Terrorverdächtiger in Hessen – T Parallelen zum - ePaper

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NOCH 6 TAGE
JEAN PAUL
GAULTIER
MONTAG, 6. FEBRUAR 2017
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**
Zippert zappt
Z
KOMMENTAR
J
edes Jahr sterben mehr
Menschen bei Unfällen im
Haushalt. Das Risiko im
Haushalt, ums Leben zu kommen, ist fast dreimal so hoch
wie im Straßenverkehr. Vollkommen selbstmörderisch wäre
es, den Abwasch mit ins Auto zu
nehmen oder im Handschuhfach
Staub zu wischen. Doch wie
kann man die „Todesfalle Haushalt“ entschärfen? Eine erste
Konsequenz wäre sicher die
Helmpflicht in der Wohnung.
Wer Gardinen ungeschützt aufW
hängt oder ungesichert staubsaugt, spielt mit seinem Leben.
Experten sind der Ansicht, dass
man den Helm auch nachts
aaufbehalten sollte, denn die
Gefahr, während eines Albtraums ins Bodenlose zu stürzen, ist doch recht groß. Airbags
am Spülbecken, an der Kellertreppe und am Bügelbrett wären
sicher auch hilfreich. Aus Bayern
wurden Forderungen laut, einen
w
Waffenschein für Stehleitern
W
und eine Obergrenze für Staubwedel, Putzschwämme und
Schrubber einzuführen. Die
Grünen verlangten, Hausarbeiten auf die Straße zu verlegen,
weil es dort dreimal sicherer als
in der Wohnung ist. Martin
Schulz forderte die sofortige
Schließung des Bundeshaushalts.
THEMEN
WISSEN
Wie Kameras
Gesichter erkennen
Seite 20
POLITIK
Lafontaine fordert
Zuwanderungsdebatte
bei den Linken
Seite 5
Seite 12
FEUILLETON
„The Ring“ und wie
der Schrecken
in die Welt kam
Die Union
schmollt
Spezielle
Beziehungen
Die Queen spricht, und der USPräsident ist amused. Elizabeth II.
hat Erfahrung mit den Herren aus
dem Weißen Haus (wie hier 1983
mit Ronald Reagan). Als Kronprinzessin und Königin hat sie
bisher elf amtierende Präsidenten
getroffen. Ausgerechnet jetzt, zum
65-jährigen Thronjubiläum, kündigt
sich Donald Trump an. Großbritannien ist not amused. Seiten 7 und 8
THOMAS VITZTHUM
GETTY IMAGES/ANWAR HUSSEIN; GETTY IMAGES
E
In Deutschland wird
der Strom knapp
Viel Nebel, kaum Wind, eisige Temperaturen: Der Energiebedarf ist hoch, doch Wind- und Solaranlagen
fallen als Lieferanten weitgehend aus. Die Versorgung kann nur mit Mühe aufrechterhalten werden
A
ls am 24. Januar, an einem
Dienstag, Züge, U-Bahnen
und Fahrstühle die Menschen an den Arbeitsplatz
brachten und die Fabriken
ihre Arbeit aufnahmen, stieg Deutschlands Stromverbrauch rasch auf 83 Gigawatt. Die Windkraft an Land lieferte jedoch fast über den ganzen Tag hinweg
weniger als ein Gigawatt. In der Mittagszeit halfen ein paar Solaranlagen, die gesamte Ökostromproduktion kurz mal auf
drei Gigawatt zu hieven.
WIRTSCHAFT
Hacker nehmen
Frachtschiffe ins Visier
Nr. 31
VON DANIEL WETZEL
Mehr als 90 Prozent des deutschen
Strombedarfs dagegen wurden von Kohle-, Gas- und Atomkraftwerken gedeckt –
und das auch nur mit Ach und Krach. Die
deutschen Stromnetze standen am 24.
Januar und an vielen anderen Januartagen unter starkem Stress.
In der ersten Januarwoche und von
der Monatsmitte an stellten rund 26.000
Windkraftanlagen und mehr als 1,2 Millionen Solaranlagen ihre Arbeit für lange
Zeit ein. Verantwortlich war eine soge-
nannte Dunkelflaute: Ein für diese Jahreszeit typisches Hochdruckgebiet sorgte für Windstille und Nebel – während
zugleich der Strombedarf in Deutschland
stark anstieg, weil es ziemlich kalt war.
Erheblich verschärft wurde die Situation dadurch, dass viele konventionelle
Kraftwerke werden
ausgemustert
Die Bundesregierung hat gerade
erst die Emissionsgrenzwerte für
konventionelle Kraftwerke verschärft. Doch viele Betreiber rüsten
ihre Anlagen nicht mehr nach – sie
legen sie lieber gleich still. Zudem
werden 13 Prozent der Braunkohlekraftwerke in eine „Sicherheitsbereitschaft“ überführt – um sie
dann in einigen Jahren ganz auszumustern. Der Atomausstieg geht
währenddessen auch weiter: Ende
2017 wird das Kernkraftwerk Gundremmingen B vom Netz gehen.
