Finanzgruppe Deutscher Sparkassen- und Giroverband Es gilt das gesprochene Wort Rede des Präsidenten des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes Georg Fahrenschon anlässlich der Pressekonferenz „Konjunkturprognose“ am Montag, 23. Januar 2017, in Berlin Deutscher Sparkassenund Giroverband Charlottenstraße 47 10117 Berlin Meine Damen und Herren, ich begrüße Sie sehr herzlich im Sparkassenhaus. Wir wollen Ihnen heute die neue gemeinsame Prognose der Chefvolkswirte der Sparkassen-Finanzgruppe zur wirtschaftlichen Entwicklung in Deutschland vorstellen. Vor einem Jahr hatten wir dieses Format erstmalig eingeführt. Und damals hatten wir für 2016 ein Wachstum von 1,8 Prozent in Aussicht gestellt. Tatsächlich sind es, wie vom Statistischen Bundesamt vor wenigen Tagen in der Schnellschätzung bekannt gegeben wurde, 1,9 Prozent im alten Jahr geworden. Wir haben also fast genau eine Punktlandung hingelegt. Und auch die Story, die wir vor einem Jahr vermittelt haben, hat sich bewahrheitet: Das Wachstum war ausschließlich von der Binnennachfrage getragen. Die deutsche Wirtschaft hat mit dieser guten Performance vielen überraschenden Einschlägen getrotzt. Die Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten hat den Anstieg der Stimmung bei den deutschen Unternehmen zumindest in der ersten Reaktion nicht bremsen können. Und auch davor hat weder die Entscheidung der Briten, die EU verlassen zu wollen, noch die Häufung von Terroranschlägen in vielen Ländern und auch in Deutschland große Spuren hinterlassen. Die Finanzmärkte waren allenfalls kurz irritiert. Die wirtschaftliche Expansion wurde noch nicht nachhaltig beschädigt. Auf diese Risiken werden wir noch zurückkommen. Lassen Sie mich aber zunächst die Hintergründe und einige Highlights der Prognose für das neue Jahr vorstellen. Mitgewirkt haben dabei wieder acht Chefvolkswirte aus Landesbanken, der DekaBank und aus großen Sparkassen. Wir haben deren Input wiederum zu einem gemeinsamen Szenario verdichtet, das wir Ihnen heute vorstellen möchten. Daneben bleiben freilich die im Markt etablierten Voten der einzelnen Häuser für diese gültig. Aber der hier präsentierte gemeinsame Nenner wird von den Chefvolkswirten in den qualitativen Aussagen so gemeinsam getragen. Über die Annahmen hinsichtlich der zu unterstellenden Geldpolitik, der Wechselkurse und Rohölpreise bestand dabei weitgehende Einigkeit. 2017 startet durchaus mit Rückenwind. Auf globaler Ebene gibt es viele Anzeichen dafür, dass sich die Erholung fortsetzt. Der IWF geht ganz aktuell von 3,4 Prozent Produktionswachstum der Weltwirtschaft und immerhin 3,8 Prozent Zuwachs des Welthandels aus. Im Vergleich zum Vorjahr stellt sich die Lage bei den Schwellenländern stabiler dar. Doch es ist weiterhin Vorsicht geboten, da Schwellenländer mit hoher Auslandsverschuldung jetzt besonders anfällig sind. Währungsturbulenzen haben sich in den vergangenen Wochen schon in recht dramatischer Weise bei der türkischen Lira gezeigt – natürlich nicht nur von Wirtschaftslage und Zins ausgelöst, sondern maßgeblich vom dortigen politischen Kurs. Auch hinsichtlich der chinesischen Wirtschaft bleiben durchaus einige Fragezeichen bestehen. Die immer noch sehr hohen, aber im vergangenen Jahr um rund ein Viertel abgeschmolzenen Devisenreserven Chinas (von ca. vier auf drei Billionen USDollar im Bestand) spiegeln kritische Kapitalabflüsse wider. 2 Der Druck auf die Schwellenländer könnte sich noch erhöhen, wenn die US-Zinsen weiter steigen. In den USA erwarten die Chefvolkswirte zwei Leitzinsanhebungsschritte der Federal Reserve im Jahresverlauf. Dafür gibt es gute Gründe. Die Situation ist in den USA am weitesten fortgeschritten. Doch auch international zeigte die Preisentwicklung zuletzt ein neues Gesicht, auch in unserem Währungsraum. Die Jahresrate der Verbraucherpreise sprang in Deutschland im Dezember auf 1,7 Prozent. Auch Länder wie Österreich und Belgien haben hohe Raten 1. Im Euroraum insgesamt verdoppelte sich die Rate im Dezember