Die Nutzung betriebswirtschaftlicher Methoden und Begriffe in der

V. Militärische Handlungsfelder
2. Organisation / Betrieb / Rüstung
Gerd Portugall
Neues Denken in der Bundeswehr?
Die Nutzung betriebswirtschaftlicher Methoden und Begriffe
Gerade die ökonomische Modernisierung der Bundeswehr ist ein wesentliches
Standbein, um den Aufbau neuer Fähigkeiten zu finanzieren. Durch den angestrebten
effizienteren und effektiveren Einsatz der verfügbaren finanziellen Mittel sollen die
deutschen Streitkräfte in die Lage versetzt werden, ihre Ressourcen bestmöglich für die
Erfüllung ihrer Aufgaben einzusetzen. Orientierungspunkt ist hierbei von Anfang an
ausdrücklich die zivile Wirtschaft, sowohl was ihre Rolle als Kooperationspartner
betrifft, als auch hinsichtlich der angewandten betriebswirtschaftlichen Methoden.
(Reader Sicherheitspolitik, Ausgabe 2/2017)
Rahmenbedingungen
Das Weißbuch 2016 stellte unter der Überschrift „Nachhaltige finanzielle
Rahmenbedingungen“ fest: „Mit dem Einzelplan 14 für das Jahr 2016 und dem 49.
Finanzplan bis 2019 wurde eine Trendwende bei der Finanzausstattung der Bundeswehr
eingeleitet. Auch im Haushalt 2017 setzt sich diese positive Entwicklung nach dem
Eckwertebeschluss des Bundeskabinetts fort. In den kommenden Jahren bedarf es einer
verlässlichen Verstetigung dieser Finanzlinie, um dem zunehmenden Bedarf für den
Fähigkeitserhalt, der aufwachsenden aufgaben- und strukturgerechten Ausstattung
sowie dem notwendigen Aufbau neuer Fähigkeiten bei Sicherstellung des Betriebes und
der Personalausstattung Rechnung zu tragen“, so das Grundlagendokument1.
Zum Jahresende 2016 hörte die BWI Informationstechnik GmbH (BWI IT) auf, eine
öffentlich-private Partnerschaft (ÖPP) zu sein. Nach dem Ausscheiden der bisherigen
unternehmerischen Partner Siemens AG und IBM Deutschland GmbH wird die BWI IT als
reine Inhouse-Gesellschaft des Bundes fortbestehen. Dies sollte Anlass sein, einen Blick
auf das Big Picture der ökonomischen Modernisierung der Bundeswehr insgesamt zu
werfen.
Ökonomische Modernisierung
Im Einzelnen beinhaltet die ökonomische Modernisierung der Bundeswehr folgende
Ansätze: Dezidiert betriebswirtschaftliche Rationalitätskriterien sollen die Betriebs- und
1
Bundesministerium der Verteidigung: Weißbuch 2016 zur Sicherheitspolitik und zur Zukunft
der Bundeswehr, Berlin 2016.
1
Personalkosten senken. Die so gewonnenen Finanzmittel könnten dann für
Investitionssteigerungen im Einzelplan 14 des Bundeshaushalts verwendet werden. Die
Zunahme an finanzieller Verantwortung und Transparenz soll zur Herausbildung von
mehr Kreativität bei der Auftragserfüllung durch die militärischen und zivilen
Bediensteten führen. Ein militärischer Führungsprozess ohne wirtschaftliches Denken sei
nicht mehr vorstellbar. Es soll generell das Bewusstsein geschärft werden, noch
verantwortungsvoller als bisher mit dem Geld der Steuerzahler umzugehen. Insgesamt
schließlich habe der Mittel- und Personaleinsatz bei der Bundeswehr effizienter,
effektiver und nachhaltiger zu erfolgen.
Das Firmengeflecht der Bundeswehr
Zur avisierten ökonomischen Modernisierung des Militärs veranstalteten die
Bundesregierung und das Bundesministerium der Verteidigung (BMVg) 1999 zahlreiche
Workshops, Konferenzen und Informationsveranstaltungen, zu denen sie Vertreter aus
der potentiell interessierten Privatwirtschaft einluden. So konnten bereits am 15.
