Landtechnik Gu(r)te Fahrt! Schlecht gesicherte Ladung ist gefährlich und kann richtig teuer werden. Zusammen mit Profis aus der BerufskraftfahrerAusbildung stellen wir die wichtigsten Tipps zur Ladungs sicherung vor. 114 top agrar 2/2015 Fotos: Höner I n der Kurve rollt der Rundballen von der Ladefläche und drückt das Dach des geparkten Golfs ein. Ein Radler hätte diesen Ballenkontakt vielleicht nicht überlebt. Den Test mit dem Ballen haben wir bei unserer Recherche zum Thema Ladungssicherung zusammen mit den Spezialisten der Verkehrsakademie Münsterland durchgeführt und auch per Video dokumentiert. Ungesicherte Ladung ist nicht nur lebensgefährlich, sondern oft auch teuer. Die Kontrolleure von Polizei und BAG sehen mittlerweile auch bei Landmaschinen genau hin – da gibt’s im Vergleich zum Lkw-Verkehr keine Ausnahmen. Bei Verstößen werden dann empfindliche Strafen fällig – für Fahrer, Belader sowie den Halter, und gerne auch mit Punkten in Flensburg! Nur, wie sichert man die Ladung eigentlich richtig? Zusammen mit unseren Experten haben wir uns um die Grundlagen gekümmert und besonders kniffelige Ladung gesichert. Klar, manches mag auf den ersten Blick etwas übertrieben aussehen. Doch eigentlich hält sich der Aufwand in Grenzen – wenn Sie dadurch Unfälle verhindern und Kontrollen ohne Probleme passieren können! Sie müssen die Ladung so sichern, dass sie bei Vollbremsungen, Ausweichmanövern oder auf schlechten Wegen nicht verrutschen kann. Bremst ein Fahrzeug, verschiebt sich ungesicherte Ladung – egal wie schwer – mit der vorherigen Geschwindigkeit und Richtung nach vorne. Es wirken sogenannte Massenkräfte auf die Ladung. Diese Kräfte können Sie über Faktoren einfach berechnen: Nach vorne beträgt der Faktor 0,8, zur Seite in den Kurven 0,5 (bei kippgefährdeten Gegenständen 0,7) und nach hinten 0,5. Wenn Sie also einen 1 t schweren IBCBehälter geladen haben und voll auf die Bremse treten, bewegt sich der Con tainer mit einer Wucht von 800 daN, umgerechnet 800 kg, nach vorne. Die richtigen Gurte, die passende Strategie und möglichst oft mit Anti-Rutschmatten (rechts): Wir zeigen Ihnen, wie Sie Ihre Fracht sicher transportieren. Ob und wie schnell sich die Ladung bewegt, hängt von der Reibung zwischen Fracht und Ladefläche ab. Verwenden Sie deshalb so oft wie möglich rutschhemmende Unterlagen bzw. Antirutschmatten, am besten als Streifen unter den kompletten Auflagepunkten (wenn Sie kleinere Gummistücke verwenden, darf die Fracht an keiner anderen Stelle direkt die Ladefläche berühren). Die Gummistreifen erhöhen die Reibung deutlich, und Sie kommen mit weniger Gurten aus. Steht unser IBCBehälter direkt auf der glatten Lade fläche, reicht eine Kraft von 200 daN (ca. 200 kg), um ihn beim Bremsen ins Rutschen zu bringen (Gleitreibwert 0,2). Die Gummimatte erhöht die Reibung deutlich. Jetzt müssen bereits 600 daN (600 kg) auf den Container wirken, bis er in Bewegung kommt (die Matte erhöht den Gleitreibwert auf 0,6). Das geht natürlich nur wenn die Ladefläche sauber und möglichst auch trocken ist. Formschlüssig ist besser!Sie können die Ladung auf unterschiedliche Arten sichern. Es beginnt mit dem Formschluss, bei dem die Ladung direkt an Stirn- oder Bordwänden anliegt und so nicht in Bewegung geraten kann. Oder Sie stellen den Formschluss her, indem Sie Lücken zwischen der Ladung z. B. mit Paletten auffüllen. Oder Sie fassen mehrere Ladungsteile zu einer Einheit zusammen. Auch das sogenannte Direktzurren gehört zum formschlüssigen Sichern. Durch direktes oder diagonales VIDEO Das Video mit unserem Crash und ausführliche Tipps zur Ladungssicherung unter: www.topagrar.com/ladung Volltreffer: Bei unserem Test drückt der ungesicherte Rundballen die A-Säule des Golfs ein. Ein Radler