SWR2 Tagesgespräch

SÜDWESTRUNDFUNK
Anstalt des öffentlichen Rechts
Radio  Fernsehen  Internet
PRESSE Information
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
nachfolgend bieten wir Ihnen eine Meldung an.
Evelyne Gebhardt (SPD), Europaabgeordnete, gab heute,
03.02.17, dem Südwestrundfunk ein Interview zum Thema
"EU-Gipfel auf Malta“.
Das „SWR2 Tagesgespräch“ führte Pascal Lechler.
Mit freundlichen Grüßen
Zentrale Information
Chefredaktion Nachrichten und Distribution
Zentrale Information
SWR Tagesgespräch
Postadresse 76522 Baden-Baden
Hausadresse Hans-Bredow-Straße
76530 Baden-Baden
Telefon
Telefax
07221/929-23981
07221/929-22050
Internet
www.swr2.de
Datum:
03.02.2017
Vize-Präsidentin des EU-Parlaments, Evelyne Gebhardt (SPD): Wir brauchen legale Wege
für Flüchtlinge nach Europa
Baden-Baden: Die Vizepräsidentin des Europa-Parlaments, Evelyne Gebhardt, (SPD), hat sich
klar gegen Aufnahmezentren für Flüchtlinge in Nord-Afrika ausgesprochen. Vor dem heute in
Valletta beginnenden EU-Gipfel sagte die Europapolitikerin im SWR2-Tagesgespräch, dass
man mit diesen Zentren die Not der Flüchtlinge einfach nur verlagere. Das sei nicht die richtige
Antwort. Man müsse sich in Erinnerung rufen, dass es hier nicht um irgendwelche Ströme gehe
sondern um Menschen, die in Not seien. Die EU müsse endlich legale Wege für Flüchtlinge
nach Europa schaffen. Die SPD-Politikerin wandte sich im SWR2-Tagesgespräch auch gegen
das Abfangen von Flüchtlingen auf hoher See und eine Rückführung nach Afrika. Das stelle
einen klaren Bruch mit der Genfer Flüchtlingskonvention dar, so Gebhardt. Bezüglich der
Verteilung der Flüchtlinge auf die einzelnen EU-Länder meinte Gebhardt, hier müsse der Druck
auf die Länder erhöht werden, die sich weigerten, die bereits beschlossenen Quoten der
Aufnahme zu erfüllen. Notfalls müsste Brüssel auch finanzielle Konsequenzen ziehen.
Wortlaut des Live-Gesprächs:
Lechler: In der vergangenen Woche hat die Kommission in Brüssel vorgestellt, was sie in
Sachen Bewältigung der Flüchtlingskrise tun will, das Papier für den Gipfel heute heißt
„Strategie zur Steuerung der Migration im südlichen Mittelmeerraum“. Eigentlich ist das
doch de facto ein Migrationsverhinderungsprogramm?
Gebhardt: Also es ist ein Programm, das eigentlich nicht wert ist, so genannt zu werden
tatsächlich. Denn hier geht es darum, zu sehen, wie können wir verhindern, dass die Menschen
zu uns kommen, die in Not sind, aber nicht darum, wie können wir tatsächlich die Migration und
die Bewegungen in der Welt angehen, damit zum einen die Menschen zu Hause bleiben
können, was sie eigentlich am liebsten tun würden, und wenn sie das nicht können, wie gehen
wir mit diesen Menschen um. Das wird leider tatsächlich total ausgespart.
Der SWR ist Mitglied der Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland (ARD)
Lechler: Fairer Weise muss man ja dazu sagen, dass in diesem Programm auch 200
Millionen Euro eingestellt werden, eben 200 Millionen Euro, um die Menschen in ihren
Ländern zu halten, aber spätestens seit der Elbphilharmonie wissen wir ja, dass man mit
200 Millionen Euro nicht weit kommen kann?
Gebhardt: Das ist richtig und wir haben eigentlich eine Vereinbarung der Mitgliedsstaaten, dass
sie 0,7 Prozent ihres Bruttoinlandsproduktes für die Entwicklungszusammenarbeit ausgeben. In
der Europäischen Union gibt es einen einzigen Staat, und das ist Luxemburg, der sich daran
hält. Alle anderen haben diese Verpflichtung nicht eingehalten.
Lechler: Auch die Deutschen müssen da eben nachlegen. Immer wieder ist die Rede von
Aufnahmezentren in Nordafrika, respektive Libyen. Auch das wird heute Thema in
Valletta sein. Menschen auf hoher See abfangen und nach Libyen zurückbringen wäre
aber ein klarer Bruch mit der Genfer Flüchtlingskonvention. Wie bringt man dieses
Vorhaben auch mit den europäischen Werten in Einklang?