Dezember jenes Jahres in Berlin die damaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder und
Verteidigungsminister Rudolf Scharping mit rund 100 Wirtschaftsführern aus den
unterschiedlichsten Bereichen einen Rahmenvertrag Innovation, Investition und
Wirtschaftlichkeit in der Bundeswehr schließen, der eine „strategische Partnerschaft“
mit der Privatwirtschaft begründen sollte2.
Foto: gebb.de
Als wichtigstes Ergebnis dieses Rahmenvertrages wurde bereits fünf Monate später, am
19. Mai 2000, die Gesellschaft für Entwicklung, Beschaffung und Betrieb mbH (g.e.b.b.)
mit Sitz in Köln als hundertprozentige Inhouse-Gesellschaft des BMVg gegründet. Ihr
Auftrag lautete gemäß eigenem Bekunden, das Verteidigungsministerium in allen
Fragen der Wirtschaftlichkeit zu beraten, insbesondere dort, wo Aufgaben durch die
Partnerschaft mit Privatunternehmen besser und kostengünstiger erledigt werden
könnten. Gleichzeitig wollte sie die gemachten Empfehlungen selbst umsetzen.
2
Vgl. zum Folgenden Gerd Portugall: Verwaltungsmodernisierung in der Bundeswehr in den
letzten 20 Jahren. In: Eva-Maria Kern/ Gregor Richter (Hrsg.): Streitkräftemanagement. Neue
Planungs- und Steuerungsinstrumente in der Bundeswehr, Wiesbaden 2014, S. 159ff.
2
Erstes größeres Betätigungsfeld der privatwirtschaftlichen Bundeswehr-Gesellschaft sollte
das Liegenschaftswesen werden, das nach den Personalkosten den größten Einzelposten
der Betriebsausgaben ausmacht. Am 8. Mai 2001 entschied Scharping: „Die g.e.b.b.
bereitet […] eine für private Beteiligung offene Eigentümergesellschaft vor, in der […]
nicht betriebsnotwendige Liegenschaften […] vermarktet und betriebsnotwendige
Liegenschaften aus einer Hand ab 1. Januar 2002 gemanagt werden.“ „Insgesamt“, so der
Presse- und Informationsstab der Hardthöhe damals, „schlummert in diesem Geschäftsfeld
ein Einsparpotenzial von ca. 700 Millionen DM jährlich“3.
Am 6. Juni 2002 wurde das erste Tochterunternehmens der g.e.b.b. gegründet, die
Bundeswehr Fuhrpark Service GmbH (BwFPS), die zu 75,1 Prozent der g.e.b.b., das heißt
dem Bund, und zu 24,9 Prozent der Deutschen Bahn AG gehört, die sich ihrerseits
ebenfalls im Besitz des Bundes befindet.
Betrieb
Fahrzeuge der
Fuhrparkservice GmbH
Foto:BwFuhrparkServiceGmbH
Mitten in den Aufbau des g.e.b.b.-Imperiums platzte am 18. Juli 2002 die Entlassung
Rudolf Scharpings durch Bundeskanzler Gerhard Schröder. Zum Nachfolger bestimmte
der Kanzler seinen langjährigen niedersächsischen Gefolgsmann Peter Struck. Nun war
Struck als „politisches Schwergewicht“, so Gerhard Schröder in seinen Erinnerungen,
neuer Verteidigungsminister. Damals war dieser „der festen Überzeugung, den
geliebten Fraktionsvorsitz nur für die Monate des Wahlkampfes abgeben zu müssen
und im Falle eines Wahlsiegs sofort wieder dorthin zurückkehren zu können“, so Struck
in seinen Memoiren4.
So wenig Struck ein gutes Haar an seinem Vorgänger ließ, so konsequent setzte er
dessen Modernisierungspolitik in Bezug auf Streitkräfte und Verwaltung fort. Vor dem
Hintergrund des historisch bedingt schwierigen Verhältnisses zwischen
Sozialdemokratie und Soldatentum stellte der ungediente Niedersachse mit einer
gewissen Ironie fest, „dass es unter sozialdemokratischen Verteidigungsministern die
3
Bundesministerium der Verteidigung: Neuordnung von Grund auf. Die größte Reform der
Bundeswehr in Stichworten, Bonn 2001, S. 8 ff.