hätte keine Chance! Zurren halten die Gurte die Ladung in Position (die Gurte haben eine Rückhaltefunktion). Dabei ist die Zurrkraft der Gurte entscheidend. Sie wird mit dem Kürzel LC angegeben. Der Winkel vom Zurrpunkt der Ladefläche zum Anschlagpunkt an der Ladung sollte 20° bis maximal 65° betragen. Der Winkel zwischen Gurt und Fahrzeuglängsrichtung liegt am besten zwischen 5 und 55°. Um die zulässige Zugkraft der Gurte nicht schon durch hohe Vorspannkräfte zu mindern, werden die Ratschen bei diesem Verfahren nur handfest gespannt. In unserem Beispiel mit dem 1 t schweren IBC-Behälter auf den Antirutschmatten wirken bei einer Vollbremsung Kräfte von 800 daN auf den Unsere Experten in Sachen Ladung • Felix Autmaring, u. a. ehemaliger Lehrer bei der DEULA, heute Eigentümer und Geschäftsführer der Verkehrs akademie Münsterland, Ibbenbüren. • Burkhard Autmaring, Ausbilder im Bereich Berufskraftfahrer. • Siegfried Pomplun, Oberkontrolleur, Bundesamt für Güterverkehr (BAG). (v. links n. rechts) Container. Durch den hohen Reibungswert der Antirutschmatte müssen 600 daN auf den IBC wirken, um ihn zum Rutschen zu bringen. In Fahrtrichtung muss der Gurt beim Direktzurren also mindestens einen LC-Wert von 200 daN haben. Das Niederzurren ist die häufigste Form der Ladungssicherung. Es geht da- Schnell gelesen • Weil es mit ungesicherter La- dung regelmäßig zu Unfällen kommt, werden die Kontrollen verstärkt. • Wenn man die Zusammen- hänge erkannt hat, ist das fachgerechte Sichern der Fracht kein großes Problem. • Formschlüssige Sicherungen sind einfacher umzusetzen als das sogenannte Niederzurren der Ladung. • Mit Antirutschmatten sorgen Sie für mehr Reibung zwischen Fracht und Ladefläche. top agrar 2/2015 115 Landtechnik Die richtigen Zurrpunkte und passende Gurte rum, die Fracht per Gurt auf die Lade fläche zu pressen und damit die Reibung soweit zu erhöhen, dass sich die Ladung nicht mehr bewegt. Damit das richtig funktioniert, sind die Vorspannkräfte der Gurte und der Zurrwinkel entscheidend. Je steiler der Winkel desto güns tiger, je kleiner desto geringer die wirksame Kraft. Die höchsten Kräfte lassen sich bei 90° Zurrwinkel übertragen, ein Winkel unter 30° ist nicht mehr sinnvoll. Beim Niederzurren werden die Ratschen so stramm wie möglich gespannt. Was die Sache sehr kompliziert macht: Die passende Gesamtvorspannkraft und damit die Zahl der Gurte müssen zum Gewicht der Ladung passen. Das lässt sich nur mit entsprechenden Formeln oder Rechenschiebern berechnen. Schwierige Berechnung:Aus diesen Punkten ergibt sich auch der wichtigste Nachteil des Niederzurrens: Je schwerer die Ladung ist, desto mehr Gurte benötigen Sie, denn der Wirkungsgrad ist bei diesem Verfahren eher gering. Außerdem: Durch das Niederzurren kann sich die Ladung eventuell verformen (z.B. BigBags). Dann lässt sich die notwendige Spannung teils gar nicht aufbauen. Das Berechnen der richtigen Gurtzahl ist ziemlich anspruchsvoll. Im Fachhandel für Ladungssicherung gibt es dazu Rechenschieber oder Apps. Guido Höner 116 top agrar 2/2015 Links: Sorgen Sie für Zurrpunkte an Ihren Anhängern. Im Fachhandel gibt es reichlich Lösungen zum Nachrüsten. Rechts: Der Spitzhaken darf nur am Hakengrund eingehängt werden. nicht über Bordwände, vor allem nicht zum Niederzurren. Die Bordwände federn die Vorspannkraft ab, wenn die Ladung nicht direkt an der Bracke steht. Verwenden Sie ausschließlich zugelassene Gurte, die Sie an den blauen Etiketten (Prüffahne) erkennen. Wichtige An- Fotos: Höner Im gewerblichen Bereich müssen Neufahrzeuge über 3,5 t schon seit 2002 ausreichend Zurrpunkte haben. In der landwirtschaftlichen Praxis fehlen die Möglichkeiten zum Einhängen der Gurte häufig. Verlassen Sie sich hier nicht auf eigene