Kraftwerke vom Markt verschwinden. In
den vergangenen fünf Jahren wurden
insgesamt 82 Stromerzeuger mit einer
Leistung von mehr als zwölf Gigawatt
zur Stilllegung angemeldet, weil sich ihr
Betrieb im Marktumfeld der Energiewende nicht mehr rechnet.
Die Folge: Netzbetreiber konnten im
Januar die Versorgung nur mit Mühe und
zu beträchtlichen Kosten aufrechterhalten. „Fast in allen umliegenden europäischen Ländern war die Last außerordentlich hoch und die Erzeugungssituation angespannt“, heißt es beim süddeutschen Übertragungsnetzbetreiber
TransnetBW zur Situation in den vergangenen Wochen: „Letztlich waren alle Reservekraftwerke mehrere Tage in Bereitschaft.“ Zusätzlich seien „Reserven aus
Italien angefordert“ worden.
Dass aber ausländische Reservekraftwerke Deutschland auch in Zukunft dabei helfen, eine Dunkelflaute zu überstehen, ist nicht garantiert. Die alternden
französischen Atomkraftwerke zum Beispiel sind längst keine sichere Bank
mehr. Gerade jetzt stehen viele der Anlagen wegen Sicherheitsüberprüfungen
still, was die Wirkungen der Dunkelflaute im Januar noch verstärkte. Frankreich,
früher meist Exporteur von Elektrizität,
musste plötzlich selber importieren.
„Der Januar hat deutlich gezeigt: Wir
brauchen weiterhin flexible konventionelle Kraftwerke, um die stark schwankende Stromeinspeisung aus Wind und
Fotovoltaik jederzeit ausgleichen zu
können“, warnt Stefan Kapferer, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes
der Energie- und Wasserwirtschaft
(BDEW). „Die Stromnachfrage muss bei
jeder Wetterlage gedeckt und das
Stromnetz stabil gehalten werden“, sagt
Kapferer, zu dessen Verband auch eine
Reihe großer Ökostromproduzenten gehören.
Die Architekten der Energiewende im
Bundeswirtschaftsministerium
sehen
keinen Handlungsbedarf: Der zuständige
Staatssekretär Rainer Baake erwartet,
dass das Wegbrechen der konventionellen Kraftwerke zu steigenden Strompreisen führt. Und damit werde es bald wieder genug Anreize geben, in neue Kraftwerke zu investieren. Der Markt werde
das Problem von allein lösen.
Seite 9
in Twitter-Duell beschreibt
am besten die Gefühlslage in
der Union. Martin Schulz,
Kanzlerkandidat der SPD, schrieb am
Samstag: „Mein Vater stammte aus
dem Saarland, er war dort Bergmann.
Ehrensache, dass ich die SPD hier
heute auf ihrem Parteitag besuche.
Glück auf!“ Kaum war der Tweet
raus, parierte ihn Peter Altmaier, Angela Merkels Kanzleramtschef. „Mein
Vater war auch Bergmann im Saarland, das haben wir gemeinsam. So
wie viele Kumpel hat er aus Überzeugung CDU gewählt!“
„Das gilt nicht!“, scheint vor diesen Worten zu stehen. Und „Ätsch“
dahinter. Altmaier hat mit seinem
Konter aus Schulz’ Einlassung den
Dialog zweier kleiner Jungs gemacht,
die auf dem Schulhof die Jobs ihrer
Väter vergleichen; wobei der eine
V
den anderen an den Haaren zieht,
weil der einfach schneller war. Altmaier reagiert alles andere als souverän. Die Bemerkung, dass sein Vater
natürlich CDU gewählt habe – mit
der schwer überprüfbaren und erwartbaren Bemerkung „wie viele
Kumpel“ – zeigt, dass die Union nerK
vös geworden ist.
Martin Schulz gilt vielen in CDU
und CSU als der postfaktische Politiker par excellence. Sie empören sich
darüber, aber ein Rezept dagegen haben sie noch nicht. Beinahe verzweifelt haben die Unionsgrößen in den
letzten Tagen darauf hingewiesen,
dass sich Schulz noch zu keinem innenpolitischen Thema eingelassen
habe. Das ist mehr oder minder richtig. Daraus spricht jedoch auch die
Angst, dass er es bis zur Wahl vielleicht gar nicht in der Detailliertheit
tun wird, wie es die Union gerne hätte, um sich daran abarbeiten zu können. Fakten auseinandernehmen,
Zahlen, Analysen, Programme zu zerlegen und zu zerreden, darin ist die
Union, gerade die CDU Merkels, geübt. Nicht umsonst ist sie selbst noch
schwer damit beschäftigt, sich die Inhalte für die Bundestagswahl zurechtzubasteln. Darüber vergisst sie,
dass Wahlen ja nicht nur mit guten
Inhalten gewonnen werden.