4
Peter Struck: So läuft das. Politik mit Ecken und Kanten, Berlin 2011, S. 18.
3
größten Modernisierungs- und Beschaffungsschübe für die Bundeswehr gegeben hat“5.
So wurde planmäßig am 13. August 2002 die Lion Hellmann Bundeswehr
Bekleidungsgesellschaft mbH (LHBw) als weitere Tochterunternehmung der g.e.b.b.
gegründet, an dem letztere – und damit der Bund – nur zu 25,1 Prozent beteiligt
worden ist.
Einkleidung
Die Lion Hellmann Bundeswehr
Bekleidungsgesellschaft mbH
(LHBw) wurde 2002 als
Tochterunternehmen der g.e.b.b.
gegründet.
Foto: LHBw.de
Struck ließ am 26. Mai 2003 im BMVg das Modernisierungsboard einrichten, wo fortan
die Modernisierungsstrategien für die Bundeswehr sowie ihre Umsetzungsmaßnahmen
festgelegt werden sollten. Neben dem Bundesminister selbst, der den Vorsitz innehatte,
gehörten diesem obersten Entscheidungsgremium die beiden beamteten
Staatssekretäre, der Generalinspekteur, der Aufsichtsratsvorsitzender der g.e.b.b. sowie
ein weiteres berufenes Mitglied des g.e.b.b.-Aufsichtsrates als Geschäftsführer an. Zur
Vor- und Nachbereitung der Sitzungen des Modernisierungsboards sowie zur
Projektentwicklung und -begleitung wurde im BMVg im Oktober 2003 das
Kompetenzzentrum Modernisierung eingerichtet.
Truppenbesuch
Der damalige Bundesminister
der Verteidigung, Peter
Struck, besucht 2003 das
Deutsche Einsatzkontingent
KFOR.
Foto: Bundeswehr/Rott
Für den Bundesrechnungshofs (BRH) waren diese Maßnahmen nicht ausreichend. In
seinem Bericht vom 10. März 2004 über die Haushalts- und Wirtschaftsführung der
g.e.b.b. fällte der Rechnungshof im vierten Jahr der Bundeswehr-Holding ein
vernichtendes Urteil: „Zusammenfassend ist festzustellen, dass sich ein wirtschaftlicher
Erfolg der g.e.b.b. bis heute nicht ermitteln lässt“6. Die politische Leitung des BMVg
teilte diese Kritik – wenig überraschend – nicht. So war die Auffassung des BRH für den
5
Ebd., S. 80.
BRH - Bundesrechnungshof: Bericht nach § 88 Abs. 2 BHO über die Haushalts- und
Wirtschaftsführung der g.e.b.b. mbH, Bonn 2004, S. 8.
6
4
damaligen beamteten Staatssekretär Klaus-Günter Biederbick, der noch von Scharping
auf diesen Posten berufen worden war, „nicht nachvollziehbar“7.
Gleichwohl wuchs das g.e.b.b.-Imperium weiter. Am 16. Februar 2005 wurde der
Leistungsvertrag zur Gründung der Heeresinstandsetzungslogistik GmbH (HIL)
unterzeichnet, bei welcher der Bund einen Anteil von 49 Prozent hält. Es gab aber auch
Rückschläge. So endete das Market Testing-Verfahren zwischen dem eigenoptimierten
Truppenküchen-Modell und dem privaten Service-Modell des Multidienstleisters
Dussmann-Gruppe, das offiziell zum 1. August 2005 angelaufen war, im Fiasko. Einseitig
kündigte der private Caterer den Vertrag mit dem BMVg über die Bewirtschaftung von
Truppenküchen in Süddeutschland bereits zum 30. Juni des darauffolgenden Jahres.
BWI IT
Die 40 Mitarbeiter des
Monitor- und ControlCenters (MCC) überwachen
und steuern die Server der
Bundeswehr.