Gebhardt: Das kann man so nicht in Einklang bringen. Man muss dafür sorgen, dass die
Menschen erstens tatsächlich nicht auf die See gehen, weil das viel zu gefährlich ist. Aber das
sind nicht irgendwelche Camps oder Zentren in Libyen oder sonst wo, sondern wir müssen
legale Wege schaffen, auf denen die Leute zu uns kommen können, wenn sie das Recht dazu
haben. Zweitens müssen wir natürlich die Genfer Konvention einhalten, und wenn die
Menschen schon in den europäischen Gewässern sind, dann können sie nicht nach Afrika
geschickt werden, sondern dann müssen sie aufgenommen werden. Dann müsste geprüft
werden, ob sie tatsächlich einen Asylgrund haben und das ist eine einfache, klare auch aus
unserem Grundgesetz starke Voraussetzung, dass das gemacht wird. Erst dann können sie,
wenn sie diese Voraussetzung nicht haben, wieder zurückgeschickt werden.
Lechler: Der österreichische Außenminister Kurz will diese Zentren haben, auch der
französische Präsidentschaftskandidat Macron befürwortet solche Zentren, ganz zu
schweigen von unserem Innenminister. Sie sind gegen diese Zentren?
Gebhardt: Ich bin gegen diese Zentren, weil das bedeutet, dass wir das Elend, die Not der
Menschen, dann schlicht und einfach verlagern. Das ist eben nicht die richtige Antwort. Man
muss sich immer wieder in Erinnerung rufen, dass es hier nicht um irgendwelche Ströme oder
sonst was geht, es geht um Menschen. Es geht um Menschen: Um Frauen, um Männer und
Kinder, die in Not sind, die vor dem Elend in ihren Staaten herausbrechen wollen, die aus
bürgerkriegsähnlichen Zuständen herauskommen, und da kann man nicht einfach sagen, das
ist uns jetzt egal und wir gucken, dass wir sie irgendwo hin parken und dann vielleicht
überlegen, wo sie danach hingehen könnten.
Lechler: Irgendwo hin parken, das wäre ja dann Libyen. Man spricht ja schon über einen
Deal mit Libyen so wie mit dem Deal mit der Türkei. Aber mit der Türkei hatten mir ja
schon Bauchweh. Pro Asyl sagt, Libyen ist nicht sicher. Das kann man doch nicht
machen, man kann doch diese Menschen nicht nach Libyen bringen?
Gebhardt: Man kann sie nicht nach Libyen bringen. Das sehe ich genau so. Das ist meine ganz
persönliche Meinung. Das ist absolut nicht akzeptabel, diese Art und Weise voranzugehen.
Sondern wir müssen dafür sorgen, dass tatsächlich die Situation in den Außenstaaten, in den
Nachbarstaaten, sich so verbessert. Das heißt, wir müssen eine andere Außenpolitik machen,
wir müssen dafür sorgen, dass in den Gesprächen mit den Staaten, in denen die Situation für
die Bürger so schlecht ist, dass sie nicht vorankommen können, dass wir diese dort verbessern.
Da sollten wir die ganze Energie hinein bringen, die wir gerade zum Bau von Mauern gerade
aufbauen. Wir beklagen den Mauerbau in Mexiko von Herrn Trump und gleichzeitig machen wir
das in den Außengrenzen von Europa. Das geht nicht zusammen.
Der SWR ist Mitglied der Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland (ARD)
Lechler: Ein Thema wird ja ausgespart in Valletta, und zwar die Verteilung der
Flüchtlinge, die bereits hier sind, vor allem in Italien und Griechenland. Da mauern ja
auch sehr viele Länder, um in diesem Bild zu bleiben?
Gebhardt: Ja tatsächlich. Es ist ja beschlossene Sache, dass diese Verteilung gemacht werden
soll. Die Staaten halten sich nicht dran. Da wäre es an der Europäischen Kommission, endlich
mal die Schritte zu gehen, die die Verträge der Europäischen Union ja auch vorsehen. Wenn
sich die Mitgliedsstaaten nicht an Gesetze halten, und das sind ja Gesetze, dann müssen sie
eben angegangen und wenn es sein muss vor dem Europäischen Gerichtshof angeklagt
werden.
Lechler: Ihr Kanzlerkandidat Schulz, der ehemalige Präsident des EU-Parlaments, will ja
sogar Ländern sozusagen den Finanzhahn zudrehen?
Gebhardt: Ja das ist eine der Überlegungen, die wir im Europäischen Parlament auch anstellen,
weil wir sagen, das kann ja nicht sein, dass die Einen die ganze Last sowohl der Aufnahme der
Menschen, wie auch die finanzielle Last übernehmen und die anderen, die gucken halt einfach
zu und drehen Däumchen. Das geht nicht. Deswegen müssen wir wahrscheinlich solche
Schritte vorangehen.
Ende Wortlaut -
Der SWR ist Mitglied der Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland (ARD)