fast auf immerhin 1,1 Prozent. Der jüngst erlebte Anstieg der Inflation in Deutschland und im Euro-Raum ist zwar vorwiegend noch von Basiseffekten der Ölpreiskapriolen überzeichnet. Doch dürften damit Deflationsängste, die ohnehin zu keinem Zeitpunkt wirklich berechtigt waren, nun endgültig vom Tisch sein. Dies stellt die Fortführung der ultralockeren Geldpolitik der EZB immer mehr in Frage. Die Notwendigkeit für die derzeitige Geldpolitik nimmt stetig ab und zeitgleich steigen die Nachteile für die Sparer. Als Nettogläubiger leiden die deutschen Sparer besonders unter der Niedrigzinspolitik. Im Durchschnitt der Jahre 2010 bis 2015 mussten sie jährlich bereits Einkommenseinbußen aufgrund gesunkener Zinserträge von rund acht Milliarden Euro verschmerzen. Trotzdem wird die EZB ihr Ankaufprogramm bis Ende 2017 durchziehen. Davon gehen jedenfalls unsere Chefvolkswirte fest aus. Gegen schnelle Kursanpassungen der Geldpolitik im Euroraum bestehen also – leider – schon erhebliche Vorfestlegungen. Gleichzeitig stehen 2017 erneut große Unwägbarkeiten auf der Liste. Die Problematik der noch immer schwer einzuschätzenden Politik des neuen US-Präsidenten ist in aller Munde. Aber auch die Frage, wie sich die Implementierung des Brexit gestaltet und welche Implikationen sie haben wird, wird uns noch lange beschäftigen. Zudem stehen in Europa wichtige Wahlen an, u. a. in den Niederlanden, Frankreich und nicht zuletzt im September in Deutschland. In Anbetracht der Ergebnisse aus dem vergangenen Jahr kann man auch hier Überraschungen nicht ausschließen. Diese könnten gravierende Auswirkungen auf den weiteren Zusammenhalt in Europa haben.In unseren Prognosen gehen wir aber davon aus, dass sich trotz des zunehmenden Populismus der gesunde Menschenverstand durchsetzt. Wir unterstellen, dass die im Detail sicherlich zu kritisierende Europäische Union und die Währungsunion Bestand haben. Die politischen Entscheidungsträger sollten jedoch den Vertrauensverlust von Wählern in die Union, der derzeit in vielen Ländern zu vernehmen ist, nicht auf die leichte Schulter nehmen. Ich merke hier nur an: Eine nachhaltige EU ist nicht gleichzusetzen mit zunehmendem Einfluss einer zentralisierten Union oder gar neu eingeführten EU-Institutionen. Lassen Sie mich nun zum Kern der gemeinsamen Prognose kommen. Im Ergebnis liegt unsere BIP-Vorhersage für 2017 bei 1,3 Prozent. Das wäre das vierte Jahr des derzeitigen 1 Dezember-Inflationsraten (HVPI) Belgien 2,2 Prozent, Österreich 1,6 Prozent; Spanien leicht über Schnitt mit 1,4 Prozent; unterproportional sind dagegen Frankreich mit 0,8 Prozent und Italien mit 0,5 Prozent. 3 Aufschwungszyklus. Und das Wachstum läge erneut über dem Durchschnitt der vergangenen zehn Jahre. Der vermeintliche Verlust an konjunktureller Dynamik ist 2017 auch gar nicht so stark, wie es gegenüber der 1,9 aus dem Vorjahr aussieht. Denken Sie nur an die unterschiedliche Zahl von Arbeitstagen in den beiden Jahren 2. Wir prognostizieren hier die um Kalendereffekte unbereinigte Zahl. Gedanklich müsste man zu den 1,3 Prozent einen Ausgleich von rund 0,3 Prozentpunkten für die geringere Zahl von 2017 zur Verfügung stehenden Arbeitstagen zuschlagen, um einen bereinigten, eigentlichen konjunkturellen Trend zu beschreiben. 2017 wäre in diesem Tempo von eigentlich 1,6 Prozent also erneut von einem guten Konjunkturjahr zu sprechen. Kalenderbereinigt liegen wir erneut über dem Potenzialwachstum. Meine Damen und Herren, ich danke Ihnen zunächst für Ihre Aufmerksamkeit. Für die Vorstellung der Details der gemeinsamen Prognose übergebe ich das Wort an Herrn Dr. Michels. Er wird das vorgestellte gute Konjunkturszenario auch auf die bestehenden Risiken abklopfen. 2 Insgesamt sind in den meisten Bundesländern drei Arbeitstage Unterschied zwischen 2016 und 2017, durch die Lage von Feiertagen nicht an Wochenenden und durch den 2017 im Luther-Jahr einmalig bundeseinheitlich begangenen Reformationstag. 4
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