Bioinformatiker errechnen die Zahl theoretisch möglich

URL: http://www.uni-jena.de/Forschungsmeldungen/FM170127_Fibonacci.pdf
Vielfalt natürlicher Fettsäuren folgt dem "Goldenen Schnitt"
Bioinformatiker errechnen die Zahl theoretisch möglicher Fettsäuren
anhand der sogenannten Fibonacci-Zahlenfolge
Foto: Jan-Peter Kasper
Mathematik im Romanesco. Seine spiralartige Struktur basiert auf der Fibonacci-Zahlenfolge, die in
architektonischen Meisterwerken aber auch in der Natur häufig zu finden ist.
Bioinformatiker der Friedrich-Schiller-Universität Jena haben herausgefunden, dass sich die
Zahl theoretisch möglicher Fettsäuren mit gleicher Kettenlänge, aber unterschiedlicher
Struktur anhand der berühmten Fibonacci-Zahlenfolge ermitteln lässt. Wie sie in den
"Scientific Reports" berichten, nimmt die Zahl möglicher Fettsäure-Strukturen mit
steigender Kettenlänge jeweils ungefähr um den Faktor 1,618 zu und folgt damit dem
sogenannten "Goldenen Schnitt". Die Zahl möglicher Fettsäuren berechnen zu können, ist
Vielfalt natürlicher Fettsäuren folgt dem "Goldenen Schnitt"
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für deren chemische Analytik ("Lipidomics") von großer Bedeutung. Auch in der
synthetischen Biologie und für andere Anwendungen lässt sich diese Erkenntnis nutzen.
Mild im Geschmack und ernährungsphysiologisch wertvoll: Das hellgelbe, aus
Sonnenblumenkernen gepresste Pflanzenöl ist vielseitig einsetzbar und überaus gesund, enthält
es doch einen großen Anteil ungesättigter Fettsäuren. So werden Fettsäuren bezeichnet, deren
Kohlenwasserstoffketten eine oder mehrere Doppelbindungen enthalten. "Da die Doppelbindungen
an verschiedenen Stellen im Molekül auftreten können, kommen Fettsäuren mit gleicher
Kettenlänge, aber unterschiedlicher Struktur vor", erläutert Prof. Dr. Stefan Schuster von der
Friedrich-Schiller-Universität Jena. Den Inhaber des Lehrstuhls für Bioinformatik und sein Team
treibt die Frage um, ob und wie sich die Zahl sämtlicher Strukturformeln von Fettsäuren bei einer
gegebenen Kettenlänge berechnen lässt, um diese Größe für analytische Verfahren nutzen zu
können.
Und dabei haben die Jenaer Forscher kürzlich eine interessante Entdeckung gemacht. Sie konnten
nicht nur belegen, dass sich die Anzahl der in der Natur vorkommenden Fettsäuren mit steigender
Kettenlänge elegant prognostizieren lässt. In den renommierten "Scientific Reports" zeigen sie jetzt
zudem, dass diese Zahl der berühmten Fibonacci-Zahlenfolge gehorcht (DOI: 10.1038/srep39821).
Bei dieser nach dem italienischen Mathematiker Fibonacci (um 1170 bis 1240) benannten Folge
ergibt sich jede Zahl aus der Summe ihrer beiden Vorgänger: 1, 1, 2, 3, 5, 8, 13, 21 usw. "Im Falle
der Fettsäuren heißt das, dass die Zahl möglicher Fettsäure-Strukturen mit jedem Kohlenstoffatom
um jeweils ungefähr den Faktor 1,618… ansteigt", führt Schuster aus. Je länger die Kette, umso
exakter nähert sich die Folge diesem Faktor an. Während für Kettenlängen von einem bzw. zwei
Kohlenstoffatomen jeweils nur eine Struktur möglich ist, wächst die Zahl bei drei und mehr
Kohlenstoffatomen auf zwei, drei, fünf usw. an. "Bei sechs haben wir bereits acht Möglichkeiten,
bei sieben Kohlenstoffatomen dreizehn mögliche Strukturen und so weiter."
Der "Goldene Schnitt" in Blüten, Schneckenhäusern und im Menschen
Der Faktor 1,618… beschreibt dabei ein Größenverhältnis, das in der Natur, aber auch in der
Kunst als "Goldener Schnitt" bekannt ist. Zu finden ist dieser etwa in architektonischen
Meisterwerken, wie dem alten Rathaus in Leipzig, aber auch in Blüten, Schneckenhäusern und
sogar im menschlichen Körper. Verhalten sich die Größen von Gebäudeteilen, Pflanzen- oder
Körperproportionen etwa im Verhältnis von 1,618 zueinander, so empfindet das menschliche Auge
diese als besonders ausgewogen und "stimmig".
"Auch die Blätter vieler Pflanzen oder die Samen der Sonnenblume sind nach dieser Regel
angeordnet", führt Prof. Dr. Severin Sasso vom Institut für Allgemeine Botanik und
Pflanzenphysiologie der Uni Jena aus. Der Juniorprofessor für Molekulare Botanik gehört neben
Doktorand Maximilian Fichtner zu den Autoren der aktuellen Publikation. "Es ist interessant, dass
auch bestimmte Inhaltsstoffe der Sonnenblume - die Fettsäuren - diesem Prinzip folgen."
Allerdings kommen bei weitem nicht alle möglichen Fettsäuren im Sonnenblumenöl vor. Dieses
besteht zum überwiegenden Teil aus Fettsäuren mit einer Kettenlänge von 16 bzw. 18
Kohlenstoffatomen. Nach der Berechnung der Jenaer Bioinformatiker könnten diese theoretisch in
knapp 1.000 bzw. über 2.500 verschiedenen Varianten vorliegen. "Ähnliche Zusammenhänge
gelten auch für bestimmte Klassen von Aminosäuren", ergänzt Maximilian Fichtner.
Anwenden lassen sich die Ergebnisse zur Fibonacci-Folge in Fettsäuren vor allem im Bereich der
Lipidomik - der umfassenden Analyse sämtlicher Fette einer Zelle oder eines Organismus. "Dafür
ist eine genaue Kenntnis dessen, was an Substanzen theoretisch vorkommen kann, unerlässlich",
betont Prof. Schuster. Mit Hilfe der Lipidomik werden die Stoffwechselprozesse und Interaktionen
mit anderen Zellsubstanzen untersucht, an denen Fette und ihre Bestandteile beteiligt sind.
Bioinformatiker errechnen die Zahl theoretisch möglicher Fettsäurenanhand der sogenannten Fibonacci-Zahlenfolge
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Original-Publikation:
Schuster S et al. Use of Fibonacci numbers in lipidomics - enumerating various classes of fatty
acids. Scientific Reports 7 (2017) 39821, DOI: 10.1038/srep39821.
Kontakt:
Prof. Dr. Stefan Schuster
Lehrstuhl für Bioinformatik der Friedrich-Schiller-Universität Jena
Ernst-Abbe-Platz 2, 07743 Jena
Tel.: 03641 / 949580
E-Mail: [email protected]
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