Paulo Freire

Paulo Freire
- Pädagogik der Unterdrückten Die Beendigung der Kultur des
Schweigens in Anwendung bei
Flüchtlingskindern
Paulo Freire
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brasilianischer Pädagoge der Befreiung
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lebte 1921-1997
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1929 Weltwirtschaftskrise
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stand auf der Seite der „Unterentwickelten“
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mit elf Jahren Entschluss, gegen den Hunger und die
Armut zu kämpfen → Rechtsanwalt
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später Lehrer bzw. Professor für Geschichte und
Philosophie
Die Entdeckung der Kultur des
Schweigens
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Alphabetisierungskampagnen in brasilianischen
Slums
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Masse erweist sich als bildungsunfähig, westliche
Schulmodelle greifen nicht
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Lernhemmung; fehlender Emanzipationswille
Ursachen für die Entstehung dieser
„Kultur des Schweigens“
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Apathie der Unterdrückten ist immer eine Folge der
Unterdrückung
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Theorie von der „natürlichen Unterlegenheit der
Unterdrückten“
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verinnerlichte Vorstellungen
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fehlender Kontakt zwischen Intellektuellengruppen
und ungebildeten Massen
Erziehung der Unterdrückten zu
Unterdrückten
Aufrechterhaltung der bestehenden Herrschafts- und
Ausbeutungsverhältnisse:
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Beraubung ihrer Sprache und ihrer kulturellen
Identität
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Volkssprache wird in der Schule systematisch
abtrainiert
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Selektives Sozialisations- und Bildungssystem
(„Wissen ist Macht!“)
→ „Die Macht der einen braucht die Dummheit der
anderen!“
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Organisation des Bildungswesens
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Fähigkeit zu lernen verkümmert
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Unterdrückte sehen sich selbst als „nichtig“ und
neue Erfahrungen werden stets zu einer weiteren
Bestätigung ihrer „Wertlosigkeit“
→ Massen der „Dritten Welt“ sind weder fähig noch
bereit zur Selbstbestimmung/Freiheit!
Das Verhältnis Lehrer – Schüler
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übermittelnder Charakter (Lehrer = Übermittler,
Schüler = Container)
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Container kann mit beliebigen (selektiven)
Informationen gefüllt werden
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Lehrer = der Wissende; Subjekt des Lernprozesses
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Schüler = akzeptieren ihr Nichtwissen als die
Existenzberechtigung des Lehrers; nur Objekte
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Erziehung = „Spareinlage“ (Anleger → AnlageObjekt)
Der Bankiers-Ansatz
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Schüler werden nicht dazu angehalten, die
Wirklichkeit kritisch zu betrachten → Automaten
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trägt zur Enthumanisierung bei
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Passivität des Menschen
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„Der erzogene Mensch ist der angepasste Mensch,
denn er passt besser in die Welt.“
→ Theorie und Praxis der Bankier-Erziehung dienen
dazu, das eigene Denken auszuschalten
Erziehung ist niemals neutral
„Entweder ist sie ein Instrument zur Befreiung des
Menschen, oder sie ist ein Instrument seiner
Domestizierung, seiner Abrichtung für die
Unterdrückung.“
Depositäre Erziehung
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„Fütterungsvorgang“ (Vorstellungen und Vorurteile
des Systems)
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Lehrer: Wissen, Macht
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Schüler: Unwissen, Ohnmacht
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Entwertung und Beseitigung der kulturellen Identität
und Sprache
Depositäre Erziehung
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„Fütterungsvorgang“ (Vorstellungen und Vorurteile
des Systems)
●
Lehrer: Wissen, Macht
●
Schüler: Unwissen, Ohnmacht
●
Entwertung und Beseitigung der kulturellen Identität
und Sprache
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„Status quo“ → Anpassung
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Bildung = Unterwerfung (Wie bereitwillig gebe ich
mich der Fremdbestimmung hin?)
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Gebildeter = Entfremdeter
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Depositäre Erziehung ↔ Emanzipation
Freires Alternative zur depositären
Bildung
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Lernen als Wahrnehmung der eigenen
Lebenssituation als Problem
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Lehren = Problematisieren statt Programmieren
→ grundlegende Veränderung der KlassenzimmerSituation
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Lernimpulse geben
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Statt Fütterungsvorgang Dialogisches Lernen
Ich lerne Lesen und Schreiben, um Freiheit zu
erlangen.
Ich erlange Freiheit im Prozess des Lernens!
Das Dialogische Prinzip
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Sprache = einzige unüberwindliche Waffe der
Freiheit (ohne Sprache wehrlos!)