Foto: BWI, Marcus Mueller-Saran
Dafür wurde am 28. Dezember 2006 endlich der Gründungsvertrag der BWI
Informationstechnik GmbH unterzeichnet, der die Modernisierung des zivilen Teils der
IT- und Telekommunikationssysteme im Geschäftsbereich des BMVg zum Ziel hatte.
Noch unter Scharping war dieses Großprojekt unter dem bezeichnenden Namen
HERKULES 1999 angestoßen worden. Mit einem Volumen von 7,1 Milliarden Euro
handelte es sich dabei um das größte Beschaffungsprojekt im Rahmen von ÖffentlichPrivaten Partnerschaften (ÖPP) in Deutschland, an dem der Bund einen Anteil von 49,9
Prozent hielt. Auch bei HERKULES zeigt sich ein mittlerweile schon typisches
Organisationsproblem: Die Bundeswehr ist einerseits Auftraggeber der BWI IT,
andererseits auch Mitgesellschafter. Als Berater war hier übrigens ebenfalls die g.e.b.b.
tätig geworden.
Zur Bündelung der ministeriellen Modernisierungszuständigkeiten ordnete der
damalige Verteidigungsminister Franz Josef Jung am 8. Mai 2006 die Einrichtung einer
zentralen Abteilung Modernisierung an. Ihr Leiter gehörte fortan automatisch dem
übergeordneten Modernisierungsboard an und nahm darüber hinaus auch dessen
7
Klaus-Günther Biederbick: Die ökonomische Modernisierung der Bundeswehr. In: Die
Bundeswehrverwaltung. Nr. 1/2005, S. 2.
5
Geschäftsführung wahr. Das war der Startschuss für ein einschneidendes organisatorisches
Revirement bei der Modernisierung der zivilen Bundeswehrverwaltung. Mit der
Arbeitsaufnahme der Abteilung M am 15. Mai 2006 war diese fortan zuständig für die
einheitliche Beteiligungsführung bei ÖPP – zulasten der g.e.b.b. Diese hat ihre bisherige
Holding-Funktion weitgehend eingebüßt. Ihr ist fortan in erster Linie die Aufgabe einer
betriebswirtschaftlichen Beratungszentrale geblieben. „Dabei“, so der Journalist Thomas
Leif, „verursacht die g.e.b.b. enorme Kosten – den Nachweis der Wirtschaftlichkeit bleibt
sie schuldig“8. Dies sah deren damalige Geschäftsführung verständlicherweise anders. So
stellte Geschäftsführer Martin Rüttler allein für das Jahr 2010 „[d]irekte
Aufwandssenkungen für den Einzelplan 14 in Höhe eines namhaften Millionenbetrages“9
fest. Konkreter war diese Zahlenangabe nicht.
Wechsel
Bundesverteidigungsminister a.D,
Karl-Theodor zu Guttenberg (mi.),
und der Generalinspekteur der
Bundeswehr, General Volker
Wieker (re.), begrüßen Thomas de
Maizière 2011 bei seinem
Amtsantritt (li.), in Berlin.
Foto: Bundeswehr/Sebastian Wilke
Theodor zu Guttenberg trat im Oktober 2009 die Nachfolge Franz Josef Jungs als
Verteidigungsminister der neuen Regierungskoalition aus Union und FDP an. Am 12.
April 2010 setzte der neue Hausherr im Bendler-Block eine Strukturkommission für die
Neuausrichtung der Bundeswehr unter dem Vorsitz des Vorstandsvorsitzenden der
Bundesagentur für Arbeit (BA), Frank-Jürgen Weise, ein, der seit 2004 im Amt ist. Der
Minister wies die Kommission dabei an, „wirtschaftliches Handeln in der Bundeswehr
noch weiter zu stärken.“ Kommissionsmitglied Hans-Heinrich Driftmann, Unternehmer
und Oberst der Reserve, bilanzierte ernüchternd: „Die Bundeswehr ist total
unterfinanziert. Wäre sie ein Unternehmen, wäre sie pleite“10.
8
Thomas Leif: Beraten und verkauft. McKinsey & Co. Der große Bluff der Unternehmensberater.