Bastellösungen. Im Fachhandel bzw. Internet finden Sie unter dem Stichwort „Zurrpunkte“ ein sehr reichhaltiges Angebot an geprüften Zurrpunkten. Ein einfacher 3 t-Anschlagpunkt zum Anschweißen kostet 10 bis 15 €. Fehlen Zurrpunkte, darf man in Ausnahmefällen die Haken der Gurte auch am Rahmen des Anhängers einhaken. Ganz wichtig dabei: Die Standard-Spitzhaken müssen im Hakengrund greifen, damit sie sich nicht längen, sie dürfen nicht auf der Spitze belastet werden. Übrigens: Führen Sie die eingehängten Gurte möglichst gaben sind der LC-Wert, die Kraft beim Direktzurren in daN (1 daN entspricht in etwa 1 kg) und der STF-Wert, der die mögliche Kraft beim Niederzurren beschreibt. Die Mindestbruchkraft eines intakten Gurts liegt mindestens beim Zweifachen der zulässigen Zugkraft. An der Kante: Schützen & gleiten An den Kanten der Ladung gibt es unterschiedliche Herausforderungen: Den Gurt schonen, die Zugkraft gleichmäßig verteilen, die Ladung zusammenhalten. Zum Schutz des Gurtes können Sie ihn durch einen speziellen Schutzoder durch einen abgeschnittenen Feuerwehrschlauch ziehen. Allerdings erfüllt dieser Kantenschutz noch nicht die zweite wichtige Funktion: das gleichmäßige Verteilen der Gurtspannung. Würde der Gurt in unserem Beispiel mit dem Ölfass direkt über die Palette verlaufen, wäre die Zugkraft auf der Ratschenseite deutlich höher. Über Kantengleiter aus Kunststoff rutscht der Gurt besser, die Niederzurrkraft verteilt sich gleichmäßig. Aus diesem Grund sollten Sie beim Niederzurren keine Antirutschmatten als Kantenschutz einsetzen. In unserem Beispiel ist das Ölfass durch das Niederzurren übrigens professionell gesichert. Auch mit zwei Mann ließ es sich nicht von der Stelle bewegen. Antirutsch-Streifen unter dem Fass hätten die Sache noch weiter verbessert. Links: Der Schlauch schützt den Gurt vor Schäden. Rechts: Die Kantengleiter verteilen die Gurtspannung gleichmäßiger. Wenn Sie die Gurte so zusammenhängen, können Schweißpunkt und Haken aufreißen: Diese Lösung ist nicht erlaubt! Ist das Etikett nicht mehr lesbar oder fehlt es komplett, muss der Gurt ausgesondert werden. Die Kontrolleure werten ihn in diesem Fall wie einen defekten bzw. verschlissenen Gurt („Ablegereife“ ist erreicht). Das Gleiche gilt u.a. auch bei Garnbrüchen oder Schnitten, bei denen mehr als 10 % des Gewebes zerstört ist, bei Haken, die mehr als 5 % geweitet sind und bei verbogenen Ratschen. Die Ratschen deshalb nicht überlasten oder an Kanten einsetzen. Besser: Koppeln Sie die Gurte mit einer Gurtschlinge oder – noch besser – mit einem geprüften Verbindungsmittel. Es gibt zwei Typen von Ratschen: Die gängigere Druckratsche, die Sie zum Spannen in Zugrichtung drücken. Mehr Kraft können Sie vor allem beim Niederzurren mit Zugratschen ausüben, die Sie unterstützt durchs Körpergewicht zum Spannen nach unten ziehen. Die Ratschen müssen (nur) das 1,25-fache der Zugkraft aushalten. Verwenden Sie deshalb nie Hebelverlängerungen – das kann mächtig ins Auge gehen. Vor allem beim Ballentransport sind die Gurte oft zu kurz. Standardgurte mit Spitzhaken dürfen Sie zum Verlängern nicht direkt ineinander haken. Der Schweißpunkt kann brechen und der Haken aufbiegen. Karabinerhaken wie auf dem Bild können Sie direkt ineinander haken. Oder Sie verbinden die Haken über eine Rundschlinge mit passender Zugkraft. Egal ob der Gurt defekt oder zu kurz ist: Das Verknoten von Zurrgurten ist immer verboten. Landtechnik 1 2 Mit der sogenannten Kopfschlinge (Kopflashing) können Sie die Ladung nach vorne formschlüssig sichern, wenn sich die Fracht nicht direkt bis an die Stirnwand laden lässt. Dazu gibt es unterschiedliche Möglichkeiten: 1.Die Rundschlinge wird oben um die Vorderkante der Ladung gelegt. An beiden Enden haken Sie anschließend die Spanngurte ein. 2.Sie legen einen einzelnen Gurt vorne um die Ladung. Achten Sie da rauf, dass der Gurt nicht nach unten Maschinen und Geräte fixieren Auch bei Maschinen und Geräten finden Kontrolleure oft Mängel bei der Ladungssicherung. Häufige Ursachen: Die Maschinen können verrol- 1 2 3 118 Fotos: Höner Wenn die Stirnwand fehlt: Sichern mit der Kopfschlinge top agrar 2/2015 len, sie kippen oder die Gurte sind nicht sicher angeschlagen. 