Darin, ein Gefühl zu kontern, ist
die Union schlecht. Da fällt ihr – siehe Altmaier – bisher nur ein, die Beleidigte zu spielen. Belastend kommt
der Streit zwischen CDU und CSU
hinzu. Bei zu vielen Inhalten – Rente,
Flüchtlingspolitik, Steuern – gab und
gibt man sich uneins. Das einzige Gefühl, das die Union bisher bedient
hat, war das des Ärgers, der aus Zwist
und Zerstrittenheit rührt. Kein Wunder, dass auch an bayerischen Wirtshaustischen schon vor Monaten zu
hören war: „Der Schulz, der wäre ein
Guter.“ Jetzt ist Schulz da. Und die
Union steht in der Schmollecke und
hält noch immer Friedensgipfel ab.
[email protected]
Seite 21
Danke für meine Arbeitsstelle, danke für jedes kleine Glück
PANORAMA
Die Frau mit den
Fischen im Arm
Seite 24
LOTTO:
2 – 16 – 28 – 37 – 39 – 49
Superzahl: 8
Spiel77: 3 7 2 0 3 5 2
Super6: 3 0 4 2 5 1
ohne Gewähr
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Hymne des Hyperoptimismus: Zum Tod des Kirchenlied-Dichters Martin Gotthard Schneider, der den Hit „Danke“ schrieb
W
enn wir nun die traurigste Nachricht des Wochenendes
verkünden, werden Sie im ersten Moment wahrscheinlich
recht gefasst bleiben, denn die Person, um die es geht,
dürfte Ihnen nichts sagen. Martin Gotthard Schneider ist gestorben.
Er wurde 86 Jahre alt. Aber wenn Sie jetzt denken, okay, dann ist das
Wochenende ja glimpflich gelaufen außer natürlich für Martin Gotthard Schneider, dann liegen Sie falsch. Schneider war nämlich der
Dichter und Komponist des Liedes „Danke für diesen guten Morgen“
– und wurde damit für Millionen von Konfirmanden, Religionsschülern und deren Eltern ein unvergesslicher Teil ihres Lebens. Schneiders Tod ist also eine traurige Nachricht, so traurig, dass man versucht ist, Trost in seinem Lied zu suchen, dieser Hymne des Hyperoptimismus, von der man sagen kann, sie sei unsterblich, wenn man
nicht sagen möchte, dass sie einfach nicht totzukriegen ist.
Nächte hatten es in der Musik immer leicht. „Saturday Night Fever“, „Let’s Spend The Night Together“, „Atemlos durch die Nacht“,
so geht das die ganze Zeit, wo gesoffen und gebaggert wird, sind alle
Songschreiber sofort dabei. Aber der Morgen danach, wenn sich alle
Normalsterblichen wieder mühsam ins Büro schleppen müssen, während die Rolling Stones noch im Hotel ihren Rausch ausschlafen? Der
Morgen danach hat keine Lieder. Wenn der Tagesanfang doch mal
besungen wurde, dann schlecht gelaunt, als Symbol routinierter Alltagstristesse (Beatles: „Good Morning“) oder gleich als letzte, trügerische Hoffnung, bevor man in seiner sinnlosen Einsamkeit den Verstand verliert („Morgengruß“ aus Schuberts „Schöner Müllerin“).
Dem Morgen mit Zuversicht zu begegnen, gar dankbar für ihn zu
sein, war sozusagen eine Provokation. Zumal Anfang der Sechziger,
als Martin Gotthard Schneider sein Lied schrieb, ein paar Monate vor
der Kubakrise, in einer Zeit also, in der kein Kirchenchor sicher sein
konnte, ob sich die Abendprobe überhaupt noch lohnte und die Welt
den folgenden Morgen noch erleben würde. Schneider hielt den
Ängsten des Kalten Krieges eine Art Fundamentalismus der Sorg-
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DIE WELT BERLIN-2017-02-06-swonl-86 0ab4b02ed057d27a2b285f2b60a58157
losigkeit entgegen: „Danke für diesen guten Morgen,/ danke für jeden
neuen Tag. /Danke, dass ich all meine Sorgen auf dich werfen mag.“
Eine Einstellung, mit der man auch die internationalen Krisen von
heute viel entspannter sehen würde. Was hat Margot Käßmann für
einen Ärger bekommen für ihren Satz „Nichts ist gut in Afghanistan“.
Wenn sie nur etwas mehr Schneider gesungen hätte, hätte sie bestimmt differenziert: „außer natürlich die Morgen“.
Es stimmt, dass Schneiders Lied oft verspottet worden ist. Die
Ärzte und Micky Krause haben es persifliert und brauchten dabei gar
nichts zu verändern, es war so schon komisch genug, Sätze wie „Danke für meine Arbeitsstelle“ oder der auch mit noch so viel Gottvertrauen letztlich doch zu optimistische Versuch, „Glück“ auf „Musik“
zu reimen. Aber selbst wenn die meisten oder sogar alle, die dieses
Lied hören, darüber lachen, immerhin lachen sie und weinen nicht,
das ist doch schon mal was in unserer pessimistischen Zeit.
Wie sagt man dann? Danke.
LUCAS WIEGELMANN
ISSN 0173-8437
31-6
ZKZ 7109