Was macht Kirche zur Kirche?

Predigt am 29.01.2017 in der PG Trinitatis Mannheim von Pfr. U. Nellen
Was macht Kirche zur Kirche?
Aus Anlass der Prozesse, die unsere Gemeinde in den nächsten Monaten und Jahren
durchmachen wird - hin zu einer Gemeinde, die sich selbst durch Ehrenamtliche trägt und
versorgt, schauen wir in einer Frühlingspredigtreihe mal, was Kirche eigentlich zu Kirche
macht, Gemeinde eigentlich zu einer Gemeinde.
Denn nur, wenn wir wissen, was Kirche eigentlich ist, können wir uns dahin auch bewegen
und entwickeln.
Heute fangen wir mal mit einigen Basics an – und dazu gehen wir wieder in die Ursprachen
der Bibel – ins Hebräische und Griechische.
Im 2. Mose 12 wird zum ersten Mal überhaupt von „Gemeinde“ gesprochen und bereits das
ist ein wichtiger Hinweis. Zuvor gab es zwar Stämme und Familien, ja sogar bereits „das
Volk“, aber erst jetzt spricht die Bibel von der „Gemeinde Israel“.
Was bedeutet das?
Gott will hier sein Volk aus der Sklaverei in Ägypten herausführen und verknüpft dies mit
einem neuen Bund
Wir gehen meistens davon aus, dass dieser Bund der vom Sinai ist, dem Geben der Gesetze –
und das stimmt auch – teilweise...
Aus den Zeiten der Väter Abraham, Isaak und Jakob wissen wir, dass ein Bund immer mit
Blut geschlossen wird. Somit beginnt der Bund der Befreiung aus der Sklaverei mit dem
Passahopfer, bei dem ein Lamm geschlachtet wird, um durch sein Blut den Tod vom Volk
Israel abzuhalten. Gereinigt durch dieses Opfer kann dann das Volk später am Sinai die
Maßstäbe Gottes erfahren.
Gemeinde beginnt also immer damit, dass wir erst mal in die Gegenwart Gottes treten dürfen
und das ist im neuen Bund durch das Opferlamm Jesus geschehen. Mit diesem
Erlösungswerk beginnt Gemeinde. Ohne das Opfer vom Kreuz gibt es keine Gemeinde,
sondern höchstens ein Volk – gut immerhin auch schon gesegnet und geführt von Gott,
beschützt und bewahrt – Gemeinde ist mehr als dies!
Gott liebt ja jedes seiner Geschöpfe – unabhängig ob sie ihn schon erkannt haben oder nicht,
ja er segnet jeden Menschen, aber sein Ziel ist ein Bund, der zu einer Gemeinschaft mit ihm
und untereinander führt. Und diese Gemeinde ist dann „on the road“ – unterwegs – nicht
umsonst sprechen Theologen in dieser Zeit vom „wandernden Gottesvolk“.
Das ist mal ein erstes Merkmal, das wir hier erkennen können:
Gemeinde beginnt und ist überhaupt erst denkbar, seit dem Jesus als das Opferlamm für uns
gestorben ist. Und wir uns das wie das Volk damals zu eigen machen – die Türpfosten
unseres Lebenshauses mit seinem Blut besteichen.
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Schauen wir nun weiter ins Hebräische: Für „Gemeinde“ steht hier das Wort
‫ ָﬠ ָדה‬und es kommt von dem Verb:
• gehen oder schreiten – Stichwort: Wanderndes Gottesvolk.
Will sagen: Gemeinde ist in ständiger Bewegung – und das ist bitte nicht nur so zu
verstehen, dass wir innerlich ganz bewegt den Gottesdienst erleben, sondern, dass wir
beweglich sind – innerlich und äußerlich. – ja dass die Bewegung auch erst mal in die
Wüste führt, wo wir aber intensive Begegnungen mit und Versorgung durch Gott
erleben.