1.Bei diesem Kompaktlader sorgt eine Europalette für Formschluss zur Stirnwand. Mit zwei Gurten an der anderen Seite des Laders ist die Maschine durch Direktzurren zusätzlich gesichert. 2.Der Pflug hat eine Abstellstütze, doch in Kurvenfahrten könnte er durch seinen hohen Schwerpunkt kippeln. Durch unseren Europalettenstapel und das Diagonalzurren ist der Pflug besser gesichert. 3.Teils gibt es an den Geräten keine guten Befestigungsmöglichkeiten. Mit einer passenden Rundschlinge, deren Belastbarkeit möglichst zum LCWert des Gurtes passt, können Sie sichere Anschlagpunkte schaffen. verrutschen kann. In unserem Beispiel steht der IBC-Behälter auf Antirutschmatten und ist mit einem weiteren Gurt seitlich gesichert. 3.Sie können den Gurt auch durch eine aufrecht gestellte Europalette führen und so in Position halten. Durch Ein Netz reicht nicht immer Viele Kleintransporteure „sichern“ die Fracht auf dem Pkw-Anhänger, indem sie einfach und allein ein Netz über die Ladefläche werfen. Die meisten Netze sind nicht zur Ladungssicherung anerkannt und das Verrutschen von Ladung können sie nicht verhindern. Doch Polizisten, die bei beladenen Anhängern immer ein Netz fordern, sind ebenfalls nicht richtig informiert. Schüttgüter wie z. B. Scheitholz, müssen nicht per Netz bedeckt sein, wenn die Ladung keinen Schüttkegel hat und 10 cm unter der Bordwand endet. Sobald aber etwas verwehen kann (Sand, Hackschnitzel) sind das engmaschige Netz/eine 1 Plane Pflicht. 3 4 das zusätzliche Umschlingen und die zweite Palette hinten ist auch der hohe BigBag prima gesichert. 4.Folienwicklungen oder Schrumpffolien bieten nicht immer ausreichende Sicherheit bei palettierter Fracht. Hier ist die Folie bereits alt und die Palette ist nicht richtig erfasst. Die aufrechte Palette und der schräg nach hinten verlaufende Gurt sichern den Steinstapel nach vorne. Oben halten Kantenschutzwinkel und zwei Gurte das Ganze zusammen. Perfekt wären jetzt noch Antirutschmatten. 1.Bei „Sammelfrachten“ sollten die einzelnen Gegenstände gegen Verrutschen gesichert sein. Das geht am besten durch Formschluss. Beladen Sie den Anhänger so, dass sich die Ladung gegenseitig sichert. Im Beispiel hätte man Stromerzeuger und Wanne auch nebeneinander vor der Stirnwand platzieren und nach hinten sichern können. 2.Bei Paletten mit mehreren, schweren Ladungsteilen ist das Sichern teils anspruchsvoll. Praktisch finden wir geprüfte Ladungssicherungsnetze, in deren Ösen Sie die Gurte direkt einhaken können. Einfache Zurrnetze gibt es ab rund 25 € (ohne Gurte). 3.Für das Material zum „Schaffen einer Ladeeinheit“ gibt es keine Prüfpflicht – es muss aber komplett mit der Ladung per geprüften Zurrmitteln gesichert werden. In unserem Beispiel transportieren wir 6 m lange Rohre und Rundeisen auf einer gleichlangen Leiter. Vorne auf der Leiter ist ein offener Kasten als Aufnahme für die Rohre verschraubt. Ohne diese Hilfe wäre die Ladung auf dem 3 m langen Pkw-Anhänger kaum sicher unterwegs. 4.Beim Umschlingen der Ladung per Gurt immer darauf achten, dass beide Gurt-Enden oberhalb verlaufen (Schlingenzurrung). Nur so wird maximaler Druck ausgeübt. Umschlingen Sie die Stangen von unten, können sie hin- und herrollen. 2 3 4
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