4. Aufl., München, 2006, S. 333.
9
Martin Rüttler: Inhouse-Beratung und ihr Beitrag zur Neuausrichtung der Bundeswehr. In:
Gregor Richter (Hrsg.): Neuausrichtung der Bundeswehr. Beiträge zur professionellen Führung
und Steuerung, Wiesbaden 2012, S. 236.
10
Zitiert in: Achim Wohlgetan: Schwarzbuch Bundeswehr. Überfordert, demoralisiert, im Stich
gelassen. München 2011, S. 38.
6
Neue Impulse
All dies galt innerhalb der Bundeswehr schon lange vor der Amtszeit von
Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen, die im Dezember 2013 begonnen hat.
Mit ihrem Dienstantritt jedoch bekam die ökonomische Modernisierung der
Bundeswehr einen völlig neuen Drive. Zuvor war die CDU-Politikerin von 2009 bis 2013
Bundesministerin für Arbeit und Soziales gewesen. In jener Zeit lernte die
Arbeitsministerin bei einem Projekt Katrin Suder von der Unternehmensberatung
McKinsey & Company kennen. Die promovierte Physikerin machte Karriere als Beraterin
der deutschen und internationalen IT-Industrie und wurde 2010 als einzige Frau
Direktorin bei McKinsey. Später arbeitete sie in der Personalentwicklung der
Unternehmensberatung.
Dabei betreute Suder federführend unter anderem die Bundesagentur für Arbeit unter
dessen Vorstandsvorsitzenden Weise – ehemaliger Zeitsoldat und Oberst der Reserve –,
dessen Vertrag noch bis Mai 2017 läuft. Im August 2014 holte die Verteidigungsministerin
die McKinsey-Managerin als beamtete Staatssekretärin ins BMVg. Zu deren
Verantwortungsbereich gehören unter anderem die Abteilungen Planung, Ausrüstung sowie
Cyber- und Informationstechnik (CIT) – vormals die Abteilung Ausrüstung,
Informationstechnik und Nutzung (AIN) –, die ihr unmittelbar unterstellt sind.
Aufklärungssystem
Die Drohne „Heron1“ steht
für einen Ausbildungsflug
bereit.
Foto: Bundeswehr/Susanne Hähnel
Mit Gundbert Scherf kam ein weiterer Unternehmensberater von McKinsey auf die
politische Leitungsebene des Bendlerblocks, und zwar als Beauftragter für die
strategische Steuerung nationaler und internationaler Rüstungsaktivitäten der
Bundeswehr. Scherf verließ zum Jahreswechsel 2016/2017 das BMVg wieder. Er ging
zurück zu McKinsey, um dort jüngster Partner aller Zeiten und für den Public Sector –
damit auch für die Bundeswehr – zuständig zu werden. Unterdessen hat gerade, aus der
Privatwirtschaft kommend, der bisherige ThyssenKrupp-Manager Klaus-Hardy Mühleck
die neue Abteilung CIT im Verteidigungsministerium als dessen erster Leiter
übernommen.
Unterdessen läuft bei der Bundeswehr aktuell eine Ausschreibung über
Unterstützungsleistungen für das Projektmanagement im BAAINBw mit einem
Gesamtumfang von 208 Millionen Euro. Dabei geht es um den Abschluss einer
7
Rahmenvereinbarung durch das Koblenzer Bundesamt mit einer Laufzeit von drei
Jahren (2017 bis 2019), inklusiv Verlängerungsoption um ein weiteres Jahr. Die mögliche
Anzahl der Wirtschaftsteilnehmer am Verhandlungsverfahren beträgt sechs. Angetreten
sind folgende Konsortien:
Konsortium A, bestehend aus Ernst & Young, Capgemini, Roland Berger,
T-Systems, der kanadischen CGI Group Inc. und TÜV Nord,
Konsortium B aus KPMG, BearingPoint, der deutschen MSG Systems AG, IBM, der
CONET Technologies AG, Fraunhofer, TÜV Rheinland sowie
Konsortium C mit McKinsey, der Computer Sciences Corporation (CSC), der
PricewaterhouseCoopers AG (PwC), Accenture, der IABG mbH und der Aachener
P3 Ingenieurgesellschaft mbH.