• Eine weitere Bedeutung ist: „schmücken, sich schmücken, Schmuck“
Das zeigt uns, dass Gemeinde etwas ist, das uns schmückt und auch selber ein
Schmuckstück darstellt. Und dabei geht es jetzt nicht um wunderschöne Räume, so
sehr wir uns auch danach sehnen  Es geht darum, was der Prophet Hesekiel mal über
das Volk Gottes sagt: „Und dein Ruhm erscholl unter den Völkern deiner
Schönheit wegen, die vollkommen war durch den Schmuck, den ich dir angelegt
hatte, spricht Gott der HERR. (Hes. 16:14) Was uns Schönheit im geistlichen Sinne
verleiht ist der Schmuck, den Gott selbst uns anlegt, das schmückt uns , lässt uns
strahlen und das ist ein Kernkennzeichen von Gemeinde und wir selbst sind dabei
beteiligt – es ist transitiv wie intransitiv zu verstehen und zugleich ein Substantiv
• Das Wort bedeutet auch: Gemeinschaft; Zusammenkunft, Gesellschaft, Freundeskreis;
Gruppe, Schwarm. Zwar nicht im Sinne von: Ich schwärme von meiner Gemeinde!
Oder eine „schwärmerische Gemeinde“ zu sein.
Gemeint ist z.B. ein Schwarm von Vögeln. Bleiben wir mal kurz bei diesem Bild –
weshalb ihr jetzt auch erst den Videoclip vom Anfang einordnen könnt 
Habt ihr auch schon mal gestaunt, wie so ein Starenschwarm von 1000enden von
Tieren wie wild durcheinanderkurvt, ohne dass es einen Zusammenstoß gibt? Ja es
wirkt regelrecht ästhetisch – nicht chaotisch, irgendwie ist immer eine Choreographie
zu entdecken – und das Ganze geht normalerweise auch voran mit einem Ziel: Die
kollektive Schwarmintelligenz wird geschult, die Koordination, die Intuition im
Wahrnehme des anderen und man zieht dann im Winter gemeinsam im Schutz der
Gruppe in den Süden. Ein Schwarm ist immer ein Wunder – und Gemeinde sollte
etwas davon haben: Man trifft sich zu einer Gemeinschaft – mit vielen andern - (ich
wiederhole: mit VIELEN anderen ) es ist Bewegung – zielgerichtet – aber wie ein
Tanz, ohne Zusammenstöße du blutige Nasen...
In einem Lexikon wird auch die Bedeutung des Wortes benannt: „Meine Familie in
ihrer ganzen Fülle“ und das wollen wir als Gemeinde doch auch sein. Familie – wo
einer für den anderen da ist, ihm beisteht, ihn fördert – in aller Vielfalt und aller Fülle!
• Und dann gibt es noch eine ursprüngliche und wirklich erstaunliche Bedeutung dieses
Wortes: „Zeuge; Zeugnis, Beweis“ – Eine Gemeinde ist immer eine Gruppe von
Menschen, die aus Zeugen besteht: „Was von Anfang an war, was wir gehört haben,
was wir gesehen haben mit unsern Augen, was wir betrachtet haben und unsre
Hände betastet haben, vom Wort des Lebens... das verkündigen wir auch euch,
damit auch ihr mit uns Gemeinschaft habt; und unsere Gemeinschaft ist mit dem
Vater und mit seinem Sohn Jesus Christus. (1 Joh. 1:1-3) Und Jesus sagt: „Ihr seid
meine Zeugen, denn ihr seid von Anfang an bei mir gewesen“ (Joh. 15:27 LUT84)
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Ein Zeuge ist immer jemand, der das bezeugt, was er gesehen und erlebt hat –
Gemeinde ist immer eine Gruppe von Menschen, die etwas erlebt hat und das bezeugt.
Stellt euch einen Zeugen vor Gericht vor, der sagt: Ja, ich habe gehört, dass jemand
gesagt hat, dass er jemanden kennt, der den Unfall gesehen hat... So was geht doch gar
nicht – nur unmittelbar Betroffene können bezeugen – nun von Jesus Ergriffene
können ihn bezeugen.
Und auch die weitere Bedeutung stimmt: Gemeinde ist auch selbst ein Zeugnis, ein
Beleg an und für sich, dass Jesus Realität ist. Die Tatsache, dass es Gemeinde im
biblischem Vorbild gibt ist ein Beleg für die Wahrheit der Bibel.
Wieso?