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menschliche Existenz ist auf die dialogische
Beziehung zwischen dem Ich und Du angewiesen
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„Dialog ist die Begegnung zwischen Menschen,
vermittelt durch die Welt, um die Welt zu benennen.“
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kritische Interpretation findet im Dialog statt
(existenzielle Notwendigkeit!)
Kennzeichen des Dialogs
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gleichberechtigte Partner
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Liebe
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Demut
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Hoffnung
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kritisches Denken
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Grundlage von Kooperation
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nicht manipulativ oder domestizierend
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Dialog ↔ Anti-Dialog (zwischen Subjekt und
unmündigem Objekt)
Vorteile Dialogischen Lernens
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Akzeptanz anderer Meinungen
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Förderung der Streitkultur
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mehr Selbstsicherheit
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Verbesserung sprachlicher Fähigkeiten
Freires Revolution
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Dialogische Beziehungen führen zu eigenen
Erkenntnissen (kritisches Denken!)
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Lehrer und Schüler gleichermaßen verantwortlich
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Revolution muss im Dialog mit den Massen
stattfinden
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radikale Veränderung des Bewusstseins der
Unterdrückten (Exmittierung des Unterdrückers)
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keine eigene Lösung aufdrängen oder für sie suchen
→ sie müssen es selbst wollen!
Freires Theorie in Anwendung bei
Flüchtlingskindern
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lateinamerikanische Masse: eindrucksvolles
Beispiel Freires' für ein weltweit verbreitetes
Phänomen
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übertragbar auf Flüchtlinge aufgrund der
ähnlichen Ausgangssituation
Kulturelle Invasion/
Kulturelle Synthese
Zum Begriff „kulturelle Invasion“:
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kulturelle Unterwerfung → kulturelle Verfälschung
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autoritäres Elternhaus/Schule als Verstärker
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unterdrückte Kinder: Indifferenz, Äußerung in
Formen zerstörerischer Aktionen
→ Entstehung von Furcht vor Freiheit
Zum Begriff „kulturelle Synthese“:
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Akteure kommen „aus einer anderen Welt“, um mit
dem Volk die Welt des Volkes kennenzulernen
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werden mit dem Volk integriert
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Form von Auseinandersetzung mit einer Kultur
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Instrument zu Überwindung der herrschenden,
entfremdenden Kultur
Stufen der kulturellen Synthese
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Befragung
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Klima der Kreativität
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gegenseitige Solidarität und gemeinsame Schaffung
von Leitlinien
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„Wiedergeburt“ in neuem Erkennen und neuem
Handeln
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Verständnis der entfremdeten Kultur führt zu Kultur,
die von Entfremdung befreit ist
→ Kulturelle Synthese leugnet nicht die
Unterschiede zweier Kulturen, sondern ist auf diese
Unterschiede gegründet; sie lehnt die Invasion des
einen durch den anderen ab und bestätigt stattdessen
die gegenseitige Unterstützung/Bereicherung.
→ Kulturelle Synthese dient den Zielen der
Organisation; Organisation dient den Zielen der
Befreiung. Diese Theorie braucht Begegnung.
Die Kultur des Schweigens bei
Flüchtlingskindern
Unterdrückte werden von Unterdrückern als
Einzelfälle/Randerscheinungen behandelt, die von
der allgemeinen Norm einer guten, organisierten und
gerechten Gesellschaft abweichen.
→ Grundlegender Fehler!
Die Unterbrechung der Kultur des
Schweigens bei Flüchtlingskindern
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verinnerlichte Vorstellungen von der eigenen
Unfähigkeit revidieren
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Sprache lernen (wichtigste Grundlage für Freiheit!)
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Kind muss sich selbst entdecken lernen als Person
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Erziehungsprinzip der „conscientizacao“
(Bewusstmachung)
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Verpflichtung des Lehrers gegenüber der Freiheit
(keine weitere Unterdrückung!)
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Zuneigung
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Vertrauen (beidseitig)
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Vereinigung/Einheit von Lehrer und Schüler
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Einigung der Unterdrückten
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Revolutionäre Aktion muss menschlich,
verständnisvoll, liebend, kommunikativ und demütig
sein, um befreiend zu wirken
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Struktur der Gesellschaft muss so verändert werden,
dass die Unterdrückten darin „Wesen für sich selbst“
sein können
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Organisieren durch Dialogisches Handeln, nicht
manipulieren!
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Organisation = erzieherischer Prozess, bei dem
Schüler und Lehrer miteinander echte Autorität und
Freiheit erfahren
Zu den Begriffen
„Autorität“ und „Freiheit“
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eins geht nicht ohne das andere
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echte Autorität durch einverständliche Zuneigung
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aufgezwungene Autorität = Autoritarismus