Mit von der Partie war bisher Boston Consulting. Allerdings wird es final – laut
Ausschreibung – die geplante Rahmenvereinbarung nur mit drei Wirtschaftsteilnehmern
geben, die darüber hinaus nur einzeln beauftragt werden sollen.
Rüstung
Ein Transportflugzeug A400M des
Lufttransportgeschwaders 62 auf
dem südtürkischen Flugplatz
Incirlik.
Foto: Bundeswehr/Andrea Bienert
Agenda Rüstung
Mit Werkvertrag vom Juni 2014 hatte das BAAINBw bereits das Konsortium aus der
Berliner KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft mit ihren Unterauftragnehmern
Taylor Wessing Rechtsanwälte, PartGmbB und KPMG Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
sowie der P3 Ingenieurgesellschaft mit konzernverbundenen Unternehmen als
Unterauftragnehmer beauftragt, eine „umfassende Bestandsaufnahme und
Risikoanalyse zentraler Rüstungsprojekte“ vorzunehmen. Schon Anfang Oktober
desselben Jahres konnte das Rüstungsgutachten der Verteidigungsministerin vorgelegt
werden. Mit der Agenda Rüstung zog Verteidigungsministerin von der Leyen erste
Konsequenzen aus dem KPMG-Gutachten des externen Beraterteams. Unter der Leitung
von Staatssekretärin Suder fand bereits Ende November 2014 die Kick-off-Veranstaltung
des Projekts Rüstungsmanagement in Berlin statt, um die Erkenntnisse des
Rüstungsgutachtens zu bewerten und um dessen Empfehlungen in konkrete
Maßnahmen für die Bundeswehr umzusetzen.
8
Agenda Attraktivität
Noch vor der Agenda Rüstung hatte die Ministerin die Agenda Attraktivität verkündet.
Anfang Juni 2014 stellte sie vor der Bundespressekonferenz in Berlin die Maßnahmen
und Themenfelder der Attraktivitätsoffensive der Bundeswehr vor unter dem Motto:
„Aktiv. Attraktiv. Anders.“ Nicht weniger als „einer der attraktivsten Arbeitgeber
Deutschlands“ solle die Bundeswehr auf diese Art und Weise werden. Schließlich haben
sich mit der Aussetzung der Wehrpflicht zum März 2011 die Rahmenbedingungen für
das Personalmanagement grundlegend geändert.
Zunächst wurden 29 Maßnahmen auf den Weg gebracht, zu deren Umsetzung keine
Gesetze geändert werden mussten. So gibt es mittlerweile im Presse-/InfoStab des BMVg
einen Beauftragten für die Kommunikation der Arbeitgebermarke Bundeswehr.
Anschließend folgte in einem zweiten Schritt das Gesetz zur Steigerung der
Attraktivität des Dienstes in der Bundeswehr, das seit Ende Mai 2015 in Kraft ist.
Werbung
Ein Plakat "Wir.Dienen.Deutschland."
an der Wand des Bundesministeriums
der Verteidigung in Berlin
Foto: Bundeswehr/Andrea Bienert
Diese Maßnahmen scheinen sich positiv auf die Truppe auszuwirken. Zwei Jahre nach
der Vorstellung der Attraktivitätsagende durch die Ministerin führte das Zentrum für
Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr (ZMSBw) in Potsdam eine
repräsentative Befragung unter Soldaten und Zivilbediensteten der deutschen
Streitkräfte durch. Im Forschungsbericht „Wie attraktiv ist die Bundeswehr als
Arbeitgeber? Ergebnisse der Personalbefragung Juni/Juli 2016“ von Gregor Richter,
Projektbereichsleiter Personal und Organisation am ZMSBw, vom August 2016 ist
nachzulesen: 59 Prozent hielten im vergangenen Jahr die Bundeswehr für einen
attraktiven Arbeitgeber. Bei der vorherigen Referenzbefragung im Januar/März 2013
meinten dies nur 39 Prozent, sage und schreibe 20 Prozent weniger11.