Dazu gehen wir ins Neue Testament in die Apostelgeschichte: „Und sie waren täglich
einmütig beieinander im Tempel und brachen das Brot hier und dort in den
Häusern, hielten die Mahlzeiten mit Freude und lauterem Herzen und lobten Gott
und fanden Wohlwollen beim ganzen Volk. Der Herr aber fügte täglich zur
Gemeinde hinzu, die gerettet wurden.“ (Apg 2:46-47) Diese Verse schauen wir uns
ein anders Mal noch näher an – jetzt geht es mir um diesen Teil: Sie fanden
Wohlwollen beim ganzen Volk. Der Römer Tertullian schrieb: „Seht, wie haben sie
einander so lieb!“ Das hatte ihn wohl auch eingeladen, Christ zu werden – Gemeinde
als Zeugnis der Liebe in einer Welt der Konkurrenz, der Kälte und Lieblosigkeit. Sind
wir das?
Kommen wir noch zu dem neutestamentlichen Wort der Bibel für Gemeinde oder
Kirche: ἐκκλησία heißt: Volksversammlung; Volksgemeinde Kirche; Gemeinde.
Auch dieses Wort hat einen Ursprung – es ist zusammengesetzt aus der Vorsilbe EK
oder EX – das meint heraus oder hervor aus einem Zustand und dem Verb καλέωrufen, einladen, eine Sache benennen.
Gemeinhin kennen wir vielleicht diese Bedeutung: Gemeinde Christi, das sind die
Herausgerufenen Geretteten aus der bösen Welt. Ja diese Übersetzung ist korrekt, aber
nur ein kleiner Teil dessen, was das Wort eigentlich darstellt. Dieses Substantiv
beinhaltet nämlich einen aktiven und passiven Teil:
Ja, wir sind herausgerufen, aber: „Als Botschafter Christi fordern wir euch deshalb
im Namen Gottes auf: Lasst euch mit Gott versöhnen! Wir bitten euch darum im
Auftrag Christi.“ (2 Cor. 5:20 HFA) Das ist auch Inhalt des Wortes Gemeinde. Daher
ist Gemeinde immer ein rufen und sich rufen lassen, ein Hören nach innen und ein
Reden nach außen. Gleichzeitig steckt hier drin: Wir als Gemeinde sind Menschen, die
etwas benennen, das wir heraus-gefunden haben. So lesen wir als Gemeinde z.B. in
Bibelstunden die Bibel und aus ihr heraus benennen wir Wahrheiten Gottes für uns
und die Menschen, mit denen wir in der Gemeinde zu tun haben und dann natürlich
auch mit „Fremden“. Und benennen es eindeutig, klar und unmissverständlich – auch
das steckt hier drin – also nicht so Wischi-Waschi, sondern mit Luther: Hier steh ich
und ich glaube auch nicht anders!
Noch ein kurzer Gedanke: Was ist der Unterschied zwischen Gemeinde und Kirche?
Es gibt keinen wirklichen. „Kirche“ kommt in der Bibel nicht vor. Das Wort selbst kommt
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über das Mittelhochdeutsche aus dem Griechischen kuriakη „Gotteshaus“, das seinerseits
passend zu kuriakoς „zum Herrn gehörig“ gebildet wurde. Und Beides gibt es natürlich in
der Bibel, wenn auch nicht namentlich.
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Erst viel später bildete sich über die Bedeutung der Institution Kirche. Die eigentliche
Bedeutung „dem Kyrios zugehörig“ ist jedoch eine sehr gute Beschreibung dessen, was
Gemeinde ist bzw. sein sollte oder sein will:
Gemeinde – ob nun Ortsgemeinde oder die Weltweite Kirche des Leibes Christi – auch so
ein Bild für Gemeinde – gehört nicht sich selbst: Ach wie schön gemütlich haben wir es
doch...
Sie gehört auch nicht zu einer Organisation: Wir gehören zur XY-Schublade – so wichtig
Strukturen auch sein mögen.
Sie gehört auch nicht dem Pastor, der immer von „Meiner Gemeinde“ spricht. Sie gehört
nicht mal den Gemeindegliedern, die mit einem gewissen Stolz oder aber kritisierend von
„Ihrer Gemeinde“ sprechen.
Gemeinde gehört immer zum Herrn und dem Herrn – er ist der Herr der Kirche. Er ist der
persönliche Herr der Personalgemeinde Trinitatis in Mannheims Innenstadt. Und er leitet
und führt uns aus einem hohen eigenen Interesse.
Immerhin ist es ja Seine Gemeinde – und an ihrem Wohl und Wehe hat er immenses
Interesse – sogar weit mehr als wir selbst!
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