehen. Allerdings erfüllt dieser Kantenschutz
noch nicht die zweite wichtige Funktion: das gleichmäßige Verteilen der
Gurtspannung. Würde der Gurt in
unserem Beispiel mit dem Ölfass direkt über die Palette verlaufen, wäre
die Zugkraft auf der Ratschenseite
deutlich höher. Über Kantengleiter
aus Kunststoff rutscht der Gurt besser, die Niederzurrkraft verteilt sich
gleichmäßig. Aus diesem Grund sollten Sie beim Niederzurren keine Antirutschmatten als Kantenschutz einsetzen.
In unserem Beispiel ist das Ölfass
durch das Niederzurren übrigens
professionell gesichert. Auch mit
zwei Mann ließ es
sich nicht von der
Stelle bewegen.
Antirutsch-Streifen unter dem
Fass hätten die Sache noch weiter
verbessert.
Links: Der Schlauch
schützt den Gurt vor
Schäden.
Rechts: Die Kantengleiter verteilen die
Gurtspannung
gleichmäßiger.
Wenn Sie die Gurte so zusammenhängen, können Schweißpunkt und Haken aufreißen: Diese Lösung ist nicht erlaubt!
Ist das Etikett nicht mehr lesbar oder
fehlt es komplett, muss der Gurt ausgesondert werden. Die Kontrolleure werten ihn in diesem Fall wie einen defekten bzw. verschlissenen Gurt („Ablegereife“ ist erreicht). Das Gleiche gilt u.a.
auch bei Garnbrüchen oder Schnitten,
bei denen mehr als 10 % des Gewebes
zerstört ist, bei Haken, die mehr als 5 %
geweitet sind und bei verbogenen Ratschen. Die Ratschen deshalb nicht überlasten oder an Kanten einsetzen.
Besser: Koppeln Sie die Gurte mit einer Gurtschlinge oder –
noch besser – mit einem geprüften Verbindungsmittel.
Es gibt zwei Typen von Ratschen: Die
gängigere Druckratsche, die Sie zum
Spannen in Zugrichtung drücken. Mehr
Kraft können Sie vor allem beim Niederzurren mit Zugratschen ausüben, die
Sie unterstützt durchs Körpergewicht
zum Spannen nach unten ziehen. Die
Ratschen müssen (nur) das 1,25-fache
der Zugkraft aushalten. Verwenden Sie
deshalb nie Hebelverlängerungen – das
kann mächtig ins Auge gehen.
Vor allem beim Ballentransport sind
die Gurte oft zu kurz. Standardgurte
mit Spitzhaken dürfen Sie zum Verlängern nicht direkt ineinander haken. Der Schweißpunkt kann brechen
und der Haken aufbiegen. Karabinerhaken wie auf dem Bild können Sie
direkt ineinander haken. Oder Sie
verbinden die Haken über eine Rundschlinge mit passender Zugkraft.
Egal ob der Gurt defekt oder zu
kurz ist: Das Verknoten von Zurrgurten ist immer verboten.
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Mit der sogenannten Kopfschlinge
(Kopflashing) können Sie die Ladung
nach vorne formschlüssig sichern,
wenn sich die Fracht nicht direkt
bis an die Stirnwand laden lässt.
Dazu gibt es unterschiedliche Möglichkeiten:
1.Die Rundschlinge wird oben um die
Vorderkante der Ladung gelegt. An
beiden Enden haken Sie anschließend
die Spanngurte ein.
2.Sie legen einen einzelnen Gurt
vorne um die Ladung. Achten Sie da­
rauf, dass der Gurt nicht nach unten
Maschinen und Geräte fixieren
Auch bei Maschinen und Geräten
finden Kontrolleure oft Mängel bei
der Ladungssicherung. Häufige Ursachen: Die Maschinen können verrol-
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Fotos: Höner
Wenn die Stirnwand fehlt: Sichern mit der Kopfschlinge
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len, sie kippen oder die Gurte sind
nicht sicher angeschlagen.