Weitere wichtige Ökonomisierungsschritte waren die Novellierung des Customer
Product Management (CPM) zur Schaffung eines neuen, effizienten und einheitlichen
11
Vgl. Gregor Richter: Wie attraktiv ist die Bundeswehr als Arbeitgeber? Ergebnisse der
Personalbefragung 2016, Forschungsbericht 113 des Zentrums für Militärgeschichte und
Sozialwissenschaften der Bundeswehr, Potsdam August 2016.
9
Ausrüstungs- und Nutzungsprozesses, die Einführung des Integrierten
Planungsprozesses (IPP) als erster Teil der Analysephase zur Feststellung von
Fähigkeitslücken sowie des Life Cycle Cost Management (LCCM).
Ist Inhouse in?
Einen Warnschuss vor den Bug erhielt das teilprivatisierte Bekleidungsmanagement der
Bundeswehr. Nachdem die LHBw Bekleidungsgesellschaft aufgrund der Aussetzung der
Wehrpflicht und der internationalen Expansionsstrategie im Drittgeschäft in erhebliche
wirtschaftliche Schieflage geraten war, entschied der Bund im Jahr 2015, sie ganz als
Inhouse-Gesellschaft zu übernehmen.
Unter gänzlich anderen Vorzeichen steht die BWI IT als Inhouse-Gesellschaft. Ulrich
Meister, einer ihrer vier Geschäftsführer, empfahl sein Unternehmen auf der Koblenzer
IT-Tagung im September 2016 nicht nur als IT-Systemhaus der Bundeswehr, sondern
auch als ein IT-Dienstleistungszentrum des Bundes insgesamt, also auch für andere
Ressorts.
Controlling
„Die Bedeutung des Controllings in der Bundeswehr ist – zu Recht – von
Staatssekretärin Suder hervorgehoben worden“, sagte beim 7. Kölner Defence
Roundtable am 10. Oktober 2016 Michael Abels, Partner beim Veranstalter Oppenhoff
& Partner sowie Oberstleutnant der Reserve. Der Grundstein für die Einführung
betriebswirtschaftlicher Instrumente und Denkweisen wurde Anfang der 1990er Jahre
mit dem Bundeswehreigenen Konzept der Kosten- und Leistungsverantwortung (KLV)
gelegt.
In jüngster Zeit wurde die ursprüngliche KLV-Konzeption zu einem umfassenden
Controllingansatz weiterentwickelt. Dieser Controlling-Ansatz soll mittels
Kostentransparenz, Zielorientierung und kontinuierlichem Berichtswesen als Instrument
der Führungsunterstützung einen wirtschaftlicheren Umgang mit den öffentlichen
Finanzressourcen ermöglichen. Im Rahmen der Kosten- und Leistungsverantwortung
wurden zwei Instrumente in die Bundeswehr eingeführt, welche die angestrebte
ökonomische Modernisierung der Streitkräfte umsetzen sollen:
Zum einen ist die Kosten- und Leistungsrechnung (KLR) zu nennen. Anhand von
Ist- und Plan-Kosten-Rechnungen soll der Finanzmitteleinsatz transparent und
damit im Bedarfsfall nachsteuerbar sein. Als Problem erweist sich jedoch, dass die
jeweilige Dienststellenleitung bisher in der Regel zu weniger als fünf Prozent
effektiven Einfluss auf Struktur und Höhe der laufenden Betriebskosten in ihrem
Verantwortungsbereich hat.
Zum anderen ist das Kontinuierliche Verbesserungsprogramm (KVP) zu
erwähnen, das ursprünglich aus der japanischen Wirtschaftsphilosophie des
10
sogenannten Kaizen stammt. Der betriebswirtschaftliche Grundgedanke, der
letztlich hinter dem KVP steht, ist der, dass ein Großteil der Fähigkeiten, über
welche der durchschnittliche Mitarbeiter eines Unternehmens in seiner Ganzheit
verfügt, vom Arbeitgeber nicht genutzt werden, obwohl die Anwendung jener
Fähigkeiten dem Wohl des jeweiligen Unternehmens dienen würde.
Das BMVg erließ im Mai 2002 die Rahmenanweisung Controlling, mit der dieses
ökonomische Steuerungsinstrument offiziell in der Bundeswehr eingeführt worden ist.
Im Modernisierungsboard, das im Mai 2003 eingerichtet worden ist, „werden die
Gesamtstrategie und das Zielsystem zur Modernisierung der Bundeswehr diskutiert und
[...] Maßnahmen zu ihrer Umsetzung festgelegt“12.
In der Bundeswehr bestünden jedoch falsche Vorstellungen über dieses SteuerungsTool, sagte Oberst i.G. Christopher Kaatz, Referat Haushalt und Controlling (HC) II 3
(Zentrales strategisches Controlling) im BMVg, Anfang November 2016 auf einem ITForum der Deutschen Gesellschaft für Wehrtechnik e.V. (DWT) in Bad Godesberg.
Ampelfarben eigneten sich dazu genauso wenig wie Prozentwerte („80 Prozent von
wenig sind immer noch wenig!“). Richtig angewandt, unterstütze das Controlling sehr
wohl die strategische Steuerung. Der „Mehrwert des Controlling“ bestehe – ITunterstützt – darin, „das Beste zu identifizieren, was eintreten kann.“ Von zentraler
Bedeutung sei in diesem Zusammenhang die „Vernunft der Datenstruktur, die wir
erheben“13, so Oberst Kaatz.
Fazit
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die ökonomische Modernisierung in der
Bundeswehr angekommen ist. Sie stößt auf eine weithin große Bereitschaft in der
Truppe, die betriebswirtschaftlich ausgerichteten Wege mitzugehen – das zeigen
empirische sozialwissenschaftliche Studien deutlich. Die Mehrheit der Soldatinnen und
Soldaten nimmt mit kritischem Blick am strukturellen Umbau teil und will vermittelt
bekommen, worin Sinn und Zweck einzelner Maßnahmen bestehen, welche Ziele,
welche Erfolge, aber auch welche Probleme es gibt.
12
13
Klaus-Günther Biederbeck, a.a.O., S. 3.
Christopher Kaatz, zitiert in Behörden-Spiegel, Dezember 2016.
11
Autor
Dr. Gerd Portugall, M.A., Jahrgang 1961, ist Redakteur für Sicherheitspolitik,
Verteidigung und Wehrtechnik des Behörden Spiegel in Bonn. Zuvor arbeitete er sechs
Jahre lang in der Projektgruppe "Ökonomische Modernisierung von Streitkräften" am
damaligen Sozialwissenschaftlichen Institut der Bundeswehr in Strausberg.
Literatur
Eva-Maria Kern/Gregor Richter (Hrsg.), Streitkräftemanagement. Neue Planungs- und
Steuerungsinstrumente in der Bundeswehr, Wiesbaden 2014.
Gerd Portugall, Politische Hintergründe und Eingriffe des Ressorts am Beispiel des SOWIProjekts „Ökonomische Modernisierung der Bundeswehr“, in: Angelika Dörfler-Dierken/
Gerhard Kümmel (Hrsg.): Am Puls der Bundeswehr. Militärsoziologie in Deutschland
zwischen Wissenschaft, Politik, Bundeswehr und Gesellschaft, Wiesbaden 2016, S. 331-344.
Gerd Portugall, Mehr Effektivität und Effizienz. Zwischenbilanz der ökonomischen
Modernisierung, in: Behörden Spiegel Oktober 2016, S. 61.
Gregor Richter (Hrsg.), Die ökonomische Modernisierung der Bundeswehr. Sachstand,
Konzeptionen und Perspektiven, Wiesbaden 2007.
Gregor Richter (Hrsg.), Neuausrichtung der Bundeswehr. Beiträge zur professionellen
Führung und Steuerung, Wiesbaden 2012.
Gregor Richter, Modernisierung in der Bundeswehr – Privatisierung und Public-PrivatePartnerships (PPP), in: Ina Wiesner (Hrsg.): Deutsche Verteidigungspolitik, Baden-Baden
2013, S. 293-304.
Links
www.gebb.de/de.
Gesellschaft für Entwicklung, Beschaffung und Betrieb mbH
www.bwi-it.de/
BWI Informationstechnik GmbH
w w w .zm sbw .de
Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr
12