1.Bei diesem Kompaktlader sorgt
eine Europalette für Formschluss
zur Stirnwand. Mit zwei Gurten an
der anderen Seite des Laders ist die
Maschine durch Direktzurren zusätzlich gesichert.
2.Der Pflug hat eine Abstellstütze,
doch in Kurvenfahrten könnte er
durch seinen hohen Schwerpunkt
kippeln. Durch unseren Europalettenstapel und das Diagonalzurren ist
der Pflug besser gesichert.
3.Teils gibt es an den Geräten keine
guten Befestigungsmöglichkeiten. Mit einer passenden Rundschlinge, deren
Belastbarkeit möglichst zum LCWert des Gurtes
passt, können Sie
sichere Anschlagpunkte schaffen.
verrutschen kann. In unserem Beispiel
steht der IBC-Behälter auf Antirutschmatten und ist mit einem weiteren Gurt seitlich gesichert.
3.Sie können den Gurt auch durch
eine aufrecht gestellte Europalette führen und so in Position halten. Durch
Ein Netz reicht
nicht immer
Viele Kleintransporteure „sichern“
die Fracht auf dem Pkw-Anhänger,
indem sie einfach und allein ein
Netz über die Ladefläche werfen.
Die meisten Netze sind nicht zur Ladungssicherung anerkannt und das
Verrutschen von Ladung können sie
nicht verhindern.
Doch Polizisten, die bei beladenen
Anhängern immer ein Netz fordern,
sind ebenfalls nicht richtig informiert. Schüttgüter wie z. B. Scheitholz, müssen nicht per Netz bedeckt
sein, wenn die
Ladung keinen Schüttkegel hat und
10 cm unter
der Bordwand
endet. Sobald
aber etwas
verwehen
kann (Sand,
Hackschnitzel) sind das
engmaschige
Netz/eine
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Plane Pflicht.
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das zusätzliche Umschlingen und die
zweite Palette hinten ist auch der hohe
BigBag prima gesichert.
4.Folienwicklungen oder Schrumpffolien bieten nicht immer ausreichende
Sicherheit bei palettierter Fracht. Hier
ist die Folie bereits alt und die Palette
ist nicht richtig erfasst. Die aufrechte
Palette und der schräg nach hinten
verlaufende Gurt sichern den
Steinstapel nach vorne. Oben halten
Kantenschutzwinkel und zwei Gurte
das Ganze zusammen. Perfekt wären
jetzt noch Antirutschmatten.
1.Bei „Sammelfrachten“ sollten die einzelnen Gegenstände gegen Verrutschen
gesichert sein. Das geht am besten
durch Formschluss. Beladen Sie den Anhänger so, dass sich die Ladung gegenseitig sichert. Im Beispiel hätte man
Stromerzeuger und Wanne auch nebeneinander vor der Stirnwand platzieren
und nach hinten sichern können.
2.Bei Paletten mit mehreren, schweren
Ladungsteilen ist das Sichern teils anspruchsvoll. Praktisch finden wir geprüfte Ladungssicherungsnetze, in deren Ösen Sie die Gurte direkt einhaken
können. Einfache Zurrnetze gibt es ab
rund 25 € (ohne Gurte).
3.Für das Material zum „Schaffen einer
Ladeeinheit“ gibt es keine Prüfpflicht –
es muss aber komplett mit der Ladung per geprüften Zurrmitteln gesichert werden. In unserem Beispiel
transportieren wir 6 m lange Rohre
und Rundeisen auf einer gleichlangen Leiter. Vorne auf der Leiter ist
ein offener Kasten als Aufnahme für
die Rohre verschraubt. Ohne diese
Hilfe wäre die Ladung auf dem 3 m
langen Pkw-Anhänger kaum sicher
unterwegs.
4.Beim Umschlingen der Ladung
per Gurt immer darauf achten, dass
beide Gurt-Enden oberhalb verlaufen (Schlingenzurrung). Nur so wird
maximaler Druck ausgeübt. Umschlingen Sie die Stangen von unten,
können sie hin- und herrollen.
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